Urteil des ArbG Mönchengladbach vom 20.02.2008

ArbG Mönchengladbach: kaufpreis, juristische person, fristlose kündigung, arbeitsgericht, leasingvertrag, zeitwert, fahrzeug, leiter, firma, satzung

Arbeitsgericht Mönchengladbach, 5 Ca 3794/07
Datum:
20.02.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 Ca 3794/07
Schlagworte:
Schadenersatz, Geldunterschlagung
Normen:
§ 280 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Ein Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber Schadenersatz zu leisten, wenn
er vom Kunden Geld vereinnahmt hat und es nicht an den Arbeitgeber
weiterreicht - jedenfalls wenn er die Einnahmen vorsätzlich verschleiert
hat.
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 433.919,95 € nebst 5%
Zinsen über dem Basiszins seit dem 15.12.2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 14% und der
Beklagte 86%.
Der Streitwert wird auf 502.669,27 € festgesetzt.
Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
T A T B E S T A N D
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Die Parteien streiten über Schadenersatzansprüche der Klägerin gegenüber dem
Beklagten.
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Der Beklagte arbeitete seit 1991 bei der Klägerin, zuletzt seit 2005 als Leiter
Gebrauchtwagenverkauf. In 34 Fällen, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens
sind, verkaufte der Beklagte zuvor verleaste Fahrzeuge und nahm die jeweiligen
Kaufpreise in bar in Empfang, ohne die Beträge bei der Klägerin ordnungsgemäß
verbuchen zu lassen.
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Die Klägerin löste die jeweiligen Fahrzeuge bei der W.Leasing Bank ab und erhielt
danach die jeweiligen Fahrzeugbriefe. Der Beklagte übereignete die Fahrzeuge an
unterschiedliche Kunden, zum überwiegenden Teil an die Firma „H. G. In den
überwiegenden Fällen erzielte der Beklagte einen Kaufpreis, der unter dem Wert des im
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Leasingvertrag festgeschriebenen Rückkaufwertes lag.
Wegen der einzelnen Fälle wird auf die Nr. 1 bis Nr. 34 der Klagschrift (Bl. 3 bis 24 d.
GA) verwiesen. Die Vorfälle sind unstreitig.
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Die Klägerin kündigte dem Beklagten außerordentlich am 25.09.2007. Mit Urteil hat die
7. Kammer des Arbeitsgerichtes Mönchengladbach (zum Aktenzeichen 8.) die gegen
die fristlose Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage abgewiesen.
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Die Klägerin ist der Auffassung, dass der von dem Beklagten zu leistende
Schadenersatz sich aus den Beträgen zusammensetze, die die Klägerin im Verhältnis
zur W.Leasing-Bank hat zahlen müssen. Lediglich in den Fällen, in denen der Beklagte
einen höheren Kaufpreis erzielt habe, sei dieser Wert maßgeblich. Da der Beklagte
fingierte Rechnungen geschrieben hatte, die nicht im Bestand der Klägerin aufzufinden
gewesen seien, sei das Fehlen der Fahrzeuge zunächst nicht aufgefallen. Der Zeitwert
der von dem Beklagten veräußerten PKWs, die Gegenstand der vorliegenden Klage
sind, könne die Klägerin nicht mehr ermitteln, da die Fahrzeuge zur Begutachtung nicht
mehr bei der Klägerin seien. Die meisten Fahrzeuge dürften sich bereits im Ausland
befinden. Es sei jedoch der Leasing-Kaufpreis im Verhältnis zur Bank ein Anhaltspunkt
dafür, wie sich die Schadenhöhe bemesse, so dass dieser Wert angesetzt werden
könne.
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 502.669,27 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszins
seit dem 15. Dezember 2007 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte behauptet, dass er das Geld nicht für sich vereinnahmt habe, um sich zu
bereichern, sondern um ein im Laufe der Zeit entstandenes Durcheinander im
Fahrzeug- und Papierbestand zu kaschieren, um seinen Arbeitsplatz nicht zu gefährden.
Nachdem er festgestellt habe, dass ein bereits veräußertes Fahrzeug im Bestand der
Kasse noch nicht bezahlt worden sei, habe er den Kaufpreis eines anderen Fahrzeugs
dazu verwandt, das entstandene „Loch zu stopfen“. Leider seien immer mehr Löcher
entstanden, so dass er die Einnahmen aus aktuellen Verkäufen dazu benutzt habe,
fehlende Kaufpreiszahlungen in der Buchhaltung der Klägerin zu begleichen.
