Urteil des ArbG Solingen vom 26.08.2008

ArbG Solingen: eintritt des versicherungsfalles, eintritt des versicherungsfalls, pensionierung, juristische person, krankengeld, avb, beendigung, arbeitsgericht, rechtshängigkeit, zusatzrente

Arbeitsgericht Solingen, 2 Ca 604/08 lev
Datum:
26.08.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Solingen
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 Ca 604/08 lev
Schlagworte:
ohne
Normen:
ohne
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
kein Leitsatz vorhanden
Tenor:
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger
auferlegt.
3.Der Streitwert wird auf 4.607,75 € festgesetzt.
T a t b e s t a n d:
1
Die Parteien streiten darüber, ab welchem Zeitpunkt die Beklagten an den Kläger
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu erbringen haben.
2
Der am 02.10.1953 geborene Kläger war seit dem 01.10.1985 bei der Beklagten zu 2.
bzw. deren Rechtsvorgängerin als Elektroingenieur beschäftigt. Der Kläger ist
ordentliches Mitglied der C.-Pensionskasse VVaG, des Beklagten zu 2. In den
allgemeinen Versicherungsbedingungen (im Folgenden: AVB) des Beklagten zu 2 heißt
es wie folgt:
3
„§ 5
4
4.Die Rentenleistungen werden in Euro monatlich nachträglich unbar
5
erbracht.
6
Sie beginnen nach Eintritt des Versicherungsfalles.
7
- für ordentliche Mitglieder mit dem Tag nach Beendigung des
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Arbeitsverhält nisses bzw. mit Beginn der vorübergehenden
9
Pensionierung durch die Firma
10
- in allen übrigen Fällen mit dem ersten Tag des Monats, in dem der
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Rentenantrag bei der Kasse eingeht,
12
frühestens jedoch im Anschluss an die letzten laufenden Bezüge aus dem
Arbeitsverhältnis.
13
Sie enden mit Ablauf des Monats, in dem die oder der Berechtigte stirbt oder eine
der Leistungsvoraussetzungen entfällt.“
14
Der Kläger war seit längerer Zeit arbeitsunfähig erkrankt und bezog zuletzt Krankengeld.
Unter dem 28.03.2007 beantragte der Kläger eine Rente wegen voller
Erwerbsminderung, die die Deutsche Rentenversicherung - Bund mit Bescheid vom
19.10.2007 rückwirkend zum 01.03.2007 bewilligte (vgl. Bl. 5 d.A.).
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Der Kläger beantragte daraufhin bei dem Beklagten zu 2, die Betriebsrente ab dem
01.03.2007 zu zahlen. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2. teilte dem Kläger
daraufhin mit Schreiben vom 29.11.2007 mit, er werde absprachegemäß ab dem
01.10.2007 endgültig pensioniert (vgl. Anlage B 2, Bl. 21 d.A.). Mit Schreiben vom
21.12.2007 erklärte sie dem Kläger, ihm stehe ab dem 01.10.2007 für die Dauer des
Bezugs der Rente wegen voller Erwerbsminderung eine Betriebsrente von 658,25 Euro
monatlich zu (vgl. Anlage B 2., Bl. 19 f. d.A.). Dieser Gesamtbetrag setzt sich aus einer
von dem Beklagten zu 2 zu zahlenden Rente in Höhe von 620,94 Euro sowie einer
Firmenrente aus Entgeltumwandlung in Höhe von 23,08 Euro und einer Zusatzrente in
Höhe von 14,23 Euro zusammen; Schuldnerin der Firmenrente aus Entgeltumwandlung
und der Zusatzrente, mithin eines Betrags von monatlich 37,31 Euro, ist die Beklagte zu
2..
16
Mit vorliegender Klage, beim Arbeitsgericht Solingen eingegangen am 17.04.2008,
verlangt der Kläger von den Beklagten Zahlung der Betriebsrente von monatlich 658,25
Euro brutto für die Monate März bis September 2007, also von insgesamt 4.607,75 Euro
brutto.
