Urteil des ArbG Solingen vom 29.10.2010
ArbG Solingen (kläger, tätigkeit, beratung, anlage, juristische person, abgrenzung zu, bag, einleitung, unterstützung, zusammenarbeit)
Arbeitsgericht Solingen, 4 Ca 506/10 lev
Datum:
29.10.2010
Gericht:
Arbeitsgericht Solingen
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 Ca 506/10 lev
Schlagworte:
ohne
Normen:
ohne
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
kein Leitsatz vorhanden
Tenor:
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3.Der Streitwert wird auf € 1.687,32 festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
2
Der am 27.09.1952 geborene Kläger ist als ausgebildeter Diplom-Sozialpädagoge bei
der Beklagten seit dem 01.10.1983 zu einem Bruttomonatsverdienst in Höhe von zuletzt
3.528,69 € beschäftigt. Er ist seit vielen Jahren mit Aufgaben der Jugendhilfe betraut,
insbesondere mit der sozialpädagogischen Begleitung bei Maßnahmen zur
Überprüfung von Fällen bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII und der
Durchführung und Begleitung der erforderlichen Hilfen gemäß § 1666 BGB. Auf das
Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme die Vorschriften des
Bundesangestelltentarifvertrages vom 23. Februar 1961 (BAT) und den diesen
ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der
Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände jeweils geltenden Fassung
Anwendung.
3
Gemäß Änderungstarifvertrag Nr. 6 vom 27.07.2009 zum Tarifvertrag für den öffentlichen
Dienst (TVöD) richtet sich die Eingruppierung der Beschäftigten im Sozial- und
Erziehungsdienst ab dem 01.11.2009 nach den Merkmalen des Anhangs zur Anlage C
(VKA) zum TVöD, welcher, soweit streiterheblich, folgende Regelungen beinhaltet:
4
„S 11
5
Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpäda-gogen mit
6
staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte,
die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende
Tätigkeiten ausüben.
(Hierzu Protokollerklärung Nr. 1)
7
[…]
8
S 14
9
Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpäda-gogen mit
staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit, die Entscheidungen zur
Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls tref-fen und in Zusammenarbeit mit
dem Familiengericht bzw. Vormund-schaftsgericht Maßnahmen einleiten, welche zur
Gefahrenabwehr erfor-derlich sind, oder mit gleichwertigen Tätigkeiten, die für die
Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit psychischen
Krank-heiten erforderlich sind /z. B. Sozialpsychiatrischer Dienst der örtlichen Stellen
der Städte, Gemeinden und Landkreise).
10
(Hierzu Protokollerklärung Nr. 12)“
11
Die monatliche Vergütungsdifferenz zwischen dem Vergleichsentgelt bei der
vorgenommenen und der vom Kläger begehrten Eingruppierung betrug bis 31.12.2009
46,31 € brutto und ab Januar 2010 aufgrund der zwischenzeitlichen Tariflohnerhöhung
46,87 € brutto.
12
Mit Schreiben vom 16.11.2009 (Anlage K3, Blatt 16 der Akte) teilte die Beklagte dem
Kläger mit, dass er nach der Überleitung in den Tarifvertrag für den Sozial- und
Erziehungsdienst nach der Entgeltgruppe S 11, Endstufe 6+ vergütet werde.
13
Daraufhin forderte der Klägervertreter die Beklagte mit Schreiben vom 03.02.2010 auf,
den Kläger ab dem 01.11.2009 in die Entgeltgruppe S 14 einzugruppieren.
14
Unter dem 08.07.2010 (Blatt 55 f. der Akte) teilte die Beklagte dem Kläger folgenden neu
gefassten Dienstverteilungsplan/Arbeitsplatzbeschreibung für seinen Aufgabenbereich
sowie das Ergebnis der von ihr vorgenommen Bewertungsüberprüfung mit, wonach die
von ihr vorgenommene Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 11 zutreffend sei:
15
Ziffer:
16
Tätigkeitsbeschreibung:
17
Zeitanteile in %
18
5.1
19
...
