Urteil des ArbG Solingen vom 30.01.2008

ArbG Solingen: ortszuschlag, vergütung, tarifvertrag, musiker, juristische person, dienstzeit, anpassung, arbeitsgericht, bestandteil, rechtsgrundlage

Arbeitsgericht Solingen, 5 Ca 1117/07
Datum:
30.01.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Solingen
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 Ca 1117/07
Schlagworte:
Orchestermusiker, Ortszuschlag, Auslegung TV, Veerweisung auf außer
Kraft getretenenen BAT + TVK
Normen:
xxxxxxxxxxxxxxx
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Tenor:
1.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.202,56 EUR brutto nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der
Europäischen Zentralbank aus 3.251,60 EUR seit dem 11.07.2007
sowie aus jeweils 325,16 EUR seit dem 01.08.2007, 01.09.2007,
01.10.2007, 01.11.2007, 01.12.2007, 01.01.2008 zu zahlen.
2.Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin
ab Januar 2008 einen Ortszuschlag gemäß Tarifklasse I c BAT, Stufe 5
zu zahlen und die anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge
zwischen dem Ortszuschlag, Tarifklasse I c/BAT Stufe 1 zuzüglich des
hälftigen Unterschiedsbetrages zwischen den Stufen 2 und 3 sowie dem
Ortszuschlag der Stufe 5 ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt an mit
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu
verzinsen.
3.Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4.Der Streitwert wird auf 11.705,76 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten über die zutreffende tarifliche Vergütung der Klägerin.
2
Die am 29.07.1959 geborene, verheiratete und drei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin
ist seit dem 01.12.1990 bei der Beklagten als Violinistin in den 1. Violinen beschäftigt.
3
Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beidseitiger Tarifbindung und kraft
individualvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern
4
(TVK) in seiner jeweils geltenden Fassung Anwendung, welcher, soweit streiterheblich,
folgende Regelungen beinhaltet:
㤠21
5
Vergütung
6
Die Vergütung des Musikers besteht aus
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a)Grundvergütung,
8
b)Dem Ortszuschlag,
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c)(gestrichen)
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d)der Tätigkeitszulage.
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§ 23
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Grundvergütung
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(1)Die Grundvergütung wird nach der Vergütungsordnung (Anlage 2) *) unter
Berücksichtigung der Dienstzeit des Musikers (§ 20) gezahlt. Sie steigt von zwei zu
zwei Jahren bis zur Erreichung der Endgrundvergütung.
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(2)Abweichend von Absatz 1 kann der Arbeitgeber einem Musiker ohne
anrechnungsfähige Dienstzeit oder mit einer Dienstzeit von weniger als zwei
Jahren bei der Einstellung anstelle der Grundvergütung der stehen die
Grundvergütung der zweiten oder dritten Dienstaltersstufe und mit einer Dienstzeit
von weniger als vier Jahren anstelle der Grundvergütung der zweiten
Dienstaltersstufe die Grundvergütung der dritten Dienstaltersstufe zahlen. In diesen
Fällen steigt die Grundvergütung aus der Dienstaltersstufe 2 nach vier Jahren in
die Dienstaltersstufe 3, aus der Dienstaltersstufe 3 nach sechs Jahren in die
Dienstaltersstufe 4. Dabei ist eine anrechnungsfähige Dienstzeit zu
berücksichtigen.
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(3)Die nächste Dienstaltersstufe wird vom Beginn des Monats an gezahlt, in dem
sie erreicht wird.
16
§ 24 Ortszuschlag
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Für die Zahlung des Ortszuschlages gelten die für die unter den Bundes-
Angestelltentarifvertrag fallenden Angestellten jeweils maßgebenden Bestimmungen.
Die Tarifklasse des Ortszuschlages ergibt sich aus der Vergütungsordnung (Anlage 2).
18
§ 55
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Anpassung der Grundvergütung
20
Werden die Grundvergütungen der unter den Bundes-Angestelltentarifvertrag fallenden
Angestellten des Bundes rechtsverbindlich allgemein abgeändert, sind die
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Grundvergütungen und Tätigkeitszulagen der Musiker diesen Veränderungen durch
Tarifvertrag sinngemäß anzupassen.“
Nach der Ortszuschlagstabelle, welche Gegenstand der als Anlage 3 zum 27.
