Urteil des ArbG Solingen vom 23.04.2008
ArbG Solingen: abmahnung, unwirksamkeit der kündigung, juristische person, ordentliche kündigung, überwiegendes interesse, geschäftsführer, arbeitsort, beweislast, firma, arbeitsgericht
Arbeitsgericht Solingen, 5 Ca 179/08
Datum:
23.04.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Solingen
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 Ca 179/08
Schlagworte:
Verhaltensbedingte Kündigung, Schlechtleistung, fehlerhafte
Abmahnungen
Normen:
§ 1 Abs. 2 KSchG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
Tenor:
1.Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die
Kündigung der Beklagten vom 28.01.2008 nicht aufgelöst worden ist.
2.Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den bislang geregelten
Arbeitsbedingungen als kaufmännische Angestellte bis zum rechts-
kräftigen Abschluss dieses Verfahrens weiter zu beschäftigen.
3.Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4.Der Streitwert wird auf 10.250,00 EUR festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, verhaltensbedingten
Kündigung der Beklagten vom 28.01.2008.
2
Die am 27.05.1958 geborene, geschiedene Klägerin ist seit dem 01.09.1996 bei der
Beklagten, welche regelmäßig mehr als 5 Mitarbeiter beschäftigt, als kaufmännische
Angestellte zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von zuletzt 2.050,-- €
beschäftigt.
3
Die Klägerin erhielt unter dem 30.05.2007 ein mit „Abmahnung“ überschriebenes
Schreiben, in welchem auf eine extrem hohe Fehlerquote der Klägerin hingewiesen
wurde und welches unter anderem wie folgt lautet:
4
„3.Zu der Rechnung an das Hochbauamt der Stadt X. vom 10.01.2007, Rg.-Nr.
070018:
5
Diese Rechnung war für die Stadtverwaltung überhaupt nicht nachvollziehbar, da
6
der Ort der Kesselreinigung nicht angegeben wurde. Derlei führt selbstverständlich
zu Rückfragen und zusätzlichem Arbeitsaufwand, der zu vermeiden ist.
(…)
7
8.Besonders ärgerlich empfand die Beklagte, dass die Klägerin trotz mehrfacher
Aufforderung, den Notdienst für die Ostertage zu organisieren, dies eben nicht
getan hat mit der Folge, dass schließlich Mitarbeiter, die Osterurlaub hatten, aus
dem Osterurlaub zu Notfällen gerufen werden mussten
8
(…)
9
10.Zu Ihren Aufgaben zählt es auch, Sonderangebote, die über Post oder Telefax
eingehen, ihrem Arbeitgeber vorzulegen.
10
Unsere Mandantin musste am 2.5.2007 feststellen, dass ein bis zum 30.4.2007
befristetes Sonderangebot der Firma S. & T. nicht vorgelegt worden war, welches
besonders interessant war und dazu geführt hätte, mit erheblichem Preisnachlass
Waren einzukaufen
11
12
(…)
13
13.Abschließend noch folgendes Beispiel für unzureichende Arbeitsleistung:
14
In der Auftragsbestätigung an den Kunden Q., Auftragsbestätigungs-Nr. 070034,
vom 16.4.2007, haben Sie auf Seite 2 in der Position 1.4 und 1.5 bei den
Materialkosten das zehnfache dessen berechnet, was tatsächlich in Auftrag
gegeben wurde
15
(…)
16
Sollte Ihre Arbeitsleistung weiterhin fehlerhaft bleiben, wird eine weitere
Abmahnung mit Kündigungsandrohung die Folge sein.“
17
Unter dem 08.08.2007 erhielt die Klägerin eine „erneute Abmahnung“, in welcher der
Klägerin wiederum eine extrem hohe Fehlerquote vorgeworfen wurde und 25
Vertragsverstöße der Klägerin aufgelistet sind, welche, soweit streiterheblich, wie folgt
lauten:
18
„1)
19
Am 28.06.2007 haben Sie, entgegen wiederholter Bitten und Anweisungen, hinter
den Arbeitsnachweis Angebote der Großhändler zu den jeweiligen Materialkosten
beigefügt, so dass für den Kunden die Kalkulation transparent wurde.
20
(...)
21
4)
22
Wiederholt sind Sie gebeten worden, grundsätzlich Telefonate mit Mitarbeitern
und Kunden, die über einen Festnetzanschluss verfügen, über den E-Plus-Base-
Tarif abzuwickeln.
23
Dessen ungeachtet musste wiederholt festgestellt werden, dass Sie nicht über E-
Plus-Base telefonieren, sondern nach wie vor kostenungünstig über das Festnetz,
so geschehen beispielsweise am 23.06.2007.
24
(...)
25
8)
26
Grundsätzlich ist zu beanstanden, dass die Kassenführung nicht korrekt ist. Die
Kasse ist mindestens einmal im Monat ordentlich abzustimmen. Sollten dann die
gebuchten Beträge nicht mit dem Kassenbestand identisch sein, ist dem sofort
nachzugehen und unser Mandat hierüber zu informieren.
