Urteil des ArbG Solingen vom 25.04.2008

ArbG Solingen: kapitalzahlung, juristische person, wahlrecht, auszahlung, auflage, altersrente, form, wahlschuld, rentenanspruch, anwartschaft

Arbeitsgericht Solingen, 5 Ca 2051/07 lev
Datum:
25.04.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Solingen
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 Ca 2051/07 lev
Schlagworte:
Nachträgliche Umwandlung Betriebsrente in Kapitalzusage,
Ersetzungsbefugnis, laufende Leistungen
Normen:
§ 4 BetrAVG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
xxxxxxxxx
Tenor:
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3.Der Streitwert wird auf 64.131,65 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten über das Bestehen und die Voraussetzungen des dem Kläger
eingeräumten Kapitalwahlrechts im Rahmen der ihm zugesagten betrieblichen
Altersversorgung.
2
Der am 06.04.1947 geborene Kläger war in der Zeit vom 18.04.1973 bis zum
31.03.2004 bei der Beklagten beschäftigt. Unter dem 10.01.2003 schlossen die Parteien
eine Aufhebungsvereinbarung, die in Ziffer 5 vorsah, dass sich die Ansprüche aus der
betrieblichen Altersversorgung nach den gesetzlichen und betrieblichen Regelungen
richten und der Kläger aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 31.03.2004
ausscheidet (Anlage B1, Blatt 93 der Akte).
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Zum Zeitpunkt des Beschäftigungsbeginns des Klägers zum 18.04.1973 bestand bei der
damaligen U. GmbH, der nunmehr verklagten Beklagten, zur Regelung der betrieblichen
Altersversorgung ihrer Mitarbeiter ein Versorgungswerk gemäß Aktennotiz vom
15.05.1970, welche eine Aufnahme in das Versorgungswerk nach Ablauf von 5
Dienstjahren zur Mitte oder Ende eines Kalenderjahres und eine Altersrente sowie eine
Hinterbliebenenversorgung vorsah und u.a. wie folgt lautete:
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„4. Höhe der Leistungen
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a)Altersrente und Hinterbliebenenrente entsprechen dem in der
Versorgungszusage bzw. deren Ergänzungen genannten Kapitalbetrag. Bei Tod
durch Unfall verdoppelt sich dieser Kapitalbetrag. Bei Tod durch Selbstmord
entfällt jedoch jede Leistung.
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Die Verrentung des zugesagten Kapitalbetrages erfolgt nach den steuerlich
zulässigen versicherungsmathematischen Grundsätzen, und zwar z.Z. nach den
„Richttafeln für die Pensionssicherung“ von Dr. Heubeck - Dr. Fischer mit dem
derzeitigen Rechnungszins von 5,5 %.
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Die Rentenzahlungen (monatliche Zahlungen auf Lebenszeit des bzw. der
Berechtigten) erfolgen wie die Gehälter jeweils am Monatsende. Anstelle der
Rentenzahlungen kann die Auszahlung des entsprechenden Kapitelbetrages
beantragt werden. Die U. behält sich vor dem Antrag in der für den
Versorgungsberechtigten einkommens- und vermögenssteuerlich günstigsten
Form zu entsprechen.“
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Da das Versorgungswerk zum 31.12.1979 geschlossen wurde, schlossen die
Betriebsparteien unter dem 28.09.1979 eine Betriebsvereinbarung, wonach für
Betriebsangehörige, welche die erforderliche Wartezeit am 01.01.1980 erreicht hatten,
die bisherige Versorgungsregelung weiter Bestand haben sollte. Gleichzeitig wurde die
zugehörige Versorgungszusage wie folgt neu gefasst (Anlage K 5, Blatt 23 ff. der Akte):
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„2.Eintritt von Versorgungsfällen
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Als Eintritt von Versorgungsfällen gilt:
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a)Für die Altersrente die Vollendung des 65. Lebensjahres bei Männern bzw.
des 60. Lebensjahres bei Frauen (Altersgrenze) […]
12
3.Höhe der Leistungen
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a)Altersrente und Hinterbliebenenrente entsprechen dem in der
Versorgungszusage bzw. deren Ergänzungen genannten Kapitalbetrag. Bei Tod
durch Unfall verdoppelt sich dieser Kapitalbetrag. Bei Tod durch Selbstmord
entfällt jedoch jede Leistung. Der für die Invalidenrente maßgebende
Kapitalbetrag ergibt sich nach Kürzung des zugesagten Kapitalbetrages um 0,5
% für jeden Monat des vorzeitigen Beginns.
