Urteil des ArbG Solingen vom 20.07.1999

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Arbeitsgericht Solingen, 5 Ca 1119/99
Datum:
20.07.1999
Gericht:
Arbeitsgericht Solingen
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 Ca 1119/99
Schlagworte:
xxxxxxxxx
Normen:
xxxxxxxxx
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
xxxxxxxxxx
Tenor:
1.) Die Klage wird abgewiesen.
2.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3.) Streitwert: DM 6.564,31.
T a t b e s t a n d:
1
Der Kläger ist seit 1982 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Er
macht mit der vorliegenden Klage die Zahlung der betrieblichen Sonderzahlung nach
dem Tarifvertrag über die tarifliche Sonderzahlung eines Teiles eines dreizehnten
Monatseinkommens der Metallindustrie NRW (TV-Sonderzahlung) sowie das
Urlaubsgeld für das Jahr 1999 geltend.
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Der Kläger ist Mitglied der IG-Metall. Die Beklagte ist zum 31. Dezember 1996 aus dem
zuständigen Arbeitgeberverband ausgetreten.
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Im Monat April 1999 hat die Beklagte bei der Lohnabrechnung des Klägers einen
Einbehalt in Höhe von einem Drittel des Monatsentgeltes des Klägers in Höhe von DM
1.097,11 vorgenommen. Auch diesen Betrag macht der Kläger mit der vorliegenden
Klage geltend.
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In den Jahren 1997 und 1998 ist die Beklagte in erhebliche wirtschaftliche
Schwierigkeiten geraten und hat im Oktober 1998 einen Interessenausgleich und
Sozialplan mit der Folge von vierundsiebzig Kündigungen abgeschlossen.
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Mit Datum vom 07. Dezember 1998 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete
Betriebsrat sowie die IG-Metall-Bezirksleitung Nordhrein-Westfalen eine
Betriebsvereinbarung über einen Konsolidierungsvertrag der unter anderem unter Ziffer I
Ziffer 3 eine Regelung zur dreizehnten tariflichen Sonderzahlung enthält. Danach sollte
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die tarifliche Sonderzahlung nur für den Fall erfolgen, daß eine Unternehmensrendite
von mindestens 3 % für das jeweilige Geschäftsjahr erwirtschaftet werde. Diese
Regelung sollte gelten für die Geschäftsjahre 1998/1999, 1999/2000 und 2000/2001.
Zunächst sollte von den Arbeitnehmern auf die Auszahlung der dreizehnten tariflichen
Sonderzahlung verzichtet werden bis zur Erstellung der entsprechenden Bilanz und
Feststellung der festgeschriebenen Mindestrendite.
I Ziffer 3 der Betriebsvereinbarung hat die Überschrift
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Gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte ohne Leitungsfunk-
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tion:
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Variabilisierung der 13. tariflichen Sonderzahlung (Weihnachts-
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und Urlaubsgeld)
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Im folgenden Text wird lediglich der Begriff dreizehnte tarifliche Sonderzahlung benutzt.
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Für die Vornahme des Einbehaltes im Monat April 1999 stützt sich die Beklagte auf die
Ziffer I 1 der Betriebsvereinbarung. Danach sollen die Arbeitnehmer einmalig im Jahr
1999 auf maximal zwei Drittel des Monatsentgeltes, verteilt auf maximal zwei Monate,
verzichten. Auf ein Drittel des Monatsentgeltes soll im Monat April 1999 verzichtet
werden.
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Die tarifliche Sonderzahlung ist in der Vergangenheit am 10. Dezember eines jeden
Jahres ausgezahlt worden. Der Kläger behauptet, direkt nach Abschluß des
Konsolidierungsvertrages seinen Anspruch auf tarifliche Sonderzahlung gegenüber
dem Geschäftsführer der Beklagten und anderen Mitarbeitern geltend gemacht zu
haben. Er habe ihnen gegenüber erklärt, daß er auf sein Weihnachtsgeld nicht
verzichten wolle, sondern sein volles Gehalt und seine vollen Sonderzahlungen
beanspruche. Hinsichtlich des Urlaubsgeldes habe er im Januar 1999 drei Tage Urlaub
gehabt und jetzt die Genehmigung für fünfzehn Urlaubstage ab dem 08. August 1999
gehabt.
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Der Kläger beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger das
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13. Monatseinkommen für 1998 in Höhe von
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DM 1.822,40 brutto zu zahlen.