20
5.2
21
Beratungsleistungen:
22
?Beratung und Unterstützung von Eltern, Kindern und Jugendlichen in
23
-Fragen und Problemstellungen die Erziehung betreffend gem. § 16 SGB VIII
24
-Angelegenheiten bei Trennung und Scheidung zur Regelung der
Lebensverhältnisse gem. § 17 SGB VIII
25
-sowie Beratung einzelner Elternteile u.a. bei Umgangsvereinbarungen gem. §
18 SGB VIII
26
20 %
27
5.3
28
Gerichtshilfen:
29
?Mitwirkung / Beteiligung in familiengerichtlichen Verfahren gemäß § 50 SGB VIII i.
V. m. FamFG, (gutachterliche Berichterstattung für das Gericht, Stellungnahmen in
mündlicher und oder schriftlicher Form)
30
?Mitwirkung in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz gemäß § 52 SGB VIII
31
6 %
32
6 %
33
5.4
34
Schutzauftrag: Prüfung und Beratung/Unterstützung
35
?Überprüfung von Familiensituationen zur Wahrnehmung des Schutzauftrages
(individuelle Garantenpflicht) gem. § 8a SGB VIII auf der Grundlage anerkannter
Verfahrensstandards und unter Berücksichtigung der Dienstanweisung zum Schutz
bei Kindeswohlgefährdung in seiner gültigen Fassung
36
?Beratung, Hilfe und Unterstützung für gefährdete Kinder und Jugendliche ohne
Zustimmung der Personensorgeberechtigten
37
?Beratung, Hilfe und Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und Eltern in
Konflikt- und Krisensituationen
38
15 %
39
7 %
40
10 %
41
5.5
42
Schutzauftrag: Entscheidung und Einleitung von Maßnahmen in Zusammenarbeit mit
43
dem Familien- oder Vormundschaftsgericht
?Einleitung, Durchführung und Begleitung von Inobhutnahmen / Herausnahmen
zum Schutz von Kindern und Jugendlichen gemäß § 42 SGB VIII. Einleitung,
Begleitung und Planung einzelfallbezogener Hilfe- / Schutzkonzepte
44
?Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten gemäß § 8a SGB VIII und §
1666 BGB, Berichterstattung vor dem Familiengericht, Stellungnahmen in
mündlicher/schriftlicher Form
45
5 %
46
10 %
47
5.6-5.8
48
…
49
Mit seiner am 19.03.2010 beim Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage begehrt
der Kläger zuletzt die Feststellung, dass er in die Entgeltgruppe S 14 einzugruppieren
sei sowie die Zahlung der Entgeltdifferenz für den Zeitraum vom 01.11.2009 bis
31.03.2010 in Höhe von 517,-- € brutto.
50
Er ist der Auffassung, seine Tätigkeit erfülle die Merkmale der Entgeltgruppe S 14 des
Anhangs zu der Anlage C (VKA), sodass die Beklagte verpflichtet sei, ihn ab dem
01.11.2009 entsprechend zu vergüten.
51
Es sei unzutreffend, dass Voraussetzung für die begehrte Eingruppierung sei, dass
mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfielen, die für sich genommen die
Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe S 14 erfüllten. Vielmehr
komme es auf dieses quantitative Merkmal nicht mehr an, da in § 17 Abs. 1 TVÜ-VKA
geregelt sei, dass nur bis zum Inkrafttreten der Eingruppierungsvorschriften des TVöD
die §§ 22 ff. des BAT gelten, durch Einführung der neuen Entgelttabelle S die
Verweisung auf die Vorschriften des BAT nicht mehr zur Anwendung komme.
52
Ferner müsse der ganzheitliche Ansatz der Tätigkeiten des Klägers berücksichtigt
werden, sodass die Tätigkeiten nicht getrennt, sondern in einem größeren
Zusammenhang gesehen werden müssten.
