Urteil des ArbG Oberhausen vom 14.09.2006

ArbG Oberhausen (kläger, kündigung, fristlose kündigung, ordentliche kündigung, juristische person, geschäftsführer, arbeitsverhältnis, abmahnung, wissen, geschäftsführung)

Arbeitsgericht Oberhausen, 4 Ca 1047/06
Datum:
14.09.2006
Gericht:
Arbeitsgericht Oberhausen
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 Ca 1047/06
Schlagworte:
ohne
Normen:
ohne
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
kein Leitsatz vorhanden
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die
fristlose Kündigung der Beklagen vom 20.05.2006 nicht aufgelöst ist.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung
der Beklagten vom 06.06.2006 nicht zum 30.11.2006 aufgelöst ist.
3. Die Kosten hat die Beklagte zu tragen.
4. Der Streitwert beträgt € 10.000,00.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten um Kündigungen. Der Kläger ist seit Juli 1992 bei der Beklagten
tätig, seit März 2005 als Leiter der Filiale P.. Sein monatlicher Verdienst betrug zuletzt
€ 3.200,00 brutto.
2
Bis Mai 2006 war der Kläger Betriebsratsmitglied und im Rahmen der Neuwahl
Wahlbewerber.
3
Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 22.05.2006 und 23.05.2006 Abmahnungen,
die ihm am 27. und 29.05.2006 jeweils zugingen.
4
Mit Schreiben vom 24.05.2006 hörte die Beklagte den Betriebsrat, verbunden mit einer
Mitteilung nach § 105 BetrVG, vorsorglich zur beabsichtigten fristlosen, hilfsweise
ordentlichen Kündigung gegenüber dem Kläger an, unter Hinweis darauf, dass er seiner
Pflicht als Filialleiter nicht nachkomme und sich, bezogen auf die Geschäftsführer,
ehrverletzend gegenüber der Mitarbeiterin U. geäußert habe (i.E. Anh.-Schr. 2. Anl. z.
Kl.-Schr.).
5
Mit Schreiben vom 29.05.2006, dem Kläger am selben Tage zugegangen, kündigte die
6
Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos außerordentlich.
Unter dem 19.06.2006 sprach die Beklagte die ordentliche Kündigung zum 30.11.2006
aus.
7
Der Kläger hält beide Kündigungen für unwirksam.
8
Er weist darauf hin, keine Pflichtverletzungen begangen, sich auch als Vorgesetzter
nicht falsch verhalten zu haben. Die ihm zur Last gelegten Aussagen habe er nicht oder
in einem anderen Kontext getroffen, so sei z. B. weder die Aussage " "Die Kunden seien
ihm scheißegal" gefallen, noch habe er sich wörtlich oder sinngemäß mit den Worten
"Scheiß Stasimentalität" geäußert und dies auch nicht bezogen auf die Geschäftsführer
getan (i.E. SchrS. v. 02.08.2006, S. 2 ff).
9
Der Kläger bestreitet, dass die Beklagte die außerordentliche Kündigung in der
notwendigen 2-Wochenfrist nach Kenntnisnahme der Vorfälle, insbesondere seiner
angeblichen Äußerungen im März/April 2006 gegenüber Frau U., ausgesprochen hat.
10
Der Kläger beantragt
11
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose
Kündigung der Beklagten vom 29.05.2006 noch durch die Kündigung der Beklagten
vom 06.06.2006 zum 30.11.2006 aufgelöst ist.
12
Die Beklagte beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14
Die Beklagte meint, die Kündigungen seien verhaltensbedingt erforderlich gewesen,
und stützt sie auf folgende Vorfälle:
15
- Am 13.10.2004 habe der Kläger die Mitarbeiterin C. im Rahmen einer- aus Sicht von
Frau C. ungerechtfertigten - Beanstandung angeschrieen.
16
- Am 02.07.2005 habe er Frau C., nachdem diese ihn unverschuldet nicht von ihrer
morgendlichen Abwesenheit informiert hätte, für einen gewissen Zeitraum vollständig
ignoriert. Daraufhin habe Frau C. um Versetzung gebeten, wobei die Hintergründe der
Geschäftsführung erst am 19.05.2006 bekannt gemacht worden seien.
