Urteil des ArbG Mannheim vom 22.06.2006

ArbG Mannheim (kläger, kündigung, geschäftsführer, ordentliche kündigung, arbeitsverhältnis, dienstverhältnis, fristlose kündigung, gegen die guten sitten, unwirksamkeit der kündigung, treu und glauben)

ArbG Mannheim Urteil vom 22.6.2006, 13 Ca 86/06
Ruhendes Arbeitsverhältnis bei Bestellung zum GmbH Geschäftsführer im Anwendungsbereich des §
623 BGB
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten Ziff. 2 ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis
besteht.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten haben der Kläger und die Beklagte Ziff. 2 jeweils zur Hälfte zu tragen. Die
außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziff. 1 und Ziff. 3 hat der Kläger zu tragen. Von den außergerichtlichen
Kosten des Klägers trägt die Beklagte Ziff. 2 die Hälfte. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziff. 2
trägt der Kläger die Hälfte. Im Übrigen tragen der Kläger und die Beklagte Ziff. 2 ihre außergerichtlichen Kosten
selbst.
4. Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 33.256,52.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von drei Kündigungen und darüber, ob zwischen dem Kläger und der
Beklagten zu Ziff. 2 ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht.
2
Der am ... geborene Kläger war seit dem 01.08.2002 zunächst als Assistent der Geschäftsführung bei der
Beklagten Ziff. 2 tätig. Grundlage seiner Beschäftigung war der Anstellungsvertrag vom 17.07.2002 (K2, Blatt
11 d. A.).
3
§ 3 dieses Arbeitsvertrags sieht ein Jahresgehalt von brutto EUR 38.000,00 vor. Unter § 2 ist geregelt, dass
eine Kündigung nach Ablauf der Probezeit nur unter Einhaltung einer Frist von 6 Wochen zum Quartalsende
zulässig ist. Des weiteren enthält § 1 die Formulierung, dass die Zuweisung einer anderen vergleichbaren
Tätigkeit oder einer zusätzlichen Tätigkeit auch bei einer Schwester- bzw. Tochtergesellschaft der Beklagten
Ziff. 2 vorbehalten bleibt, wenn es die betrieblichen Verhältnisse erfordern.
4
Im August 2004 wurde der Kläger zunächst zum Bereichsleiter Vertrieb der Beklagten Ziff. 2 befördert.
Ebenfalls im August 2004 wurde ihm für die Beklagte Ziff. 2, aber auch für die Beklagte Ziff. 1 Prokura erteilt.
Die Beklagte Ziff. 1 ist die Besitzgesellschaft des ....., deren Anteile zu diesem Zeitpunkt wie bei der
Beklagten Ziff. 2 ebenfalls zu 51 % von der ..... und zu 49 % vom ...... gehalten wurden.
5
Am 22.02.2005 wurde der Kläger zum Geschäftsführer der Beklagten Ziff. 3 bestellt. Bei dieser handelt es sich
um eine 100%ige Tochtergesellschaft der Beklagten Ziff. 2.
6
Am 10.05.2005 wurde der Kläger schließlich auch zum Geschäftsführer der Beklagten Ziff. 2 bestellt.
7
Mit Ausnahme des ursprünglichen Anstellungsvertrags schlossen die Parteien zu keinem Zeitpunkt weitere
schriftliche Verträge, insbesondere auch nicht hinsichtlich der Geschäftsführertätigkeit für die Beklagte Ziff. 2,
obwohl diesbezüglich über die Bedingungen eines Anstellungsvertrags verhandelt worden war und der Kläger
als Geschäftsführer statt der bisherigen Vergütung eine Fixvergütung von 85.000,00 im Jahr zuzüglich weiterer
Nebenleistungen erhielt und somit nunmehr eine Bruttovergütung von etwa EUR 7.918,84 erzielte. Dieses
Entgelt bezog der Kläger auch hinsichtlich seiner weiter ausgeführten Tätigkeiten bei der Bekl. Ziff. 1 und der
Bekl. Ziff. 3 ausschließlich von der Beklagten Ziff. 2. Die Beklagten zu 1, 2 und 3 beschäftigen in ihrem
Gemeinschaftsbetrieb am Standort ...... regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer.
