Urteil des ArbG Solingen vom 01.06.2006

ArbG Solingen: betriebsübergang, ablauf der frist, juristische person, widersprüchliches verhalten, arbeitsgericht, beendigung, verzicht, liquidität, unternehmen, anstellungsvertrag

Arbeitsgericht Solingen, 1 Ca 82/06 lev
Datum:
01.06.2006
Gericht:
Arbeitsgericht Solingen
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 Ca 82/06 lev
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Tenor:
1. Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.10.2005 wird
aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
3. Streitwert: €
T a t b e s t a n d:
1
Die Parteien streiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.
2
Der am geborene Kläger wurde am 01.04.1984 bei der C. AG eingestellt. Seit dem
01.01.1994 ist er bei der Beklagten als Sachbearbeiter DV-Systeme zu einem
monatlichen Bruttogehalt von zuletzt € brutto beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom
13.09.1993 vereinbarten die Parteien als Eintrittsdatum den 01.04.1984.
3
Mit Wirkung zum 01.11.2004 ging der Geschäftsbereich D. auf die Firma B. GmbH über.
Mit Schreiben vom 22.10.2004 wurde der Kläger zuvor über den beabsichtigten
Betriebsübergang informiert.
4
In dem Schreiben heißt es u. a.:
5
Übergang auf B. GmbH,
6
Information gem. § 613 a Abs. 5 BGB
7
2. Zum Grund für den Übergang:
8
.....
9
B. GmbH mit Sitz M. umfasst das gesamte bisherige D.-Geschäft der B. AG, also die
Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte. B. GmbH übernimmt das Vermögen
von D. . Hierzu gehören insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente
und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen.
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.....
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Das Unternehmen wird mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfügt über hohe
Liquidität, um unerwartet auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren
und Marktchancen besser nutzen zu können.
12
..
13
3. Zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die
Arbeitnehmer:
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Mit dem Übergang des Geschäftsbereichs D. tritt B. GmbH in die bestehenden,
unveränderten Arbeitsverhältnisse ein. Zur Klärung und Regelung der Einzelheiten
haben B. AG, B. GmbH, Gesamtbetriebsrat der B. AG sowie die örtlichen Betriebsräte
am 24. September 2004 eine Überleitungsvereinbarung zur Klärung der rechtlichen
Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse betroffener Arbeitnehmer, auf die kollektiv -
rechtlichen Regelungen sowie auf die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen
abgeschlossen, die davon geprägt ist, so weit wie möglich Kontinuität zu wahren:
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Die bei der B. AG verbrachten und/oder von ihr anerkannten Dienstjahre werden als
Dienstzeit bei B. GmbH anerkannt.
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Die Zugehörigkeit zu den Arbeitgeberverbänden der Chemischen Industrie wird auch
bei B. GmbH bestehen, d. h. es bleibt bei den Chemie-Tarifen.
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Bei Bonus/VUEK für den Zeitraum ab 1. Januar 2004 werden die Mitarbeiter von B.
GmbH so behandelt, als seien sie Mitarbeiter der B. AG, d. h., wenn der Vorstand für die
B. AG eine solche Zahlung beschließt, wird sie entsprechend auch bei B. GmbH
erfolgen.
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Die übergehenden Mitarbeiter können ihre ordentliche Mitgliedschaft in der C. - m
Pensionskasse fortsetzen. Die Abstimmung mit der C.-Pensionskasse ist bereits erfolgt.
Die erworbenen Anwartschaften bleiben erhalten.
19
Die kollektiv-rechtliche Geltung der am 31. Oktober 2004 bei der B. AG bestehenden
Betriebsvereinbarungen und Gesamtbetriebsvereinbarungen bleibt bei der B. GmbH
unverändert. Dies gilt auch für die bei der B. AG geltenden Richtlinien.