17
- An einem Verkaufstag im März/April 2006 (SchrS. v. 04.07.2006, S. 2 unten), dem 19.
oder 20.04.2006, sei ein Mehrbetrag von € 15,00 ohne zugehörige Buchung in der
Kasse gewesen, da die Mitarbeiterin U. die Ware eines Kunden nicht erfolgreich habe
buchen können. Zwei Versuche, den verkauften Titel einzuscannen, seien wegen
technischer Probleme in der EDV fehlgeschlagen. Frau U. habe sich den verkauften
Titel nicht gemerkt, da sie fälschlicher Weise von der Buchung des Bons ausgegangen
sei. Auf ihre Erklärung hin habe der Kläger herumgebrüllt und sich u. a. folgenden
Inhalts geäußert:
18
- Die Kunden seien im scheißegal.
19
- Die Kunden interessierten ihn nicht.
20
- Ab sofort seien die Kunden zweitrangig, denn "die" in Dresden wollten immer alles
ganz genau wissen.
21
- Ab sofort kümmere er sich nur noch um diesen Kram.
22
Anschließend habe der Kläger den für Fragen des Warenwirtschaftssystems
zuständigen Herrn C2. angebrüllt.
23
In der darauf folgenden Diskussion mit der Mitarbeiterin U. habe er erneut die Fassung
verloren und geäußert:
24
- "Scheiß Stasimentalität", bezogen auf die Zentrale in Dresden
25
- "Die" interessierten sich nicht für die Kunden
26
- "Die wollen nur wissen, was mit dem Geld passiert
27
- "... die im Osten ... haben keine Ahnung ... wissen nicht was ..."
28
- Er müsse über jeden Vorgang Rechenschaft ablegen.
29
Nach dem aus dem ganzen Ablauf resultierenden Verständnis der Mitarbeiterinnen
seien die Aussagen des Klägers eindeutig auf die in Dresen ansässigen
Geschäftsführer M. H. und U. L. bezogen gewesen. Der Kläger habe schließlich noch
gemeint, er würde jedem raten, dem sich die Chance biete, in ein anderes Unternehmen
zu wechseln. Auch dies habe Frau U. auf ihre Person bezogen.
30
Am 18.04.2006 habe der Kläger die Mitarbeiterin U. eingeteilt für die Tätigkeit am sog.
Abholfach, welches urlaubsbedingt nicht mit der zuständigen Mitarbeiterin besetzt
gewesen sei. Frau U. sei zu diesem Zeitpunkt bereits anderweitig beschäftigt gewesen .
Bei Bedienung eines Kunden durch Frau U., sei das Abholfach erneut unbesetzt
gewesen, so dass der Kläger diese Arbeit selbst habe wahrnehmen müssen. Er habe
Frau U. daraufhin erneut angewiesen, die Tätigkeit am Abholfach durchzuführen, die sie
wegen eines erneuten Beratungswunsches wiederum habe unterbrechen müssen. Der
Kläger habe Frau U. darauf unangemessen laut und unbeherrscht angesprochen und
habe auf ihre Frage, warum ausgerechnet sie an das Abholfach müsse, u. a. lautstark
gesagt ..." weil ich das so will ...!", und zwar in Anwesenheit dreier Kunden sowie der
Mitarbeiterin H.. An den folgenden 3 Tagen habe der Kläger nicht mit Frau U.
gesprochen.
31
Von den vorgenannten Vorfällen habe die Geschäftsführung am 17.05.2006 Kenntnis
erhalten durch den Bereichsleiter M.. Die Mitarbeiterin U. hätte ohne nähere Angabe von
Inhalten am 19.04.2006 telefonisch um ein Gespräch mit Herrn M. gebeten. Dieser habe
durch Frau U. am 09.05.2006 Informationen darüber bekommen, dass der Kläger
Mitarbeiter anschreie und sich abwertend über das Unternehmen von Mitarbeitern
geäußert habe. Herr M. habe daraufhin ergänzende Ermittlungen auch durch andere
Mitarbeiterinnen angestellt und am 17.05.2006 einen Bericht an die Geschäftsführung
gegeben. Diese habe ihrerseits die Ermittlungen nach Anhörungen der Mitarbeiterinnen
U. und C. am 22.05.2006 abgeschlossen.
32
Nach der Kündigung seien der Geschäftsführung weitere Vorfälle, bezogen auf den
Kläger, bekannt geworden, von denen der Bereichsleiter M. erstmals am 01.06.2006
Mitteilung erhalten habe. Die diesbezüglichen Tatsachen seien dem Betriebsrat mit
Schreiben vom 12.06.2006 nachträglich mitgeteilt worden, verbunden mit einer
vorsorglichen Anhörung. Der Betriebsrat habe unter dem 14.06.2006 schriftlich
widersprochen.
