Urteil des ArbG Oberhausen vom 14.12.2006

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Arbeitsgericht Oberhausen, 1 Ca 1171/06
Datum:
14.12.2006
Gericht:
Arbeitsgericht Oberhausen
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 Ca 1171/06
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht
durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29.05.2006 zum
31.12.2006 enden wird.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 31.12.2006 zu
unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
3. Die Kosten des Rechtsstreit trägt die Beklagte.
4. Der Streitwert beträgt € 24.433,25.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger ist seit dem 01.10.1991 als Leiter der Betriebstechnik bei der Beklagten
beschäftigt.
2
Der Kläger ist verheiratet, hat 2 Kinder und verfügt über ein monatliches
Bruttoeinkommen von € 5.300,00.
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Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis am 29.05.2006 zum 31.12.2006 gekündigt.
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Mit der am 16.06.2006 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen
den Ausspruch dieser Kündigung.
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Der Kläger beantragt
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1. festzustellen, dass das Dienstverhältnis des Klägers nicht durch die ordentliche
Kündigung vom 29.05.2006, zugegangen am 29.05.2006, zum 31.12.2006 enden wird.
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2. festzustellen, dass das Dienstverhältnis auch nicht durch andere
Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den
31.12.2006 hinaus fortbesteht.
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hilfsweise
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3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger auch über den 31.12.2006 hinaus zu
unveränderten Arbeitsbedingungen als Leiter der Betriebstechnik weiterzubeschäftigen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung trägt die Beklagte folgendes vor:
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Die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen dringend erforderlich gewesen. Die
Beklagte habe sich entschlossen die Abteilung Haustechnik vollständig aufzulösen und
die Tätigkeiten durch ein externes Unternehmen ausführen zu lassen. Anfang Mai 2006
seien diesbezüglich Verhandlungen mit der Firma N. aufgenommen worden. Ein
entsprechender Werkvertrag läge nunmehr vor. Die Firma N. werde ab dem 01.01.2007
die Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten im Hause der Beklagten ausführen.
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Hintergrund der Entscheidung sei das Erfordernis gewesen, Kosten einzusparen. In der
Abteilung Haustechnik seien 8,78 Arbeitskräfte beschäftigt gewesen. Es seien
Personalkosten von rd. 425.000,00 € pro Jahr angefallen, wohingegen die Firma N.
lediglich jährliche Kosten von 300.000,00 € verursache. Bereits im Jahr 2005 sei ein
negatives Jahresergebnis bei der Beklagten in Höhe von 328.421,75 € festzustellen
gewesen. Der Wirtschaftsplan für das Jahr 2006 weise ein Defizit von 1,3 Mio € aus. Die
Beklagte habe daher dringend Kosteneinsparungen vornehmen müssen.
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Aufgrund der getroffenen Unternehmerentscheidung falle der Arbeitsplatz des Klägers
ersatzlos weg. Mit dem Kläger vergleichbare Mitarbeiter im Betrieb gäbe es nicht, so
dass eine Sozialauswahl habe nicht vorgenommen werden müssen. Der Betriebsrat sei
mit Schreiben vom 15. und 18.05.2006 angehört worden. Mit Schreiben vom 24.05.2006
habe der Betriebsrat unter Hinweis anderer Einsparmöglichkeiten der Kündigung des
Klägers widersprochen.
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Der Kläger bestreitet den Sachvortrag der Beklagten. Die Beklagte habe nicht
angegeben, wann welche unternehmerische Entscheidung genau getroffen worden sei.
Es sei völlig ungeklärt, welche Aufgaben, die der Kläger in der Vergangenheit
wahrgenommen habe, auf wen übertragen werden sollten. Die Firma N. sei auf dem
Gebiet der Medizintechnik tätig und habe insofern nicht das Personal die Haustechnik
zu bewältigen. Im Hinblick auf die Sozialauswahl werde auf § 4 der Vereinbarung in
Ergänzung zur Personalüberleitung im Rahmen des Übertragungsvertrages zwischen
der St. F.-Stiftung F-Stadt. und der St. F. Krankenhaus P. GmbH vom 26.08.2002 und
06.09.2002 verwiesen. Nach dieser Regelung sei vor einer Kündigung zunächst Kontakt
zur Stiftung aufzunehmen, damit diese prüfen könne ob dem nach durchgeführter
Sozialauswahl, zu kündigenden Mitarbeiter ein freier vergleichbarer Arbeitsplatz
angeboten werden könne. Die Sozialauswahl habe im Übrigen auch unter
Einbeziehung der Mitarbeiter der Stiftung zu erfolgen. Die Beklagte diese
Vorgehensweise vollkommen missachtet.
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Im Übrigen verstoße die Kündigung auch gegen § 2 Abs. 3 der Betriebsvereinbarung
vom 30.03.2005 sowie der individualrechtlichen Zusage der Beklagten vom 12.04.2005.