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Die Gesamtbetriebsvereinbarungen zum Sozialplan gelten bei B. GmbH oder einer
Schwester- oder Tochtergesellschaft als Sozialplan sowohl auf Ebene des
Unternehmens wie auch auf örtlicher Ebene mindestens bis zum 31. Dezember 2007.
21
B. GmbH wird einen Aufsichtsrat mit je 6 Vertretern der Anteilseigner und der
Arbeitnehmer bilden.
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Betriebsrat und Vertrauensperson der Schwerbehinderten in O.. haben ein
Übergangsmandat für B. GmbH bzw. B. AG bis zur Neuwahl, die bis zum Sommer 2005
erfolgen wird.
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Die bestehenden betrieblichen Einrichtungen (z. B. Kantine, Parkplätze, Werksarzt)
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bleiben bei Betriebsübergang unverändert.
Die Pensionäre, die vor dem Übergang auf B. GmbH aus dem Unternehmen
ausgeschieden sind bzw. ausscheiden, verbleiben bei der B. AG.
25
......
26
7. Zu den Folgen eines Widerspruchs:
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Im Falle eines fristgerechten Widerspruchs bleibt Ihr Arbeitsverhältnis bei der B. AG und
geht nicht auf die B. GmbH über.
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Da nach dem Übergang des vollständigen Geschäftsbereichs D. auf B. GmbH Ihr
bisheriger Arbeitsplatz bei der B. AG nicht mehr vorhanden sein wird und eine
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht besteht, müssen Sie daher im Falle der
Ausübung Ihres Widerspruchsrechts mit der Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses durch
B. AG rechnen.
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Wir weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass nach der eindeutigen Regelung in der mit
dem Gesamtbetriebsrat der B. AG und den örtlichen Betriebsräten vereinbarten
Überleitungsvereinbarung in diesem Fall kein Anspruch auf eine Abfindung besteht,
weder gegenüber der B. AG, noch gegenüber B. GmbH .
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Im Falle eines Widerspruchs müssen Sie deshalb damit rechnen, Ihren Arbeitsplatz
ohne jede finanzielle Leistung zu verlieren. Außerdem sind bei einer eventuellen
Arbeitslosigkeit nach einem Widerspruch Ihre Ansprüche auf Leistungen der Agentur für
Arbeit in Frage gestellt.
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Wir empfehlen Ihnen daher dringend, von einem Widerspruch abzusehen.
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Der Kläger widersprach dem Betriebsübergang zunächst nicht und arbeitete bei der Fa.
B. GmbH zu den bisherigen Bedingungen weiter.
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Mit Schreiben vom 27.06.2005 (Bl. 18, 19 d. A.) rügte der Kläger die nicht
ordnungsgemäße Information über den Betriebsübergang und bat um Vervollständigung
der Angaben bis zum 24.07.2005. Gleichzeitig behielt er sich den nachträglichen
Widerspruch gegen den Betriebsübergang und Schadensersatzansprüche vor.
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Am 26.08.2005 schloss der Kläger mit der B. GmbH und der D. GmbH einen
Aufhebungs- und Anstellungsvertrag (Bl. 251 260 d. A.). Mit Schreiben vom 09.09.2005
widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der Beklagten
auf die B. GmbH und forderte die Beklagte gleichzeitig auf, ihn zu unveränderten
Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen (Bl. 20/21 d.A.)