27
9)
28
In jüngster Vergangenheit ist es vorgekommen, dass Kassenbelege nicht
vorhanden waren.“
29
Hinsichtlich des genauen Wortlauts dieser Schreiben wird auf Blatt 37 - 48 der Akte
verwiesen.
30
Mit Schreiben vom 28.01.2008, welches der Klägerin am 31.01.2008 zuging, kündigte
die Beklagte der Klägerin aus verhaltensbedingten Gründen zum 31.05.2008.
31
Die Klägerin begehrt mit ihrer am 04.02.2008 beim Arbeitsgericht Solingen
eingegangenen Klage die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung, die sie für
sozial ungerechtfertigt hält.
32
Sie ist der Auffassung, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam sei, da sie nicht
fehlerhaft arbeite und die gerügten Fehlleistungen nicht aufgetreten seien. Da sie
keineswegs eine durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller Arbeitnehmer, insbesondere im
Vergleich zur anderen kaufmännischen Mitarbeiterin der Beklagten, überschreite,
verstoße sie nicht gegen ihre Arbeitspflicht. Unabhängig davon seien die überwiegend
in den beiden Abmahnungen aufgelisteten Beanstandungen unzutreffend, sodass die
gesamten Abmahnungen unwirksam seien und nicht mehr für den Ausspruch der
streitgegenständlichen Kündigung zu verwenden seien.
33
So sei entgegen der Darstellung in der Abmahnung vom 30.05.2007 der Arbeitsort des
jeweiligen Monteurs dem beigefügten Arbeitsbericht zu entnehmen (Vorwurf zu 3).
Ferner sei ihr wiederholt mitgeteilt worden, dass sich die Monteure untereinander
abstimmen und den Notdienst selber klären, da es in der Vergangenheit immer wieder
zu Streitigkeiten zwischen den Monteuren zur Frage des Notdienstes gekommen sei.
Deshalb sei es nicht ihre Aufgabe gewesen, den Notdienst zu organisieren (Ziffer 8). Sie
habe ferner das behauptete Telefax auch nicht ausgedruckt, wie unter Ziffer 10 von der
Beklagten behauptet. Schließlich habe die Klägerin keine Auftragsbestätigung für einen
Kunden Q. erteilt (Ziffer 13), da sie einen Kunden mit einem solchen Namen nicht
kenne.
34
Auch die Abmahnung der Beklagten vom 08.08.2007 leide unter mehreren Mängeln. So
habe die Klägerin entgegen dem Vorwurf unter Ziffer 1 immer darauf geachtet, dass
keine Informationen, welche nicht für Kunden gedacht waren, an diese weitergeben
werden. Sie sei auch entgegen der Behauptung in Ziffer 3 keineswegs wiederholt
aufgefordert worden, die Stundenlohnarbeiten in Angeboten und Rechnungen unter der
Rubrik „Stundenlohnarbeiten“ aufzuschlüsseln. Am 23.06.2007 habe sie entgegen dem
Vorwurf der Beklagten nicht kostenungünstig telefoniert, da es sich hierbei um einen
Samstag handele, an welchem sie nicht im Betrieb der Beklagten gewesen sei (Ziffer 4).
Schließlich seien die Vorwürfe zu 8 und 9 völlig unsubstantiiert und entbehrten jeglicher
Grundlage, da sie die Kasse völlig korrekt geführt habe und auch die andere
Mitarbeiterin Zugang zur Kasse habe.
35
Schließlich seien auch die in der Kündigung gemachten Vorwürfe überwiegend
unzutreffend. So habe der Geschäftsführer der Beklagten entgegen dem unter Punkt 12
gemachten Vorhalt das Angebot selbst kalkuliert und sei für die ordnungsgemäße
Kalkulation verantwortlich. Entgegen der unter der Ziffer 13 gemachten Behauptung
habe der Kunde T. auf der Liste mit „keine Wartung“ gestanden, sodass ihr kein Vorwurf
zu machen sei. Ferner sei der Klägerin die Rechnung der Firma I. (Ziffer 14) nicht
vorgelegt worden, sodass sie diese auch nicht bezahlen konnte. Als sie am 22.01.2008
die Büroräume verließ, seien schließlich sowohl der Geschäftsführer der Beklagten als
auch die andere kaufmännische Mitarbeiterin noch anwesend gewesen, sodass es nicht
ihre Aufgabe gewesen sei zu überprüfen, ob die Fenster geschlossen und die
elektrischer Geräte abgestellt waren.
36
Die Klägerin beantragt zuletzt,
37
1.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der
Beklagten vom 28.01.2008, der Klägerin am 31.01.2008 zugegangen, nicht
aufgelöst worden ist;
38
2.für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, die
Klägerin zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Kaufmännische Angestellte bis
zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens weiter zu beschäftigen.
39
40
Die Beklagte beantragt,
41
die Klage abzuweisen.
42
Sie ist der Auffassung, die Kündigung sei wirksam.