Tarifvertrag zur Durchführung des § 55 TVK beigefügten Vergütungsordnung in der seit
dem 01.05.2004 geltenden Fassung ist, ist den Orchestermusikern der Ortszuschlag der
Stufe I c) zu gewähren, welcher bei Ledigen (Stufe I) 502,36 €, bei Verheirateten (Stufe
II) 609,26 €, bei Verheirateten mit einem Kind (Stufe III) 699,83 €, bei Verheirateten mit
zwei Kindern (Stufe IV) 790,40 € und bei Verheirateten mit drei Kindern (Stufe V) 880,97
€ brutto monatlich beträgt.
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Die Beklagte gewährt der Klägerin bislang einen Ortszuschlag gemäß § 29 BAT
Tarifklasse I c, Stufe 1 sowie die Hälfte des ehegattenbezogenen Ortszuschlags in Höhe
von 53,45 € brutto zusätzlich zur bisherigen Grundvergütung nach dem TVK/BAT. Eine
Anpassung der Vergütung nach der Tabellenvergütung des TVöD, welche den
Ortszuschlag der Stufe 1 bei der Ermittlung der Tabellenwerte in vollem Umfang und
den Ortszuschlag der Stufe 2 für Verheiratete teilweise berücksichtigt, ist bislang nicht
erfolgt.
23
Zum 31.07.2006 wurde der Ehemann der Klägerin, welcher ebenfalls im öffentlichen
Dienst als Konzertmeister bei den C. Symphonikern beschäftigt war, pensioniert. Im
Falle der Klägerin und ihres Ehemannes war der ehegattenbezogene Ortszuschlag bis
zu diesem Zeitpunkt geteilt, die kindergeldbezogenen Ortszuschläge dem Ehemann
ausgezahlt worden.
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Mit Schreiben vom 16.08.2006 teilte der Geschäftsführer der Beklagten der Klägerin mit,
dass eine Rechtsgrundlage für die Zahlung der familienbezogenen Ortszuschläge nicht
mehr bestehe. Unter dem 15.06.2007 forderte die Klägerin die Beklagte daraufhin auf,
den Ortszuschlag in begehrter Höhe zu zahlen. Nachdem der Prozessbevollmächtigte
der Beklagte dies in einem weiteren Schreiben ablehnte, begehrte die Klägerin mit ihrer
am 04.07.2007 beim Arbeitsgerichts T. eingereichten Klage die Zahlung der
Differenzbeträge zwischen dem Ortszuschlag der Stufe 1 und der Stufe 5 für den
Zeitraum August 2006 bis Dezember 2007 sowie die Feststellung eines
entsprechenden zukünftigen Zahlungsanspruchs.
25
Sie ist der Auffassung, sie habe solange einen Anspruch auf den Ortszuschlag nach
den weiterhin anzuwendenden Vorschriften des BAT, bis die Vergütung für
Orchestermusiker insgesamt den Bestimmungen des TVöD angepasst worden sei. Da
es sich bei dem TVK um eine eigenständige tarifliche Regelung handele, sei es
irrelevant, dass die Beklagte die Bezüge für ehemals unter die Regelungen des BAT
fallende Arbeitnehmer nunmehr nach dem TVöD gewährt. Die Tarifvertragsparteien
hätten lediglich der Einfachheit halber auf entsprechende BAT-Regelungen Bezug
genommen, beispielsweise auch bei der nur hälftigen Berücksichtigung des
ehegattenbezogenen Ortszuschlagsanteils. Von einem Automatismus, nach dem das
Schicksal der Zahlung von Ortzuschlägen von dem Bestand des BAT abhängig sein
soll, könne keine Rede sein.
