Urteil des ArbG Oberhausen vom 13.04.2005

ArbG Oberhausen: fristlose kündigung, abmahnung, ordentliche kündigung, juristische person, internet, programm, muster, betriebsrat, leiter, arbeitsgericht

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Sachgebiet:
Arbeitsgericht Oberhausen, 3 Ca 2976/04
13.04.2005
Arbeitsgericht Oberhausen
3. Kammer
Urteil
3 Ca 2976/04
Arbeitsrecht
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die
fristlose Kündigung vom 08.12.2004, zugegangen am 08.12.2004, nicht
beendet worden ist, sondern ungekündigt fortbesteht.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Streitwert: 9.904,86 €.
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen außerordentlichen
Kündigung.
Der am xx.xx.19xx geborene, verheirate, einem Kind gegenüber unterhaltspflichtige Kläger
ist bei der Beklagten seit dem 19.04.1989 zu einer Bruttomonatsvergütung von jährlich
36.619,44 € (Lohngruppe XI) beschäftigt. Er ist freigestelltes Betriebsratsmitglied.
Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb mehr als 10 Arbeitnehmer. Im Betrieb der
Beklagten gilt eine Arbeitsordnung. Sie enthält unter Ziffer 10 folgende Regelung:
"10. Nutzung von Firmeneinrichtungen
Die für den Dienstgebrauch bestimmten Einrichtungen und Materialien in Büros und
Werkstätten (z. B. Telefon, Fax, PC einschließlich E-mail und Internet/Intranet, Kopierer,
Poststelle, Werkzeuge) dürfen nicht für außerdienstliche Zwecke benutzt werden.
Ausnahmen und gegebenenfalls Bezahlung werden örtlich geregelt.
Die Verwendung der Firmenanschrift für private Postsendungen ist nicht gestattet."
Mit Schreiben vom 08.12.2004, dem Kläger zugegangen am selben Tag, kündige die
Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos (Blatt 9 d. A.). Unterzeichner dieses
Schreibens sind mit dem Vermerk "i. V." die Herren von T. und T..
Der Kläger rügte deren Vollmacht zum Kündigungsausspruch mit Schreiben vom
10.12.2004.
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Der Kläger ist der Ansicht, die streitgegenständliche Kündigung sei unwirksam. Gründe für
eine fristlose Kündigung seien nicht gegeben. Er rügt ferner die ordnungsgemäße
Anhörung des Betriebsrats und hält die bereits gegenüber der Beklagten erklärte
Vollmachtsrüge bezüglich der Unterzeichner des Kündigungsschreibens aufrecht.
Der Kläger beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom
08.12.2004, zugegangen am 08.12.2004, nicht beendet worden ist, sondern ungekündigt
fortbesteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, die Kündigung sei durch einen wichtigen Grund im Verhalten des Klägers
gerechtfertigt. Der Kläger habe in erheblichem Umfang Dateien pornographischen und
sexistischen Inhalts auf der Festplatte des ihr zur Verfügung gestellten Dienstservers
abgespeichert sowie Daten entsprechenden Inhalts per E-Mail weiterversandt.
Im Einzelnen:
Im Rahmen eines Notebookwechsels für den Mitarbeiter L. L. sei eine ungewöhnlich große
Speicherbelegung auf dem Laufwerk H aufgefallen. Der von Herrn L. hinzugezogene
Mitarbeiter S. habe bei Durchsicht des Laufwerks auf überflüssige Dateien Dateititel
entdeckt, die auf einen pornographischen Inhalt hindeuteten. Herr S. habe sich daraufhin
an seinen Vorgesetzten Herrn M. und dieser wiederum an den Personalleiter der Beklagten
Herrn S. gewandt und ihn über den entsprechenden Sachverhalt informiert. In Abstimmung
mit dem Betriebsratsvorsitzenden C., anderen Abteilungen einschl. des Beauftragten für
Daten- und Informationssicherheit wurden sodann weitere Recherchen angestellt. Es habe
sich unter anderem herausgestellt, dass geöffnete Dateien des Herrn L.