53
Der Kläger ist zudem der Ansicht, bei den Tätigkeitsmerkmalen des S 14 handele es
sich um ein aufbauendes Heraushebungsmerkmal, sodass die betreffenden
Arbeitsvorgänge nicht in einem Umfang von mindestens 50 %, sondern nur in einem
rechtserheblichen Ausmaß anfallen müssen.
54
Der Kläger beantragt zuletzt,
55
1.festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger nach der
Entgeltgruppe S 14 der Anlagentabelle TVöD VKA Beschäftigte im Sozial- und
Erziehungsdienst - Tarifgebiet West - einzugruppieren;
56
2.die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von € 517,00 brutto nebst
57
Zinsen aus jeweils € 47,00 brutto seit dem 01.12.2009, 01.01., 01.02., 01.03.,
01.04., 01.05., 01.06., 01.07., 01.08., 01.09. und 01.10.2010 zu zahlen.
Die beklagte Stadt beantragt,
58
die Klage abzuweisen.
59
Sie ist der Auffassung, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen der Entgeltgruppe S
14 unter Einschluss der darin vorgesehenen Qualifizierung in dem erforderlichen
zeitlichen Umfang.
60
Maßgebend für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 14 sei, dass gemäß § 22
Abs. 2 Unterabschnitt. 2 BAT i.V.m. § 17 Abs. 1 TVÜ-VKA mindestens zur Hälfte
Arbeitsvorgänge anfallen müssen, welche Entscheidungen zur Vermeidung der
Gefährdung des Kindeswohls zum Inhalt haben und kumulativ in Zusammenarbeit mit
dem Familien- bzw. Vormundschaftsgericht zur Einleitung von zur Gefahrenabwehr
erforderlichen Maßnahmen führen. Daran habe die Einführung der neuen
Vergütungsordnung nichts geändert, da durch diese die Eingruppierungsvorschriften der
§§ 22 ff. BAT gerade nicht geändert worden seien.
61
Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Tätigkeit eines Sozialarbeiters im
allgemeinen Sozialdienst (ASD) auch nicht als einheitlicher Arbeitsvorgang zu
bewerten, da die Tätigkeiten im allgemeinen weit gefächert seien und im Bezug auf
unterschiedliche Personengruppen unterschiedliche Zielsetzungen verfolge. Hiermit
einher gehe, dass die zu treffenden Maßnahmen auf unterschiedlichen gesetzlichen
Regelungen beruhten. Aus dem Wortlaut der getroffenen Regelung des S 14 folge, dass
die Merkmale „Entscheidung zur Vermeidung der Kindeswohlgefährdung“ sowie
„Einleitung von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr in Zusammenarbeit mit dem Familien-
bzw. Vormundschaftsgericht“ als selbständige Eingruppierungsmerkmale zu bewerten
seien, sodass die Entgeltgruppe S 14 selbständig bewertbare, gegenüber den übrigen
Arbeitsvorgängen des ASD abgrenzbare Arbeitsvorgänge enthalte und demgemäß nicht
mit den allgemeinen Tätigkeiten des ASD zu einem einheitlichen Arbeitsvorgang
zusammengefasst werden könne.
62
Somit seien die Arbeitsvorgänge bereits nach den betreuten Personengruppen
abgrenzbar. Hinzu komme, dass es sich bei den Tätigkeiten der Entgeltgruppe S 14 um
solche handeln müsse, welche kumulativ die beiden Eingruppierungsmerkmale erfüllen.
63
Schließlich enthalte die begehrte Entgeltgruppe kein Heraushebungsmerkmal, welches
auf der Ausgangsentgeltgruppe S 11 TVöD aufbaue, da die Entgeltgruppe S 14 keine
herausgehobenen Tätigkeitsmerkmale beinhalte.
64
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt sowie auf die zu
den Akten gereichten Schriftsätze und Anlagen ergänzend Bezug genommen.
65
Entscheidungsgründe:
66
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
67
I.