8
Aufgrund von Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten bei der ... veranlaßte ... als Vertreter der .... (Gesellschafterin)
eine Sonderprüfung und führte diverse Mitarbeitergespräche. Nachdem im Januar 2006 Teilergebnisse
vorlagen, kam es zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen dem Kläger und dem .... hinsichtlich der
Beurlaubung eines von Vorwürfen betroffenen Bereichsleiters. Am 30.01.2006 kurz nach 8.00 Uhr vormittags
übergab der ... sodann im .... einen Ordner an den Kläger mit der Bemerkung, diese Unterlagen seien nur für
den Kläger zu treuen Händen bestimmt und er solle sie anlässlich eines Gesprächs mit dem Bereichsleiter,
welches am gleichen Tag um 13.30 Uhr stattfinden werde, zurückgeben. Als der Kläger den Ordner sodann
gegen 13.30 Uhr zurückbrachte, teilte er mit, dass er den Inhalt kopiert und persönlich der Staatsanwaltschaft
übergeben habe.
9
Am 01. und 07.02.2006 fanden außerordentliche Gesellschafterversammlungen statt. In der
Gesellschafterversammlung vom 07.02.2006 beschlossen die Gesellschafter der Beklagten Ziff. 1 den
Geschäftsführer anzuweisen, die dem Kläger erteilte Prokura mit sofortiger Wirkung zu widerrufen sowie den
Geschäftsführer anzuweisen, das Dienstverhältnis des Klägers ordentlich zu kündigen. Am selben Tag
beschlossen auch die Gesellschafter der Beklagten Ziff. 2 den Kläger als Geschäftsführer abzuberufen, an
seiner Stelle Herrn ... zum Geschäftsführer zu bestellen und den Geschäftsführer anzuweisen, das
Dienstverhältnis gegenüber dem Kläger ordentlich zu kündigen. Auch die Gesellschafterin der Beklagten Ziff. 3
beschloss an diesem Tag den Kläger als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung abzuberufen und den
Geschäftsführer anzuweisen sein Dienstverhältnis ordentlich zu kündigen.
10 Noch am selben Tag, dem 07.02.2006 erhielt der Kläger drei Kündigungen: Zum einen durch die Beklagte Ziff.
1 eine "Kündigung des Dienstverhältnisses" zum 31.03.2006, zum zweiten eine "Kündigung des
Dienstverhältnisses" durch die Beklagte Ziff. 2 zum 31.03.2006 und zum dritten eine "Kündigung des
Dienstverhältnisses" durch die Beklagte Ziff. 3 zum 31.03.2006.
11 In der Kündigung der Bekl. Ziff. 2 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er auf der Gesellschafterversammlung
einstimmig mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abberufen worden sei. Den Kündigungen waren jeweils
Kopien der Niederschriften über die jeweilige Gesellschafterversammlung beigefügt. Alle drei Kündigungen sind
unterzeichnet durch ... als Vertreter der ..., den ... sowie durch den neuen Geschäftsführer der ... .
12 Der Kläger wehrt sich mit seiner Klage gegen die ausgesprochenen Kündigungen und begehrt insbesondere die
Feststellung, dass noch immer ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis mit der Beklagten Ziff. 2 besteht:
13 Der Kläger vertritt die Auffassung, dass zwischen ihm und der Beklagten Ziff. 1 ein Arbeitsverhältnis zustande
gekommen sei, da er für diese als Prokurist tätig geworden sei. Insbesondere habe er für die Bekl. Ziff. 1 nicht
lediglich im Rahmen seiner Tätigkeit für die Bekl. Ziff. 2 gearbeitet. Der konkludent bzw. aufgrund von
mündlichen Vereinbarungen zustande gekommene Dienstvertrag mit der Beklagten Ziff. 2 habe eine
entsprechende Tätigkeitsverpflichtung für andere Gesellschaften der Unternehmensgruppe nicht vorgesehen
und des weiteren habe die Bekl. Ziff. 1 schließlich ausdrücklich das "bestehende Dienstverhältnis" gekündigt,
was nicht nötig gewesen wäre, wenn gar kein Arbeitsverhältnis bestanden hätte. Somit seien die Parteien
übereinstimmend vom Bestehen eines eigenständigen Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1 ausgegangen.