kinderpornographische Darstellungen enthalten hätten. Hierüber habe der Mitarbeiter N.,
Leiter der Revision, die Herren S. und C. am 05.11.2004 informiert. Noch am selben Tage
sei Herr T. L. über das Ergebnis der Ermittlung informiert und des Betriebes verwiesen
worden. Mit ihm habe man anschließend einen Aufhebungsvertrag mit sofortiger Wirkung
abgeschlossen.
Infolge der Ermittlungen sei festgestellt worden, dass ein weiterer Mitarbeiter, Herr G. T.,
sowohl Empfänger als auch Versender entsprechender Dateien gewesen sei. Bei der
Untersuchung seines E-Mail-Systems habe sich herausgestellt, dass es dort einen
sogenannten "Blindcopy (bc) - Verteiler" gegeben habe, der dann identifiziert worden sei.
Es sei ein Verteilerkreis von 14 weiteren Mitarbeitern gefunden worden. Mit ausdrücklicher
Zustimmung des Datenschutzbeauftragten und des Betriebsrates habe eine weitere
Datensicherung der jeweiligen Laufwerke bzw. E-Mailprogramme dieser 14 Mitarbeiter
stattgefunden. Zu diesen von der Beklagten namentlich genannten Personen gehöre auch
der Kläger.
Eine Überprüfung der Laufwerke bzw. E-Mailprogramme habe ergeben, dass einige
Mitarbeiter private Dateien auf ihrem Laufwerk gespeichert hätten bzw. private Dateien
empfangen und weitergeleitet hätten. Ein pornographischer Bezug sei hierbei jedoch nicht
festgestellt worden.
Bei einer 2. Gruppe von Mitarbeitern des vorbezeichneten Verteilerkreises seien Dateien
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sowohl mit reinen privaten als auch mit pornographischen Inhalten gefunden worden. Es
sei jedoch festgestellt worden, dass diese Mitarbeiter die Dateien nicht weitergeleitet
hätten. Überdies habe es sich bei den pornographischen Dateien um harmlose
Darstellungen, wie man sie auch in einschlägigen Heftchen bzw. "am Bahnhofskiosk"
erwerben könne bzw. um Cartoons mit sexistischem Inhalt gehandelt. Keiner dieser
Mitarbeiter habe sogenannte Hardcorepornos gespeichert bzw. versandt.
Überdies habe es insgesamt 4 Mitarbeiter gegeben, die die Voraussetzungen der Gruppe 2
erfüllt hätten und darüber hinaus E-Mails mit pornographischem Inhalt versandt hätten. In
Abstimmung mit dem Betriebsrat und den übrigen Beteiligten sei man übereinstimmend zu
dem Ergebnis gekommen, das in Bezug auf personelle Maßnahmen hier unterschiedliche
Schritte einzuleiten seien. Hierbei sei wie folgt vorgegangen worden:
Mit dem Mitarbeiter G. T. G. T. habe man einen Aufhebungsvertrag geschlossen.
Die Mitarbeiter, die nur private Bilddateien auf ihrem Laufwerk gespeichert hätten, hätten
eine Abmahnung wegen Verstoßes gegen die zugrunde liegende Betriebsvereinbarung
erhalten (Muster d. Abmahnung s. Bl. 50 d. A.).
Die Mitarbeiter der 2. Gruppe, die E-Mails mit pornographischem Inhalt über das dienstliche
Outlook-Programm empfangen und gespeichert hätten, hätten ebenfalls nur eine
Abmahnung (gem. dem Muster Bl. 51 d. A.) erhalten.
Die vier Mitarbeiter Aumüller, Ls., Lm. und Td. hätten auch nur Abmahnungen erhalten (s.
