Urteil des ArbG Mönchengladbach vom 21.10.2008

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Arbeitsgericht Mönchengladbach, 1 Ca 833/08
Datum:
21.10.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 Ca 833/08
Schlagworte:
Änderungskündigung, Nichteinhaltung der Kündigungsfrist
Normen:
§§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 2, Satz 1 bis 3 KSchG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Eine ordentliche Kündigung wirkt erst zum Ablauf der ordentlichen
Kündigungsfrist. Daran hat sich auch das Änderungsangebot des
Arbeitsgebers bei einer ordentlichen Änderungskündigung zu
orientieren. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet auf einen Teil der ihm
zustehenden Kündigungsfrist zu verzichten und vorzeitig in eine
Vertragsänderung mit schlechteren Arbeitsbedingungen einzuwilligen.
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung
vom 26.02.2008 nicht beendet wird.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten
Arbeitsbedingungen als Leiter Key-Account Management New Channel
Vertrieb Fachhandel weiter zu beschäftigen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Streitwert: 38.123,35 €.
T A T B E S T A N D
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ausgesprochenen
Änderungskündigung. Der 53jährige, verheiratete Kläger ist seit dem 01.10.1986 bei der
Beklagten beschäftigt, zuletzt als Leiter Key Account Management New Channel
Vertrieb Fachhandel, zuvor als Verkaufsleiter. Das durchschnittliche Monatsgehalt des
Klägers beläuft sich auf 7.624,67 €. Der Kläger ist nach dem internen Vergütungssystem
in dem sogenannten Hay-Grade 10 eingruppiert.
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Mit Schreiben vom 26.02.2008 sprach die Beklagte eine Änderungskündigung aus.
Diese Änderungskündigung hatte folgenden Wortlaut:
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Sehr geehrter Herr W.
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leider sind wir gezwungen, Ihr Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30.09.2008 zu
kündigen.
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Gleichzeitig bieten wir Ihnen an, Sie über diesen Termin hinaus weiter zu beschäftigen,
wenn Sie sich bereit erklären, ab dem 01.10.2008 eine Tätigkeit als Bezirksleiter Depot
mit unveränderten 173 Stunden im Monat und einem Bruttomonatsengelt von 3.902,-- €
aufzunehmen. Der Bonus wird durch eine Zielprämie in Höhe von 4.100,-- € ersetzt. Alle
anderen Punkte des bestehenden Dienstvertrages bleiben weiterhin bestehen.
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Diese Kündigung steht unter der Bedingung, dass Sie das Angebot zum Abschluss
eines dreiseitigen Vertrages über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der U.
und zum Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages mit der U. GmbH, das Ihnen am
18.03.2008 ausgehändigt wurde und das Sie bis zum 03.03.2008 annehmen können,
nicht annehmen.
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Mit der rechtzeitigen Annahme des vorgenannten Angebots durch Sie ist diese
Kündigung gegenstandslos.
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Der Betriebsrat ist zu dieser personellen Maßnahme nach § 120 BetrVG angehört
worden. Er hat der Kündigung nicht widersprochen.
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Ihr Einverständnis wollen Sie bitte bis zum 25.03.2008 schriftlich erklären.
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Die Kündigung ist dem Kläger am 01.03.2008 zugegangen. Es wurde in
Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt mit einer Liste der betroffenen
Arbeitnehmer.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass die Kündigung aus verschiedenen Gesichtspunkten
unwirksam ist, u. a. auch weil die Frist nicht eingehalten wurde.
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Der Kläger beantragt
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1. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten
vom 26.02.2008 nicht beendet wird,
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2. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere
Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Arbeitsvertragsbedingungen
über den 30.09.2008 hinaus fortbesteht,
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3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsvertragsbedingungen als Leiter
Key-Account-Management New Channel Vertrieb Fachhandel weiter zu beschäftigen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, der Arbeitsplatz des Klägers sei weggefallen und das gemachte
Angebot sei für den Kläger durchaus zumutbar.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug
genommen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Der Kläger hat die Kündigung vom 26.02.2008 rechtzeitig mit seiner Klage vom
18.03.2008 angegriffen.
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Im Hinblick auf die Dauer der Beschäftigung (§ 1 Abs. 1 KSchG) und die Anzahl der bei
der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer genießt der Kläger Kündigungsschutz nach
dem Kündigungsschutzgesetz.
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Die von der Beklagten ausgesprochene Änderungskündigung ist nicht sozial
gerechtfertigt.
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Eine Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn die Änderung des bisherigen
Arbeitsvertrages unvermeidbar ist und die neuen Bedingungen für den Arbeitnehmer
annehmbar sind. Es ist zu prüfen, ob die Änderung des Arbeitsvertrages unabweisbar
geworden ist, und ob die vorgesehenen Änderungen dem Gekündigten zumutbar sind
(BAG 06.03.1986 EZA § 15 KSchG n. F. Nr. 34). Es ist zu fragen, ob eine Änderung
erforderlich ist. Im zweiten Schritt ist die angebotene Änderung zu untersuchen.
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Bei einem anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung muss sich der
Arbeitgeber auf solche Änderungen beschränken, die der Arbeitnehmer billigerweise
hinnehmen muss (BAG 13.06.1986 EZA §1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 23).