43
Nachdem die Klägerin in den ersten 9 - 10 Jahren nahezu fehlerfrei gearbeitet habe,
hätten sich ihre Arbeitsleistungen in den letzten 12 Monaten geradezu dramatisch
verschlechtert, wohingegen die neben der Klägerin beschäftigte Mitarbeiterin nahezu
fehlerfrei arbeite. Die Fehlerquote der Klägerin sei inakzeptabel hoch und führe zu
finanziellen Schäden, Ansehensverlust und Spannungen innerhalb des Betriebes, da
sich für die Mitarbeiter überflüssige Arbeitsgänge und peinliche Situationen bei Kunden
ergäben.
44
So sei bei einer Überprüfung der Kasse, deren Führung der Klägerin oblag, festgestellt
worden, dass diese nicht korrekt geführt worden sei. Hierzu habe die
Steuerbeartungsfirma der Beklagten dem Geschäftsführer der Beklagten erklärt, dass
die Kassenführung nicht in Ordnung sei und hier eng am Zahlungsverkehr gearbeitet
werden müsse. Es sei sodann festgestellt worden, dass im aktuellen Kassenbuch
andere Beträge vorhanden seien, als die Kasse tatsächlich aufgewiesen habe und
wiederum andere Beträge in dem elektronischen Kassenbuch ausgewiesen gewesen
seien. Deshalb sei die Klägerin unter anderem abgemahnt worden.
45
Der Geschäftsführer habe die Klägerin am 19.03.2007 angewiesen, den Notdienstplan,
der fortgeschrieben werde, zu verlängern. Am 30.03.2007, unmittelbar vor Urlaubsantritt,
habe dieser die Klägerin gefragt, ob der Notdienstplan anweisungsgemäß verlängert
worden sei und habe die Antwort erhalten, dass mit den Monteuren eine Vereinbarung
getroffen worden sei, dass diese den Notdienst über die Ostertage untereinander regeln
würden. Tatsächlich sei dies jedoch nicht abgesprochen worden.
46
Da es um die hohe Fehlerquote der Klägerin bei der Arbeit gehe und nicht um einige
wenige gravierende Vorfälle, könne es nicht darauf ankommen, ob die Beklagte
sämtliche Vorfälle lückenlos beweisen könne.
47
Die ausgesprochene Kündigung könne auch unter dem Gesichtspunkt der
Verhältnismäßigkeit nicht unwirksam sein, da die ausgesprochenen Abmahnungen
nicht zu einer Reduzierung der Fehlerquote bei der Klägerin geführt hätten.
48
So habe der Geschäftsführer der Klägerin beispielsweise vorgegeben, wie das Angebot
070207 zu schreiben sei. Auf die Materialien sollte dabei ein Aufschlag von 25 % des
Nettopreises im Angebot erfolgen. Ebenso sollte bei den Dienstleistungen von
Subunternehmern kalkuliert werden. Stattdessen habe die Klägerin das Angebot mit
Zuschlägen von 25 % auf den Bruttopreis kalkuliert. Zudem habe die Klägerin entgegen
ihrer vertraglichen Aufgabe seit Januar 2007 keine Wartung bei dem Kunden T.
veranlasst. Ferner habe die Klägerin die Rechnung der Firma I. Duschkabinen KG vom
31.07.2007 nicht bearbeitet, sondern unbearbeitet im Rechnungsordner abgeheftet.
49
Schließlich habe die Klägerin am 22.1.2008 entgegen der betrieblichen Anweisung die
elektrischen Geräte nicht abgestellt und das Dachlukenfenster nicht geschlossen,
obwohl sie als letzte Mitarbeiterin das Büro verlassen habe.
50
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
51
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
52
Die Klage ist zulässig und begründet.
53
I.
54
Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist durch die
streitgegenständliche Kündigung nicht aufgelöst worden.
55
1.Der streitgegenständlichen Kündigung liegt kein verhaltensbedingter Grund im Sinne
des § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz, welches auf das Arbeitsverhältnis der Parteien
56
unstreitig Anwendung findet, zugrunde.
a.Ein die Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG aus Gründen im Verhalten des
Arbeitnehmers rechtfertigender Grund liegt vor, wenn das dem Arbeitnehmer
vorgeworfene Verhalten eine Vertragspflicht verletzt, das Arbeitsverhältnis dadurch
konkret beeinträchtigt wird, keine zumutbare Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung
besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider
Parteien billigenswert und angemessen erscheint (BAG 22. Juli 1982 - 2 AZR 30/81 -
DB 1983, 180; 5. November 1992 - 2 AZR 287/92 - ArbuR 1993, 124; 17. Juni 2003 - 2
AZR 62/02 - DB 2003, 2554). Entscheidend ist, ob das Fehlverhalten des Arbeitnehmers
im Einzelfall geeignet ist, einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur
Kündigung zu bestimmen (vgl. BAG 2. November 1961 - 2 AZR 241/61 - BAGE 11, 357;
13. März 1987 - 7 AZR 601/85 - DB 1987, 1494; 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - BAGE 70,
262; KR-Etzel 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 398).