14 Auch mit der Bekl. Ziff. 3 sei ein gesondertes Anstellungsverhältnis zustande gekommen: Denn die
Geschäftsführertätigkeit für die Bekl. Ziff. 3 habe der Kläger schon deshalb nicht auf Grundlage seines
Geschäftsführeranstellungsverhältnisses mit der Bekl. Ziff. 2 erbringen können, weil dieses
Anstellungsverhältnis zu Beginn seiner Geschäftsführertätigkeit für die Bekl. Ziff. 3 noch gar nicht bestanden
habe. Eine Ableistung der Geschäftsführertätigkeit für die Bekl. Ziff. 3 auf Grundlage des ursprünglichen
Arbeitsvertrags mit der Bekl. Ziff. 2 scheide deshalb aus, weil die jeweiligen Aufgabengebiete nicht
deckungsgleich seien. Des weiteren seien die Parteien auch hier übereinstimmend vom Bestehen eines
gesonderten Anstellungsverhältnisses ausgegangen, was durch die erklärte Kündigung deutlich werde.
15 Hinsichtlich der Bekl. Ziff. 2 vertritt der Kläger die Auffassung, dass nach wie vor ein ungekündigtes
Arbeitsverhältnis bestehe, weil der ursprüngliche Arbeitsvertrag vom 17.07.2002 zu keinem Zeitpunkt beendet
worden sei: Weder sei eine Kündigung ausgesprochen, noch eine formwirksame schriftliche
Aufhebungsvereinbarung geschlossen worden, insbesondere auch nicht im Zusammenhang mit der Bestellung
des Klägers zum Geschäftsführer der Bekl. Ziff. 2. Deshalb habe das Arbeitsverhältnis während der Bestellung
des Klägers zum Geschäftsführer der Bekl. Ziff. 2 lediglich geruht.
16 Das ruhende Arbeitsverhältnis sei auch am 07.02.2006 nicht gekündigt worden: Denn die Kündigung habe sich
ausdrücklich nur auf das Dienstverhältnis bezogen, womit ausweislich des der Kündigung beigefügten
Gesellschafterbeschlusses das Dienstverhältnis des Klägers als Geschäftsführer gemeint gewesen sei, nicht
jedoch das daneben ruhende Arbeitsverhältnis. Somit bestehe das Arbeitsverhältnis unverändert fort und der
gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Klageantrag werde nur vorsorglich für den Fall
gestellt, dass sich die Kündigung der Bekl. Ziff. 2 vom 07.02.2006 auch auf das Arbeitsverhältnis beziehen
sollte. Auch in diesem Fall sei die Kündigung genau wie auch die Kündigung der Bekl. Ziff. 1 deshalb
unwirksam, weil sie weder durch betriebs- noch durch verhaltensbedingte Gründe sozial gerechtfertigt sei.
17 Auf verhaltensbedingte Kündigungsgründe könne sich die Bekl. Ziff. 2 ohnehin nicht mehr berufen, nachdem in
der Güteverhandlung ausdrücklich gesagt worden sei, dass der Grund für die Kündigung des
Arbeitsverhältnisses lediglich darin liege, dass es die bisherige Position des Klägers als Assistent der
Geschäftsleitung (bzw. als Vertriebsleiter) nun nicht mehr gebe. In dieser zu Protokoll gegebenen Erklärung
vom 23.03.2006 sei ein Verzicht auf die Geltendmachung verhaltensbedingter Kündigungsgründe zu sehen.
18 Des weiteren seien die Vorwürfe aber auch nicht geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen,
denn es verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip, wenn zivilrechtliche Nachteile wie eine Kündigung daran
geknüpft würden, dass der Kläger seine staatsbürgerlichen Rechte bzw. Pflichten wahrgenommen habe: Der
Kläger habe aus eigenem Antrieb der Staatsanwaltschaft den Sachverhalt und die bestehenden
Verdachtsmomente für Straftaten des Bereichsleiters zur Kenntnis bringen dürfen, ohne dass die Beklagten
hieran zivilrechtliche Nachteile oder gar eine Kündigung knüpfen dürften. Bereits aufgrund seiner Stellung im
Unternehmen und aufgrund seiner gesetzlichen Aufgaben sei ein GmbH-Geschäftsführer verpflichtet, an der
Aufklärung möglicher Straftaten im Unternehmen mitzuwirken. Des weiteren habe der Kläger vor der Erstattung
der Strafanzeige eine interne Klärung versucht und die Sache über Monate hinweg immer wieder mit ...