Hierin habe die Beklagte sich verpflichtet, keine Kündigung im Rahmen von
Umstrukturierungs- oder Privatisierungsmaßnahmen vorzunehmen. Die Beklagte habe
ferner die Funktion des Klägers als Fachkraft für Arbeitssicherheit und als
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Brandschutzbeauftragter nicht beachtet. Aus der Funktion der Fachkraft für
Arbeitssicherheit ergäbe sich für den Kläger ein besonderer Kündigungsschutz. Im
Rahmen der Kündigung hätte die Beklagte zunächst die Zustimmung des Betriebsrates
gem. § 9 Abs. 3 Arbeitssicherheitsgesetz einholen müssen, was nicht geschehen sei.
Die Kündigung verstoße auch gegen § 613a BGB, da, falls der Vortrag der Beklagten
richtig sei, die Firma N. die Tätigkeit der Haustechnik im vollen Umfange übernehme, so
dass insofern von einem Teilbetriebsübergang auszugehen sei.
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Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Betriebsvereinbarung vom 30.09.2005
unwirksam sei, da sie Gegenstände regele, die der Regelungsbefugnis der
Betriebspartner entzogen sind. In den Betriebsvereinbarungen sei geregelt, dass im
Jahr 2004 keine Weihnachtszuwendung und im Jahr 2005 kein Urlaubsgeld gezahlt
werde. Nur im Gegenzug habe die Beklagte sodann Abstand von betriebsbedingten
Kündigungen genommen, da allerdings die Vereinbarung bezüglich des Urlaubs- und
Weihnachtsgeldes unzulässig sei. Gem. § 77 Abs. 3 BetrVG sei auch die Regelung
bezüglich des Ausschlusses der betriebsbedingten Kündigungen nicht wirksam. Die auf
Grundlage der Betriebsvereinbarung ausgesprochene Individualzusage sei untrennbar
mit der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung verflochten gewesen, so dass hieraus
eigenständig keine Rechte hergeleitet werden könnten. Die angesprochene
Vereinbarung mit der St. F. Stiftung F-Stadt stelle eine Vereinbarung zu Lasten Dritter
dar, so dass auch diese unwirksam sei und der Kläger sich hierauf nicht berufen könne.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze beider
Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
22
I.
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Die Klage ist begründet.
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Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund Kündigung der Beklagten am
31.12.2006 sein Ende gefunden. Die Beklagte hat sich durch ihr Schreiben vom
12.04.2005 gegenüber dem Kläger verbindlich verpflichtet, „das Arbeitsverhältnis, sollte
dies möglicherweise von Umstrukturierungsmaßnahmen oder
Privatisierungsmaßnahmen i.S.d. § 2 der Betriebsvereinbarung betroffen sein, dauerhaft
und unverändert fortzusetzen.“
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Die Beklagte hat mit diesem Schreiben dem Kläger eine unwiderrufliche Zusage
gegeben sein Arbeitsverhältnis nicht aus betriebsbedingten Gründen, die auf
Maßnahmen i.S.d. § 2 der Betriebsvereinbarung vom 30.03.2005 beruhen, zu kündigen.
Der Verzicht der Beklagten auf betriebsbedingte Kündigungen im Rahmen der
Betriebsvereinbarung war zwar gem. § 2 Abs. 1 begrenzt auf den Zeitraum bis zum
31.12.2005. Eine derartige zeitliche Begrenzung ergibt sich allerdings aus dem o.g.
Schreiben nicht. Bei den von der Beklagten angeführten Gründen handelt es sich auch
um Umstrukturierungs- bzw. Privatisierungsmaßnahmen i.S.d. § 2 der
Betriebsvereinbarung. Die Beklagte trägt vor, sie habe sich entschlossen, den gesamten
Bereich der Haustechnik vollständig auf eine Fremdfirma übergehen zu lassen. Es
handelt sich hierbei um einen Teilbetriebsübergang. Ein Betriebsübergang i.S.d. § 613
a BGB liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine wirtschaftliche Einheit des Betriebes
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oder Betriebsteils unter Wahrung von deren Identität fortführt. Betriebsteile sind
Teileinheiten des Betriebes. Es muss sich um eine selbstständige abtrennbare
organisatorische Einheit handeln, die innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks einen
Teilzweck erfüllt. Die Abteilung Haustechnik bildete bei der Beklagten einen
selbstständig übergangsfähigen Betriebsteil. Der Bereich der Haustechnik hatte mit den
ihr zugewiesenen Aufgaben einen eigenen Teilzweck für den Betrieb der Beklagten und
eine gewisse Eigenständigkeit. Es bestand eine selbstständige Teilorganisation, deren
Leiter der Kläger war. Seine Leitungsmacht bestand in der Weisungsbefugnis
gegenüber den anderen 7 Mitarbeitern. Die Abteilung Haustechnik erfüllte einen von
den anderen Abteilungen, die sich im Hause der Beklagten befinden, völlig
abgrenzbaren Zweck. Der gesamte technische Bereich der Beklagten wie die
Energieversorgung, Entsorgung, Instandhaltung, Fuhrpark, Sicherheit, Küchen- und
Wirtschaftsbetrieb, Arbeitssicherheit, Brandschutz, Winterdienst oblag der Kontrolle
durch den Kläger. Die hierzu erforderlichen Mittel wurden durch die Beklagte gestellt.
