Urteil des ArbG Marburg vom 26.11.2010

ArbG Marburg: universität, probezeit, ordentliche kündigung, wartezeit, kündigungsschutz, psychologie, anhörung, kündigungsfrist, hessen, forschung

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Gericht:
ArbG Marburg 2.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 Ca 123/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 KSchG, § 611 Abs 1
BGB
Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes -
aufeinanderfolgende Arbeitsverhältnisse - Wartezeit -
Probezeit
Leitsatz
1. Begründet ein Arbeitnehmer in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang
mehrere Arbeitsverhältnisse hintereinander an verschiedenen Universitäten, so gilt der
einmal erworbene Kündigungsschutz in dem neuen Arbeitsverhältnis an der nächsten
Universität fort, wenn das neue Arbeitsverhältnis mit demselben Dienstherren
abgeschlossen worden ist.
2. Für die Erfüllung der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG kommt es nicht darauf an, ob
der Mitarbeiter die aneinander gereihten Arbeitsverhältnisse bei einer oder bei
verschiedenen Universitäten desselben Arbeitgebers ableistet, so lange ein enger
sachlicher Zusammenhang zwischen den Arbeitsverhältnissen besteht.
3. Der enge sachliche Zusammenhang zwischen den aufeinander folgenden
Arbeitsverhältnissen entfällg nicht dadurch, dass sich jeweils die Wochenarbeitszeit
ändert.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung
der Beklagtenseite vom 10.03.2010 nicht beendet worden ist.
2. Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 11.100,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Kündigung seines
Arbeitsverhältnisses. Die Parteien streiten sich darüber, ob auf das
Arbeitsverhältnis des Klägers das Kündigungsschutzgesetz anzuwenden war.
Der Kläger ist ausgebildeter Diplompsychologe. Er ist 34 Jahre alt. Sein Gehalt hat
sich zuletzt auf ca. 3.700,-- € brutto monatlich belaufen.
Bei der P.-Universität in M. sind ca. 4.000 Personen beschäftigt.
Der Kläger war zunächst aufgrund des Arbeitsvertrages vom 16.01.2007 mit dem
beklagten Land bei der J.-Universität in G. für die Zeit vom 01.02.2007 bis zum
31.01.2010 befristet am Fachbereich Psychologie als Wissenschaftlicher
Mitarbeiter mit einer Arbeitszeit von 50 % der durchschnittlichen Arbeitszeit eines
vollzeitbeschäftigten Angestellten beschäftigt. Gemäß § 1 des Arbeitsvertrages
war der Kläger nach der Sonderregelung 2y BAT i.V.m. § 77 Hessisches
Hochschulgesetz zur eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung tätig. Hierfür sollte
1/3 der Arbeitszeit zur Verfügung gestellt werden.
Das beklagte Land, vertreten durch die P.-Universität M. schloss mit dem Kläger
unter dem 26.01.2010 einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag ab. Nach § 1
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unter dem 26.01.2010 einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag ab. Nach § 1
dieses Vertrages wurde der Kläger für die Zeit vom 01.02.2010 bis zum
31.12.2010 befristet nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Wissenschaftszeitvertragsgesetz für
eine Tätigkeit an der P.-Universität in M. eingestellt. Zur Tätigkeit des Klägers ist
im Arbeitsvertrag nur gesagt, dass sich die Aufgaben nach der Ausgestaltung des
Dienstverhältnisses richten sowie nach der Funktionsbeschreibung der Stelle.
Der Kläger wurde als wissenschaftlicher Angestellter an der Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie des Fachbereichs Medizin der P.-Universität beschäftigt. Die
Stellenbeschreibung vom 07.10.2009 dafür lautete wie folgt:
Stellenprofil
Tätigkeitsbereiche: Lehre/Forschung
Fachbereiche: Allgemeine Psychologie, biologische Psychologie und Physiologie,
diagnostische, differenzielle und Persönlichkeitspsychologie, klinische Psychologie,
Gesundheits- und Neuropsychologie, Sozialpsychologie.
Qualifikationsprofil: Beliebig.