Bl. 114 ff d. A.), obgleich sie E-Mails mit pornographischem Inhalt auf ihrem dienstlichen
Outlook-Programm nicht nur empfangen und gespeichert, sondern darüber hinaus versandt
hätten.
Im Fall des Klägers habe sie jedoch keine andere Möglichkeit gesehen, als sich von ihm zu
trennen. Dies sei nach Abschluss der Ermittlungen am 03.12.2004 bei einem
abschließenden Gespräch zwischen dem Leiter der Revision N., dem kaufmännischen
Leiter des Beschäftsbereiches Cf. sowie des Betriebsratsvorsitzenden C. erörtert und
abgestimmt worden.
Im Gegensatz zu den Mitarbeitern, die wegen des Erhaltens, Speicherns und Versenden
von E-Mails mit pornographischem Inhalt lediglich abgemahnt worden seien, sei beim
Kläger erschwerend hinzugekommen, dass sich auf seinem Laufwerk eine Datenmenge
mit entsprechenden Dateien von rund 45 MB insgesamt 54 Dateien gefunden hätten. Im
Vergleich dazu hätten die Dateien der anderen lediglich abgemahnten Mitarbeiter im
Höchstfall rund 10 MB betragen (s. h. d. Aufst. i. E. Bl. 115 ff.). Außerdem sei in Bezug auf
die Person des Klägers festgestellt worden, dass dieser sogenannte Pornoclips, also kurze
Videofilme, mit einer Länge von ca. 2 - 4 Minuten auf seinem Laufwerk gespeichert hätte.
Hierbei habe es sich um eindeutig pornographische Darstellungen gehandelt. Einer dieser
Videoclips habe eine gefesselte Frau, mit der Analverkehr betrieben werde, gezeigt. Dieser
Clip habe damit eindeutig einen gewaltverherrlichenden Inhalt. Am 12. Mai 2004 habe der
Kläger um 14:11Uhr an den Mitarbeiter G. T. 2 Dateien (Videoclips) übersandt. Bei einem
dieser Videoclips mit dem Titel "Silvia Double.mpg" handele es sich um die Darstellung
einer Frau mit zwei männliche Darstellern, die gleichzeitig mit ihr Geschlechtsverkehr
haben.
Die Mitarbeiter, die lediglich eine Abmahnung erhalten hätten, hätten keine sogenannten
Hardcorepornos gespeichert. Bei ihren E-Mails bzw. Dateien handele es sich jeweils um
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harmlose Darstellungen, wie man sie auch in einschlägigen Heftchen bzw. am
Bahnhofskiosk einsehen könne. Sie bewegten sich auf dem Niveau der Zeitschrift Playboy.
Mit Schreiben vom 06.12.2004 habe (Bl. 53 d. A.) sie den Betriebsrat zu ihrer
Kündigungsabsicht im Bezug auf den Kläger angehört. Dessen Vorsitzender, Herr C., habe
ausweislich des Schreibens vom 08.12.2004 den Personalreferenten Herrn Q. am
08.12.2004 davon unterrichtet, dass der Betriebsrat der Kündigung des Klägers zustimme
(Bl. 54 d. A.). Die Kündigungsberechtigung der Unterzeichner des Kündigungsschreibens
sei gegeben. Hierzu wird auf die Ausführung der Beklagten in deren Schriftsatz vom
18.03.2005 nebst Anlage ausdrücklich Bezug genommen (Bl. 98 ff d. A.).
Der Kläger bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Insbesondere stellt er in Abrede,
E-Mails mit gewaltverherrlichendem Inhalt versandt zu haben. Er ist außerdem der
Auffassung, die von ihm gespeicherten und versandten E-Mails unterschieden sich
qualitativ nicht von denen der anderen Mitarbeiter. Es handele sich nicht um sogenannte
Hardcorepornos, erst recht nicht um Pornos mit gewaltverherrlichendem Inhalt. Er hält eine
Differenzierung zu denjenigen Mitarbeitern, die lediglich eine Abmahnung erhalten hätten,
nicht für gerechtfertigt.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze, die
zu den Akten gereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
Die Klage ist begründet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde nicht durch die Kündigung mit Schreiben der
Beklagten vom 08.12.2004 aufgelöst. Es besteht fort.