57
Auf Pflichtverletzungen beruhende Schlechtleistungen sind grundsätzlich geeignet, eine
ordentliche Kündigung zu rechtfertigen (st. Rspr. , BAG, Urteil vom 26. Juni 1997 -
2 AZR 502/96 - RzK I 5i Nr. 126; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1
Rn. 652 ff.; HWK/Quecke 2. Aufl. § 1 KSchG Rn. 239 f.; KR-Griebeling 8. Aufl. § 1
KSchG Rn. 448). Ob eine Leistung als Schlechtleistung anzusehen ist, beurteilt sich
nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Der Arbeitnehmer muss unter
angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. Hierbei
muss der Umstand, dass der Arbeitnehmer unterdurchschnittliche Leistungen erbringt,
nicht zwangsläufig bedeuten, dass der Arbeitnehmer seine persönliche
Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft (BAG, Urteil vom 22. Juli 1982 - 2 AZR 30/81 - AP
KSchG 196 9 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5), da in einer Vergleichsgruppe
stets ein Angehöriger der Gruppe das “Schlusslicht” ist. Andererseits ist das deutliche
und längerfristige Unterschreiten des von vergleichbaren Arbeitnehmern erreichbaren
Mittelwerts oft der einzige für den Arbeitgeber erkennbare Hinweis darauf, dass der
schwache Ergebnisse erzielende Arbeitnehmer Reserven nicht ausschöpft, die mit
zumutbaren Anstrengungen nutzbar wären.
58
Dieser Konflikt zwischen den genannten widerstreitenden Gesichtspunkten kann nach
den Regeln der abgestuften Darlegungslast angemessen gelöst werden (BAG, Urteil
vom 11. Dezember 2003 - 2 AZR 667/02 - BAGE 109, 87, zu B I 2 d der Gründe).
59
Dabei ist es zunächst Sache des Arbeitgebers, zu den Leistungsmängeln das
vorzutragen, was er wissen kann. Kennt er lediglich die objektiv messbaren
Arbeitsergebnisse, so genügt er seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt, aus
denen ersichtlich ist, dass die Leistungen des betreffenden Arbeitnehmers deutlich
hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben, also die Durchschnittsleistung
erheblich unterschreiten. Davon kann dann gesprochen werden, wenn, gemessen an
der durchschnittlichen Leistung der vergleichbaren Arbeitnehmer, das Verhältnis von
Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist (BAG, Urteil vom 17.01.2008, 2 AZR
236/06).
60
Hat der Arbeitgeber vorgetragen, dass die Leistungen des Arbeitnehmers über einen
längeren Zeitraum den Durchschnitt im vorgenannten Sinne unterschritten haben, ist es
Sache des Arbeitnehmers, hierauf zu entgegnen, ggf. das Zahlenwerk und seine
Aussagefähigkeit im Einzelnen zu bestreiten und/oder darzulegen, warum er mit seiner
deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit
61
ausschöpft. Hier können altersbedingte Leistungsdefizite, Beeinträchtigungen durch
Krankheit, aber auch betriebliche Umstände eine Rolle spielen. Legt der Arbeitnehmer
derartige Umstände plausibel dar, so ist es alsdann Sache des Arbeitgebers, sie zu
widerlegen. Trägt der Arbeitnehmer hingegen derartige Umstände nicht vor, so gilt das
schlüssige Vorbringen des Arbeitgebers als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Bei einer
Kündigung wegen qualitativer Minderleistung des Arbeitnehmers ist es demnach
zunächst Sache des Arbeitgebers, zu den aufgetretenen Leistungsmängeln das
vorzutragen, was er über die Fehlerzahl, die Art und Schwere sowie Folgen der
fehlerhaften Arbeitsleistung des Arbeitnehmers wissen kann (BAG, Urteil vom
17.01.2008, 2 AZR 236/06). Kann der Arbeitgeber darlegen, dass der Arbeitnehmer
längerfristig die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller mit vergleichbaren Arbeiten
beschäftigter Arbeitnehmer erheblich überschreitet, so kann dies ein Anhaltspunkt dafür
sein, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt. Da jedoch
der Vergleich durchschnittlicher Fehlerquoten für sich noch keinen hinreichenden
Aufschluss darüber gibt, ob durch die fehlerhafte Arbeit des gekündigten Arbeitnehmers
das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist, muss der
Arbeitgeber hier weitere Umstände darlegen. Anhand der tatsächlichen Fehlerzahl, der
Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung des betreffenden
Arbeitnehmers ist näher darzulegen, dass die längerfristige deutliche Überschreitung
der durchschnittlichen Fehlerquoten nach den Gesamtumständen darauf hinweist, dass
der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt (BAG, Urteil vom
17.01.2008, 2 AZR 236/06). Hierbei ist insbesondere darzulegen, welche betrieblichen
Beeinträchtigungen durch die konkret darzulegenden Fehler verursacht werden und
dass es sich insoweit nicht lediglich um Fehler handelt, die trotz einer gewissen
Häufigkeit angesichts der konkreten Umstände der Arbeitsleistung vom Arbeitgeber
hinzunehmen sind (BAG, Urteil vom 17.01.2008, 2 AZR 236/06).
b.Diesen Anforderungen wird die ausgesprochene Kündigung nicht gerecht.
