Urteil des ArbG Oberhausen vom 24.08.2005

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Arbeitsgericht Oberhausen, 3 Ca 676/05
Datum:
24.08.2005
Gericht:
Arbeitsgericht Oberhausen
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 Ca 676/05
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Tenor:
1. Unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 26.04.2005, soweit nicht
durch Teilvergleich vom 29.06.2005 erledigt, wird die Klage
abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der
durch die Säumnis der Beklagten im Termin am 26.04.2005
entstandenen Kosten. Diese trägt die Beklagte. Ausgenommen sind
ferner die auf den Teilvergleich vom 29.06.2005 entfallenden Kosten des
Rechtsstreits. Diese werden gegeneinander aufgehoben.
3. Streitwert: 1.700,04 €
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von
Weihnachtsgeld für das Jahr 2004.
2
Die am 16.08.1965 geborene Klägerin ist seit dem 15.08.2002 bei der Beklagten, zuletzt
aufgrund Arbeitsvertrages vom 25.09.2003 (Bl. 24 ff d. A.) als Angestellte für die
Rezeption zu einer Bruttomonatsvergütung von 2.069,69 € beschäftigt. Der
Arbeitsvertrag enthält unter § 10 Sonderzahlung folgende Regelung:
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"Der Arbeitgeber zahlt im Monat November eine einmalige Sonderzahlung auf
freiwilliger Basis. Über die Gewährung dieser Sonderzahlung wird jährlich neu
entschieden. Aus der Gewährung von Sonderzahlung für mehrere fortlaufende Jahre
entsteht kein Rechtsanspruch für den Arbeitnehmer. ..."
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§ 7 des vorbezeichneten Arbeitsvertrages lautet:
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"Es gelten alle betrieblichen Regelungen, sofern in diesem Arbeitsvertrag keine andere
Vereinbarung getroffen ist sowie die Bestimmungen des allgemeinen Arbeitsrechts."
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Die Klägerin erhielt in den Jahren 2002 und 2003 Weihnachtsgeld.
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Im Betrieb der Beklagten gibt es eine Vertriebsvereinbarung aus September 1995 (Bl.
16 ff d. A.). Diese enthält unter "§ 3, Sonderregelungen, i. Weihnachtszuwendung",
folgende Vereinbarung:
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"Der/Die Arbeitnehmer/in erhält in jedem Kalenderjahr eine Zuwendung, wenn er/sie am
01. Dezember im Arbeitsverhältnis steht und seit dem 01. Oktober ununterbrochen als
Arbeitnehmer beschäftigt war. Die Zuwendung beträgt ein Monatsgehalt (Grundgehalt,
Ortszuschlag, Stellenzulage und Schichtzulage, ohne Berücksichtigung von
Zeitzuschlägen)."
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Die Beklagte kündigte die Betriebsvereinbarung aus dem September 1995 mit
Schreiben vom 27.09.2001 zum 31.12.2001 (Bl. 69 d. A.).
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Die Klägerin ist der Ansicht: Sie habe auch für das Jahr 2004 Anspruch auf Zahlung der
Weihnachtszuwendung, die 82,14 % ihres Bruttomonatsgehalts = 1.700,04 € brutto
betrage. Rechtsgrundlage hierfür sei die Betriebsvereinbarung aus dem September
1995, die kraft Nachwirkung gelte. Überdies ergebe sich der Anspruch aus betrieblicher
Übung und dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte habe, wie auch in den
Vorjahren, an sämtliche Beschäftigte Weihnachtsgeld gezahlt, mit Ausnahme von 2
Arbeitnehmern.
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Unter dem 26.04.2005 erging ein Versäumnisurteil, mit dem die Beklagte u. a. zur
Zahlung des streitgegenständlichen Weihnachtsgeldes verurteilt wurde. Hiergegen
legte die Beklagte Einspruch ein.
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Die Klägerin beantragt nunmehr:
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das Versäumnisurteil vom 26.04.2005 insoweit aufrecht zu erhalten, als von der
Beklagten verlangt wird, an die Klägerin 1.700,04 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz gem. § 257 seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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das Versäumnisurteil, soweit nicht durch Teilvergleich vom 29.06.2005 erledigt,
aufzuheben.
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Sie wendet ein:
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Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld für das Jahr 2004.
Für sie gelte der zuletzt abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 25.09.2003, wonach die
Zahlung des Weihnachtsgeldes eine freiwillige Leistung sei. Die Betriebsvereinbarung
aus dem Jahre 1995 finde auf die Klägerin keine Anwendung, da sie nach deren
Kündigung eingestellt worden sei. Sie habe im Jahre 2004 nicht an alle Mitarbeiter
Weihnachtsgeld gezahlt. Diejenigen, die sich in der gleichen vertraglichen Situation wie
die Klägerin befunden hätten, habe sie aufgrund ihrer schwierigen wirtschaftlichen
Situation von den Weihnachtszuwendungen ausgenommen.