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Mit der am 20.09.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die
Feststellung, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht
und die Verurteilung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers. Über diesen
Antrag erging im Termin vom 18.10.2005 vor dem Arbeitsgericht Köln zu Gunsten des
Klägers ein Versäumnisurteil. Gegen das am 09.11.2005 zugestellte Versäumnisurteil
legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 15.11.2005 fristgerecht Einspruch ein.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass der Widerspruch nicht verspätet sei. Die Beklagte
habe ihn nicht gemäß § 613 a Abs. 5 BGB vollständig und wahrheitsgemäß über die
rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs belehrt. In diesem Fall
beginne die Widerspruchsfrist nicht zu laufen. In dem Informationsschreiben vom
22.10.2004 weise die Beklagte ausdrücklich darauf hin, dass das Unternehmen mit
gutem Eigenkapital ausgestattet werde und über hohe Liquidität verfüge. Dies sei aber
nicht der Fall gewesen. Tatsächlich sei bereits 9 Monate später die Insolvenz über das
Vermögen der B. GmbH eröffnet worden. Unabhängig davon sei insbesondere über die
Weitergeltung oder Änderung der bisherigen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis und
die Haftung des bisherigen Arbeitgebers und des neuen Inhabers zu informieren. Auch
insoweit fehle es an Informationen. Bei einer ordnungsgemäßen Information hätte der
Kläger dem Betriebsübergang innerhalb des Monats widersprochen. Der Umstand, dass
der Kläger zum Zeitpunkt des Widerspruchs nicht mehr bei der B. GmbH beschäftigt
gewesen sei, stehe der Ausübung dieses Rechts nicht entgegen, da der Widerspruch
auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurückwirke. Der Geltendmachung des
Widerspruchrechts stehe auch nicht der Abschluss des Aufhebungs- und
Anstellungsvertrages entgegen. Schon die Ausübung des Widerspruchsrechts habe
dazu geführt, dass kein Arbeitgeberwechsel stattgefunden habe. Insoweit beziehe sich
der 3-seitige Vertrag auch nicht auf den Arbeitgeber des Klägers.
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Der Kläger beantragt,
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das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.10.2005 aufrechtzuerhalten.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Köln vom
18.10.2005 abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klage unbegründet sei, da zwischen den
Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr bestehe. Das Arbeitsverhältnis sei am 01.11.2004
auf die B. GmbH übergegangen. Ein wirksamer Widerspruch sei nicht erklärt worden.
Die Widerspruchsfrist sei abgelaufen. Der Kläger sei ordnungsgemäß informiert worden.
Es sei allein auf das Schreiben vom 22.10.2004 abzustellen. Dort würde nur allgemein
darauf hingewiesen, dass das Unternehmen mit gutem Eigenkapital ausgestattet sei
und über hohe Liquidität verfüge. Eine Verpflichtung des Veräußerers oder Erwerbers
über die wirtschaftliche Solvenz oder Liquidität des Erwerbers zu informieren bestehe
nicht. Im Übrigen seien auch die Informationen insoweit richtig, da die Säulen der
geplanten Liquiditätsausstattung per 01.11.2004 aus einem sogenannten Mezzanine-
Darlehen in Höhe von €, aus vorhandenem equity-Kapital in Höhe von ca. . € sowie aus
einem Darlehen aus dem Verkauf von Forderungen (Facturing) weltweit im Umfang von
€, also in Summe €, bestanden hätten. Selbst wenn die Informationen unvollständig
gewesen wären, sei die Geltendmachung des Anspruchs verwirkt. Sowohl das Zeit- als
auch das Umstandsmoment seien erfüllt. Angesichts des langen Zeitablaufes habe die
Beklagte nicht mehr mit der Ausübung des Widerspruchs rechnen brauchen. Es komme
hinzu, dass die Ausübung des Widerspruchrechts voraussetze, dass der Arbeitnehmer
noch in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsübernehmer stehe. Dies sei nicht gegeben.
Der Kläger sei aufgrund eines Aufhebungs- und Anstellungsvertrages zum 01.09.2005
bei der B. GmbH ausgeschieden und in die D. zum 01.09.2005 eingetreten. Mit dem
Abschluss dieses Vertrages habe er sein Widerspruchsrecht verwirkt. In jedem Fall
habe er durch seine Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit der B. GmbH und dem
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Eintritt in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft deutlich zu erkennen
gegeben, dass er auch in Zukunft auf die Ausübung seines Widerspruchrechts
verzichten werde. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch scheide in jedem Fall aus, da der
Beschäftigungsbetrieb nicht mehr bestehe.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt sowie auf die
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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I. Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
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Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.10.2005 war aufzuheben und die
Klage abzuweisen. Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsverhältnis.