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Die Klägerin beantragt zuletzt,
27
1.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.202,56 EUR brutto zu zahlen
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
28
der Europäischen Zentralbank aus 3.251,60 EUR brutto seit Rechtshängigkeit
sowie aus jeweils 325,16 EUR brutto seit dem 01.08.2007, 01.09.2007,
01.10.2007, 01.11.2007, 01.12.2007 sowie 01.01.2008;
2.festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin ab Januar 2008
einen Ortszuschlag gemäß Tarifklasse I c) BAT, Stufe 5 zu zahlen und die
anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge zwischen dem
Ortszuschlag Tarifklasse I c) BAT, Stufe 1 zuzüglich des hälftigen
Unterschiedsbetrages zwischen den Stufen 2 und 3 sowie den Ortszuschlag der
Stufe 5 ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt an mit Zinsen von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, sie sei nicht verpflichtet, den Ortszuschlag in begehrter Höhe zu
zahlen, da die Verweisung auf den konkret bezeichneten BAT leer laufe, nachdem
dieser im Bereich der Kommunen und des Bundes durch den TVöD ersetzt wurde. Im
neuen Tarifrecht des TVöD gebe es keine familienbezogenen Entgeltbestandteile mehr,
die Ortszuschläge seien weggefallen. Höhere Ortzuschläge über die Stufe 1 hinaus
würden, abgesehen von einer Besitzstandsregelung für bis zum 31.12.2005 geborene
Kinder, nicht mehr bezahlt. Da die Norm des § 24 TVK von einem einheitlichen
Tarifrecht ausgehe, welches nicht mehr existiere, sei eine unbewusste Regelungslücke
entstanden, die geschlossen werden müsse. Es sei davon auszugehen, dass die
Tarifvertragsparteien diejenigen Tarifregelungen des öffentlichen Dienstes zugrunde
gelegt hätten, unter die der Arbeitgeber falle, mithin die des TVöD, welcher keine
Ortszuschläge mehr vorsehe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
33
Entscheidungsgründe:
34
Die Klage ist zulässig und begründet.
35
I.
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1.Der Feststellungsantrag ist zulässig. Für den Antrag besteht das gemäß § 256 Abs. 2
ZPO erforderliche Rechtschutzinteresse, da die Klägerin eine ordnungsgemäße
Eingruppierung festzustellen begehrt (Vgl. BAG, Urteil vom 19.01.2000, 4 AZR 752/98, §
4 TVG Bundespost Nr. 11).
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2.Die Feststellungsklage ist auch begründet. Die Klägerin hat seit August 2006 einen
Anspruch auf Zahlung eines Ortszuschlages der Stufe 5 aus §§ 21, 23 TVK i.V.m.
Anlage 3 zum 27. Tarifvertrag zur Durchführung des § 55 TVK.
38
a.Nach § 21 TVK, welcher kraft beidseitiger Tarifbindung auf das Arbeits-verhältnis
Anwendung findet, besteht die Vergütung eines Musikers aus der Grundvergütung, der
Tätigkeitszulage und dem Ortszuschlag.
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Aus den Vorschriften der §§ 21 ff. TVK und aus § 55 TVK ergibt sich, dass die Parteien
dieses Tarifvertrags für die Orchestermusiker ein Vergütungssystem schaffen wollten,
welches an das damals geltende Vergütungssystem des
Bundesangestelltentarifvertrages angelehnt war und auch hinsichtlich der Entwicklung
der Vergütung mit der Vergütung der übrigen Angestellten des öffentlichen Dienstes
parallel laufen sollte. Diese von den Tarifvertragsparteien beabsichtigte teilweise
Synchronisierung der Vergütungssystematik und Vergütungsentwicklung der
Orchestermusiker mit derjenigen der übrigen Angestellten des öffentlichen Dienstes ist
durch die Einführung einer völlig neuen Vergütungsstruktur im Rahmen der Regelungen
des TVöD nicht mehr möglich.
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Dies führt jedoch nicht dazu, dass eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke im TVK
besteht. Denn die Tarifvertragsparteien haben durch eine dynamische Verweisung in §
24 TVK auf § 29 BAT in der jeweils gültigen Fassung Bezug genommen und dadurch
eine eigenständige Regelung für ihren Tarifbereich geschaffen. Auch aus § 21 TVK
ergibt sich, dass der Ortszuschlag eigenständiger Bestandteil der Vergütung des
Musikers sein soll. Die Höhe des Ortszuschlags richtet sich nicht nach der
Vergütungsordnung im öffentlichen Dienst, sondern gemäß § 24 Satz 2 TVK nach der
Vergütungsordnung, welche durch die Tarifvertragsparteien jeweils gesondert
vereinbart wird. Der Ortszuschlag nach dem TVK stellt deshalb nicht nur einen Reflex
der Vergütungsordnung des öffentlichen Dienstes dar, sondern vielmehr einen
eigenständigen Vergütungsbestandteil (zutreffend: ArbG Dortmund, Urteil vom
27.11.2007, 7 Ca 3147/07).
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Endet die in Bezug genommene Tarifnorm, so bleibt bis zu einer Änderung des
Rechtszustandes durch den verweisenden Tarifvertrag der Rechtszustand bestehen,
der bei Ablauf der in Bezug genommenen Tarifnorm bestand, welche statisch weiter gilt
(Kempen/Zachert, TVG, 4. Auflage 2006, § 1 TVG Rn. 800; Däubler/Reim, 2. Auflage
2006, § 1 TVG Rn. 189 mwN.). Die in Bezug genommene Regelung des BAT ist
demnach nicht in Wegfall geraten, sondern gilt vielmehr inhaltlich in vollem Umfang fort,
bis die Tarifvertragsparteien sich über eine Neuregelung der Vergütungssystematik
geeinigt haben (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 13.09.2007, 17 Sa 765/07).