17
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagten seien verpflichtet, die Betriebsrente auch für
den Zeitraum März bis September 2007 zu zahlen, da der Versicherungsfall bereits zum
01.03.2007 eingetreten sei. Seine Pensionierung zum 01.10.2007 sei nicht
einvernehmlich erfolgt; vielmehr habe er schon im Oktober 2007 darauf hingewiesen,
dass er eine Pensionierung zum 01.03.2007 wünsche. Die Beklagten seien nicht
berechtigt, den Tatbestand der betrieblichen Pensionierung einseitig und in
Abweichung zum Beginn der gesetzlichen Rente festzulegen. Der Beginn der
gesetzlichen Rente wegen voller Erwerbsminderung sei allgemein verbindlich. Damit
stehe fest, dass sein Arbeitsverhältnis bereits mit Eintritt des Versicherungsfalles zum
01.03.2007 faktisch beendet gewesen sei. Der formellen „endgültigen Pensionierung“
durch die Beklagten, wie mit Schreiben vom 29.11.2007 mitgeteilt, habe es nicht bedurft.
Die Beklagten hätten einseitig und daher willkürlich das Ende des Arbeitsverhältnisses
auf den 30.09.2007 festgelegt.
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Der Kläger beantragt,
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1.die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an den Kläger 261,17 Euro brutto nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
zahlen.
20
2.den Beklagten zu 2 zu verurteilen, an den Kläger 4.346,58 Euro brutto nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
21
Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
23
Sie sind der Auffassung, für die Gewährung der betrieblichen Versorgungsleistungen
seien die AVB ausschlaggebend. Die gesetzlich geregelte Rückwirkung der
Rentengewährung sei ausschließlich auf die gesetzlichen Renten anwendbar. Der
Arbeitgeber sei frei, Regelungen für betriebliche Versorgungsleistungen abweichend
von den gesetzlichen Regelungen zu gestalten. Die Anspruchsvoraussetzungen für
Rentenleistungen seien in § 5 Abs. 4 der AVB abschließend geregelt. Das
Arbeitsverhältnis mit dem Kläger habe bis zum 30.09.2007 bestanden. Bis zu diesem
Zeitpunkt habe er Krankengeld bezogen. Da der Kläger ordentliches Mitglied der
Pensionskasse sei, hätten die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4, 2.. Alt. AVB erst ab dem
01.10.2007 vorgelegen.
24
Sie, die Beklagten, hätten das Ende des Arbeitsverhältnisses nicht einseitig festgelegt.
Mit dem Kläger sei abgesprochen worden, ihn zum 01.10.2007 endgültig zu
pensionieren. Auf andere Art und Weise sei es nicht möglich gewesen, die Zahlung der
Pensionsleistungen ab dem 01.10.2007 aufzunehmen. Die Zahlung von
Pensionskassenleistungen und das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses schlössen
sich gegenseitig aus. Es sei arbeitsrechtlich nicht möglich, das Arbeitsverhältnis
rückwirkend zu beenden; auch sähen die AVB ein solches Vorgehen nicht vor.
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Der Kläger habe im Übrigen im Zeitraum von März bis September 2007 Krankengeld
bezogen und sei so abgesichert gewesen. Dass das gezahlte Krankengeld später
gegen die Rentenleistungen verrechnet worden sei, ändere an der sozialen
Absicherung nichts.
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Die Voraussetzungen einer „vorübergehenden Pensionierung“ - dem einzigen Fall, in
dem Pensionskassenleistungen auch während eines noch bestehenden
Arbeitsverhältnisses gezahlt würden - hätten nicht vorgelegen, denn das Verfahren der
Bewilligung der Erwerbsminderungsrente sei noch während des Krankengeldbezugs
abgeschlossen worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die Protokolle der
öffentlichen Sitzungen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
29
I.
30
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
31
Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Zahlung der geltend
gemachten Betriebsrentenleistungen zu. Denn der Kläger kann erst seit dem 01.10.2007
von der Beklagten die Zahlung der Betriebsrente verlangen.
32
1.
33
Aus der Versorgungszusage des Arbeitgebers ergibt sich, wann die von ihm
geschuldeten Rentenleistungen fällig werden. Dabei ist der Versorgungsfall bzw.
Versicherungsfall im Sinne der betrieblichen Altersversorgung derjenige Tatbestand, für
den die Versorgung zugesagt worden ist. Er tritt ein mit der Erfüllung aller
Leistungsvoraussetzungen. Der Versicherungsfall des Sozialversicherungsrechts ist
dabei von dem betrieblichen Versorgungsfall zu trennen (so ausdrücklich BAG, Urteil
vom 05.06.1984 - 3 AZR 376/82 - AP Nr. 3 zu § 2. BetrAVG Invaliditätsrente).