Gem. § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt werden, wenn
Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der gegenseitigen Interessen die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet
werden kann. Dies setzt voraus, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur
bis zum ordentlichen Beendigungstermin den Kündigenden unzumutbar belastet. Die
Kündigung muss die unausweichlich letzte Maßnahme sein (st. Rspr. d. BAG s. nur BAG
Urt. v. 09.07.1998 Az 2 AZR 210/98 - EzA 1 § 626 BGB - Krankheit, zu II, 1.).
Zur Rechtfertigung einer verhaltensbedingten außerordentlichen oder ordentlichen
Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber bedarf es neben einer in der
Regel schuldhaft begangenen Vertragsverletzung im Regelfall des vorausgegangen
vergeblichen Ausspruchs einer einschlägigen Abmahnung. Entbehrlich ist eine
Abmahnung nur dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben,
aufgrund derer sie als nicht erfolgversprechend angesehen werden konnte, etwa wenn der
Arbeitnehmer eindeutig nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten und bestimmte
Vertragsverletzungen hartnäckig und uneinsichtig fortsetzt (st. Rspr. BAG s. BAG-Urt. v.
26.01.1995 Az. 2 AZR 649/94 - AP Nr. 34 § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte
Kündigung). Entbehrlich ist eine Abmahnung auch bei besonders schweren
Pflichtverletzungen, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist
und deren Hinnahme durch den Arbeitgeber für ihn offensichtlich ausgeschlossen ist. Dies
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gilt insbesondere bei gegen den Arbeitgeber gerichteten Vermögensdelikten (BAG Urt. v.
10.02.1999 Az. 2 ABR 31/98 - AP 42 § 15 KSchG 1969). Im Vertrauensbereich ist eine
Abmahnung dann entbehrlich, wenn es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt,
deren Rechtswidrigkeit der Arbeitnehmer ohne weiteres erkennen konnte und dessen
Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG Urt. v.
04.06.1997, Az 2 AZR 526/96 - AP Nr. 137 zu § 626 BGB).
Ob danach eine außerordentliche Kündigung an sich gerechtfertigt ist, wenn ein
Arbeitnehmer einen ihm dienstlich zur Verfügung stehenden PC-Anschluss trotz
entgegenstehender Arbeitsordnung zu privaten Zwecken dahin nutzt, dass er ihm
übersandte E-Mails pornographischen Inhalts speichert und an Kollegen weiterversendet,
ohne vorherige Abmahnung, soll hier nicht allgemein beantwortet werden. Die Beklagte hat
als Arbeitgeber, wie die Kammer meint, zu recht je nach Schwere des Verstoßes auf die
Pflichtverletzung ihrer Mitarbeiter reagiert. Hierbei ist die Differenzierung im Fall des
Klägers nach Ansicht der Kammer jedoch nicht zutreffend vorgenommen worden. Im Fall
des Klägers hätte eine Kündigung wie bei anderen vergleichbaren Mitarbeitern erst nach
vorheriger Abmahnung erfolgen dürfen.