68
Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Vergütung nach der
Entgeltgruppe S 14 TVÖD-VKA ab dem 01.04.2010.
69
1.Der Feststellungsantrag ist zulässig. Für den Antrag besteht das gemäß § 256 Abs. 2
ZPO erforderliche Rechtsschutzinteresse, da der Kläger eine ordnungsgemäße
Eingruppierung festzustellen begehrt (vgl. BAG, Urteil vom 19.01.2000, 4 AZR 752/98,
AP § 4 TVG Bundespost Nr. 11). Der Zeitpunkt, von dem an Vergütungszahlung nach
EG S 14 TVöD begehrt wird, ergibt sich aus dem Antrag zu 2, wonach der Kläger eine
Differenzvergütung bis einschließlich März 2010 geltend macht, sodass der Kläger mit
dem Antrag zu 1 die begehrte Vergütungszahlung ab dem 01.04.2010 anstrebt.
70
2.Der Feststellungsantrag ist jedoch unbegründet, da die vom Kläger auszuübende
Tätigkeit nicht die Anforderungen der Entgeltgruppe S 14 TVöD/VKA für Beschäftigte im
Sozial- und Erziehungsdienst erfüllt.
71
a. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es nach § 17 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA
i.V.m. § 22 Abs. 2 Unterabsatz 2 Satz 1 BAT darauf an, ob in der dem Kläger
übertragenen Tätigkeit zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für
sich genommen die Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe S 14
TVöD/VKA erfüllen.
72
Hieran hat auch die Einführung der Eingruppierungsmerkmale des Anhangs zu der
Anlage C zum TVöD durch den Änderungstarifvertrag Nr. 6 vom 27.07.2009 nichts
geändert, da dieser keine Änderung der Eingruppierungsvorschriften zum Inhalt hat. §
17 Abs. 1 TVÜ-VKA unterscheidet zwischen Eingruppierungsvorschriften (§§ 22, 23, 25
BAT und die Anlage 3 zum BAT) und der Vergütungsordnung, welche nach § 17 Abs. 2,
3. - TVöD nicht für Beschäftigte gilt, die nach dem Anhang zu der Anlage C (VKA) zum
TVöD eingruppiert sind. Daraus folgt, dass durch die Einführung der
Eingruppierungsmerkmale nur die Vergütungsordnung, nicht aber die
Eingruppierungsvorschriften des TVöD ersetzt werden sollte.
73
Dies ergibt sich auch aus dem Änderungstarifvertrag selbst, welcher in § 1 Abs. 1 der
Anlage zu Abschnitt VIII Sonderregelungen (VKA) § 56 bestimmt, dass sich die
Eingruppierung der Beschäftigten „bis zum Inkrafttreten der Eingruppierungsvorschriften
des TVöD einschließlich Entgeltordnung“ nach den Merkmalen des Anhangs zur
Anlage C (VKA) richtet, mithin davon ausgeht, dass die Eingruppierungsvorschriften des
TVöD noch nicht in Kraft getreten sind, welche allein geeignet wären, die
Eingruppierungsvorschriften der §§ 22 ff. BAT zu verdrängen und damit außer Kraft zu
setzen.
74
b.Der Begriff des „Arbeitsvorgangs“ ist ein feststehender, abstrakter, von den
Tarifvertragsparteien vorgegebener Rechtsbegriff, unter welchem nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine unter Hinzurechnung der
Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen
Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich
selbstständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis
führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen ist (z.B. BAG, Urteil vom
25.02.2009, 4 AZR 20/08, NZA 2009, 1374). Bei der Feststellung der Arbeitsvorgänge
kommt es entscheidend auf die jeweiligen Arbeitsergebnisse an (BAG, Urteil vom
25.02.2009, aaO.), wobei tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher
Wertigkeit nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden können (BAG,
75
Urteil vom 25.02.2009, aaO.). Zwar bildet die gesamte Tätigkeit eines Sozialarbeiters
nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts häufig einen Arbeitsvorgang iSv.