14
Die Verrentung des maßgebenden Kapitalbetrages erfolgt nach den steuerlichen
zulässigen versicherungsmathematischen Grundsätzen, und zwar z.Z. nach den
„Richtlinien für die Pensionssicherung“ von Dr. Heubeck - Dr. Fischer mit dem
derzeitigen Rechnungszins von 5,5 %. Die Rentenzahlungen (monatliche
Zahlungen auf Lebenszeit des bzw. der Berechtigten) erfolgen wie die Gehälter
jeweils am Monatsende.
15
Anstelle der Rentenzahlung kann die Auszahlung des entsprechenden
Kapitalbetrages beantragt werden. Die U. behält sich vor, dem Antrag in der für
den Versorgungsberechtigten einkommens- und vermögenssteuerlich
günstigsten Form zu entsprechen.“
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Mit Schreiben vom 13.01.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Kapitalwert
seiner betrieblichen Altersversorgung 64.131,65 € betrage. Unter dem 23.02.2007
kontaktierte die Beklagte den Kläger und teilte mit, dass sie diesem als Inhaber einer
Rentenzusage der Beklagten im Rahmen der Pensionsordnung das Wahlrecht
einräume, statt der Verrentung des zugesagten Kapitalbetrages die einmalige
Auszahlung des Kapitalbetrags für den Zeitpunkt des Rentenbeginns zu beantragen
(Anlage K 6, Blatt 26 der Akte).
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Weiter informierte die Beklagte den Kläger, dass das Wahlrecht bis spätestens sechs
Monate vor dem voraussichtlichen Rentenbeginn ausgeübt und der Beklagten mitgeteilt
werden müsse bzw. dass der Kläger seine Entscheidung umgehend mitteilen solle,
wenn er dieses Schreiben weniger als 6 Monate vor Rentenbeginn erhalten habe. Mit
Schreiben vom 01.03.2007 wandte sich darauf der Kläger an die Beklagte und begehrte
weitere Informationen über die monatliche Rentenhöhe bzw. Höhe der Kapitalsumme.
Die Beklagte bat daraufhin den Kläger unter dem 13.03.2007 um Erteilung zusätzlicher
Informationen, damit sie eine Informationsberechnung durchführen könne. Mit Schreiben
vom 23.04.2007 teilte die Beklagte dem Kläger schließlich mit, dass eine Auszahlung
des Kapitalwertes als Abfindung nicht gewährt werden könne, da der Kläger keinen
Antrag auf Kapitalauszahlung gestellt habe. Seit dem 01.05.2007 bezieht der Kläger
Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
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Mit Schreiben vom 27.09.2007 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er die zugesagte
Altersversorgung als Kapitalabfindung in Anspruch nimmt. Dies lehnte die Beklagte
durch die X. X. I. GmbH X., welche von der Beklagten mit der Verwaltung der
Rentenansprüche betraut wurde, unter dem 15.10.2007 erneut ab.
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Mit seiner am 30.11.2007 beim Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage begehrt
der Kläger von der Beklagten die Zahlung der Kapitalabfindung.
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Er ist der Ansicht, das Abfindungsverbot des § 3 BetrAVG stehe der Auszahlung des
Kapitalbetrages nicht entgegen. § 3 BetrAVG sei vorliegend nicht einschlägig, da es
weder um die Abfindung einer Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung noch der
aus der Anwartschaft resultierenden laufenden Leistungen gehe. Vielmehr habe er nur
von dem ihm nach der Versorgungsordnung zustehenden Kapitalwahlrecht Gebrauch
gemacht. Hierin liege jedoch keine Abfindung, da diese eine Entschädigung für die
Aufgabe einer Rechtsposition darstelle und einen Änderungsvertrag voraussetze. Den
Mitarbeitern sei ein echtes Wahlrecht eingeräumt worden, welches nicht an weitere
Voraussetzungen geknüpft sei, da verschiedene Leistungen von der Beklagten
geschuldet seien, von denen nach Wahl des Klägers nur eine zu erbringen sei.