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Weihnachtsgeld sei folgenden Mitarbeitern nicht gewährt worden:
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" < Namen von 32 Mitarbeitern >"
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Eine betriebliche Übung sei nicht erkennbar. Ansprüche aus dem
Gleichbehandlungsgrundsatz schieden ebenfalls aus.
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Mit Beschluss vom 29.06.2005 (Bl. 71 d. A.) wurde der Beklagten aufgegeben, zur
Behauptung der Klägerin, alle Mitarbeiter hätten eine Weihnachtszuwendung im Jahre
2004 erhalten, Stellung zu nehmen, wobei konkret die Arbeitnehmergruppen bezeichnet
werden sollten, die keine Leistungen erhalten hätten. Hierbei wurde der Klägerin eine
Frist zur Erwiderung bis zum 10.08.2005 gesetzt. Die Klägerin wurde darauf
hingewiesen, dass ihre Behauptung, an alle Arbeitnehmer sei im Jahre 2004 eine
Weihnachtszuwendung gezahlt worden, bisher ohne Beweisantritt geblieben sei. Auf
den entsprechenden Schriftsatz der Beklagten vom 21.06.2005, bei Gericht
eingegangen am 22.07.2005, erwiderte die Klägerin mit Schriftsatz vom 22.08.2005,
eingegangen beim Arbeitsgericht P. 24.08.2005 (Bl. 85 d. A.). Kammertermin und
Schlusstermin der mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren waren am 24.08.2005.
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Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze,
die zu den Akten gereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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I.
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Das Versäumnisurteil vom 26.04.2005 war aufzuheben, soweit nicht durch Teilvergleich
vom 29.06.2005 erledigt. Unstreitig betrifft der nicht erledigte Teil des Versäumnisurteils
das von der Klägerin eingeklagte Weihnachtsgeld für das Jahr 2004 in Höhe eines
Betrages von 1.700,04 €. Die Klage ist insoweit unbegründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen entsprechenden Zahlungsanspruch.
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Die als Rechtsgrundlage in Betracht zu ziehende Betriebsvereinbarung aus dem
September 1995 (§ 3, i. Weihnachtszuwendung) rechtfertigt das Klagebegehren nicht.
Die vorbezeichnete Regelung der Betriebsvereinbarung findet auf das Arbeitsverhältnis
der Parteien dieses Rechtsstreits keine Anwendung. Die Betriebsvereinbarung wurde
seitens der Beklagten mit Schreiben vom 27.09.2001 (Bl. 69 d. A.) zum 31.12.2001
gekündigt. Sie findet deshalb auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.
Ihr kommt keine Nachwirkungen in Bezug auf die Klägerin zu.
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Enthält eine Betriebsvereinbarung teils erzwingbare und teils freiwillige Regelungen, so
erstreckt sich die Nachwirkung grundsätzlich nur auf den erzwingbaren Teil, sofern
dieser aus sich heraus handhabbare Regelungen enthält. Bei freiwilligen
Sozialleistungen ist im Allgemeinen die Entscheidung darüber, ob, welchem
Personenkreis und in welchem Umfang solche Leistungen gewährt werden,
mitbestimmungsfrei, während die nähere Ausgestaltung des Leistungsplans nach § 87
Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Mitbestimmung unterliegt (Fitting, Engels, Schmidt, Kommentar
zum Betriebsverfassungsgesetz, 22. Auflage 2004, § 77 Rz. 189 m. w. N.). Die
Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 1995 enthält in Bezug auf die
Weihnachtszuwendung zumindest bezüglich des ob, des Personenkreises und des
Umfangs der Leistungen, eine freiwillige Einigung der Betriebspartner. Da den
freiwilligen Betriebsvereinbarungen grundsätzlich keine Nachwirkung zukommt, können
sie nach ihrem Ablauf keine Ansprüche neu eintretender Arbeitnehmer begründen
(Fitting, Engels, Schmidt a. a. O. Rz. 188). Dementsprechend hat die nach Kündigung
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der vorbezeichneten Betriebsvereinbarung und dem Ablauf der Kündigungsfrist zum
31.12.2001 eingestellte Klägerin aus dieser Betriebsvereinbarung keine Ansprüche
gegen die Beklagte. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Beklagten besteht erst seit
dem 15.08.2002.
Überdies ist in § 10 des Arbeitsvertrages der Parteien klargestellt, dass
Sonderzahlungen, die die Klägerin im November eines Jahres erhält, auf freiwilliger
Basis erfolgen und auch bei wiederholter Zahlung hierauf kein Rechtsanspruch besteht.
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Wegen dieses erklärten Vorbehaltes wirken vorherige Weihnachtszuwendungen der
Beklagten in den Jahre 2002 und 2003 auch nicht anspruchsbegründend. Dies gilt
überdies auch deshalb, weil sie bisher nicht ausreichend häufig gewährt wurden. Nach
allgemeiner arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung ist allenfalls die 3-malige Gewährung
einer Sonderzahlung anspruchbegründet für die Folgezeit. Die Klägerin hat jedoch erst
in den Jahren 2002 eine anteilige und 2003 eine Weihnachtszuwendung in voller Höhe
erhalten.