62
Denn die Beklagte hat bereits nicht ausreichend substantiiert dargelegt, dass die
Leistungen der Klägerin deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer
zurückbleiben und dadurch die Durchschnittsleistung erheblich unterschreiten. Sie hat
lediglich vorgetragen, dass bei der Klägerin eine inakzeptable Fehlerquote bestehe und
sich die Arbeitsleistung in den letzten 12 Monaten geradezu dramatisch verschlechtert
habe und diese Behauptung auf die in den beiden an die Klägerin adressierten
Schreibe sowie die in der Kündigung aufgelisteten Vorwürfe gestützt. Dagegen hat die
Beklagte weder die behauptete absolute Fehlerzahl der Klägerin in Relation zu den von
der Klägerin erbrachten Arbeitsleistungen, gerade im Hinblick auf die ordnungsgemäß
erbrachte Aufgabenerfüllung im Vergleichszeitraum, gesetzt noch konkret dargelegt, mit
welcher Fehlerhäufigkeit die mit der Klägerin vergleichbare andere kaufmännische
Angestellte im Vergleichszeitraum arbeitete. Nach Auffassung der Kammer lässt sich
hieraus jedoch kein Rückschluss auf eine erhöhte Fehlerhäufigkeit der Klägerin bilden,
da alleine die bloße Angabe der Anzahl der Fehler kaum Aussagekraft für die Frage der
Fehlerhäufigkeit hat, da diese maßgeblich von der Anzahl der zu bearbeitenden
Aufgaben abhängt. Nur dann wenn ein deutliches Missverhältnis von Fehleranzahl zur
Anzahl der zu erledigenden Aufgaben besteht, kann sich hieraus eine
überdurchschnittliche Fehleranzahl ergeben. Der entscheidende Wert des
Fehlerquotienten lässt sich aber aus den von der Beklagten aufgelisteten Fehler gerade
nicht erkennen
63
Im Übrigen hat die Beklagte nicht ausreichend zur Fehlerhäufigkeit der anderen
64
Mitarbeiterin vorgetragen, indem sie behauptete, die andere Mitarbeiterin habe im
Vergleichszeitraum nahezu fehlerfrei gearbeitet, da die Verwendung des Begriffs
„nahezu“ nicht oder nur schwer quantifizierbar ist und damit kein ausreichender
Rückschluss auf die Fehlerquote der anderen Mitarbeiterin möglich ist. Es stellt sich
hierbei die Frage, welche Fehlerhäufigkeit bei einer nahezu fehlerfreien Arbeitsleistung
vorliegt. In diesem Zusammenhang wäre die Beklagte nach Auffassung der Kammer
verpflichtet gewesen darzulegen, wie viele Fehler die andere Beschäftigte im Verhältnis
zu den von ihr bearbeiteten Aufgaben im Vergleichszeitraum tatsächlich gemacht hat
um zu verdeutlichen, was die Beklagte konkret unter dem Begriff „nahezu“ fehlerfrei
versteht. Nichts anderes ergibt sich schließlich aus der abschließend getroffenen
Behauptung der Beklagten, die Anzahl der Fehler in der Arbeitsleistung der Klägerin
liege extrem über der Fehlerquote der anderen Mitarbeiterin, da es sich hierbei lediglich
um eine pauschale, dem Beweis nicht zugängliche Behauptung handelt.
Ferner hat die Beklagte nicht substantiiert zu den Folgen der behaupteten fehlerhaften
Arbeitsleistung der Klägerin Stellung genommen. Sie hat lediglich pauschal
vorgetragen, dass die Fehlerquote zu finanziellen Schäden, Ansehensverlust und
Spannungen innerhalb des Betriebes aufgrund überflüssiger Arbeitsgänge und
peinlichen Situationen bei Kunden geführt habe, ohne konkret darzulegen, welcher
finanzielle Schaden der Beklagten durch die Fehler der Klägerin tatsächlich entstanden
sind, in welcher Form sich der behauptete Ansehensverlust gezeigt und gegebenenfalls
niedergeschlagen hat und in welchen Situationen es tatsächlich zu welchen konkreten
Spannungen innerhalb des Betriebs aufgrund der Fehler der Klägerin gekommen ist.
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Soweit das Bundesarbeitsgericht in seiner neuesten Entscheidung (BAG, Urteil vom
17.1.2008, 8 AZR 236/06) zusätzlich fordert, dass der Arbeitgeber neben der
tatsächlichen Fehlerzahl, der Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung
des betreffenden Arbeitnehmers weiter darzulegen hat, dass die längerfristige deutliche
Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquoten nach den Gesamtumständen
darauf hinweist, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt,
fehlt hierzu jeder substantiierte Vortrag der Beklagten. Denn sie hat weder vorgetragen,
welche betrieblichen Beeinträchtigung durch die Fehler verursacht wurden noch, dass
es sich nicht nur um Fehler handelt, die trotz einer gewissen Häufigkeit angesichts der
konkreten Umstände der Arbeitsleistung vom Arbeitgeber hinzunehmen sind.
66
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Kündigung auf einige, von der Beklagten zur
Rechtfertigung der Kündigung vorgebrachte Vorwürfe nach Auffassung der Kammer
nicht gestützt werden kann.