Zwischen den Parteien war die Geltung der jeweiligen Tarifverträge vereinbart. Mit
Schreiben vom 03.03.2010 hörte die Beklagtenseite den Personalrat zur geplanten
Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers an. Zur Begründung wurde dabei
ausgeführt, dass der Kläger nach Ansicht des Kliniksdirektors Prof. Dr. K. nicht über
die entsprechenden methodischen und inhaltlichen Kenntnisse verfüge, die für das
Projekt notwendig seien.
Der Personalrat der P.-Universität widersprach mit Schreiben vom 09.03.2010 der
beabsichtigten Kündigung. Der Personalrat führt aus, dass die
Kündigungsbegründung in Zweifel gezogen werde. Eine solch krasse
Fehleinschätzung der fachlichen Kompetenz des Klägers durch das
Auswahlgremium im Rahmen des Bewerbungsverfahrens wäre ungewöhnlich. Es
seien keinerlei Versuche unternommen worden, die vermeintlichen Defizite des
Klägers zu beseitigen. Der Personalrat wies daraufhin, dass der Kläger seit mehr
als 3 Jahren lückenlos beim selben Arbeitgeber beschäftigt sei. Demnach könne
nur mit einer verlängerten Kündigungsfrist gekündigt werden. Keinesfalls handle es
sich um eine Kündigung während der Probezeit.
Der Personalrat hat weiter mitgeteilt, dass er sich bemühe, die genauen
Hintergründe der Vorgänge in Erfahrung zu bringen. Dies sei leider nicht möglich
gewesen. Der Personaldezernent D. habe am 09.03.2010 zugesichert, die
Kündigung nicht auszusprechen, bevor der Personalrat Gelegenheit gehabt habe,
mit beiden Parteien Rücksprache zu nehmen, um eine eigene fundierte
Stellungnahme abgeben zu können.
Gleichwohl sprach die Beklagtenseite mit Schreiben vom 10.03.2010 die
Kündigung des Klägers innerhalb der Probezeit zum 31.03.2010 aus.
Der Kläger ist der Ansicht, dass diese Kündigung rechtsunwirksam sei. Sie sei
sozial nicht gerechtfertigt. Der Kläger rügt weiter die nicht ordnungsgemäße
Anhörung und Beteiligung des Personalrats. Außerdem sei die Kündigungsfrist
nicht gewahrt.
Der Kläger verweist darauf, dass er ein Vorarbeitsverhältnis bei der J.-Universität in
G. für 3 Jahre hatte. Er sei sowohl in G. wie in M. stets im gleichen Berufsbild
beschäftigt gewesen. Schon aus diesem Grunde scheide eine Kündigung innerhalb
der Probezeit aus.
Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass das Kündigungsschutzgesetz auf sein
Arbeitsverhältnis Anwendung finde. Einen ausreichenden Grund für eine Kündigung
gebe es nicht. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt.
Der Kläger behauptet, dass er sowohl in G. wie in M. methodisch tätig gewesen sei.
Die Tätigkeit an beiden Universitätsstandorten habe sich nur in thematischen
Einzelheiten unterschieden. Auch bei der Stellenausschreibung in M. sei aufgeführt
worden, dass die Anfertigung einer Dissertation erwünscht sei. Insgesamt handle
es sich deshalb um eine Zusammenhangstätigkeit.
Der Kläger beantragt,
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die unter dem
Datum des 10.03.2010 ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht aufgelöst
worden ist.
Die Beklagtenseite beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land ist der Ansicht, dass die Kündigung wirksam sei und rechtlich
nicht beanstandet werden könne.
Es behauptet, dass der Vorgesetzte des Klägers Prof. Dr. K. zu dem Ergebnis
gekommen sei, dass der Kläger nicht über die notwendigen Kenntnisse für die
vorgesehene Tätigkeit verfüge. Aus diesem Grunde habe er mit Schreiben vom
25.02.2010 die P.-Universität um die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des
Klägers gebeten.
Das beklagte Land verweist darauf, dass die Parteien in § 3 Abs. 1 des
Arbeitsvertrages vom 26.01.2010 für den Kläger eine Probezeit von 6 Monaten
vereinbart haben. Da der Kläger sich noch in der Probezeit befand, habe eine
Anhörung des Personalrats nach § 78 Abs. 2 HPVG ausgereicht.