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2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger das Urlaubs-
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geld 1999 in Höhe von DM 1.822,40 brutto zu zahlen.
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3. die Beklagte zu verurteilen, den einbehaltenen Monats-
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lohn für den Monat April 1999 mit brutto DM 1.097,11
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an den Kläger auszuzahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte beruft sich zunächst auf die tarifliche Verfallfrist, die nach ihrer Auffassung
vom Kläger nicht gewahrt worden ist. Im übrigen beruft sich die Beklagte zur
Begründung ihrer Zahlungsverweigerung auf den Konsolidierungsvertrag.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den mündlich geführten
Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die
Sitzungsprotokolle verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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I.
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Soweit der Kläger die Zahlung der dreizehnten tariflichen Sonderzahlung für das Jahr
1998 in Höhe von DM 3.644,80 begehrt, so ist ein möglicher Anspruch gemäß § 19
Ziffer 2 und 4 MTV Metall NRW ausgeschlossen.
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§ 19 Ziffer 4 MTV Metall sieht vor, daß ein Anspruch auf dreizehnte tarifliche
Sonderzahlung innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit geltend zu machen ist.
Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind nach Ziffer 4
ausgeschlossen.
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Der Kläger hat seinen Anspruch nicht innerhalb der Zwei-Monats-Frist des § 19 MTV
Metall geltend gemacht.
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Die Geltendmachung mit der Klageschrift erfolgte erst mit Eingang bei Gericht am 05.
Mai 1999, nachdem ein Anspruch bereits zum 01. Dezember 1998 fällig gewesen wäre.
Der Kläger hätte mithin bis zum 01. März 1999 seinen Anspruch gegenüber der
Beklagten geltend machen müssen. Daher ist die klageweise Geltendmachung nicht
ausreichend für eine fristgemäße Geltendmachung des Zahlungsanspruchs.
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Auch soweit der Kläger behauptet hat, daß er nach Abschluß des
Konsolidierungsvertrages seinen Anspruch auf dreizehnte Sonderzahlung gegenüber
der Beklagten geltend gemacht habe, so stellt dies keinen ausreichenden Vortrag für die
rechtzeitige Geltendmachung des Anspruchs des Klägers dar.
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Eine Geltendmachung tarifvertraglicher Ansprüche zur Vermeidung entsprechender
tarifvertraglicher Verfallfristen macht erforderlich die Spezifizierung des Anspruchs nach
Grund und Höhe. Der Anspruch muß dem Grunde nach individualisiert werden, damit
der Schuldner erkennen kann, welche Forderungen erhoben werden. Das bedeutet, daß
auch annähernd angegeben werden muß, in welcher Höhe die Forderung erhoben wird
(vgl. Schaub, 8. Auflage, § 205 V mit weiteren Nachweisen). Der Anspruch muß so
bestimmt beschrieben werden, daß der Schuldner erkennen kann, um welche
Forderung es sich handelt. Der Gläubiger muß unmißverständlich zum Ausdruck
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bringen, daß er die Erfüllung verlangt (vgl. Preiß, Erfurter Kommentar, §§ 194 bis 225
BGB, Rd-Nr. 57).
Diese Anforderung hat der Kläger auch nach seinem von der Beklagten bestrittenen
Vorbringen hinsichtlich der Geltendmachung nicht erfüllt.
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Aus seinem Vorbringen läßt sich nicht unzweifelhaft erkennen, ob der Kläger gegenüber
der Beklagten nur bekundet hat, daß er mit der Neuregelung nach dem
Konsolidierungsvertrag nicht einverstanden sei, oder ob er ausdrücklich die Zahlung
verlangt hat. Auch läßt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen, daß er gegenüber der
Beklagten auch nur annähernd eine Bezifferung seines Anspruchs vorgenommen hat.
Auch das spricht mehr dafür, daß der Kläger lediglich seinen Unwillen über die neue
Regelung bekundet hat und keine Zahlungsaufforderung gegenüber der Beklagten
erhoben hat.
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Demgemäß hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt innerhalb der Verfallfrist des
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§ 19 MTV Metall eine außergerichtliche Geltendmachung seines Anspruchs auf
Zahlung einer tariflichen Sonderzahlung erhoben.
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II.
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Soweit der Kläger Urlaubsgeld für das Jahr 1999 und zwar für drei Urlaubstage im
Januar 1999 verlangt, so ist auch dieser Anspruch gemäß § 19 Ziffer 4 MTV Metall
verfallen.