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Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Höhe der Leasingkaufpreiszahlungen nicht
als Schadenersatzhöhe herangezogen werden könnten, da der Sachwert immer
geringer sei, als im Leasingvertrag angegeben.
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Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die
Sitzungsprotokolle verwiesen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
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Die zulässige Klage ist zum großen Teil begründet. Die Klägerin kann gemäß § 280
BGB in Verbindung mit § 611 BGB und den arbeitsvertraglichen Bedingungen des
Beklagten einen Schadenersatz in Höhe von 433.919,95 € verlangen. Weitergehende
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Ansprüche stehen der Klägerin nicht zu, weder aus § 280 BGB, noch aus anderen
Rechtsgründen.
Der Beklagte hat vorliegend die entsprechenden Kaufpreise für die verkauften Autos,
welche unter den Nummern 1 - 34 der GA von der Klägerin unwidersprochen geschildert
worden sind, nicht an die Klägerin abgeführt.
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Die unsubstantiierten gegenteiligen Behauptungen des Beklagten waren unbeachtlich.
Sein Erklärungsversuch, wo denn das Geld geblieben sei, überzeugte die Kammer in
keiner Weise. Es ist schon wenig verständlich, warum die Löcher zwischen dem Ist-
Bestand an Fahrzeugen und dem Soll-Bestand im Kassenbestand immer größer
geworden seien. Noch nicht einmal dies kann der Beklagte plausibel erklären. Ferner
kann er nicht erklären, wo das Geld auf welches Konto bei der Klägerin eingezahlt
worden sei. Er war nach dem Arbeitsvertrag jedoch verpflichtet, den Kaufpreis, den er in
bar in Empfang genommen hatte, an die Klägerin weiterzureichen. Dies hat er - in
nachprüfbarer Weise - nicht getan.
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Das Geld ist dem Beklagten auch nicht in einer Art und Weise abhanden gekommen,
dass nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung dazu geführt hätte, dass er
gegebenenfalls nicht für den (vollen) Betrag haften würde. Dies behauptet der Beklagte
selbst nicht. Vielmehr hat er vorsätzlich nach seinen eigenen Behauptungen Verträge
und Zahlungen verschleiert. Selbst wenn seine Behauptung stimmen sollte, dass er sich
nicht persönlich bereichert habe, trägt er doch die Verantwortung für die vorgenommene
Verschleierung, mit der Folge, dass er in voller Höhe für den Schaden haftet. Insgesamt
hat der Beklagte in den folgenden Fällen folgendes in bar erhalten:
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Nr. 1
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48.550,00 €
20
Nr. 2
21
15.000,00 €
22
Nr. 3
23
10.499,99 €
24
Nr. 4
25
14.500,00 €
26
Nr. 5
27
8.800,00 €
28
Nr. 6
29
9.300,00 €
30
Nr. 7
31
10.000,00 €
32
Nr. 8
33
13.000,00 €
34
Nr. 9
35
8.500,00 €
36
Nr. 10
37
10.250,00 €
38
Nr. 11
39
11.500,00 €
40
Nr. 12
41
9.500,00 €
42
Nr. 13
43
8.500,00 €
44
Nr. 14
45
12.500,00 €
46
Nr. 15
47
16.999,99 €
48
Nr. 16
49
10.000,00 €
50
Nr. 17
51
12.500,00 €
52
Nr. 18
53
15.800,00 €
54
Nr. 19
55
7.500,00 €
56
Nr. 20
57
15.000,00 €
58
Nr. 21
59
10.499,99 €
60
Nr. 22
61
12.820,00 €
62
Nr. 23
63
10.499,99 €
64
Nr. 24
65
3.000,00 €
66
Nr. 25
67
5.000,00 €
68
Nr. 26
69
12.000,00 €
70
Nr. 27
71
10.500,00 €
72
Nr. 28
73
7.500,00 €
74
Nr. 29
75
33.000,00 €
76
Nr. 30
77
13.000,00 €
78
Nr. 31
79
11.000,00 €
80
Nr. 32
81
12.200,00 €
82
Nr. 33
83
18.699,99 €
84
Nr. 34
85
6.000,00 €
86
Summe:
87
433.919,95 €
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Der Beklagte schuldet entgegen der Auffassung der Klägerin jedoch nicht die in den
meisten Fällen höhere Kaufpreissumme, die die Klägerin gegenüber der W.Leasing-
Bank hat zahlen müssen, um den Fahrzeugbrief zurückzuerhalten.