Die Beklagtenseite ist im Übrigen der Ansicht, dass es sich um zwei getrennte und
verschiedene Arbeitsverhältnisse handele. Dies ergebe sich schon daraus, dass
die beiden Universitäten in G. und M. selbständige Organisationseinheiten seien
und eigenständige Betriebe führten. Aus diesem Grunde finde das
Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.
Wegen der Kürze der Betriebszugehörigkeit und der Kündigung innerhalb der
Probezeit sei auch die Kündigungsfrist rechtlich nicht zu beanstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
mündlich vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze
sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 27. April 2010 (Bl. 27 d.A.) und vom 26.
November 2010 (Bl. 71 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
A.
An der Zulässigkeit der Kündigungsfeststellungsklage bestehen keine Bedenken.
Der Kläger hat gem. § 256 Abs. 1 ZPO ein berechtigtes Interesse an der
alsbaldigen Feststellung darüber, ob sein Arbeitsverhältnis durch die von der
Beklagtenseite ausgesprochene Kündigung beendet worden ist oder ungekündigt
fortbesteht.
Der Kläger hat seine Klage auch rechtzeitig innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG
erhoben.
B.
Die Klage ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die
Kündigung des beklagten Landes vom 10.03.2010 nicht aufgelöst bzw. nicht
beendet.
I.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz gem. §
1 Abs. 1 KSchG, § 23 Abs. 1 KSchG Anwendung.
1. Der Kläger hat unbestritten zwei Arbeitsverhältnisse mit dem beklagten Land
Hessen abgeschlossen. Zunächst war er vom 01.02.2007 bis zum 31.01.2010
aufgrund des Arbeitsvertrages vom 16.01.2007 beschäftigt. Sodann hat das
beklagte Land mit dem Kläger ohne zeitliche Unterbrechung ab dem 01.02.2010
ein weiteres Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitsvertrag vom 26.01.2010 begründet.
Dabei spielt es keine Rolle, in welchen Betrieben und Organisationseinheiten das
beklagte Land den Kläger beschäftigt hat. Auch wenn es sich bei den beiden
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beklagte Land den Kläger beschäftigt hat. Auch wenn es sich bei den beiden
Universitäten, an denen der Kläger eingesetzt wurde, um rechtlich selbstständige
Körperschaften des öffentlichen Rechts handelte, so blieb doch das Land Hessen
jeweils der vertragsschließende Arbeitgeber und Dienstherr des Klägers.
2. Entgegen der Ansicht der Beklagtenseite findet das Kündigungsschutzgesetz
auch auf das zweite Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung. Die kurze
Beschäftigungszeit des Klägers steht dem nicht entgegen. Der Kläger ist zum
Zeitpunkt der Kündigung in seinem zweiten Arbeitsverhältnis bei der P.-Universität
in M. zwar erst seit wenigen Wochen beschäftigt gewesen. Gleichwohl scheitert die
Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes nicht an der fehlenden Wartezeit von 6
Monaten nach § 1 Abs. 1 KSchG.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müssen auf die
Wartezeiten nach § 1 Abs. 1 KSchG auch Zeiten eines früheren
Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber angerechnet werden, sofern das
neue Arbeitsverhältnis in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem
früheren Arbeitsverhältnis steht (vgl. BAG v. 19.06.2007, AP Nr. 23 zu § 1 KSchG
1969 Wartezeit; m.w.N.).
Ein solcher enger sachlicher Zusammenhang ist vorliegend zwischen den beiden
Arbeitsverhältnissen an der J.-Universität in G. und der P.-Universität in M.
gegeben. Aus diesem Grunde musste der Kläger die Wartezeit des § 1 Abs. 1
KSchG im zweiten Arbeitsverhältnis nicht erneut zurücklegen. Vielmehr genoss der
Kläger durch die Anrechnung der Vordienst aus dem ersten Arbeitsverhältnis in
diesem zweiten Arbeitsverhältnis von Anfang an Kündigungsschutz nach § 1 und §
2 des Kündigungsschutzgesetzes.