§ 22 Abs. 2 Unterabsatz 2 Satz 1 BAT, insbesondere wenn sie eine Leitungstätigkeit
oder die Beratung, Betreuung bestimmter näher bezeichneter Personengruppen zum
Inhalt hat (BAG, Urteil vom 25.02.2009, aaO.). Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt,
wenn die Tarifvertragsparteien neben den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen bestimmte
Tätigkeiten ausdrücklich und selbstständig bestimmten Vergütungsgruppen zuordnen.
Die Annahme dieser selbstständigen Eingruppierungsmerkmale führt dazu, dass die
Zusammenfassung tatsächlich trennbarer Tätigkeiten zu einem einheitlichen
Arbeitsvorgang dann ausgeschlossen ist, wenn diese Tätigkeiten eine unterschiedliche
tarifliche Wertigkeit haben, d.h. die Voraussetzungen einer niedrigeren Entgeltgruppe
erfüllen (BAG, Urteil vom 14.12.1994, 4 AZR 950/93, zit. n. juris, mwN.). Daraus folgt,
dass unterschiedliche Arbeitsvorgänge vorliegen, wenn die Tätigkeiten unterscheidbar
dem Anwendungsbereich des S 11 und damit dem allgemeinen Sozialdienst oder dem
Bereich des S 14 zur Gefahrenabwehr zuzuordnen sind, sodass Tätigkeiten, die den
Anforderungen der Merkmale der Entgeltgruppe S 14 nicht entsprechen, als
eigenständige Arbeitsvorgänge zu bewerten sind.
Im Übrigen obliegt im Eingruppierungsrechtsstreit grundsätzlich der klagenden Partei
die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die tariflichen Voraussetzungen der
beanspruchten Vergütung erfüllt werden (BAG, Urteil vom 25.08.2010, 4 AZR 23/09, zit.
n. juris).
76
c.Hiernach bleibt die Klage erfolglos, da der Kläger nicht darlegen konnte, zeitlich
zumindest zur Hälfte Arbeitsvorgänge zu erledigen, die den Anforderungen der
Entgeltgruppe S 14 TVöD (VKA) entsprechen.
77
Die Entgeltgruppe S 14 TVöD enthält nach Auffassung der Kammer zwei
Eingruppierungsmerkmale (Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des
Kindeswohls und Einleitung von Maßnahmen der Gefahrenabwehr in Zusammenarbeit
mit dem Familien- bzw. Vormundschaftsgericht), welche kumulativ erfüllt sein müssen,
um einen Arbeitsvorgang darzustellen, welcher den Anforderungen der Entgeltgruppe S
14 TVöD entspricht.
78
Nach dem Vorbringen der Beklagten zu den Arbeitsaufgaben des Klägers in der von ihr
vorgenommenen Bewertungsüberprüfung im Juli 2010, welcher der Kläger nicht
substantiiert entgegen getreten ist, stellen die Tätigkeiten des Kläger keinen auf ein
alleiniges Arbeitsergebnis gerichteten, einheitlich zu bewertenden Arbeitsvorgang dar.
Vielmehr ergibt sich aus der Aufstellung der Arbeitsaufgaben, dass der Kläger neben
der Zuständigkeit für Kinder- und Jugendschutzmaßnahmen, welche der Entgeltgruppe
S 14 zuzuordnen sind, eine Sozialraumorientierung (5.1), Gerichtshilfen (5.3), Hilfen zur
Erziehung (5.6), Eingliederungshilfen (5.7) sowie Vormundschaften (5.8) zu geben bzw.
zu veranlassen hat. Diese Tätigkeiten sind als Förder- und Hilfsmaßnahmen von den zu
treffenden Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu trennen und stellen unterschiedliche
Arbeitsvorgänge dar. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass der Adressatenkreis
sowie die zu erreichenden Arbeitsergebnisse mit der für die Eingruppierung in die
begehrte Entgeltgruppe gestellten Voraussetzung der Gefahrenabwehr in keinem
Zusammenhang stehen.