besprochen, bis eine interne Klärung nicht mehr zu erwarten gewesen sei. Ihm sei bereits im Vorfeld deutlich
zu erkennen gegeben worden, dass er mit einer Kündigung rechnen müsse, wenn er entgegen den Wünschen
des ... den maßgeblichen Sachverhalt der Staatsanwaltschaft kenntlich mache. Er sei ausdrücklich
aufgefordert worden, die "Füße ruhig zu halten", wenn er seine Tätigkeit am ... fortsetzen wolle.
19 Noch bevor er schließlich den Weg zur Staatsanwaltschaft beschritten habe, habe er versucht, mit dem
betroffenen Bereichsleiter Einzelfragen zu besprechen. Diese Bitte habe dieser jedoch mit dem Hinweis auf
anderweitige Verpflichtungen abgelehnt. Vor diesem Hintergrund liege nicht nur kein Grund für eine
verhaltensbedingte Kündigung vor sondern sei auch die grundsätzlich ohne einen Grund mögliche Kündigung
seines Geschäftsführerdienstverhältnisses bei der Bekl. Ziff. 2 sowie auch bei der Bekl. Ziff. 3 wegen
Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam. Eine Kündigung wegen der Weitergabe von Unterlagen an
Strafverfolgungsbehörden widerspreche eklatant verfassungsrechtlichen Grundsätzen und sei deshalb gem. §
138 BGB nichtig.
20 Die Unwirksamkeit der Kündigung des Geschäftsführerdienstverhältnisses durch die Beklagte Ziff. 2 sowie
auch durch die Bekl. Ziff. 3 ergebe sich aber auch bereits aus formellen Gründen: Denn
Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung sei ein Gesellschafterbeschluss über die Kündigung. In den
Gesellschafterversammlungen vom 07.02.2006 sei jedoch lediglich über die Abberufung des Klägers als
Geschäftsführer ein Beschluss gefaßt worden sowie des weiteren darüber, den neuen Geschäftsführer
anzuweisen, das Dienstverhältnis zu kündigen. Ein ausdrücklicher Beschluss zur Kündigung selbst sei somit
nicht gefaßt worden.
21 Mit seiner am 24.02.2006 beim Arbeitsgericht Mannheim eingegangenen Klage
beantragt
22
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 bestehende
Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten zu 1 vom 07.02.2006 nicht zum
31.03.2006 aufgelöst wird.
23
2. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2 ein ungekündigtes
Arbeitsverhältnis besteht.
24
3. Vorsorglich: Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2 bestehende
Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten zu 2 vom 07.02.2006 nicht zum
31.03.2006 aufgelöst wird.
25
4. Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2 bestehende
Dienstverhältnis als Geschäftsführer durch die Kündigung der Beklagten zu 2 vom 07.02.2006 nicht zum
31.03.2006 aufgelöst wird.
26
5. Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 3 bestehende
Dienstverhältnis als Geschäftsführer nicht durch die Kündigung der Beklagten zu 3 vom 07.02.2006 zum
31.03.2006 aufgelöst wird.
27 Die Beklagten
beantragen,
28
1. Die Klage wird abgewiesen.
29
2. Hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des
Gerichts gestellt wird, aber 11.000,00 nicht überschreiten sollte, aufzulösen.
30 Der Kläger
beantragt
31
den Auflösungsantrag zurückzuweisen.
32 Die Beklagten vertreten die Auffassung, dass ein Dienstverhältnis allein zwischen der Bekl. Ziff. 2 und dem
Kläger bestanden habe und zwar in Gestalt des ursprünglichen Anstellungsvertrages vom 17.07.2002.
33 Mit den Beklagten Ziff. 1 und Ziff. 3 sei kein Anstellungsvertrag geschlossen worden. Der Kläger sei für diese
ebenfalls zur ... gehörenden Unternehmen vielmehr lediglich auf der Basis seines Vertragsverhältnisses mit der
Beklagten Ziff. 2 tätig geworden, von der er ausschließlich sein Entgelt bezogen habe. Die Kündigungen der
Bekl. Ziff. 1 und Ziff. 3 seien deshalb lediglich vorsorglich ausgesprochen worden, da hier nie ein
Dienstverhältnis bestanden habe.