Die Kündigung des Klägers kann insbesondere nicht darauf gestützt werden, dass der
Kläger entgegen der bestehenden Dienstvereinbarung das Internet während der Arbeitszeit
zu privaten Zwecken genutzt hat. Ein solches Verhalten rechtfertigt sowohl eine
außerordentliche als auch eine ordentliche Kündigung nicht ohne entsprechende
vorheriger Abmahnung. Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, der
Arbeitgeber in einer sogenannten Arbeitsordnung (Bl. 39 ff d. A., konkret Ziffer 10 "Nutzung
von Firmeneinrichtungen") zwar ausdrücklich die Nutzung von E-Mail und Internet / Intranet
für außerdienstliche Zwecke verbietet, andererseits aber keine bestimmten Sanktionen an
die Verletzung dieses Verbots knüpft (so auch LAG Köln Urt. v. 17.02.2004 Az 5 SA
1049/03). Wird daher wie im vorliegenden Fall von dem Arbeitnehmer der Zugang zum
Internet privat entgegen der Dienstvereinbarung auch während der Dienstzeit genutzt, ohne
dass andere schwerwiegende Interessen des Arbeitgebers dadurch beeinträchtigt werden,
so kann ein solches Verhalten des Arbeitnehmers in aller Regel eine außerordentliche
oder ordentliche Kündigung des Arbeitgebers ohne vorherige Abmahnung nicht
rechtfertigen. Dass der Kläger infolge der Nutzung des Internets während der Arbeitszeit
andere ihm obliegende Aufgaben vernachlässigt, hat die Beklagte nicht, jedenfalls nicht
konkret und substantiiert vorgetragen. In der Regel ist die private Nutzung betrieblicher
Datenverarbeitungsanlagen sowie das private Telefonieren von einem Dienstanschluss
nicht ohne ein ausdrückliches Verbot und eine vorausgegangene einschlägige
Abmahnung geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen (LAG Köln v. 17.02.2004 Az 5 SA
1049/03 m. w. N.).
Dem entsprechend ist die Beklagte in Bezug auf diejenige Arbeitnehmergruppe in ihrem
Betrieb verfahren, die lediglich E-Mails mit privatem Inhalt mit ihrem dienstlichen Outlook-
Programm versandt und gespeichert haben. Ihnen wurde eine Abmahnung nach dem
Muster (Bl. 50 d. A.) erteilt.
Für den vorliegenden Fall kann ferner nicht davon ausgegangen werden, dass der
Empfang und die Speicherung von E-Mails mit pornographischem Inhalt ohne Abmahnung
eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Dies ist zwar im Allgemeinen in der
Rechtsprechung außerordentlich umstritten (s. nur ArbG Frankfurt v. 03.01.2002 Az 2 Ca
5340/01, NZA 2002 S. 1093, LAG Köln Urt. v. 17.02.2004 Az 5 SA 1049/03; ArbG
Düsseldorf Urt. v. 01.08.2002 Az 4 Ca 3437/01). Im Streitfall hat die Beklagte jedoch durch
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ihr eigenes Bewertungssystem zu erkennen gegeben, dass sie diesen Pflichtenverstoß nur
mit einer Abmahnung ahnden will. In diesen Fällen hat sie eine Abmahnung gem. dem
Muster (Schr. a. U. Lb., s. Bl. 51 d. A.) ausgesprochen.
Selbst bei denjenigen Mitarbeitern, die E-Mails mit pornographischem Inhalt über ihr
dienstliches Outlook-Programm nicht nur empfangen und gespeichert, sondern darüber
hinaus noch an Kollegen versandt haben, hat sie lediglich eine Abmahnungen
ausgesprochen. Insoweit sind namentlich benannt die Mitarbeiter Aumüller, Ls., Lm. und
Td.. Sie haben eine Abmahnung mit formularmäßigem Inhalt entsprechend der Abmahnung
an den Mitarbeiter Ls. (Bl. 114 d. A.) erhalten.
An diesem Bewertungssystem muss sich die Beklagte festhalten lassen. Sie hat nämlich
hierdurch gezeigt, dass sie die Pflichtverletzungen und den Vertrauensbruch der Mitarbeiter
zwar für erheblich hält, aber nicht für so gravierend, dass er ohne vorheriger Abmahnung
eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht.