79
Gleiches gilt für die Beratungsleistungen (5.2), welche der Kläger in Form einer
Beratung und Unterstützung von Eltern, Kindern und Jugendlichen erbringt und welche
80
einen Zeitanteil von 20 % der Arbeitsleistung darstellt.
Diese Beratungsleistungen dienen der „allgemeinen Förderung der Erziehung in der
Familie“, § 16 SGB VIII, der „Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und
Scheidung“, § 17 SGB VIII bzw. der „Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der
Personensorge und des Umgangsrechts“, § 18 SGB VIII. Diese Aufgaben stellen
allgemeine Leistungen im Bereich des ASD dar, welche von der Entgeltgruppe S 11
umfasst sind und sich als Förder- und Beratungsmaßnahmen im Rahmen der
Familienhilfe von den Maßnahmen zum Schutz bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a
SGB VIII im Bereich des Kinder- und Jugendschutz bereits deutlich durch den
unterschiedlichen Adressatenkreis, die unterschiedlichen Maßnahmen sowie die daraus
zu erzielenden unterschiedlichen Arbeitsergebnisse unterscheiden. Bereits hieraus
sowie aus der Tatsache, dass diese Tätigkeiten der Entgeltgruppe S 11 zuzuordnen
sind, folgt eine unterschiedliche Wertigkeit der Aufgaben und somit eine Trennung
dieser Arbeitsvorgänge von den Arbeitsvorgängen zur Gefahrenabwehr.
81
Entscheidend ist jedoch, dass nur das Vorliegen einer Gefährdungslage für das
Kindeswohl nach dem aus dem Wortlaut des S 14 zu entnehmenden Willen der
Tarifvertragsparteien eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 14 rechtfertigt, da
diese die normalen Sozialdienste der Hilfestellung und Förderung von den zur
Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen und Entscheidungen unterscheidet. Eine
solche Gefährdungslage setzt voraus, dass eine gegenwärtige, in einem solchen Maß
vorhandene Gefahr vorliegt, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche
Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom
14.7.1956, FamRZ 1956, 350). Tätigkeiten, welche nicht in Zusammenhang mit einer
Gefährdungslage erbracht werden, stellen allgemeine Tätigkeiten des Sozialdienstes
dar und werden von der Entgeltgruppe S 11 umfasst. Die unterschiedliche Wertigkeit der
Tätigkeiten beruht demnach auf den besonderen Anforderungen und der hohen
Verantwortung und Bedeutung der Aufgaben, welche an einen Sozialarbeiter in der
Situation der Kindeswohlgefährdung gestellt werden. Entscheidend ist demnach eine
Unterscheidung zwischen Maßnahmen, welche dem Kindeswohl dienen und solchen,
welche eine Kindeswohlgefährdung abwenden.
82
Bei den oben genannten Beratungsaufgaben liegt jedoch eine Kindeswohlgefährdung
nicht vor, es handelt sich vielmehr um allgemeine Förder- und Beratungsmaßnahmen,
welche gerade nicht die geforderten besonderen Anforderungen an einen hiermit
betrauten Sozialarbeiter stellen.
83
Hieran ändert letztlich auch nichts, dass Maßnahmen zur Förderung des Kindeswohls
bereits im Vorfeld von Gefährdungen konkrete Gefährdungen auszuschließen
vermögen. Denn durch die klare Benennung des Merkmals der Gefahrenabwehr als
Grundlage für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 14 haben die
Tarifvertragsparteien klargestellt, dass nur Arbeitsvorgänge, welche sich auf
Maßnahmen beziehen, bei denen die Schwelle zur Gefährdung überschritten wurde,
von der Entgeltgruppe S 14 umfasst sein sollen.