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Durch Ausübung des Wahlrechts des Klägers, welches nicht an irgendwelche Fristen
gebunden sei, werde die unbestimmte Leistung lediglich konkretisiert. Die Erfüllung
einer vertraglichen Verpflichtung stelle keine Abfindung dar. Die Auffassung der
Beklagten würde dazu führen, dass Altersversorgungssysteme, die eine Kapitalzahlung
im Versorgungsfall gewähren, nicht mehr zulässig seien. Schließlich stehe dem
Anspruch des Klägers auch nicht entgegen, dass er nicht bereits sechs Monate vor
Eintritt des Versorgungsfalls von seinem Kapitalwahlrecht Gebrauch gemacht habe, da
die Versorgungszusage eine solche Frist nicht vorsehe. Im Übrigen sei er auch daran
gehindert gewesen, sein Wahlrecht früher auszuüben, da ihn die Beklagte erst zwei
Monate vor Eintritt des Versorgungsfalles gebeten habe, sich im Hinblick auf sein
Wahlrecht zu entscheiden. Insoweit könne sich die Beklagte auch nicht auf eine
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verspätete Ausübung des Wahlrechts berufen. Erst mit Schreiben der Beklagten vom
15.10.2007 habe man ihm verbindliche Informationen zur Höhe des Kapitalbetrages
sowie der monatlichen Rentenzahlungen erteilt. Schließlich könne von laufenden
Leistungen nicht die Rede sein, weil die Beklagte bislang keinerlei Zahlungen auf die
Rentenansprüche des Klägers erbracht habe. Es wäre auch mit dem Grundgesetz nicht
vereinbar, wenn der Gesetzgeber durch das Abfindungsverbot in den vom Kläger
erworbenen Anspruch auf Zahlung einer Kapitalabfindung eingreife.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 64.131,65 EUR brutto nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.11.2007 zu
zahlen.
24
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, der Kläger habe keinen Anspruch auf Kapitalauszahlung. Da er
seine Kapitaloption erst nach Eintritt des Versorgungsfalles ausgeübt habe, verstoße
eine Kapitalauszahlung gegen das Abfindungsverbot des § 3 Abs. 1 BetrAVG. Mit
Eintritt des Versorgungsfalles erhalte der Kläger laufende Leistungen im Sinne des § 3
Abs. 1 BetrAVG, unabhängig davon, ob die Beklagte die Betriebsrente ausgezahlt habe
oder nicht. Eine nach diesem Zeitpunkt ausgeübte Kapitaloption stelle eine Abfindung
dar, da dem Kläger in der Zusage lediglich eine Ersetzungsbefugnis eingeräumt worden
sei, den Rentenanspruch in einen Kapitalanspruch umzuwandeln. Aus der
Versorgungszusage ergebe sich, dass die Altersversorgung in Form einer Rente
geleistet werden solle und lediglich auf Antrag und unter Vorbehalt durch eine
Kapitalauszahlung ersetzt werden könne. Die Schuld der Beklagten sei mithin bereits
konkretisiert gewesen, sodass dem Kläger nur das Recht eingeräumt worden sei, das
bestehende Schuldverhältnis nachträglich zu verändern. Da der Gesetzgeber durch die
Neufassung des § 3 Abs. 1 BetrAVG vermeiden wollte, dass ein Rentner einen
bestehenden Rentenanspruch zugunsten einer einmaligen Kapitalzahlung aufgebe,
greife bei einer Ersetzungsbefugnis spätestens ab Eintritt des Versorgungsfalles das
Abfindungsverbot ein. Es sei schließlich unzutreffend, dass die Beklagte den Kläger von
der Ausübung seiner Kapitaloption abgehalten habe, da sie ihn bereits mit Schreiben
vom 13.01.2007 auf die Möglichkeit einer Kapitalauszahlung hingewiesen habe und mit
Schreiben vom 23.02.2007 gebeten habe, sich mit der Beklagten wegen des Wahlrechts
umgehend schriftlich in Verbindung zu setzen. Im Übrigen könne auch ein Versäumnis
der Beklagten im Hinblick auf eine rechtzeitige Information nicht dazu führen, dass der
Kläger entgegen dem Abfindungsverbot einen Anspruch auf eine einmalige
Kapitalzahlung habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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I.
31
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Kapitalauszahlung aus dem Arbeitsvertrag in
Verbindung mit der Versorgungsordnung vom 28.09.1979, da diesem Anspruch das
gesetzliche Verbot des § 3 Abs. 1 BetrAVG i.V.m. § 134 BGB entgegensteht.
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1.Nach § 3 Abs. 1 BetrAVG dürfen unverfallbare Anwartschaften im Falle der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses und laufende Leistungen nur unter den
Voraussetzungen der folgenden Absätze abgefunden werden.
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Im Rahmen des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG, Gesetz vom 05.07.2004, BGBl. I, S.