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1. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte ihre Informationspflicht gemäß § 613 a Abs. 5
BGB verletzt hat und deswegen die Monatsfrist nach § 613 a Abs. 6 BGB noch nicht zu
laufen begonnen hat. Es kann auch dahinstehen, ob durch das Ausscheiden aus dem
Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsübernehmer das Widerspruchsrecht grundsätzlich
entfällt.
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2. Nach Auffassung der Kammer konnte der Kläger dem Betriebsübergang am
09.09.2005 nicht mehr widersprechen, weil er mit Abschluss des Aufhebungs- und
Anstellungsvertrages (3-seitiger Vertrag) vom 26.08.2005 auf sein Widerspruchsrecht
nach § 613 a Abs. Abs. 6 BGB verzichtet hat.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitnehmer zwar
keinen Vorausverzicht erklären. In Ansehung eines konkreten bevorstehenden
Übergangs kann er aber auf sein Widerspruchsrecht verzichten (BAG, Urteil vom
19.03.1998, EzA § 613 a BGB, Nr. 163; BAG 15.02.1984, AP BGB § 613 a Nr. 37; vgl.
auch für die Lit. ErfK/Preis 6. Aufl. § 613 a BGB Rdnr. 98 m. w. O..). Der Verzicht bedarf
nicht der für die Ausübung des Widerspruchsrechts vorgesehenen Form (HWK/
Wilhelmsen/Müller-Bonanni § 613 a BGB Nr. 365; Annuß, Informationspflicht und
Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang, Arbeitsgemeinschaft/Arbeitsrecht zum 25.-
jährigen Bestehen S. 563/591). Er kann auch konkludent durch die Fortsetzung der
Tätigkeit bei dem neuen Betriebsinhaber erklärt werden (BAG 02.10.1974 5 AZR
504/93, AP Nr. 1 § 613 a BGB; HWK a.a.O.). Die Verzichtserklärung kann gegenüber
einem der Beteiligten erfolgen (KR/Pfeiffer, 7. Auflage § 613a NGN Rdnr. 115;
Gaul/Otto, Unterrichtungsanspruch und Widerspruchsrecht bei Betriebsübergang und
Umwandlung, DB 2002 Seite 638; siehe auch BAG, Urteil vom 15.02.1984 5 AZR
123/82, EzA § 613 a BGB Nr. 39). Ein Widerspruch ist auch ausgeschlossen, wenn der
Arbeitnehmer mit dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Arbeitgeber eine
Vereinbarung über die Weiterbeschäftigung trifft (BAG Urteil vom 19.03.1989 8 AZR
139/97, EzA § 613 a BGB Nr. 163).
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b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger nach Auffassung der
Kammer mit dem Abschluss des Aufhebungs- und Anstellungsvertrages vom
26.08.2005 konkludent auf die Ausübung des Widerspruchsrechts gegen den
Betriebsübergang auf die B. GmbH verzichtet.
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Dies ergibt die Auslegung des Vertrages unter Berücksichtigung der Gesamtumstände.
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Die Auslegung von Verträgen richtet sich nach §§ 157, 133 BGB. Trotz des in § 133
BGB enthaltenen Verbots der Buchstabeninterpretation hat die Auslegung vom Wortlaut
der Erklärung auszugehen (vgl. BGH NJW 2001, Seite 2966.) Nach der Ermittlung des
Wortsinns sind in einem zweiten Auslegungsschritt die außerhalb des Erklärungsaktes
liegenden Begleitumstände in die Auslegung mit einzubeziehen, soweit sie einen
Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Als auslegungsrelevante
Begleitumstände kommen zudem neben der Verkehrssitte auch die Interessenlage und
die Entstehungsgeschichte in Betracht.