Der Kläger war verantwortlich für den gesamten Bereich und Dienstvorgesetzter der ihm
unmittelbar unterstellten Mitarbeiter. Der Kläger war insofern anderen Führungskräften
und sonstigen Abteilungsleitern gleichgestellt. Durch behauptete Übertragung dieses
gesamten Bereichs auf die Firma N. ergibt sich eine idenitätswahrende Fortführung des
Betriebsteils. Die Beklagte hat weiter Bedarf für die vollständige Erbringung der zuvor
erfüllten Aufgaben. Die Firma N. muss in den Räumen der Beklagten weiter mit den
Mitteln, die die Beklagte zur Verfügung stellt, arbeiten. Die Ausübung der Tätigkeit der
Firma N. ist absolut identisch mit dem, was der Kläger zuvor mit seinen Mitarbeitern bei
der Beklagten gemacht hat. Die Firma N. übernimmt zumindest zum Teil Personal,
welches vorher in dem alten Bereich Haustechnik gearbeitet hat. Die Firma N. arbeitet in
den gleichen Räumlichkeiten und muss denknotwendiger Weise die gleiche
Infrastruktur benutzen. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass es sich um einen
Teilbetriebsübergang auf die Firma N. gehandelt hat. Damit steht auch fest, dass die
Voraussetzungen, die in § 2 der Betriebsvereinbarung genannt sind, vorliegen. Daraus
folgt, dass die von der Beklagten gegebene Individualzusage eine Unkündbarkeit für die
Fälle des Betriebsübergangs in Bezug auf den Kläger vorliegen. Die Beklagte kann sich
auch nicht darauf berufen, dass diese Individualzusage unmittelbar zusammen
gehangen hätte mit der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung. Dies ergibt sich aus dem
Wortlaut der Zusage gerade nicht. Diese ist sogar, zumindest was das zeitliche
anbetrifft, wesentlich weitergehender als die Betriebsvereinbarung selbst.
Die Kündigung ist damit bereits aus der eigenen Zusage der Beklagten heraus nicht
möglich. Die Kündigung wäre auch gem. § 613 a BGB unwirksam. Ferner ist die
Kündigung unwirksam, da auch ein Verstoß gegen die Vereinbarung bezüglich der
Personalüberleitung im Rahmen des Übertragungsvertrages vom 26.08.2002 vorliegt.
Diese Vereinbarung sollte die Mitarbeiter schützen, die im Wege der
Personalüberleitung auf die GmbH zum 01.09.2002 übergegangen waren. In § 2 ist
ausdrücklich klargestellt, dass die Vereinbarung Bestandteil der individuellen
Arbeitsverträge mit diesen Mitarbeitern wird. Die Stiftung verpflichtete sich gem. § 4 der
Vereinbarung vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung durch die GmbH,
einen freien vergleichbaren Arbeitsplatz anzubieten und, falls ein solcher nicht vorliegen
sollte, die Kündigung erst nach durchgeführter Sozialauswahl unter Einbeziehung der
Mitarbeiter der Stiftung auszusprechen. Die Einhaltung dieser Bestimmung hat die
Beklagte weder vorgetragen noch behauptet. Sie kann sich auch nicht darauf berufen,
es habe sich um eine Vereinbarung zu Lasten Dritter gehandelt. Die damalige
Vereinbarung ist in der besonderen Situation zu sehen, dass die Mitarbeiter, die auf die
GmbH übergingen, zumindest den verbleibenden Mitarbeitern gleichgestellt sein sollten.
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Auch vor dem Übergang war bereits eine Sozialauswahl der gesamten Mitarbeiter
vorzunehmen, so dass eine Vereinbarung zu Lasten Dritter hier nicht angenommen
werden kann. Die Beklagte hat gegen § 4 verstoßen, so dass das Gericht auch nicht
überprüfen kann, ob die betriebsbedingte Kündigung nach Durchführung einer
entsprechenden Sozialauswahl nicht doch auch aus diesem Grunde bereits unwirksam
gewesen wäre.
Da die Kündigung bereits aus diesen Gründen keine Wirksamkeit entfalten kann, kann
es dahinstehen, ob die von der Beklagten behaupteten unternehmerischen Erwägungen
zu einem Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers und einer Begründung nach § 1
KSchG geführt haben.
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Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger zu unveränderten Bedingungen weiter zu
beschäftigen, da keine entgegenstehenden Gründe ersichtlich sind, nach Erlass des
Urteils 1. Instanz, die Interessen der Beklagten über die des Klägers zu stellen.
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II.
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1.
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Die Kostenentscheidung beruht § 91 ZPO.
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2.
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Die Streitwertentscheidung erging nach § 42 GKG.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
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Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form
abgefassten Urteils
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
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Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft
oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher
Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und
der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche
Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im
wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange
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die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der
Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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