67
So ist die Beklagte der Erwiderung der Klägerin, der Geschäftsführer der Beklagten
habe entgegen dem unter Punkt 12 der Kündigung gemachten Vorhalt das Angebot
selbst kalkuliert und sei deshalb für die ordnungsgemäße Kalkulation verantwortlich,
nicht substantiiert entgegen getreten. Sie hat zwar vorgetragen, dass die Klägerin das
Angebot zu erstellen hatte, ohne allerdings für diese Behauptung ordnungsgemäß
Beweis anzutreten. Aus der beigefügten Fotokopie lässt sich jedenfalls die von der
Beklagten aufgestellte Behauptung nicht entnehmen. Gleiches gilt für den weiteren
Vorwurf, die Klägerin habe entgegen der Wartungsliste nicht für die Wartung bei dem
Kunden T. gesorgt. Entgegen der Ankündigung der Beklagten hat diese keine
Wartungsliste, welche unstreitig maßgeblich für das Bestehen eines Wartungsauftrags
sein sollte, zur Akte gereicht. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, nachdem die
Klägerin ausdrücklich in Abrede gestellt hat, dass der Kundenname auf der Liste stand.
68
Der Beweisantritt der Beklagten durch Zeugnis des Kunden ist für die Frage, ob dieser
Kunde auf der Wartungsliste stand, jedenfalls untauglich. Schließlich hat die Beklagte
für ihren Vortrag, die Klägerin habe am 22.01.2008 als Letzte die Büroräume verlassen
und entgegen ihrer Aufgabe weder die Fenster geschlossen noch die elektrischen
Geräte abgestellt, keinerlei Beweis angetreten, weder durch das Zeugnis derjenigen
Mitarbeiter, welche die Büroräume vor der Klägerin verlassen haben sollen noch durch
Vorlage der angekündigten Fotokopien der Arbeitsnachweise der Mitarbeiter.
Nach alledem erfüllt der Vortrag der Beklagten nicht die von der Rechtsprechung
gesetzten Voraussetzungen, welche an die Darlegungs- und Beweislast für das
Vorliegen eines Kündigungsgrundes gestellt werden.
69
2.Die ausgesprochene, verhaltensbedingte Kündigung ist zudem deshalb unwirksam,
da die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung keine wirksame Abmahnung
ausgesprochen hat.
70
a.Grundsätzlich ist ein Arbeitnehmer, der wegen eines nicht vertragsgerechten
Verhaltens gekündigt werden soll, zunächst abzumahnen; das gilt ins-besondere bei
Störungen im Verhaltens- und Leistungsbereich (BAG, Urteil vom 17. Februar 1994, Az.
2 AZR 616/93, AP Nr. 115 zu § 626 BGB). Für Arbeitsverhältnisses ergibt sich dies aus
dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und aus § 314 Abs. 2 BGB (vgl. statt aller: ErfK/Müller-
Glöge, § 626 BGB Rn. 45). Abmahnung bedeutet, dass der Arbeitgeber in einer für den
Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandungen
vorbringt und damit deutlich - wenn auch nicht expressis verbis - den Hinweis verbindet,
im Wiederholungsfall sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet
(BAG, Urteil vom 17. Februar 1994, AP BGB § 626 BGB Nr. 116; BAG, Urteil vom 18.
Januar 1980 - 7 AZR 75/78 - AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte
Kündigung, unter 2 a der Gründe). Die Abmahnung muss geeignet sein, die mit ihr
bezweckte Ankündigungs- und Warnfunktion dem Arbeitnehmer zweifelsfrei zu
verdeutlichen (KR-Fischmeier, § 626 BGB Rn. 273).
71
Wenn in einem Abmahnungsschreiben gleichzeitig verschiedene Pflichtverletzungen
gerügt werden, von denen aber nur einzelne (und nicht alle) zutreffen, so kann das
Abmahnungsschreiben nicht teilweise aufrechterhalten und insoweit vom Gericht neu
gefasst werden, sondern die Abmahnung muss in diesem Fall vollständig aus der
Personalakte entfernt werden (ebenso LAG Köln Urteil vom 12. März 1986 - 5 Sa
1191/85 - LAGE Nr. 3 zu § 611 BGB Abmahnung; LAG Düsseldorf Urteil vom 18.
November 1986 - 3 Sa 1387/86 - LAGE Nr. 7 zu § 611 BGB Abmahnung = NZA 1987,
354; LAG Hamm Urteil vom 3. November 1987 - 13 Sa 96/87 - LAGE Nr. 9 zu § 611
BGB Abmahnung). BAG, Urteil vom 13.03.1991, 5 AZR 133/90.
72
b. Diesen Anforderungen genügen die Schreiben den Beklagten vom 30.5.2007 und
vom 08.08.2007 nicht.
73
aa. Nach den oben genannten Voraussetzungen handelt es sich bei dem Schreiben
vom 30.05.2007 nicht um eine Abmahnung, da diese keine Warnfunktion beinhaltet.