42
b.Das gleiche Ergebnis ergibt sich auch aus einer Auslegung des § 24 TVK.
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Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen
geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der
maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist. Bei einem nicht eindeutigen
Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen,
soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist
stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den
wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der
Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Im Zweifel gebührt derjenigen
Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten
und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, Urteil vom 19.01.2000, 4 AZR 814/98,
EzA § 4 TVG Einzelhandel Nr. 41).
44
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Auslegungsregeln ergibt sich nach
Auffassung der Kammer sowohl aus dem Sinn und Zweck der Regelung als auch aus
dem Gesamtzusammenhang der Regeln des TVK, dass § 24 Satz 1 TVK auf die jeweils
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zuletzt gültigen Regelungen des BAT zum Ortszuschlag Bezug nimmt und nicht auf den
TVöD bzw. „ins Leere“ verweist.
Bereits aus § 21 TVK ergibt sich, dass der Ortszuschlag eigenständiger Bestandteil der
Vergütung des Musikers sein soll. Denn nach § 21 TVK ist der Ortszuschlag als ein
fester Bestandteil der Vergütung eines Musikers geregelt, ohne dass diese Regelung
auf irgendeinen anderen Tarifvertrag verweist oder von dessen Bestehen abhängig ist.
Mithin regelt § 21 TVK die Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Ortszuschlag,
mithin das „ob“ eines solchen Anspruchs, welche nicht durch den zwischenzeitlichen
Abschluss eines anderen Tarifvertrags zwischen anderen Tarifvertragsparteien,
namentlich dem TVöD, beeinflusst werden kann, solange die Tarifvertragsparteien des
TVK von ihrer Regelungskompetenz entsprechend § 55 TVK in Form einer
Tarifvertragsanpassung Gebrauch machen, welche bislang nicht durchgeführt wurde.
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§ 24 Satz 1 TVK bestimmt dagegen lediglich, welche Stufe des Ortszuschlages der
Musiker beanspruchen kann, dass „wie“ des bestehenden Anspruchs, indem auf die für
die unter den Bundesangestelltentarifvertrag fallenden Angestellten jeweils
maßgebenden Bestimmungen verwiesen wird. Entgegen der Auffassung der Beklagten
verweist § 24 Satz 1 TVK damit nicht auf die jeweils im öffentlichen Dienst geltenden
tarifrechtlichen Vorschriften, sondern konkret auf die Regelungen zum Ortszuschlag im
BAT, mithin auf § 29 BAT. Regelt § 24 Satz 1 lediglich die Stufe des anzuwendenden
Ortszuschlags durch Verweis in die Regelungen des BAT, kann ein Wegfall desselben
keine Auswirkung auf den Anspruch auf einen Ortszuschlag haben.
47
Die Höhe des Ortszuschlags richtet sich nicht nach der Vergütungsordnung im
öffentlichen Dienst, sondern gemäß § 24 Satz 2 TVK nach der Vergütungsordnung,
welche durch die Tarifvertragsparteien jeweils gesondert vereinbart wird. Der
Ortszuschlag nach dem TVK stellt deshalb nicht nur einen Reflex der
Vergütungsordnung des öffentlichen Dienstes dar, sondern vielmehr einen
eigenständigen Vergütungsbestandteil.
48
Dem steht nicht entgegen, dass nach § 55 TVK die Tarifvertragsparteien verpflichtet
sind, bei einer Änderung der Grundvergütung für die unter den
Bundesangestelltentarifvertrag fallenden Angestellten des Bundes auch die Vergütung
der Musiker entsprechend durch Tarifvertrag anzupassen. Denn die Umsetzung der
Änderung der Grundvergütung bedarf für die Musiker der Kulturorchester eines
eigenständigen Tarifvertrages; eine automatische Entgeltanpassung sieht der TVK
gerade nicht vor. Solange jedoch ein entsprechender Tarifvertrag zur Durchführung von
§ 55 TVK nicht zustand kommt, ändert sich die Vergütung des Musikers auch bei einer
Änderung der Entgelte im öffentlichen Dienst nicht automatisch. Da es mithin eines
gesonderten Umsetzungsaktes der Tarifvertragsparteien bedarf, ist der Ortszuschlag im
Bereich der Kulturorchester Teil einer eigenständig durch Tarifvertrag zugesagten
Vergütung.