33
Die Beklagte meint unter Hinweis auf die bei ihr gültige Stellenbeschreibung eines
Filialleiters, der Kläger sie leitender Angestellter i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG, so
dass eine Anhörung des Betriebsrates nicht erforderlich gewesen sei.
34
Die Beklagte meint, die außerordentliche Kündigung sei bereits deshalb berechtigt, da
der Kläger die Mentalität der Geschäftsführer auf Fäkalniveau eingeordnet und sie damit
erheblich in ihrer Ehre verletzt habe. Bereits aus diesem Grunde sei das
Vertrauensverhältnis zum Kläger unwiederbringlich zerrüttet.
35
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze und Anlagen
sowie die Erklärungen zur den Sitzungsniederschrift vom 14.09.2006 verwiesen.
36
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
37
I.
38
Die Klage ist begründet.
39
Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird weder durch die außerordentliche fristlose noch
die ordentliche fristgerechte Kündigung beendet.
40
1.
41
Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB
liegen nicht vor.
42
Nach dieser Vorschrift kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung
einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer
dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter
Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Darlegungs- und
beweisbelastet für die Kündigungsvoraussetzungen war die Beklagte als diejenige, die
sich auf die Wirksamkeit der Kündigung beruft.
43
Vorliegend hat die Beklagte dem Kläger mehrfaches Fehlverhalten im Umgang mit
Untergebenen und Mitarbeitern vorgeworfen sowie ehrverletzendes Verhalten zu Lasten
der Geschäftsführer der Beklagten.
44
a)
45
Das angebliche Fehlverhalten gegenüber Mitarbeitern vom 13.10.2004, 02.07.2005,
18.04.2006 und schließlich, soweit vorgetragen, am 18./19.04.2006, konnte die
außerordentliche Kündigung nicht begründen, da es sich insoweit um angebliche
Pflichtverletzungen handelt, die einer vorherigen Abmahnung bedurft hätten. Denn vor
46
Ausspruch einer ordentlichen, erst Recht außerordentlichen, verhaltensbedingten
Kündigung muss der Arbeit-geber in der Regel dem Arbeitnehmer gegenüber eine
Abmahnung aussprechen, um ihm seine Pflichtverletzung vor Augen zu führen und
darauf hinzuweisen, dass bei Wiederholung Inhalt oder Bestand des
Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.
Abmahnungen hat die Beklagte - soweit ersichtlich - erstmalig ausgesprochen unter
dem 22. und 23.05.2006, welche dem Kläger 2 Tage vor bzw. am Tag der Kündigung
zugingen. Nach Erhalt dieser Abmahnungen hat der Kläger sich keine
Pflichtverletzungen mehr zu Schulden kommen lassen, welche Gegenstand der
außerordentlichen Kündigung hätten sein können.
47
Eine Abmahnung war nicht entbehrlich wegen allgemeiner Führungsschwäche des
Klägers, welche durch Ausspruch einer oder mehrerer Abmahnungen nicht hätte
beseitigt werden können.
48
Zum Einen beruft sich die Beklagte selbst nicht auf eine per-sonenbedingte Kündigung,
sondern auf das die Kündigung aus-lösende Verhalten des Klägers. Zum Anderen hätte
es für eine personenbedingte Kündigung bei Ausspruch einer außerordentlichen
Kündigung besonderer Darlegungen hinsichtlich der Schwere und der Auswirkungen
der angeblich nicht abstellbaren Mängel bedurft.
49
Die von der Beklagten insoweit dargelegten Vorkommnisse reichen dazu nicht aus. Es
mag sein, dass der Kläger im Rahmen der von ihm erkannten Beanstandungen
ungeduldig oder gar laut geworden ist. Jedoch liegt auf der Hand, dass der Kläger
berechtigte Beanstandungen vorgebracht hat. Bei dem Vorfall im April 2006 mit Frau U.
durfte diese natürlich nicht davon ausgehen, dass bei fehlgeschlagenen Scanversuchen
die Kasse die Eingabe gebucht und einen Bon produziert hat.
50
Dass der Vorgesetzte die Mitarbeiterin auf ein solches Fehlverhalten aufmerksam
machen und dieses beanstanden darf, bedarf keiner weiteren Erörterung und erst Recht
keiner anschließenden Diskussion, wie sie angeblich der Kläger mit Frau U. fortsetzte
(vgl. Betr.-Ratsanh. S. 3 oben).