84
Anders wäre eine Abgrenzung zu der Entgeltgruppe S 11 auch nicht durchführbar. Denn
unter der Annahme, welche der Kläger offenbar vertritt, dass jede Maßnahme zur
Förderung des Kindeswohls potentiell der Abwehr von Gefahren für das Kindeswohl
diene, müsste jeder Sozialarbeiter, welcher mit allgemeinen Beratungs- und
Förderaufgaben von Kindern und Jugendlichen im Sinne des ASD betraut ist, gleichsam
85
auch Arbeitsvorgänge entsprechend der Entgeltgruppe S 14 wahrnehmen und hiernach
eingruppiert werden, unabhängig davon, ob und wie viele Maßnahmen tatsächlich zur
Gefahrenabwehr für das Kindeswohl getroffen wurden. Dies würde dazu führen, dass
die Entgeltgruppe S 11 praktisch überflüssig würde.
Da nach Auffassung der Kammer die in 5.2. aufgeführten Beratungsleistungen als
selbständig zu bewertende Arbeitsvorgänge nicht den Voraussetzungen der
Entgeltgruppe S 14 entsprechen, hat der Kläger nicht mehr als zumindest zur Hälfte
Arbeitsvorgänge erledigt, die den Anforderungen der Entgeltgruppe S 14 TVöD
entsprechen, da die unter den Punkten 5.4 und 5.5 zusammengefassten Tätigkeiten
lediglich einen Zeitanteil von insgesamt 47 % von der Arbeitszeit des Klägers
einnehmen. Dass der Kläger zur Hälfte Arbeitsvorgänge zur Gefahrenabwehr für das
Kindeswohl erbracht hat, hat dieser nicht substantiiert dargelegt.
86
d.Die Entgeltgruppe S 14 TVöD ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht als
Heraushebungsmerkmal i.S.d. § 22 Abs. 2 Unterabschnitt 2 BAT ausgestaltet, wonach
der Arbeitsvorgang unabhängig vom Zeitanteil als einheitlich zu bewerten wäre.
87
Heraushebungsmerkmale heben Tätigkeiten von der Ausgangsentgeltgruppe hervor,
sofern diese eine besondere Schwierigkeit bzw. schwierige Tätigkeiten aufweisen. Sie
sind so gestaltet, dass sie die Voraussetzungen des Ausgangsentgeltgruppe wörtlich
wiederholen und ein zusätzliches Qualifikationsmerkmal hinzufügen.
88
So beinhaltet die Entgeltgruppe S 12 das Heraushebungsmerkmal „schwierige
Tätigkeiten“, die Entgeltgruppe S 15 Fallgruppe 7 das Merkmal „besondere
Schwierigkeit und Bedeutung“ und die Entgeltgruppe S 18 Fallgruppe 2 das Merkmal
der erheblich herausgehobenen Verantwortung. Dagegen sind die Voraussetzungen
und Aufgabenbereiche der Entgeltgruppe S 14 abschließend beschrieben, diese enthält
weder einen Bezug zu anderen Entgeltgruppen noch eine Qualifikation im Sinne eines
Heraushebungsmerkmals.
89
II.
90
Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung von 517,-- €
brutto gemäß § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den einschlägigen tarifvertraglichen
Regelungen, da der Kläger zutreffend in der Entgeltgruppe S 11 Stufe 6+ TVöD (VKA)
eingruppiert ist.
91
Die Klage ist deshalb abzuweisen.
92
III.
93
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Den Streitwert
hat das Gericht gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG, § 42 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 GKG im
Urteil festgesetzt, wobei der Antrag zu 2 unberücksichtigt blieb. Der Streitwert gilt
zugleich als Festsetzung für die Gerichtsgebühren gemäß § 63 Abs. 2 GKG.
94
Rechtsmittelbelehrung
95
Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
96
B e r u f u n g
97
eingelegt werden.
98
Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
99
Die Berufung muss
100
innerhalb einer O. o t f r i s t* von einem Monat
101
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
102
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung
103
Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
104
1.Rechtsanwälte,
105
2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder
Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
106
3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer
der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser
Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit
vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
107
Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
108
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
109
Gironda
110