49
Für die Verweisung in § 24 Satz 1 TVK ist infolge dessen nur noch insoweit Raum, als
es um die Voraussetzungen für die Zuordnung des Musikers zu den einzelnen Stufen
des Ortszuschlags geht. In diesem Zusammenhang macht die Regelung nur dann Sinn,
wenn sie auf § 29 des zuletzt gültigen BAT Bezug nimmt, da es einen Ortszuschlag im
TVöD nicht mehr gibt. Denn wenn § 21 TVK einen Anspruch festlegt, kann es nicht dem
Sinn und Zweck der Tarifvertragsparteien entsprechen, diesen Anspruch durch einen
Verweis ins Leere bzw. auf den TVöD in Wegfall geraten zu lassen.
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Schließlich spricht auch die praktische Anwendung des Tarifvertrages gegen die
Auffassung der Beklagten. So ist bis heute die Vergütung der Musiker nicht
entsprechend den Regelungen des TVöD der Höhe nach angepasst worden. Eine
derartige zeitnahe Anpassung wäre jedoch nach § 55 TVK zwingend notwendig
gewesen, wenn die Vergütungsordnung nach dem TVöD mit der Vergütungsordnung
des BAT für den Bund im Sinne des § 55 TVK gleichzusetzen wäre. Solange die
Tarifvertragsparteien die Vergütungsordnung des TVöD nicht übernommen haben ist
jedoch kein Grund ersichtlich, weshalb durch einen Automatismus nach § 24 Satz 1
TVK der in Bezug genommene BAT in Wegfall geraten soll.
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Denn durch ein solches Verständnis würde es der Beklagten einerseits ermöglicht,
Ortszuschläge nach dem bisherigen Vergütungssystem nicht mehr an die Musiker
weitergeben zu müssen, ohne andererseits eine Anpassung der Grundvergütung
entsprechend dem TVöD nach § 55 TVK vorzunehmen. Hierdurch würde die Klägerin
als Musikerin jedoch schlechter gestellt als sämtliche Angestellten des öffentlichen
Dienstes, bei denen der Ortszuschlag der Stufe 1 sowie anteilsmäßig der Stufe 2 in der
Höhe der Grundvergütung berücksichtigt werden. Dies entspricht jedoch offensichtlich
nicht dem Willen der Tarifvertragsparteien des TVK.
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Auch der weitere Vortrag der Beklagten, die Klägerin würde doppelt profitieren, wenn
sie neben der Grundvergütung nach dem neuen TVöD auch den Ortszuschlag bekäme,
geht fehl. Denn solange die Beklagte die Grundvergütung der Klägerin nicht
entsprechend den Regelungen des TVöD anpasst, kann es gar nicht zu dem Fall
kommen, dass die Klägerin zusätzlich zur höheren Grundvergütung nach dem TVöD
einen Anspruch auf Ortszuschläge geltend machen kann. Insoweit ist es unerheblich,
dass die Tarifvertragsparteien des TVöD die Ortszuschläge der Stufe 1 und teilweise
der Stufe 2 in das Volumen der Tabellenwerte teilweise mit einbezogen haben, solange
die Klägerin nicht nach diesen Tabellenwerten bezahlt wird. Vielmehr haben die
Tarifvertragsparteien es selbst in der Hand, durch eine Anpassung der Grundvergütung
einen Anspruch auf einen Ortszuschlag der Klägerin entfallen zu lassen. Denn aus dem
Regelungssystem des TVK ergibt sich, dass der TVK auf die einheitlichen Regelungen
des BAT verweist, mithin ein Anspruch auf einen Ortszuschlag nach dem BAT dann
wegfällt, wenn insgesamt auf den TVöD, insbesondere auch bei der Frage der
Grundvergütung nach § 55 TVK abgestellt wird und der BAT damit insgesamt auch für
die Regelungsbereich des TVK abgelöst wird. Insoweit begehrt die Klägerin mit ihrer
Klage lediglich eine Gleichstellung mit den anderen Angestellten des TVöD, welche
bislang eine höhere Grundvergütung durch teilweise Einbeziehung des Ortszuschlags
in den TVöD erhalten.