51
Entsprechend verhielt es sich am 18.04.2006, selbst den Vortrag der Beklagten
zugrunde gelegt. Es ist grds. nicht einsehbar, warum der Kläger als Vorgesetzter sich in
Diskussionen begeben oder sich rechtfertigen sollte, wenn er eine Anordnung trifft. Der
Kläger hat an diesem Tag gegenüber Frau U. die Anordnung getroffen, das Abholfach
zu besetzen, welches wegen Fehlens einer Kraft, die sich im Urlaub befand, unbesetzt
war. Diese Aufgabe gehörte - soweit ersichtlich - zum arbeitsvertraglich umfassten
Aufgabenbereich von Frau U., ihre Umsetzung dorthin unterlag dem billigen Ermessen
des Klägers im Rahmen seines Direktionsrechts. Anhaltspunkte für eine unbillige,
rechtswidrige Ermessensentscheidung gibt es nicht.
52
Allenfalls kann dem Kläger (nach Vortrag der Beklagten) eine zu lautstarke Reaktion
vorgeworfen werden, zu der sich ein Vorgesetzter nicht hinreißen lassen sollte, die die
Mitarbeiterin U. aber offensichtlich durch ihre Weigerungshaltung provoziert hat.
53
Ob der Kläger am 02.07.2005 mit Frau C. oder nach dem 18.04.2006 mit Frau U. einige
Zeit nicht gesprochen hat, kann dahinstehen. Selbst wenn der Kläger dies nicht getan
haben sollte, kann aus dieser Tatsache keine gravierende, durch evtl. Ausspruch einer
54
Abmahnung nicht zu beseitigende Führungsschwäche hergeleitet werden. Denn es
können genügend anerkennenswerte Gründe dafür vorliegen, wenn ein Vorgesetzter für
einige Stunden oder Tage nicht mit einzelnen Mitarbeitern spricht.
b)
55
Die Kündigung ist auch nicht wegen ehrverletzender Äußerungen i.S.v. § 626 Abs. 1
BGB berechtigt.
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Insoweit konnten nur die Äußerungen zugrunde gelegt werden, die auch dem
Betriebsrat mit der Anhörung am 24.05.2006 mitgeteilt wurden, da nach § 102 Abs. 1
Satz 2 und 3 BetrVG der Arbeitgeber dem Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung die
Gründe mitzuteilen hat, andernfalls die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist.
57
Die vorgenannte Vorschrift findet auch auf das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger
Anwendung, da der Kläger nicht i.S.v. § 5 Abs. 3 BetrVG leitender Angestellter ist.
58
Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Ziffer 3 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag
und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb regelmäßig Aufgaben wahrnimmt, die für
den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens
59
oder eines Betriebes von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen
und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidung im
Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder maßgeblich beeinflusst.
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Davon sollen nach dem Zweck des Gesetzes nur diejenigen Angestellten erfasst
werden, die der Unternehmensleitung wegen ihrer Tätigkeit und wegen der Bedeutung
ihrer Funktion nahe stehen, wobei es sich um einen beachtlichen Teilbereich
unternehmerischer Gesamtaufgaben handeln muss (Fitting 22. Aufl. BetrVG § 5 Anm.
358). Unerhebliche Merkmale i. S. d. Vorschrift sind die Übertragung einer bedeutenden
Verantwortung ohne nennenswerte Entscheidungskompetenz, schlichte
Vorgesetztenstellung auch gegenüber einer größeren Zahl unterstellter Arbeitnehmer
sowie Überwachungsfunktionen (Fitting a.a.O. Anm. 277 m.N. f. d. Rspr.).
61
Nach diesen Kriterien ist der Kläger kein leitender Angestellter, selbst wenn man die
Stellenbeschreibung zugrunde legt (3. Anl. z. Kl.-Schr.).
62
Danach ist der Kläger nicht nur der Geschäftsführung, sondern auch dem Bereichsleiter
unterstellt. Die Möglichkeit Einstellungen und Entlassung eigenständig vorzunehmen,
ist nicht ersichtlich.
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Die Verantwortung für Umsatz und Budget sowie den Warenbestand als auch die
Disposition für die Filiale sind für sich genommen noch kein beachtlicher Teilbereich
unternehmerischer Gesamtaufgaben i.S. der gesetzlichen Vorschrift. Denn insoweit ist
nicht erkennbar, in welchem finanziellen Rahmen der Kläger tatsächlich
Entscheidungskompetenzen hat.
64
Die in der Betriebsratsanhörung vom 24.05.2006 aufgeführten, ihm zur Last gelegten
Äußerungen, können die außerordentliche Kündigung nicht begründen.