Der von der Beklagten als darlegungs- und beweispflichtige Partei vorgetragene
Sachverhalt in Bezug auf den Kläger rechtfertigt es nicht, den Kläger aus der Gruppe
derjenigen Mitarbeiter herauszunehmen, die eine Abmahnung wie die Mitarbeiter Bv., Ls.,
Lm. und Td. mit dem Formulartext, s. Blatt 114 d. A., wegen Speicherung und Versendens
von E-Mails mit pornographischem Inhalt erhalten haben. Die Beklagte behauptet zwar,
dass der Inhalt der vom Kläger gespeicherten Dateien sich von denen der anderen
vorbezeichneten Mitarbeitern qualitativ unterscheide. Nähere Darlegungen zu dem Inhalt
dieser Seiten macht sie jedoch nicht. Zwar behauptet sie, die von den anderen Mitarbeitern
gespeicherten Dateien enthielten lediglich harmlose Darstellungen, wie man sie in
einschlägigen Heftchen, z. B. am Bahnhofskiosk, einsehen könne, die Playboy-Niveau
hätten. Speicherung von Hardcorepornos gebe es bei ihnen jedoch nicht. Wenn diese
Ausführungen dahin verstanden werden sollen, dass bei dem Kläger Hardcorepornos
gespeichert seien, fehlt es an einer entsprechenden Konkretisierung. Bei einer solchen
Unterscheidung hätte die Beklagte schon näher substantiieren und konkretisieren müssen,
was Gegenstand der Dateien war, die der Kläger angelegt haben soll. Hierzu reicht es nicht
aus, dass zum Beweis des diesbezüglichen Vorbringens in der Kammersitzung ein Laptop
mit entsprechendem Bildmaterial bereitgehalten wurde, worauf die Beklagte in ihrem
Schriftsatz vom 18.03.2005 (Bl. 107 d. A.) ausdrücklich hinweist. Wie im Allgemeinen bei
umfangreichen Akten und bereitgehaltenen Unterlagen besteht auch in einem solchen Fall
für das Gericht keine Verpflichtung sich über einen bereitgehaltenen Laptop beliebig das
herauszusuchen, was allgemeine Behauptungen und Beweisantritte einer Partei
rechtfertigen könnte. Diese ist gehalten, durch ihren Vortrag substantiiert und konkret
aufzuzeigen, auf welche konkreten Unterlagen bzw. hier auf welches Bildmaterial sie
Bezug nehmen will.
Auf dieser Basis lässt sich keine Unterscheidung dahin treffen, ob der möglicherweise vom
Kläger am 12.05.2004 an den Mitarbeiter G. T. übersandte Videoclip mit dem Titel "Silvia
Double.mpg" sich qualitativ erheblich von derjenigen unterscheidet, die von anderen
Mitarbeitern gespeichert und versandt wurden, die nur eine Abmahnung erhalten haben.
Soweit die Beklagte dem Kläger vorwirft, er habe Pornos mit gewaltverherrlichendem Inhalt
gespeichert und versandt, weshalb sein Fehlverhalten schwerer wiege als das derjenigen
Mitarbeiter, die nur eine Abmahnung erhalten hätten, ist dieses Vorbringen weder
ausreichend konkretisiert noch unter Beweis gestellt. Im Allgemeinen kann der Beklagten
in der Bewertung gefolgt werden, dass es einen Unterschied macht, ob lediglich
pornographische Darstellungen gespeichert und versandt werden oder solche mit
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gewaltverherrlichendem Inhalt, jedenfalls dann, wenn der strafrechtliche Bereich erreicht
ist. Vorliegend sind derartige Umstände im Streitfall jedoch nicht feststellbar. Ein Videoclip,
der eine gefesselte Frau zeigt, mit der Analverkehr betrieben wird, könnte diesem Bereich
zuzurechnen sein. Vorliegend hat die Beklagte jedoch nicht behauptet und auch nicht unter
Beweis gestellt, dass der Kläger einen solchen Videoclip an Kollegen versandt hat.