In der Präambel wird ausgeführt, dass der Vertrag geschlossen wird, um die
wirtschaftlichen Nachteile für die vom Abbau von Arbeitsplätzen betroffenen
Arbeitnehmer auszugleichen und auf die Genehmigung und Förderung der
Transferkurzarbeit durch die Arbeitverwaltung hingewiesen. In II. Ziffer 1. des Vertrages
heißt es, dass in Kenntnis der in der Präambel genannten Fakten der Arbeitnehmer mit
der B. vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen
einvernehmlich zum 01.09.2005 endet. In II. Ziffer 2. erklärt der Arbeitnehmer, dass er
über die Folgen einer solchen einvernehmlichen Beendigung insbesondere auf den
darin liegenden Verzicht auf das Führen von Bestandsstreitigkeiten gegen seinen
Arbeitgeber belehrt worden ist. Die Ziffer II. 5. enthält darüber hinaus eine umfassende
Ausgleichsklausel.
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Aus diesen Regelungen ergibt sich der Wille der Vertragspartner, die vertraglichen
Beziehungen abschließend zu regeln. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestand
zwischen dem Kläger und der B. GmbH aufgrund des Betriebsübergangs ein
Arbeitsverhältnis, da der Kläger dem Betriebsübergang noch nicht widersprochen hatte.
Grundlage der Vereinbarung war damit dieses einheitliche Arbeitsverhältnis, das von
der Beklagten auf die B. GmbH übergegangen ist. Wenn die Parteien unter diesen
Umständen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betrieblichen Gründen mit
einer Fortsetzung in einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft vereinbaren,
so kann das nur dahingehend verstanden werden, dass sie von einem wirksamen
Übergang des Arbeitsverhältnisses ausgehen und der Bestand dieses einheitlichen
Arbeitsverhältnisses nicht mehr im Streit ist. Dies beinhaltet den Verzicht auf das
Widerspruchsrecht.
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Soweit der Kläger darauf verweist, dass sich die Regelung nur auf das Rechtsverhältnis
mit der B. GmbH erstreckt, kann dem nach Auffassung der Kammer nicht gefolgt werden.
Der Verzicht kann gegenüber einem der Beteiligten erfolgen (a. a. O.) Bei der
Beurteilung darf im übrigen nicht außer Acht gelassen werden, dass der Kläger in
Kenntnis eines möglichen Widerspruchsrechts den Vertrag abgeschlossen hat. Auf das,
auch nach Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist bestehende Widerspruchsrecht,
hat der Kläger die Beklagte bereits im Schreiben vom 27.06.2005 unter Fristsetzung
hingewiesen. Wenn der Kläger nach Ablauf der Frist ohne einen Vorbehalt den
vorliegenden Vertrag unterschreibt, so kann dass nur dahingehend verstanden werden,
dass er den Übergang des Arbeitsverhältnisses akzeptiert. In Ansehung eines noch
auszuübenden Widerspruchs, wäre die Regelung im Übrigen überflüssig. Sie ging ins
Leere. Die Ausübung des Widerspruchsrechts führt dazu, dass in der Vergangenheit
lediglich ein faktisches Arbeitsverhältnis bestand, das jederzeit, auch durch einseitige
Erklärung, beendet werden kann. Der allgemeine Kündigungsschutz greift insoweit nicht
(vgl. LAG Köln, 11.06.2004, LAGE BGB 2002, § 613 a BGB Nr. 5; Erf./Preis, 6. Auflage §
611 BGB Rdnr. 172). Eine einvernehmliche Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses ist
genauso wenig erforderlich, wie die Vereinbarung des Eintritts in eine Beschäftigungs-
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und Qualifizierungsgesellschaft. Nach alledem hat der Kläger mit dem Abschluss des
Vertrages auf die Ausübung seines Widerspruchrechts gegen den Betriebsübergang
verzichtet.
c) Aber selbst wenn man der Auffassung ist, dass der Aufhebungs- und
Anstellungsvertrag keinen Verzicht auf das Widerspruchsrecht enthält, führt dies nicht zu
einem anderen Ergebnis. Der Kläger kann sich auf das Widerspruchsrecht unter dem
Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens nicht berufen (§ 242 BGB).