1427) wurde das Abfindungsverbot nach § 3 BetrAVG mit Wirkung zum 01.01.2005 neu
geregelt und - abweichend von der Rechtslage bis zum 31.12.2004 - auch auf laufende
Leistungen erstreckt. Gesetzgeberisches Ziel war es sicherzustellen, dass bei Eintritt
eines Versorgungsfalls die Leistungen aus unverfallbaren Anwartschaften aufgrund
einer früheren Beschäftigung den Versorgungsberechtigten tatsächlich zur Verfügung
stehen, und zu vermeiden, dass Rentner nach dem Rentenbezug sich den Kapitalwert
der künftigen Rente auszahlen lassen und somit die dauerhafte Sicherung durch
lebenslängliche Leibrenten verlieren (BT-Drucksache 15/2150, S. 52).
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Hiernach steht dem geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Zahlung einer
Kapitalbetrages das Abfindungsverbot des § 3 Abs. 1 BetrAVG entgegen, da die
Ausübung der Kapitaloption nach Eintritt des Versorgungsfalles einer Abfindung einer
unverfallbaren Anwartschaft i.S.d. § 3 Abs. 1 BetrAVG gleichsteht.
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a.Zugunsten des Klägers besteht eine unverfallbare Anwartschaft aus der
Versorgungsordnung der Beklagten vom 28.09.1979. Da er mit Eintritt des
Versorgungsfalles am 01.05.2007 laufende Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 1
BetrAVG bezog, ist auch der zeitliche Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 BetrAVG
eröffnet.
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Der Begriff „laufende Leistung“ ist dabei mit dem aus § 16 BetrAVG identisch und
umfasst regelmäßig wiederkehrende Leistungen unabhängig von der Dauer der
Zahlungsperiode und der Dauer der Leistungen (Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, 4.
Auflage 2006, § 3 Rn. 33). Hierbei kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht
auf den Zeitpunkt der erstmaligen Auszahlung an. Vielmehr entscheidend ist, wann die
Leistung nach der Versorgungszusage erstmals zu bewirken war (Blomeyer/Rolfs/Otto,
BetrAVG, 4. Auflage 2006, § 3 Rn. 36; Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Bode/Pühler,
Kommentar zum Betriebsrentengesetz, 3. Auflage, 2008, § 3 Rn. 28).
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Für dieses Verständnis der „laufenden Leistung“ spricht auch, dass es die
Vertragsparteien sonst selbst in ihrer Hand hätten, den Beginn der laufenden
Leistungen und damit des gesetzlichen Abfindungsverbotes hinauszuzögern, wenn es
auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung ankäme. Dies würde jedoch
dem oben genannten Willen des Gesetzgebers, die Möglichkeit einer Kapitalzahlung
zur Sicherstellung einer monatlichen Rentenzahlung zu beschränken, entgegenlaufen.
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Nach der insoweit einschlägigen Versorgungsordnung bei der Beklagten aus dem Jahr
1979 trat die Leistungsverpflichtung der Beklagten, mithin der Eintritt des
Versorgungsfalles, mit Vollendung des 65. Lebensjahres entsprechend dem Beginn der
gesetzlichen Rente am 01.05.2007 ein. Ab diesem Zeitpunkt erhält der Kläger
regelmäßig wiederkehrende Leistungen und damit eine laufende Leistung i.S.d. § 3
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Abs. 1 BetrAVG unabhängig davon, ob die Beklagte tatsächlich bereits Zahlungen auf
den Rentenanspruch des Klägers erbracht hat oder nicht.
b.Die Ausübung der Kapitaloption durch den Kläger stellt auch eine verbotene
Abfindung i.S.d. § 3 BetrAVG dar.
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Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass eine Abfindung zum einen eine
Änderungsvereinbarung und zum anderen eine Verfügung über das Recht auf
Versorgung in Gestalt eines Verzichts voraussetzt und eine solche (ausdrückliche)
Änderungsvereinbarung vorliegend nicht gegeben ist.
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Nach Eintritt des Versorgungsfalls stellt jedoch grundsätzlich jede Verfügung, durch
welche ein bestehender Rentenanspruch zugunsten einer einmaligen Kapitalzahlung
aufgegeben wird, einer verbotenen Abfindung im Sinne des § 3 Abs. 1 BetrAVG gleich.