Danach in der Kammersitzung ausdrücklich befragt, erklärte die Beklagtenseite, dass wohl
nicht feststellbar sei, ob und an wen der Kläger diesen Videoclip versandt habe. Durch den
Umstand, dass der Kläger bei ihm möglicherweise gespeicherte Pornos
gewaltverherrlichenden Inhalts nicht an andere Mitarbeiter weitergeleitet, sondern lediglich
empfangen und gespeichert hat, ist der diesbezügliche Vorwurf nicht so schwerwiegend,
dass sich sein Verhalten qualitativ so erheblich von denen unterscheidet, die nur eine
Abmahnung erhalten haben. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass nicht davon
ausgegangen werden kann, dass der Kläger eine Vielzahl von Pornos
gewaltverherrlichenden Inhalts gespeichert hatte. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist
lediglich von einem Fall auszugehen, der im Hinblick auf die Einmaligkeit des
Vorkommens als Einzel- und Ausnahmefall zu betrachten ist. Wie die Ausführungen der
Beklagtenvertreterin in ihrer Klageerwiderung und demgegenüber die Bewertung des
Klägers in seinem Schriftsatz vom 11.03.2005 wie auch die Erörterungen im Kammertermin
zeigen, gibt es in diesem Bereich offensichtlich erhebliche Bewertungsunterschiede.
Solange strafrechtliche Grenzen hier nicht überschritten werden, was vorliegend nicht
feststellbar ist, muss der Arbeitgeber die von ihm tolerierten Grenzen dem Arbeitnehmer
zumindest durch vorheriger Abmahnung aufzeigen.
Weiterhin ist eine Differenzierung zwischen abmahnbarem Verhalten und zur fristlosen
Kündigung führenden Pflichtverletzungen allein aufgrund der vom Kläger gespeicherten
Datenmenge mit pornographischem Inhalt nicht gerechtfertigt. Selbst wenn es zutreffen
sollte, dass auf dem Laufwerk des Klägers eine Datenmenge mit entsprechenden Dateien
von 45 MB, insgesamt 54 Dateien, gefunden wurden, wie von der Beklagten behauptet
wird, während die abgemahnten Mitarbeiter höchstens 10 MB Speicherungskapazität für
diesbezüglich Dateien in Anspruch genommen haben sollen, erschwert dies die
Pflichtverletzung des Klägers nicht so erheblich, dass im Bezug auf seine Person eine
Abmahnung nicht mehr ausreichte, sondern nur noch eine fristlose Kündigung als Reaktion
des Arbeitgebers in Betracht kommt. Die Beklagte hat nicht substantiiert behauptet, dass
der Kläger z. B. aufgrund der Datenmenge als sogenannter Verteiler oder Knotenpunkt im
Netzwerk bei der Verteilung der E-Mails auszumachen ist. Allein die Datenmenge
erschwert die Qualität der Pflichtverletzung des Klägers nicht, zumal nicht feststeht, seit
wann der Kläger die Speicherungen vornimmt. Es gibt keine feste Grenze, ab der die
zulässige Speichermenge überschritten und die unzulässige Speichermenge beginnt.
Unterscheidungskriterien, die hierfür herangezogen werden könnten, sind der Kammer
nicht ersichtlich und wurden von der Beklagten auch nicht aufgezeigt.
Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Beklagte dem Kläger nicht ohne vorheriger
Abmahnung fristlos kündigen könnte. Dem Klageantrag war daher zu entsprechen.
II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO.
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Der Streitwert wurde gem. den §§ 61 Abs. 1, 12 Abs. 7, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ZPO
festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
B e r u f u n g
eingelegt werden.
Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
Die Berufung muss
innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form
abgefassten Urteils
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft
oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände
treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der
Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche Befugnis
haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen
Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation
entsprechend deren Satzung durchführt.
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.