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Weiterhin hat die Klägerin gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung der
Weihnachtszuwendung für das Jahr 2004 aufgrund des arbeitsrechtlich anerkannten
Gleichbehandlungsgrundsatzes. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die
willkürliche, d. h. sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber
anderen in vergleichbarer Lage. Er beinhaltet das Verbot der sachfremden
Differenzierung zwischen Arbeitnehmern in einer bestimmten Ordnung. Diese
Voraussetzungen sind vorliegend nicht festzustellen. Ihre ursprüngliche Behauptung,
die Beklagte habe an alle Arbeitnehmer des Betriebes die Weihnachtszuwendung im
Jahre 2004 gezahlt, hat die Klägerin nicht aufrecht erhalten. Die Beklagte hat insoweit
substanziiert ausgeführt, dass sie an die vorstehend im Tatbestand dieses Urteils
namentlich im Einzelnen aufgeführten Arbeitnehmer kein Weihnachtsgeld gezahlt hat.
Der diesbezügliche Vortrag wurde von der Klägerin nicht bestritten. Mithin steht fest,
dass nicht alle Arbeitnehmer im Betrieb der Beklagten Weihnachtsgeld erhalten haben.
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Ferner kann nicht festgestellt werden, dass es sich hierbei um eine willkürliche
Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer handelt.
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Die Beklagte hat weiter ausgeführt, dass sie kein Weihnachtsgeld an diejenigen
Mitarbeiter gezahlt habe, die sich in der gleichen vertraglichen Situation wie die
Klägerin befunden hätten. Vergleichbar mit der Klägerin sind alle Mitarbeiter/innen, für
die die Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 1995 nicht kraft Nachwirkung gilt und mit
denen arbeitsvertraglich die Freiwilligkeit der Sonderzuwendung im November
vereinbart wurde, d. h. alle Mitarbeiter, die nach dem 31.12.2001 eingestellt wurden und
mit denen entsprechende einzelvertragliche Regelungen getroffen wurden. Dies ist mit
dem Vortrag der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 22.08.2005 nicht widerlegt. Selbst
wenn ein Teil der namentlich benannten Auszubildende sind und verschiedene
Mitarbeiter aufgrund eigenen Verzicht keine Weihnachtszuwendung erhalten haben, so
verbleiben immerhin noch andere, die wie die Klägerin kein Weihnachtsgeld erhalten
haben. Ob diese das Weihnachtsgeld einklagen wollen, ist unerheblich. Jedenfalls hat
die Beklagte an diese Arbeitnehmergruppe keine Leistungen erbracht.
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Im Hinblick auf die geänderten Vertragsverhältnisse und die Kündigung der
Betriebsvereinbarung handelt die Beklagte nicht willkürlich, wenn sie an diejenigen
Arbeitnehmer keine Weihnachtszuwendung mehr zahlt, die sich in vergleichbarer
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Situation wie die Klägerin befinden. Diesen Arbeitnehmern war bei ihrer Einstellung die
Freiwilligkeit der Weihnachtszuwendung bekannt. Sie mussten damit rechnen, dass
diese nicht in jedem Jahr gezahlt wird.
Es kann deshalb dahinstehen, ob das Vorbringen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom
22.08.2005 als verspätetes Vorbringen unbeachtlich ist, wofür einiges spricht. Selbst bei
seiner Berücksichtigung führt es nicht zu einer anderen Beurteilung.
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Letztlich ist keine betriebliche Übung feststellbar, die das Begehren der Klägerin
rechtfertigen könnte. Welche Art von Übung dies sein sollte, hat die insoweit
darlegungs- und beweispflichtige Klägerin weder konkret vorgetragen noch unter
Beweis gestellt. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin einmal davon ausginge, dass
behauptet werden soll, es bestehe eine betriebliche Übung, an alle Arbeitnehmer im
November eine Weihnachtszuwendung zu zahlen, kann dem nicht gefolgt werden. Eine
solche Übung ist nicht feststellbar. Insoweit wird auf obige Ausführung Bezug
genommen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass für eine betriebliche Übung kein
Raum bleibt, wenn Zahlungen vom Arbeitgeber aufgrund von Rechtsgrundlagen
(nachwirkenden) Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen bzw. arbeitsvertraglichen
Vereinbarungen erfolgen. Im Allgemeinen will ein Arbeitgeber diese
Verpflichtungstatbestände erfüllen und nicht daneben den selbstständigen
Anspruchstatbestand der betrieblichen Übung begründen.
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II.
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1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91, 92, 344 ZPO.
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2. Die Streitwertentscheidung wurde gem. den §§ 61 Abs. 1, 12 Abs. 7, 46 Abs. 2 ArbGG
i. V. m. § 3 ZPO in Höhe der noch streitgegenständlichen Klageforderung festgesetzt.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
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Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form
abgefassten Urteils
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
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Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft
oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher
Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und
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der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche
Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im
wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange
die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der
Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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