3. Von einem engen sachlichen Zusammenhang zweier oder mehrerer
Arbeitsverhältnisse ist regelmäßig auszugehen, wenn diese Arbeitsverhältnisse mit
demselben Arbeitgeber bei einer nach dem Berufsbild gleichen oder
vergleichbaren Tätigkeit an derselben Universität oder an verschiedenen
Universitäten desselben Arbeitgebers in einem engen zeitlichen Zusammenhang
durchgeführt werden. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob der Mitarbeiter
die aneinandergereihten Arbeitsverhältnisse bei einer Universität oder bei
verschiedenen Universitäten desselben Arbeitgebers ableistet. Der Arbeitgeber ist
in jedem Falle gleich. Arbeitgeber des Klägers war stets das beklagte Land.
Sinn und Zweck des Kündigungsschutzgesetzes besteht darin, dem Arbeitnehmer
nach Ablauf von 6 Monaten bei einer Beschäftigtenzahl von mehr als 10
Arbeitnehmern Kündigungsschutz zu gewährleisten. Dabei ist die Gewährleistung
des Kündigungsschutzes unabhängig von der jeweiligen Vertragsgestaltung. Auch
bei mehrfach befristeten Arbeitsverträgen bleibt der Kündigungsschutz des
Mitarbeiters bestehen, soweit keine tatsächliche, sondern nur eine rechtliche
Unterbrechung vorliegt.
Für die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes ist es auch ohne Bedeutung, dass
die Arbeitgeberseite den Kläger an verschiedenen Universitäten, d.h. an
verschiedenen Betriebsstätten eingesetzt hat. Auch wenn die Universitäten
rechtlich selbständige Einheiten darstellen, betreiben sie für das Land
verschiedene Betriebsstätten, an denen das Land seine Mitarbeiter einsetzt.
Da das Kündigungsschutzgesetz nach § 1 Abs. 1 KSchG unternehmensweit gilt
und auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses in demselben Unternehmen
abstellt, unterbricht ein Wechsel der Universitäten im selben Bundesland nicht die
Geltung des Kündigungsschutzgesetzes. Der Kläger hatte durch seine dreijährige
Tätigkeit für das beklagte Land an der J.-Universität bereits Kündigungsschutz
erworben. Alleine durch den Wechsel zur P.-Universität in M. mit einem direkt
anschließenden Arbeitsverhältnis verlor er diesen Kündigungsschutz nicht, da auch
das neue Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land abgeschlossen wurde (vgl.
auch BAG v. 19.06.2007, AP Nr. 23 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit, zu II 2 c und d
der Gründe).
4. Der Kläger erfüllt auch die Voraussetzungen einer gleichen oder vergleichbaren
Tätigkeit in beiden Arbeitsverhältnissen. Der Kläger war sowohl in G. wie in M. als
Diplompsychologe und als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich von Forschung
und Lehre eingestellt. Er blieb auch in M. innerhalb seines schon in G. ausgeübten
Berufsbildes tätig.
5. Der sachliche Zusammenhang zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen ist
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5. Der sachliche Zusammenhang zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen ist
auch nicht deshalb entfallen, weil der Kläger in G. nur mit der Hälfte der
wöchentlichen Arbeitszeit, in M. aber mit voller Wochenarbeitszeit gearbeitet hat.
Schon § 4 TzBfG steht der Wertung entgegen, eine solche unterschiedliche
Arbeitszeit als entscheidenden Gesichtspunkt für eine Abgrenzung anzusehen (vgl.
auch BAG v. 19.06.2007, AP Nr. 23 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit, zu II 2 e der
Gründe).
Im Ergebnis muss somit festgehalten werden, dass auf das Arbeitsverhältnis des
Klägers bei der P.-Universität in M. zum Zeitpunkt der Kündigung das
Kündigungsschutzgesetz Anwendung fand.
II.
Ausreichende Kündigungsgründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat
die Beklagtenseite nach § 1 Abs. 2 KSchG nicht vorgetragen. Dies ergibt sich
schon daraus, dass die Beklagtenseite davon ausging, dass das
Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung finde und der
Kläger sich noch in Probezeit befindet.