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In der Tat ist es richtig, dass die Klägerin den Zeitwert der entsprechenden Autos wegen
des Verhaltens des Beklagten nicht mehr feststellen konnte und nicht mehr feststellen
kann. Insofern kann es durchaus legitim sein, die von der W.Leasing-Bank
angenommenen Restkaufpreise bei der Schadenshöhe heranzuziehen, § 249 BGB
i.V.m. § 287 ZPO. Jedoch muss berücksichtigt werden, wie hoch die Schadenshöhe
wäre, hätte sich der Beklagte rechtmäßig verhalten. In der Tat hätte die Klägerin
gegenüber dem Beklagten keine Schadenersatzansprüche geltend machen können,
hätte dieser die Kaufpreise abgeführt. Dies gilt auch in dem Fall, in dem der Beklagte
einen Kaufpreis erzielt hätte, welcher geringer wäre als der Kaufpreis, den die Klägerin
im Verhältnis zur W.Leasing-Bank verpflichtet war zu zahlen. Auch unter
Berücksichtigung der Tatsache, dass die Kaufverträge vom Beklagten sehr zeitnah nach
Ende des Leasingvertrages abgewickelt worden sind, (bis auf die Fälle des vorzeitigen
Verkaufes während der Laufzeit des Leasing-Vertrages) bedeutet dies nicht, dass aus
diesem Umstand geschlossen werden kann, dass der Beklagte vorsätzlich einen zu
geringen Kaufpreis erzielt hat. Auch aus der Tatsache, dass die meisten vorliegenden
Verträge mit der Firma „H. Fahrzeugmanagement“ abgewickelt worden sind und die
Klägerin insofern vermutet, dass der Beklagte „Freundschaftspreise“ vereinbart hat, lässt
sich keine schlüssige Schadenersatzklage in der begehrten Höhe begründen. Die
Indizien reichen alleine nicht aus, um festzustellen, dass der Beklagte tatsächlich -
vorsätzlich oder grob fahrlässig - zu geringe Kaufpreise erzielt hat. Dies zeigen bereits
die dokumentierten Fälle: Es gibt genügend Verträge, in dem der vom Beklagten erzielte
Kaufpreis annähernd gleich ist mit der Höhe, die im Leasingvertrag genannt ist. Dies
betrifft die geschilderten Fälle mit Nr. 10, Nr. 17, Nr. 21, Nr. 22, Nr. 23, Nr. 26, Nr. 27 und
Nr. 33. In all diesen geschilderten Fällen liegen die beiden Werte lediglich um wenige
hundert Euro auseinander.
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Da die Klägerin vom Beklagten im Falle der Kaufpreisabführung tatsächlich keine
Schadenersatzansprüche hätte geltend machen können - sie hätte ihm gegebenenfalls
vorwerfen können, als Leiter Gebrauchtwagenverkauf einen schlechten Kaufpreis erzielt
zu haben - kann die Klägerin, in dem der Beklagte den Kaufpreis nicht an sie
nachvollziehbar abgeführt hat, eben den höheren Leasingrestkaufpreis nicht als
Schadenersatz geltend machen. Dieses wäre nur möglich, wenn sie dem Beklagten
nachweisen könne, zu ihren Lasten entsprechende „Freundschaftspreise“ vereinbart zu
haben. Die dazu vorgelegten Indizien reichen jedoch - wie bereits ausgeführt - nicht aus.
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Die Klägerin stellt insofern lediglich Vermutungen an, die sich durch entsprechende
objektive Tatsachen nicht erhärten lassen.
Die Nebenforderungen ergeben sich aus den §§ 284 ff BGB.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG.
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Die Streitwertentscheidung folgt aus den §§ 61, 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 3 ff ZPO.
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Gründe für die besondere Zulassung der Berufung im Sinne des § 61 Abs. 3 i.V.m. Abs.
3a ArbGG lagen nicht vor.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der Klägerin und dem Beklagten
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B e r u f u n g
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eingelegt werden, soweit ein Wert von 600,00 € überschritten wird.
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Die Berufung muss
100
innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
101
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung
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Die Berufungsschrift muss von einem Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle
können Vertreter einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von
Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht
zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren
Mitglieder Partei sind. Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen,
deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten
Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die
Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend
deren Satzung durchführt.
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*Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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gez. C.
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