74
Denn dieser Abmahnung fehlt der Hinweis darauf, dass im Wiederholungsfall Inhalt
oder Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist. Vielmehr weist dieses Schreiben
am Ende lediglich darauf hin, dass im Wiederholungsfall eine weitere Abmahnung mit
Kündigungsandrohung die Folge sein wird. Hieraus wird für den Empfänger dieses
75
Schreibens gerade nicht deutlich, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses im
Wiederholungsfall gefährdet sein soll, sondern lediglich eine echte
Kündigungsandrohung in Form einer Abmahnung erfolgen soll. Da dieses Schreiben
mithin keine Warnfunktion enthält, stellt dieses Schreiben lediglich eine Ermahnung und
keine Abmahnung i.S.d. § 314 BGB dar.
Davon abgesehen ist das als Abmahnung überschriebene Schreiben nicht
aufrechtzuerhalten, da mehrere Vorwürfe gegenüber der Klägerin nicht ausreichend
bestimmt sind bzw. nicht zutreffen.
76
So ist die Beklagte der Behauptung der Klägerin, bei der Rechnung an das Hochbauamt
vom 10.01.2007 ergebe sich der Arbeitsort aus dem anhängenden Arbeitsnachweis,
nicht entgegengetreten. Aus den von der Beklagten zur Akte gereichten
Arbeitsnachweisen ist stets der Arbeitsort und die durchzuführende Arbeit zu
entnehmen. Sofern aber der Arbeitsort aus dem der Rechnung beigefügten
Arbeitsnachweis ersichtlich ist, stellt die fehlende Angabe des Arbeitsortes auf der
Rechnung kein abmahnungswürdiges Fehlverhalten der Klägerin dar.
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Hinsichtlich der von der Klägerin bestrittenen Behauptung, der Geschäftsführer der
Beklagten habe diese angewiesen, den Notdienstplan zu verlängern, hat die Beklagte
keinen Beweis angetreten.
78
Die Beklagte hat auch nicht dargelegt und bewiesen, dass die Klägerin das Angebot per
Telefax der Firma S. ausgedruckt hat (Ziffer 10). Auf den Vorhalt der Klägerin wäre
jedoch ein Vortrag seitens der Beklagten dazu erforderlich gewesen, dass die Klägerin
Kenntnis von dem Fax nehmen konnte und dennoch dieses nicht vorgelegt hat. Ein
derartiger Vortrag der Beklagten fehlt jedoch.
79
Schließlich ist der der Klägerin unter Ziffer 13 gemachte Vorwurf, sie habe eine
Auftragsbestätigung für den Kunden Q. fehlerhaft erstellt, nicht aufrecht-zuerhalten, da
es einen Kunden mit diesem Namen unstreitig nicht gibt.
80
bb. Auch die unter dem 08.08.2007 der Klägerin erteilte Abmahnung ist unwirksam, da
mehrere Vorwürfe nicht ausreichend konkret bestimmt oder von der Beklagten nicht
bewiesen wurden.
81
So hat die Beklagte nicht ausreichend substantiiert dargelegt, dass die Klägerin am
28.06.2007 Angeboten von Großhändlern über Materialkosten Arbeitsnachweisen für
Kunden beigefügt habe. Weder aus der Abmahnung, noch aus dem weiteren Vortrag
der Beklagten ergibt sich, bei welchem konkreten Kunden dies tatsächlich erfolgt sein
soll. Einen Beweisantritt für den konkret gerügten Vorfall ist die Beklagte schuldig
geblieben.
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Auch der unter Ziffer 3 gemachte Vorhalt, die Klägerin habe entgegen widerholter
Aufforderung die Stundenlohnarbeiten in Angeboten und Rechnungen unter
„Materialkosten“ statt unter „Stundenlohnarbeiten“ aufgeschlüsselt, ist nicht hinreichend
bestimmt. Denn die Beklagte hat nicht ausgeführt, bei welchem konkreten
Angebot/Rechnung die Klägerin diesen behaupteten Fehler tatsächlich gemacht hat
und wann genau diese Arbeitsanweisung gegenüber der Klägerin erfolgt sein soll. Die
Vorlage einer Fotokopie eines handschriftlichen Hinweises des Geschäftsführers der
Beklagten vom 15.6.2007 reicht weder für die Bestimmtheit der Abmahnung noch im
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Rahmen der Darlegungs-. Und Beweislast aus.
Entgegen der mit der Abmahnung unter Ziffer 4 gerügten Verhaltensweise der Klägerin
konnte diese am 23.06.2007 auch nicht kostengünstig über Festnetz telefonieren, da es
sich hierbei um einen arbeitsfreien Samstag handelte.
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Ferner sind die unter Ziffer 8 und 9 gemachten Vorwürfe, dass die Kassenführung der
Klägerin nicht korrekt gewesen sei sowie Kassenbelege fehlten, wiederum nicht
ausreichend bestimmt, da die Beklagte nicht benannt hat, zu welchem Zeitpunkt die
Kassenführung welchen konkreten Fehler aufwies sowie welche konkreten
Kassenbelege über welche Summen tatsächlich fehlten. Dem Einwand der Klägerin,
wonach auch andere Mitarbeiter Zugang zur Kasse hatten und damit die Urheberschaft
für die Fehler unklar sei, ist die Beklagte ebenfalls nicht substantiiert entgegengetreten.