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aa.Nach der herrschenden Auffassung in der Literatur, welcher sich die Kammer
anschließt, steht die Ausübung einer Kapitaloption nach Eintritt des Versorgungsfalls
einer Abfindung i.S.d. § 3 Abs. 1 BetrAVG gleich, soweit die Schuld bereits auf die
Zahlung einer Rente konkretisiert ist und dem Arbeitnehmer lediglich eine
Ersetzungsbefugnis zugunsten eines Kapitalanspruchs eingeräumt wurde
(Andresen/Förster/Rößler/ Rühmann, Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung,
Loseblattsammlung, Teil 10 D Rn. 50; Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, 4. Auflage 2006, §
3 Rn. 35; Matthießen, AuR 205, 81 (85); Schnittker/Grau, NJW 2005, 10 (14); ähnlich
Langohr-Plato, betriebliche Altersversorgung, 4. Auflage 2007, Rn. 465). Dies wird damit
begründet, dass die Ausübung der Ersetzungsbefugnis eine Verfügung in Form einer
unmittelbaren Änderung des bestehenden Rechts, welches durch die Kapitaloption
eingeräumt wurde, darstellt, durch welche der Tatbestand der Abfindung vervollständigt
werde (Andresen/Förster/Rößler/Rühmann, aaO., Rn. 50). Etwas anderes gelte im Falle
eines echten Wahlrechts i.S.d. § 262 BGB zugunsten des Versorgungsempfängers, da
der Arbeitgeber den Rentenanspruch des Arbeitnehmers in diesem Fall nicht abfinde,
sondern diesen erfülle, solange der Arbeitnehmer nicht von seinem Wahlrecht
zugunsten einer laufenden Leistung Gebrauch gemacht habe (Blomeyer/Rolfs/Otto, § 3
Rn. 35).
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bb.Nach anderer Ansicht, welche nicht zwischen Ersetzungsbefugnis und Wahlschuld
im Sinne des § 262 BGB unterscheidet, darf eine laufende Leistung unabhängig von der
Art der Gestaltung der Kapitaloption mit Eintritt des Versorgungsfalls nicht mehr
kapitalisiert werden (Höfer, aaO., § 3 BetrAVG Rn. 3551.9; Kemper/Kisters-
Kölkes/Berenz/Bode/Pühler, aaO., § 3 Rn. 45).
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cc.Nach beiden Auffassungen stellt die Ausübung der Kapitaloption des Klägers am
27.09.2007 einen Verstoß gegen das Abfindungsverbot dar. Denn bei der dem Kläger
eingeräumten Kapitaloption handelt es sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht
um eine Wahlschuld, sondern um eine Ersetzungsbefugnis.
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Eine Wahlschuld gemäß § 262 BGB liegt nur dann vor, wenn mehrere verschiedene
bestimmbare Leistungen (bzw. Leistungsgegenstände) in der Weise geschuldet werden,
dass nach späterer Wahl nur eine von ihnen zu erbringen ist (Palandt/Heinrichs, 67.
Auflage 2008, § 262 Rn. 1; Münch, Komm. BGB/Krüger, 5. Auflage 2007, § 262 Rn. 2).
Kennzeichnend für eine Wahlschuld ist, dass die Schuld zunächst lediglich bestimmbar
ist, bis der Gläubiger von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht hat. Da der Schuldner
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bis zu diesem Zeitpunkt mangels Konkretisierung der Schuld nicht erfüllen kann, kann
er gemäß § 264 Abs. 2 Satz 1 BGB dem Gläubiger eine Frist zur Wahl setzen, nach
deren Ablauf das Wahlrecht auf ihn übergeht. Daraus folgt, dass ohne Ausübung des
Wahlrechts keine bestimmte Schuld besteht, die erfüllt werden kann. Hiervon zu
unterscheiden ist die Ersetzungsbefugnis, bei welcher die Schuld von Anfang an einen
bestimmten Inhalt hat, der Gläubiger aber berechtigt ist, anstelle der an sich
geschuldeten Leistung eine andere zu fordern. Der Schuldner kann die Verbindlichkeit
erfüllen, ohne die Wahl des Gläubigers abwarten zu müssen (Palandt/Heinrichs, § 262
Rn. 7 ff., m.w.N.).
Im vorliegenden Fall wird dem Versorgungsberechtigten, falls dieser keinen Antrag auf
Umwandlung in eine Kapitalzahlung stellt, automatisch eine Altersrente ausgezahlt. Es
kommt mithin nicht auf die Wahl des Klägers an, da die Schuld von vornherein bestimmt
und nicht nur bestimmbar ist.