34
Eine betriebliche Versorgungszusage kann den Versorgungsfall der vollen
Erwerbsminderung von zusätzlichen, zu der Erwerbsminderung hinzutretenden
Voraussetzungen abhängig machen. Es ist Sache der Vertrags- oder Betriebspartner,
den Versorgungsfall in der Versorgungsordnung zu beschreiben und die Bedingungen
festzulegen, bei deren Erfüllung die Anwartschaft zum Vollrecht erstarken, d.h. der
Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung entstehen soll (BAG, Urteil
vom 05.06.1984 - 3 AZR 376/82 - AP Nr. 3 zu § 2. BetrAVG Invaliditätsrente; BAG, Urteil
vom 06.06.1989 - 3 AZR 401/87 - AP Nr. 8 zu § 2. BetrAVG Invaliditätsrente). Hieraus
folgt zugleich, dass die Vertrags- oder Betriebspartner nicht gehalten sind, sich den
Regeln der gesetzlichen Sozialversicherung anzuschließen und für die betriebliche
Versorgung gleiche oder entsprechende Regeln aufzustellen (BAG, Urteil vom
05.06.1984 - 3 AZR 376/82 - AP Nr. 3 zu § 2. BetrAVG Invaliditätsrente; BAG, Urteil vom
06.06.1989 - 3 AZR 401/87 - AP Nr. 8 zu § 2. BetrAVG Invaliditätsrente; BAG, Urteil vom
15.06.2004 - 3 AZR 403/03 - juris).
35
2.
36
Nach diesen Grundsätzen ist der Versicherungsfall erst zum 01.10.2007 eingetreten.
Nach § 5 Abs. 4, 2.. Alt. der AVB beginnen die Rentenleistungen „nach Eintritt des
Versicherungsfalls für ordentliche Mitglieder mit dem Tag nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses bzw. mit Beginn der vorübergehenden Pensionierung durch die
Firma“. Der Versicherungsfall, d.h. die volle Erwerbsminderung, ist zwar bereits zum
01.03.2007 eingetreten. Die weitere Voraussetzung der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses ist jedoch erst zum 01.10.2007 durch die Pensionierung des
Klägers erfüllt worden.
37
a)
38
Entgegen der Auffassung des Klägers ist für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses
nicht abzustellen auf den Eintritt der vollen Erwerbsminderung, den die Deutsche
Rentenversicherung - Bund auf den 01.03.2007 festgesetzt hat. Hierauf kommt es nicht
an. Weder die Unfähigkeit des Klägers, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten
nachzukommen, noch die Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung
beendeten automatisch das Arbeitsverhältnis.
39
b)
40
Die Beklagte zu 1 war nicht verpflichtet, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu einem
früheren Zeitpunkt zu beenden. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann nicht
angenommen werden, der Versicherungsfall sei schon im März 2007 eingetreten.
Zutreffend weisen die Beklagte darauf hin, dass es arbeitsrechtlich grundsätzlich nicht
möglich ist, ein Arbeitsverhältnis rückwirkend zu einem früheren Zeitpunkt zu beenden.
41
Dieses Ergebnis ist auch nicht unbillig. Durch die Regelung, dass betriebliche Renten
wegen Erwerbsminderung erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen
sind, wird sichergestellt, dass für die Arbeitnehmer nicht gleichzeitig Ansprüche auf
Arbeitsvergütung und Ruhegeld erwachsen können. Wenn der Kläger darauf verweist,
dass er gegen die Beklagte keine Vergütungsansprüche mehr gehabt habe, sondern
seit längerer Zeit nur noch Krankengeld beanspruchen konnte, so ändert dies nichts an
der Beurteilung. Wird ein Arbeitnehmer infolge Krankheit arbeitsunfähig, so erhält er
Krankengeld, wenn die Ansprüche auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber
erschöpft sind (§ 44 Abs. 2. Satz 2., § 49 Abs. 2. Nr. 2. SGB V). Das Krankengeld hat
dabei Lohnersatzfunktion (vgl. BAG, Urteil vom 05.06.1984 - 3 AZR 376/82 - AP Nr. 3 zu
§ 2. BetrAVG Invaliditätsrente).
42
II.
43
Der Kläger hat als unterlegene Partei gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 ZPO die
Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
44
III.
45
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 2. ArbGG i.V.m. §§ 3, 5 ZPO.
46
Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
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B e r u f u n g
49
eingelegt werden.
50
Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
51
Die Berufung muss
52
innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
53
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
0211 7770 2199 eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
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Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
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1.Rechtsanwälte,
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2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder
Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer
der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser
Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit
vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
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Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
60
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Wendling
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