Ein ordnungsgemäßer Beweisantritt der Beklagten für die von ihr gemachten
Behauptungen fehlt ebenfalls.
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Schließlich ist der Vorhalt der fehlerhaften Frankierung (Ziffer 25) völlig un-bestimmt, da
nicht ein einziger konkreter Fall benannt wurde.
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Aufgrund der benannten Fehler bzw. der fehlenden Bestimmtheit war deshalb auch
diese Abmahnung unwirksam.
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c.Entgegen der Auffassung der Beklagten sind sämtliche gegenüber der Klägerin
gemachten Vorwürfe von der Beklagten auch lückenlos zu beweisen. Es ist nicht
Aufgabe des Arbeitnehmers, sich aus einer Vielzahl von Vorwürfen diejenigen
herauszusuchen, welche tatsächlich zutreffen, um sich gegen diese konkret zur Wehr zu
setzen. Denn hierdurch würde es der Beklagten ermöglicht, sämtliche möglichen
Vorwürfe einfach im Rahmen einer Abmahnung gegenüber dem Arbeitnehmer
vorzubringen, ohne diese vorher auf den Inhalt und Wahrheitsgehalt zu überprüfen in
der Hoffnung, dass zumindest ein abgemahnter Sachverhalt tatsächlich zutrifft und eine
nachfolgende Kündigung ausreichend vorbereitet. Dies würde faktisch zu einer
Verlagerung der Darlegungs- und Beweislast vom Arbeitgeber zum Arbeitnehmer
bedeuten, da der Arbeitgeber sämtliche auch noch so unsubstantiierten Vorwürfe
erheben könnte, gegen welche sich der Arbeitnehmer in jedem einzelnen Fall
verteidigen müsste. Dies widerspricht der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts, wonach den Kündigenden die Darlegungs- und Beweislast für
alle Umstände, die als Kündigungsgrund geeignet sein können, trifft (BAG, Urteil vom
06.08.1987, AP BGB § 626 BGB Rn. 97) und die Rechtfertigungs- oder
Entschuldigungsgründe des Arbeitnehmers entkräften muss (BAG 17.6.2003, AP ZPO
1977 § 543 Rn. 13). Im Übrigen war es der Beklagten möglich, die Unwirksamkeit der
Abmahnungen dadurch zu vermeiden, dass sie jeden einzelnen Vorwurf gegenüber der
Klägerin separat abgemahnt hätte.
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d.Eine Abmahnung war auch keinesfalls entbehrlich. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Abmahnung lediglich dann
entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer zu erkennen gibt, dass er nicht willig ist, sich
vertragstreu zu verhalten (BAG, Urteil vom 17.2.1994, AP § 626 BGB Nr. 115) oder
weiß, dass der Arbeitgeber das gezeigte Verhalten unter keinen Umständen hinnehmen
wird (BAG, Urteil vom 10.2.1999 - AP KSchG 1969, § 15 Nr. 42). Beide Alternativen
liegen hier nicht vor.
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3.Schließlich überwiegen die Interessen der Klägerin an einem Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses das Interesse der Beklagten an einer Beendigung des
Arbeitsverhältnisses deutlich. Zugunsten der Klägerin sprechen ihre lange und bis
Anfang 2007 beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit. Dagegen sind die von der
Beklagten behaupteten betrieblichen Störungen durch die von ihr behauptete
Fehlerquote der Klägerin mit einem geringeren Gewicht zu bemessen.
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4.
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II.
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Da die Klägerin mit dem Antrag zu 1 obsiegte, ist über den aufschiebend bedingten
Weiterbeschäftigungsantrag zu entscheiden.
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Der zulässige Weiterbeschäftigungsantrag ist auch begründet. Denn der Arbeitgeber ist
nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Großes Senats des
Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urteil vom 27.2.1985, EzA Nr. 9 zu § 611 BGB
Beschäftigungspflicht) verpflichtet, den Arbeitnehmer bis zum rechtskräftigen Abschluss
des Kündigungsrechtsstreites zu den bisherigen Konditionen weiterzubeschäftigen,
nachdem festgestellt wurde, dass die ausgesprochene Kündigung das Arbeitsverhältnis
nicht aufgelöst hat. Besondere Umstände, die ein überwiegendes Interesse der
Beklagten bilden, die Klägerin nicht zu unveränderten Bedingungen als kaufmännische
Angestellte weiterzubeschäftigen, wurden von ihr nicht vorgetragen.
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III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Der
Streitwert wurde gemäß den §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 4 GKG im Urteil festgesetzt.
Er gilt zugleich als Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren im Sinne des § 63 Abs. 2
GKG.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
98
B e r u f u n g
99
eingelegt werden.
100
Für die Klägerin ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
101
Die Berufung muss
102
innerhalb einer N o t f r i s t * von einem Monat
103
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
104
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
105
Die Berufungsschrift muss von einem Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle
können Vertreter einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von
Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht
zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren
Mitglieder Partei sind. Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen,
deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten
Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die
Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend
deren Satzung durchführt.
106
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
107
Gironda
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