Urteil des ArbG Mönchengladbach vom 02.04.2009

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Arbeitsgericht Mönchengladbach, 3 Ca 186/09
Datum:
02.04.2009
Gericht:
Arbeitsgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 Ca 186/09
Schlagworte:
Freiwilligkeitsvorbehalt bei Sondervergütung, Verstoss gegen das
Transparentgebot
Normen:
§ 307 Absatz 1 Satz 2 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Sagt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer in einer von ihm formulierten
Zusage ausdrücklich zu, jedes Jahr eine Sonderleistung in bestimmter
Höhe zu zahlen, ist es widersprüchlich, wenn er die Zahlung in einer
anderen Klausel an einen Freiwilligkeitsvorbehalt bindet.
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.537,95 € brutto nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
22.01.2009 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Streitwert: 2.537,95 €.
T A T B E S T A N D
1
Der Kläger macht mit seiner der Beklagten am 22.01.2009 zugestellten Klage die
Jahresabschlussleistung für das Jahr 2008 geltend.
2
Der Kläger ist seit dem 01.10.2001 bei der Beklagten als Filialleiter zu einem zuletzt
erzielten monatlichem Fixum von 2.289,80 € brutto sowie Zahlung eines
durchschnittlichen monatlichen Bonus von 248,15 € tätig. Dem Arbeitsverhältnis liegt
der Arbeitsvertrag vom 25.03.2003 zugrunde. In § 5 des Arbeitsvertrages der Parteien
heißt es:
3
"§ 5 Sondervergütung
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An Sonderzahlungen erhält der Mitarbeiter:
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a)auf Antrag vermögenswirksame Leistungen ab dem 7. Monat in Höhe von EUR 26,59
monatlich,
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b)ein zusätzliches Urlaubsgeld gemäß der betrieblichen Regelung über
Sonderzahlungen,
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c)eine Jahresabschlussleistung gemäß der betrieblichen Regelung über
Sonderzahlungen."
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In § 2. ist geregelt:
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"§ 2. freiw. Leistung
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Der Mitarbeiter nimmt an den von Q. gewährten freiwilligen Leistungen nach Maßgabe
der hierzu erlassenen Bestimmungen teil. Auch wenn diese freiwilligen Leistungen
mehrmals und regelmäßig erbracht werden, erwirbt der Mitarbeiter dadurch kein
Rechtsanspruch für die Zukunft."
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Bei der Beklagten gilt eine betriebliche Regelung über Sonderzahlungen vom
28.2..2002. Wegen des Inhalts dieser Regelung wird auf Bl. 2. f. d.A. verwiesen. Die
Parteien sind unterschiedlicher Auffassung über die Wirksamkeit des darin festgelegten
Freiwilligkeitsvorbehalts bzgl. der Jahresabschlussleistung.
12
Im Jahr 2008 hat die Beklagte keinem Arbeitnehmer eine Jahresabschlussleistung
gezahlt. Sie hat von dem Freiwilligkeitsvorbehalt aus wirtschaftlichen Gründen
Gebrauch gemacht. Der Geschäftsführer der Beklagten hat sich wegen der
unterbliebenen Zahlung der Jahresabschlussleistung 2008 durch Aushang an alle
Mitarbeiter gewandt (Bl. 47, 48 d.A.).
13
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.537,95 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
18
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
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Die Klage ist begründet.
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Der Kläger kann nach § 5 d. des Arbeitsvertrages der Parteien i.V.m. der Betrieblichen
Regelung über Sonderzahlungen der Beklagten vom 28.2..2002 eine
Jahresabschlussleistung für 2008 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 2.537,95 € brutto
beanspruchen.
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Der Freiwilligkeitsvorbehalt der in § 5 des Arbeitsvertrages in Bezug genommenen
betrieblichen Regelung über Sonderzahlung ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB
unwirksam, weil er gegen das Transparentgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt.
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Der Wortlaut des die Jahresabschlussleistung betreffenden Freiwilligkeitsvorbehalts in
der Regelung vom 28.2..2002 ist für sich genommen zwar eindeutig. Er schließt einen
Rechtsanspruch auf eine Jahresabschlussleistung aus. Diese Regelung ist jedoch
deshalb nicht klar und verständlich im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie zu
den vorherigen Regelungen in der betrieblichen Regelung über Sonderzahlungen in
Widerspruch steht.
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Der Freiwilligkeitsvorbehalt steht einmal im Widerspruch zu den unter der Überschrift
"Geltungsbereich" enthaltenen Bestimmungen. Danach erhalten alle Arbeitnehmer
Sonderzahlungen, die keine Jahresbezüge beziehen und deren Arbeitsverhältnis auf
unbestimmte Zeit abgeschlossen ist. Eine Formulierung, nach der Arbeitnehmer
Sonderleistungen "erhalten", lässt auf die Begründung eines Entgeltanspruchs
schließen. Aus dem Aufbau der Zusage ergibt sich, dass die den Geltungsbereich
betreffende Regelung nicht nur für das zusätzliche Urlaubsgeld, sondern auch für die
Jahresabschlussleistung gilt.
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Für die Begründung eines Rechtsanspruchs spricht auch, dass in der Zusage der
Beklagten vom 28.2..2002 die von der jeweiligen Dauer der Betriebszugehörigkeit
abhängige Höhe Leistung ebenso genau bestimmt ist wie die Kürzungsmöglichkeit
(unter Ziffer 3). Durch diese Regelungen ist die Höhe der Leistung präzise bestimmt.
Festgelegt ist auch, unter welchen Voraussetzungen eine Zahlung erfolgt
(ungekündigtes Arbeitsverhältnis am 31.12. des Jahres, kein Ruhen des
Arbeitsverhältnisses). Auch soweit geregelt ist, dass mit der Abrechnung für November
eine Auszahlung erfolgt, lässt sich diese Abrede vom Wortlaut her nur dahingehend
verstehen, dass die Arbeitnehmer in jedem Jahr, damit auch im Jahr 2008, eine
Jahresabschlussleistung beanspruchen können. Sagt ein Arbeitgeber einem
Arbeitnehmer in einer von ihm formulierten Zusage ausdrücklich zu, jedes Jahr eine
Sonderleistung in bestimmter Höhe zu zahlen, ist es widersprüchlich, wenn er die
Zahlung in einer anderen Klausel - wie hier unter Ziffer 5 - an einen
Freiwilligkeitsvorbehalt bindet (BAG 30.07.2008, 10 AZR 606/07; BAG vom 10.12.2008,
10 AZR 1/08).
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Die widersprüchliche Klausel in der im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen
betrieblichen Regelung ist nicht klar und verständlich im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2
BGB. In der Gefahr, dass der Kläger wegen der unklar abgefassten Regelungen seine
Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des §
307 Abs. 1 BGB. Da der Freiwilligkeitsvorbehalt nicht rechtswirksam ist, hat der Kläger
für das Jahr 2008 einen Anspruch auf die im Vertrag zugesagte Abschlussleistung.
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Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 3, 91 ZPO.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
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Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht E., Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 E., Fax: 0211 7770 2199
eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
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Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
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1.Rechtsanwälte,
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2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich
die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder
eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der
Bevollmächtigten haftet.
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Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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gez. L.
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