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Die Beklagte handelt dagegen inkonsequent, wenn sie zwar einerseits die Regelungen
über den Ortszuschlag nicht weiter fortführt, andererseits aber auch die
Tabellenvergütung nach dem TVöD, die den Wegfall des Ortszuschlages teilweise
kompensiert, nicht anwenden will. Im Übrigen verhält sich die Beklagte auch
widersprüchlich, wenn sie einerseits den Ortszuschlag nach BAT an die Klägerin sowie
die anderen Musiker der Kulturorchester unter Berücksichtigung einer
Besitzstandsregelung weiterzahlt, obwohl sie andererseits behauptet, die Verweisung
des 24 TVK hinsichtlich des Ortszuschlags gehe ins Leere. Woraus sich dann nach
Auffassung der Beklagten ein Anspruch auf Ortszuschlag ergeben soll und aus welcher
Rechtsgrundlage die Besitzstandsregelung herrührt, ist nicht nachvollziehbar.
54
c.Selbst wenn der Auffassung der Kammer, wonach keine Regelungslücke besteht,
nicht gefolgt wird, ist der Klageantrag der Klägerin begründet, da sich der geltend
gemachte Anspruch der Klägerin auch aus einer ergänzenden Auslegung der §§ 21, 24,
55 TVK ergibt.
55
Denn die Auffassung der Beklagten, wonach die Regelung des § 29 BAT in der Form
anzuwenden ist, dass Veränderungen in den persönlichen Verhältnissen der
Arbeitnehmer, die sich vergütungserhöhend auswirken, nicht mehr berücksichtigt
werden, übersieht, dass auch die Vergütungsregelungen im BAT und im TVK ein
System darstellen, bei dem nicht einzelne Elemente herausgegriffen und im Wege der
ergänzenden Auslegung verändert werden können. § 21 TVK legt unmissverständlich
fest, dass die Vergütung des Musikers aus verschiedenen Elementen besteht, u.a. dem
Ortszuschlag. Aus der Zusammenschau der Regelungen der §§ 21, 23, 24 und 55 TVK
ergibt sich, dass die Tarifvertragsparteien des TVK ein eigenständiges Tarifwerk
geschaffen haben, welches bis auf vereinzelte Regelungen völlig autark ist. Wenn die
Tarifvertragsparteien, wie § 55 TVK zeigt, bei der Veränderung der Grundvergütung eine
eigene Regelung für notwendig erachtet haben, muss dies erst recht gelten, wenn das
Vergütungssystem des öffentlichen Dienstes als Ganzes einen Systemwechsel erfährt.
Insoweit geht der erkennbare, mutmaßliche Wille der Tarifvertragsparteien dahin, die
bisherigen Regelungen über Grundvergütung und Ortszuschlag in vollem Umfang bis zu
einer eigenen tariflichen Vereinbarung fortzuführen (ebenso: Arbeitsgericht Essen, Urteil
vom 19.12.2007, 4 Ca 2173/07, nv.).
56
Ist mithin § 24 Satz 1 TVK § 29 BAT in der zuletzt gültigen Fassung weiter anwendbar,
hat die Klägerin als Verheiratete mit 3 Kindern einen Anspruch auf Zahlung eines
Ortszuschlages der Stufe 5. Der geltend gemachte Zinsanspruch auf den
Differenzbetrag zwischen bisher gezahltem und geschuldetem Ortszuschlag ergibt sich
aus den §§ 286, 288 BGB.
57
II.
58
Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Zahlung eines
Ortszuschlages in Höhe der Differenz zwischen dem Ortszuschlag der Stufe 1 zuzüglich
dem hälftigen Differenzbetrag zwischen dem Zuschlag der Stufe 1 und der Stufe 2 und
dem Ortszuschlag der Stufe 5 für die Monate August 2006 bis Dezember 2007 aus §
611 BGB iVm. §§ 21, 24 TVK. Die Höhe der Forderung ist zwischen den Parteien
unstreitig. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288, 286 BGB.
59
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Den Streitwert
hat das Gericht gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG, § 42 Abs. 4, 5 GKG im Urteil festgesetzt.
61
Rechtsmittelbelehrung
62
Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
63
B e r u f u n g
64
eingelegt werden.
65
Für die Klägerin ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
66
Die Berufung muss
67
innerhalb einer N o t f r i s t * von einem Monat nach Zustellung des in
vollständiger Form abgefassten Urteils
68
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf Fax:
0211-7770-2199 eingegangen sein.
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Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft
oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher
Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und
der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche
Befugnis haben Angestellte juristische Personen, deren Anteile sämtlich im
wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange
die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der
Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
70
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
71
Gironda
72