34 Für die Bekl. Ziff. 2 sei der Kläger ausschließlich aufgrund seines ursprünglichen Anstellungsvertrags vom
17.07.2002 tätig geworden. Zu keinem Zeitpunkt sei ein Geschäftsführerdienstvertrag abgeschlossen worden.
Somit sei die ausgesprochene Kündigung vom 07.02.2006 auf dieses Arbeitsverhältnis bezogen gewesen, da
der in der Kündigung genannte allgemeine Begriff des Dienstverhältnisses auch ein Arbeitsverhältnisses
erfasse und die Kündigung nicht nur durch die Gesellschafter sondern auch durch den für die Kündigung eines
Arbeitsverhältnisses zuständigen, neuen Geschäftsführer unterzeichnet gewesen sei.
35 Der gegen die Wirksamkeit der Kündigung der Geschäftsführer-Dienstverträge gerichtete Einwand, die
Kündigung sei bereits aus formellen Gründen unwirksam, sei das ausdrücklich bestrittene Bestehen separater
Geschäftsführerdienstverträge unterstellt unzutreffend: Denn nachdem die Gesellschafterversammlung zum
einen beschlossen habe, den Kläger als Geschäftsführer abzuberufen und zum anderen ebenfalls beschlossen
habe den Geschäftsführer anzuweisen, das Dienstverhältnis mit dem Kläger zu kündigen, habe sie damit
notwendigerweise auch den Beschluss gefaßt, dem Kläger zu kündigen. In der Abberufung als Geschäftsführer
liege zumindest dann, wenn sie mit der entsprechenden Weisung verbunden werde, eine Kündigung
auszusprechen, auch der Beschluss zur Kündigung selbst. Im übrigen sei ein solcher Beschluss spätestens
dadurch nochmals zustande gekommen, dass die Gesellschafter die Kündigung mit unterschrieben hätten.
36 Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers bei der Beklagten Ziff. 2 sei sowohl durch
verhaltensbedingte als auch durch betriebsbedingte Gründe gerechtfertigt:
37 Zum einen habe der Kläger dem ... trotz dessen Protest mitgeteilt, dass er den Bereichsleiter beurlauben werde
und diesem sodann, obwohl der ... sich weiterhin dagegen aussprach, das Beurlaubungsschreiben übergeben.
Zum anderen habe der Kläger am 30.01.2006 nicht nur den Inhalt des ihm zu treuen Händen übergebenen
Ordners kopiert und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet sondern er habe dort auch Strafanzeige erstattet.
Der Kläger habe die Unterlagen übergeben, obwohl er gewußt habe, dass diese unzutreffende
Sachverhaltsdarstellungen enthielten und obwohl er nicht zuvor die ihm möglichen und naheliegenden eigenen
Überprüfungen durchgeführt hätte, um die Vorwürfe gegen den betroffenen Mitarbeiter zu überprüfen. Er habe
damit sowohl seine Fürsorgepflicht als Vorgesetzter des betroffenen Mitarbeiters verletzt als auch das
Vertrauensverhältnis zu den Gesellschaftern der Unternehmen der ... und zu seinem Mitgeschäftsführer Herrn
... . Des weiteren habe er dem Bild des ..... in der Öffentlichkeit geschadet.
38 Neben diesen verhaltensbedingten Gründen lägen aber auch betriebsbedingte Kündigungsgründe vor. Denn
nachdem bei der Beklagten Ziff. 2 die Entscheidung gefällt worden sei, den Kläger unter Beibehaltung seiner
bisherigen Aufgaben zum Geschäftsführer zu bestellen, gebe es seit Mai 2005 den ursprünglich vom Kläger
besetzten Arbeitsplatz nicht mehr.