Im Zuge der Personalratsanhörung hat die Beklagte, wie dann auch später im
Prozess, dargelegt, dass für die Kündigung die Mitteilung des Chefarztes Prof. Dr.
K. vom 25.02.2010 ausschlaggebend war, wonach der Kläger nicht über die
notwendigen Kenntnisse verfüge. Schon der Personalrat hat in seinem
Widerspruch vom 09.03.2010 darauf hingewiesen, dass insoweit keinerlei Versuche
unternommen wurden, um diese vermeintlichen Defizite zu beseitigen, weder
Hilfestellungen, noch Hinweise, Gespräche, Weiterbildung oder gezielte
Einarbeitungsmaßnahmen.
Auch eine Abmahnung ist nicht erteilt worden. Die angeführten Gründe können
deshalb nicht ausreichen, um eine Kündigung zu rechtfertigen.
III.
Nur vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagtenseite irrtümlicherweise
von der Möglichkeit einer Probezeitvereinbarung im neuen Arbeitsverhältnis
ausgegangen ist. Eine Probezeitvereinbarung dient nach ständiger
Rechtsprechung dazu, sowohl dem Arbeitgeber wie dem Arbeitnehmer die
Möglichkeit zu geben, den Vertragspartner, seine Leistungsfähigkeit, Eigenarten,
Sozialkompetenz und die Möglichkeit einer dauerhaften Zusammenarbeit zu
prüfen.
Anlass für eine Probezeit besteht jedoch dann nicht, wenn sich die Parteien in
ihrem Arbeits- und Sozialverhalten schon kennen. Dies gilt insbesondere in den
Fällen eines Vorarbeitsverhältnisses oder bei mehreren hintereinander
geschalteten befristeten Arbeitsverhältnissen. Treten keine neuen oder
besonderen Umstände hinzu, ist keine neue, völlig andersartige Tätigkeit
gefordert, so ist eine Probezeitvereinbarung in dem neuen Arbeitsverhältnis
sachwidrig, rechtsmissbräuchlich und daher rechtsunwirksam.
Die arbeitsvertragliche Vereinbarung der Parteien über die Geltung einer Probezeit
ist deshalb rechtlich nicht haltbar.
IV.
Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass auch die
Personalratsanhörung nicht den gesetzlichen Voraussetzungen entsprach.
Die Beklagtenseite ging von der Geltung des § 78 Abs. 2 HPVG aus, wonach bei
Kündigungen während der Probezeit der Personalrat nur anzuhören ist, nicht aber
weiter mitwirkt. Da – wie bereits ausgeführt – die von den Parteien in § 3 Abs. 1 des
Arbeitsvertrags vom 26.01.2010 getroffene Probezeitvereinbarung
rechtsmissbräuchlich und unwirksam ist, war der Personalrat vor Ausspruch der
Kündigung nach § 77 Abs. 1 Ziff. 2 i HPVG im Rahmen einer Mitbestimmung zu
beteiligen. Dies ist nicht geschehen. Damit ist die Kündigung mangels
ausreichender Mitwirkung des Personalrats rechtsunwirksam.
Die Anhörung des Personalrats ist nach dem Dafürhalten des Gerichts jedoch auch
deshalb rechtsunwirksam, weil der Personalrat in seinem Widerspruchschreiben
vom 09.03.2010 weiteren Aufklärungsbedarf sah und zur Klärung des Sachverhalts
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vom 09.03.2010 weiteren Aufklärungsbedarf sah und zur Klärung des Sachverhalts
mit beiden Parteien Rücksprache nehmen wollte. Nach der Darlegung des
Personalrats ist ihm dies vom Personaldezernenten auch zugesichert worden.
Gleichwohl wurde die Kündigung ausgesprochen, ohne dem Personalrat die
Möglichkeit zu geben, den Kündigungssachverhalt ausreichend zu eruieren.
Der Klage war somit aus verschiedenen Gründen stattzugeben.
C.
Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da es unterlegen
ist, § 91 ZPO.
Die gem. § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil vorzunehmende Festsetzung des
Gegenstandswerts beruht auf § 42 Abs. 3 GKG und ist an der Höhe von 3
Monatsgehältern orientiert.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.