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Ein widersprüchliches Verhalten liegt vor, wenn sich der Arbeitnehmer in Widerspruch
zu seinem vorausgegangenen Verhalten setzt und dadurch für den anderen Teil ein
Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist (vgl. BAG 15.02.1984 a. a. O.; BGH 94,
351).
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Die Vertragespartner haben mit dem Aufhebungs- und Anstellungsvertrag, wie oben
ausgeführt, den Bestand des Arbeitsverhältnisses zwischen der B. GmbH und dem
Kläger außer Streit gestellt und dieses beendet. Darüber hinaus haben sie eine
Qualifizierungsmaßnahme durch Abschluss eines auf 12 Monate befristeten Vertrages
mit der Fa D. GmbH vereinbart. Wie sich aus der Präambel ergibt, beruht der Vertrag auf
dem am 27.07.2005 abgeschlossenen Interessenausgleich und Sozialplan. Es handelte
sich zudem um eine Maßnahme, die von der Arbeitsverwaltung genehmigt und auch
gefördert wird. Mit Erfüllung der Vereinbarung sollten die gegenseitigen Ansprüche
abschließend geregelt sein. Mit der Ausübung des Widerspruchs am 09.09.2005 setzt
sich der Kläger zu seinem vorangegangen Verhalten in Widerspruch. Die wirksame
Ausübung des Widerspruchsrechts führt, wie ausgeführt, (rückwirkend) zum Fortbestand
des Arbeitsverhältnisses mit dem alten Arbeitgeber (BAG, Urteil vom 27.10.2005 8 AZR
568/04 n. V.). Das Arbeitsverhältnis ist damit nicht auf die Beklagte übergegangen. Es
bestand aufgrund der Aufnahme der Tätigkeit ein faktisches Arbeitsverhältnis. Eine
einvernehmliche Beendigung ist nicht erforderlich. Der allgemeine Kündigungsschutz
greift insoweit nicht (vgl. LAG Köln, 11.06.2004, LAGE BGB 2002, § 613 a BGB Nr. 5;
Erfurter Kommentar/Preiss, 6. Auflage § 611 BGB Rdnr. 172). Es geht auch der
befristete Anstellungsvertrag mit der Beschäftigungsgesellschaft ins Leere, da er zum
einen die betriebsbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraussetzt und zum
anderen im Hinblick auf die Qualifizierungsmaßnahmen auf die Zukunft gerichtet ist.
Wer die Absicht hat, den Widerspruch gegen den Betriebsübergang auszuüben, kann
nicht gleichzeitig einen Vertrag abschließen, der einen wirksamen Übergang des
Arbeitsverhältnisses voraussetzt. Bei der Beurteilung darf auch insoweit nicht außer
Acht gelassen werden, dass der Kläger bereits mit Schreiben vom 27.06.2005 an die
Beklagte auf ein mögliches Widerspruchsrecht hingewiesen hat. Wenn der Kläger aber
dann in Kenntnis der Streitigkeiten über die Zulässigkeit eines nachträglichen
Widerspruchs die vorliegende Vereinbarung trifft, so kann die Beklagte, die darauf
vertrauen, dass die Gesamtregelung nicht nachträglich durch Ausübung des
Widerspruchs in Frage gestellt wird.
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Nach alledem besteht zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis. Die Klage war
folglich abzuweisen und das Versäumnisurteil aufzuheben.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 61 Abs. 1 ArbGG. Der Feststellungsantrag
wurde mit 3 Bruttomonatsgehältern, der Weiterbeschäftigungsantrag mit 2
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Bruttomonatsgehältern bewertet.
Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von dem Kläger
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
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Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer O. o t f r i s t* von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger
Form abgefassten Urteils
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
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Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft
oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher
Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und
der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche
Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im
wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange
die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der
Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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