Angebotene Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen
Arbeitsvertrages entfernen als zur Erreichung des angestrebten Zieles unter
Berücksichtigung des Inhaltsschutzinteresses des Arbeitnehmers unbedingt erforderlich
ist. Der Arbeitgeber muss von mehreren freien Arbeitsplätzen denjenigen anbieten, der
dem bisherigen Arbeitsplatz in der Gesamtheit der Arbeitsbedingungen am nächsten
kommt.
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Enthält das Änderungsangebot des Arbeitgebers eine Änderung der bisherigen
Arbeitsbedingungen, muss die soziale Rechtfertigung für jeden einzelnen Punkt geprüft
werden (BAG 07.06.1973 EZA § 626 n. F. 29; BAG 06.03.1986 EZA § 15 KSchG n. F.
Nr. 34). Genügt eine der beabsichtigten Änderungen den Anforderungen nicht, hat dies
die Unwirksamkeit der gesamten Änderungskündigung zur Folge. Das Gericht kann
nicht die Änderungskündigung teilweise für unwirksam erklären (BAG 06.03.1986 a. a.
O.) . Das Änderungsangebot muss sich auf die Änderungen beschränken, die unbedingt
erforderlich sind.
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Ist eine Änderung der Tätigkeit unabweisbar und daher an sich geeignet, eine
Änderungskündigung zu rechtfertigen, so gilt dies grundsätzlich auch für die damit
einhergehende Änderung der Vergütung in die für den neuen Arbeitsplatz geschuldete
Vergütung.
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Das Angebot der Beklagten, der Kläger solle vor Ablauf der ordentlichen
Kündigungsfrist zu erheblichen schlechteren Bedingungen weiterarbeiten, ist sozial
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ungerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Da die Kündigung erst am 01.03.2008 zugegangen
ist, wurde die ordentliche Kündigungsfrist nicht eingehalten. Eine ordentliche Kündigung
wirkt erst zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Daran hat sich auch das
Änderungsangebot des Arbeitgebers bei einer ordentlichen Änderungskündigung zu
orientieren. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet auf einen Teil der ihm zustehenden
Kündigungsfrist zu verzichten und vorzeitig in eine Vertragsänderung mit schlechteren
Arbeitsbedingungen einzuwilligen (vgl. insoweit BAG U. v. 21.04.2005 - 2 AZR 244/04).
Das Änderungsangebot sieht vor, dass der Kläger eine erhebliche Gehaltsminderung
hinnehmen muss. Mit der Änderungskündigung soll das Gehalt von durchschnittlich
7.600,00 € abgesenkt werden auf ca. 4.000,-- €. Diese Lohnabsenkung wirkt zu einem
Zeitpunkt, an dem die Frist der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht
abgelaufen ist. Die Kammer ist auch der Auffassung, dass eine Auslegung des
Änderungsangebotes nicht möglich ist, denn insoweit ist die Rechtslage bei einer
Änderungskündigung nicht vergleichbar mit einer Beendigungskündigung. Es ist
zutreffend, dass bei einer ordentlichen Beendigungskündigung in aller Regel die
Auslegung so erfolgt, dass sie das Arbeitsverhältnis zum zutreffenden Termin beenden
soll. Mit einer solchen Auslegung wird dem arbeitgeberseitigen Willen Rechnung
getragen, das Arbeitsverhältnis jedenfalls mit Ablauf der einschlägigen Kündigungsfrist
zu beenden. Bei einem vorfristigen Änderungsangebot kann nicht von dem
mutmaßlichen Willen des Arbeitgebers ausgegangen werden, die neuen
Arbeitsbedingungen vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist gelten zu lassen (vgl.
insoweit U. d. BAG v. 21.09.2006 - 2 AZR 220/06). Der Arbeitnehmer kann von seiner
Sicht aus nicht beurteilen, ob nicht schon das Änderungsangebot des Arbeitgebers
damit Stehen und Fallen soll, dass die neuen Arbeitsbedingungen schon zu dem in dem
Kündigungsschreiben genannten Termin gelten. Das Interesse des Arbeitnehmers, der
bei einer Änderungskündigung sich innerhalb einer kurzen Zeit entscheiden muss, ob er
die neuen Arbeitsbedingungen annimmt oder ablehnt, erfordert eine enge Auslegung
des Änderungsangebotes des Arbeitgebers. Es ist schon aus Gründen der
Rechtssicherheit erforderlich, das zweifelsfrei klargestellt ist, zu welchen neuen
Arbeitsbedingungen das Arbeitsverhältnis nach dem Willen des Arbeitgebers
fortbestehen soll.
Aus diesen Gründen ist die Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt.
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Die anderen Fragen können daher offen bleiben.
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Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.
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Der Klage war daher stattzugeben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 46 Abs. 2, 61 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 3 ZPO.
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Die Kammer hat fünf Monatsverdienste in Ansatz gebracht.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
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Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
0211 7770 2199 eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
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Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
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1. Rechtsanwälte,
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2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich
die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder
eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der
Bevollmächtigten haftet.
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Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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gez. N.
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