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Der Anspruch ist grundsätzlich auf die Zahlung einer Rente gerichtet, vorbehaltlich einer
späteren Änderung in eine Kapitalzahlungspflicht durch Ausüben der Option. Für das
Vorliegen einer Ersetzungsbefugnis sprechen auch der Wortlaut und die Systematik der
Versorgungszusage, wonach zunächst als Leistungen im Versorgungsfall die Alters-
und Hinterbliebenenrente sowie deren Höhe geregelt sind. Lediglich anstelle der
Rentenansprüche, und damit nicht von vornherein geschuldet, kann die Auszahlung
eines entsprechenden Kapitalbetrages beantragt werden, wobei der Beklagten hierbei
sogar ein Vorbehaltsrecht eingeräumt wird. Aus der Systematik der
Versorgungsregelung ergibt sich, dass in erster Linie eine Alters- und
Hinterbliebenenrente im Falle des Versorgungseintritts geschuldet war, da diese Form
der Altersversorgung zuerst und im Zusammenhang mit deren Berechnung geregelt
wurde, wohingegen die Kapitalauszahlung im letzten Abschnitt behandelt wird. Dies
spricht nach Auffassung der Kammer für ein Stufenverhältnis zwischen Rente und
Kapitalzahlung, nach welcher vordringlich eine Rente und nur auf ausdrücklichen
Antrag ein Kapitalbetrag geschuldet sein sollte. Bei einer echten Wahlschuld wäre
dagegen zu erwarten gewesen, dass beide Versorgungsformen nebeneinander in
unmittelbarem Zusammenhang dargestellt werden.
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Demnach verstößt die Ausübung der dem Kläger eingeräumten Ersetzungsbefugnis
nach Eintritt des Versorgungsfalles gegen das Abfindungsverbot nach § 3 Abs. 1
BetrAVG dar. Dieses Ergebnis wird durch Sinn und Zweck der Neuregelung, das
Abfindungsverbot extensiv auszudehnen um zu verhindern, dass ein Rentner einen
Betriebsrentenanspruch aufgibt, um eine einmalige Kapitalzahlung zu erhalten,
gerechtfertigt.
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c.Die Voraussetzungen für die in den Absätzen 2 bis 4 des § 3 BetrAVG geregelten
Ausnahmen des Abfindungsverbots liegen ebenfalls nicht vor.
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2.Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen auch keine Bedenken gegen die
Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 1 BetrAVG.
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Denn zum einen verbleibt dem Kläger ein Anspruch auf Altersrente, welcher abhängig
von der Lebenszeit des Klägers, den Kapitalbetrag bei weitem übersteigen kann. Zum
anderen hätte der Kläger spätestens nach Hinweis der Beklagten mit Schreiben vom
23.02.2007 ohne weiteres die Kapitalzahlung vor Eintritt des Versorgungsfalles
beantragen können.
52
3.Schließlich ergibt sich kein anderes Ergebnis aus der Behauptung des Klägers, die
Beklagte habe die rechtzeitige Geltendmachung der Kapitaloption vereitelt. Denn
bereits in dem Schreiben vom 23.02.2007 hatte die Beklagte den Kläger auf die
Möglichkeit eines entsprechenden Antrags auf Kapitalzahlung ausdrücklich aufmerksam
gemacht, auf das Abfindungsverbot des § 3 Abs. 1 BetrAVG hingewiesen und um eine
umgehende Mitteilung der Entscheidung über die Ausübung der Kapitaloption gebeten.
Der Kläger hatte demnach gut 2 Monate Zeit, von seiner Kapitaloption Gebrauch zu
machen. Da sich bereits aus der Versorgungsregelung vom 31.12.1979 (Anlage K 4, II
d) die Höhe der monatlichen Rentenzahlung überschlagsmäßig errechnen ließ und die
Höhe der Kapitalzahlung bereits mit Schreiben der Beklagten vom 13.01.2004 mitgeteilt
wurde, verfügte der Kläger auch über alle erforderlichen Informationen, um von seinem
Recht Gebrauch machen zu können. Dennoch hat er bis zum Eintritt des
Versorgungsfalles von seiner Kapitaloption keinen Gebrauch gemacht.
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Nach alledem war die Klage abzuweisen.
54
III.
55
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Den Streitwert
hat das Gericht gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festgesetzt. Er gilt zugleich als
Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren im Sinne des § 63 Abs. 2 GKG.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
58
B e r u f u n g
59
eingelegt werden.
60
Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat nach Zustellung des in
vollständiger Form abgefassten Urteils
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
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Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft
oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher
Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und
der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche
Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im
wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange
die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der
Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
66
Gironda
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