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Der Anspruch auf Urlaubsgeld im Rahmen der Urlaubsvergütung wäre fällig gewesen
zum 01. Februar 1999.
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Auch hier hat die Klageeinreichung mit Eingang bei Gericht am 05. Mai 1999 die
tariflichen Verfallfristen nicht gewahrt.
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Eine Geltendmachung seiner Urlaubsvergütung nach der Fälligkeit am 01. Februar
1999 hat der Kläger noch nicht einmal vorgetragen.
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III.
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Der Kläger hat ebenfalls keinen Anspruch auf Zahlung eines Urlaubsgeldes für fünfzehn
Urlaubstage im August 1999. Zumindest wäre ein solcher Anspruch zum Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung am 20. Juli 1999 noch nicht fällig gewesen.
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§ 14 Ziffer 2 MTV Metall bestimmt zwar, daß die Urlaubsvergütung auf Wunsch des
Arbeitnehmers vor Antritt des Urlaubs zu zahlen ist. Eine vorgezogene Fälligkeit in den
Vormonat hinein, kann dieser Regelung jedoch nicht entnommen werden. Frühestens
fällig könnte der Anspruch des Klägers daher erst mit der Zahlung der Julivergütung
1999, das heißt zum 01. Juli 1999, sein.
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IV.
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Der Kläger hat auch nicht Anspruch auf Zahlung des von der Beklagten
vorgenommenen Einbehaltes über DM 1.097,11 in der Aprilabrechnung 1999.
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Zurecht beruft sich die Beklagte insoweit auf den Konsolidierungsvertrag zwischen
der Beklagten, dem bei ihr bestehenden Betriebsrat und der IG-Metall vom 17.
Dezember 1998.
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An der Wirksamkeit dieses Vertrages und an der Einordnung dieses Vertrages als
Haustarifvertrag der Beklagten mit der zuständigen Gewerkschaft gemäß § 2 Abs. 1
TVG bestehen für die Kammer keine Zweifel.
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Gemäß § 4 Abs. 5 TVG bestand für die Beklagte auch nach Verbandsaustritt die
Nachwirkung hinsichtlich der tarifvertraglichen Regelung der Metallindustrie
Nordrhein-Westfalens. So war die Beklagte auch hinsichtlich der Vergütung der bei
ihr beschäftigten Mitarbeiter, zumindest gegenüber gewerkschaftlich organisierten
Mitarbeitern, weiterhin tarifgebunden. Der Konsolidierungsvertrag vom 17.
Dezember 1998 hat jedoch gemäß § 4 Abs. 5 letzter Halbsatz in seinem
Regelungsbereich die nachwirkenden tarifvertraglichen Bestimmungen ersetzt. Mit
diesem Haustarifvertrag haben die Tarifvertragsparteien (die Beklagte und die IG-
Metall) rechtswirksam den Verzicht der bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter
auf ein Drittel ihrer Vergütung im April 1999 wirksam regeln können und geregelt.
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An diese tarifvertragliche Regelung zwischen der Beklagten und der zuständigen
Gewerkschaft ist der Kläger als Gewerkschaftsmitglied gemäß § 3 Abs. 1 TVG
gebunden.
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Dementsprechend war die Klage im ganzen Umfang abzuweisen.
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Die Kostenfolge ergibt sich aus § 46 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit
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§ 91 Abs. 1 ZPO.
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Der Streitwert wurde festgesetzt gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 3
ff. ZPO und zugleich nach § 25 Abs. 2 GKG.
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RECHTSMITTELBELEHRUNG
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Gegen dieses Urteil kann von dem Kläger
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B E R U F U N G
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eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 800,00 DM (i.W.
achthundert) übersteigt.
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Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muß
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innerhalb einer Notfrist * von einem Monat
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(* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden)
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nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem
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Landesarbeitsgericht Düsseldorf
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Ludwig-Erhard-Allee, 21, 40227 Düsseldorf
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eingelegt werden.
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Sie ist gleichzeitig oder
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innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
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schriftlich zu begründen.
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Berufungsschrift und Berufungsbegründung müssen von einem bei einem deutschen
Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Sie können auch von einem
Vertreter von Gewerkschaften oder von Vereinigungen von Arbeitgebern oder von
Zusammenschlüssen solcher Verbände unterzeichnet werden, wenn diese Vertreter
kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluß, der
Verband oder deren Mitglieder Partei sind.
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L ö h r - S t e i n h a u s
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