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aa) Selbst unterstellt, er hätte mitgeteilt, die Kunden seien ihm "scheiß egal,
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interessierten ihn nicht, seien zweitrangig, denn "die" in Dresden wollten immer alles
ganz genau wissen, er kümmere sich nur noch um diesen Kram", würde es sich bei
diesen Äußerungen allenfalls um Unmutsäußerungen handeln, die je nach Kontext,
allenfalls eine Abmahnung begründen könnten. Das Gleiche gilt für die angeblichen
Äußerungen, die "interessierten sich nicht für die Kunden, wollten nur wissen, was mit
dem Geld passiert, er müsse über jeden Vorgang Rechenschaft ablegen".
Unterstellt, diese Äußerungen hätte der Kläger getan, würde es sich, je nach
Zusammenhang, um eine Meinungsäußerung handeln, die noch von der Wahrnehmung
berechtigter Interessen gedeckt ist oder allenfalls einer Abmahnung zugänglich wäre.
67
bb) Die angebliche Äußerung "Scheiß Stasimentalität" wäre grundsätzlich geeignet,
einen Grund für auch eine außerordentliche Kündigung darzustellen, wenn sie - wie von
Beklagtenseite vorgetragen - bezogen auf die Geschäftsführer der Beklagten gefallen
wäre.
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Jedoch hat die Beklagte nicht vermocht darzulegen, dass der Kläger diese Äußerungen
über die Geschäftsführer getan hat. Vielmehr hat sie lediglich darauf verweisen können,
dass "nach dem aus dem Ablauf resultierenden Verständnis" von Frau U. diese davon
ausging, dass der Kläger die Geschäftsführer der Beklagten gemeint habe. Damit macht
die Beklagte dem Kläger kein tatsächlich gezeigtes Verhalten zum Vorwurf, sondern
Gegenstand des Vorwurfes ist die Einschätzung der Mitarbeiterin U..
69
Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass Frau U. den angeblichen Gesprächsverlauf
erst Wochen nach dem Gespräch, d. h. lediglich aus ihrer Erinnerung wiedergegeben
hat, was wiederum erfahrungsgemäß Ungenauigkeiten in der Wiedergabe bewirkt.
Dementsprechend hat Frau U. der Beklagten offenbar den genauen Zeitpunkt des
Gesprächs zunächst nicht mitgeteilt, wie daraus geschlossen werden muss, dass weder
die Betriebsratsanhörung noch die Klageerwiderung einen genauen Zeitpunkt des
Gesprächs mit dem Kläger enthalten, sondern vielmehr von "einem Tag im Zeitraum
März / April 2006" die Rede ist.
70
Die Beklagte hat nicht vermocht, den Gesprächsablauf mit Frau U. so genau
wiederzugeben, dass zwingend darauf zu schließen ist, dass die Worte "Scheiß
Stasimentalität"
71
überhaupt bezogen auf Menschen gefallen ist, anstatt sich vielleicht auf Zustände in der
ehemaligen DDR zu beziehen. Nach dem Ablauf mehrer Wochen scheint überdies
fragwürdig, dass Frau U. sich plötzlich genau an die Worte des Klägers erinnern will.
72
Entsprechendes gilt auch für die angebliche Äußerung, der Kläger würde jedem raten,
dem sich die Chance biete, in ein anderes Unternehmen zu wechseln, was Frau U. als
auf ihre Person bezogen empfunden habe. Es mag sein, dass Frau U. so empfunden
hat. Aus dem mitgeteilten Zusammenhang ergibt sich dies nicht. Selbst unterstellt, der
Kläger hätte eine entsprechende Äußerung getan, könnte diese allenfalls als
Unmutsäußerung, nicht als ernsthaft gemeinter Rat verstanden werden.
73
2.
74
Die ordentliche Kündigung i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG war bereits nach § 15 Abs. 1
Satz 2 KSchG unwirksam, da dem Kläger als Mitglied des Betriebsrates nach
75
Beendigung seiner Amtszeit Kündigungsschutz von 1 Jahr zusteht.
II.
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1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
77
2.
78
Die Streitwertentscheidung erging nach § 42 Abs. 4 GKG.
79
Rechtsmittelbelehrung
80
Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
81
B e r u f u n g
82
eingelegt werden.
83
Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
84
Die Berufung muss
85
innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form
abgefassten Urteils
86
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
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Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft
oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher
Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und
der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche
Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im
wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange
die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der
Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
89