39 Der hilfsweise gestellte Auflösungsantrag bedürfe keiner Begründung, da der Kläger leitender Angestellter
gewesen sei. Unabhängig davon sei jedoch eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar: Dies
zum einen aufgrund der verhaltensbedingten Kündigungsgründe, zum anderen aber auch deshalb, weil der
Kläger nach Ausspruch der Kündigung alle Daten von der Festplatte eines ihm geschäftlich zur Verfügung
gestellten Laptops gelöscht habe, dringend benötigte Unterlagen nicht in die Buchhaltung gegeben und
vertrauliche Informationen an die Presse weitergeleitet habe. Die Abfindung sei höchstens entsprechend der
Faustformel mit zwei Bruttomonatsgehältern festzusetzen.
40 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Prozessvortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze nebst
Anlagen sowie auf die Protokolle vom 23.03.2006 und vom 22.06.2006 Bezug genommen.
41 Die erstmals im Kammertermin vom 22.06.2006 vom Kläger gestellten Weiterbeschäftigungsanträge hat die
Kammer durch Beschluss vom 22.06.2006 vom vorliegenden Verfahren zur gesonderten Verhandlung und
Entscheidung abgetrennt.
Entscheidungsgründe
A.
42 Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist eröffnet.
43 Die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts bezüglich der Beklagten Ziff. 1 ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 b ArbGG.
Von der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob der Kläger überhaupt Arbeitnehmer der Beklagten Ziff. 1
gewesen ist, ist die Eröffnung des Rechtswegs nicht abhängig: Kann die vor dem Arbeitsgericht in einer
bürgerlich rechtlichen Streitigkeit erhobene Klage nur dann Erfolg haben, wenn der Kläger Arbeitnehmer ist
(sogenannter "sic-non-Fall"), genügt zur Bejahung des Rechtswegs die Äußerung der Rechtsansicht des
Klägers Arbeitnehmer zu sein. So verhält es sich auch im vorliegenden Fall, da der Kläger mit seinem
Kündigungsschutzantrag nur dann Erfolg haben kann, wenn überhaupt ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten
Ziff. 1 besteht. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ist nicht einschlägig, da der Kläger unstreitig zu keinem Zeitpunkt
Geschäftsführer der Beklagten Ziff. 1 ist oder war.
44 Auch hinsichtlich der Beklagen Ziff. 2 ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet: Etwas
anderes ergibt sich auch nicht aus § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG.
45 Zwar gelten nach dieser Norm Mitglieder des Vertretungsorgans nicht als Arbeitnehmer, wobei die Fiktion der
Vorschrift für das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis unabhängig davon gilt, ob dieses sich
materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis darstellt. Zur Entscheidung von
Rechtsstreitigkeiten aus solchen Rechtsbeziehungen sind gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, § 13 GVG deshalb
grundsätzlich die ordentlichen Gerichte berufen (vgl. BAG 13.05.1996, 5 AZB 27/95, AP Nr. 27 zu § 5 ArbGG
1979; BAG 06.05.1999 5 AZB 22/98, AP Nr. 46 zu § 5 ArbGG 1979). Anders ist die Rechtslage jedoch dann,
wenn die Streitigkeit zwischen dem Mitglied des Vertretungsorgans und der juristischen Person nicht das der
Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis betrifft, sondern eine weitere Rechtsbeziehung: Dies ist zum
Beispiel dann der Fall, wenn der Organvertreter wie im vorliegenden Fall Rechte aus einem schon vor
Abschluss des Geschäftsführer-Dienstvertrags begründeten und angeblich weiterbestehenden Arbeitsverhältnis
herleitet. In einem solchen Fall greift die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG für das weitere Rechtsverhältnis
nicht (vgl. BAG 06.05.1999, 5 AZB 22/98, AP Nr. 46 zu § 5 ArbGG 1979).
46 Soweit der Kläger sich daneben auch gegen die Kündigung seines Geschäftsführer-Dienstverhältnisses durch
die Beklagte Ziff. 2 wehrt, ist das Arbeitsgericht gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG auch für diesen Antrag zuständig,
da der Anspruch mit der gleichzeitig anhängig gemachten Streitigkeit bezüglich seines Arbeitsverhältnisses
sowohl in rechtlichem als auch in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang steht und für seine
Geltendmachung nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist.
47 Auch hinsichtlich des gegen die Beklagte Ziff. 3 gerichteten Klageantrags ergibt sich der Rechtsweg zu den
Gerichten für Arbeitssachen aufgrund des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs (insbesondere
einheitliche Vergütung) aus § 2 Abs. 3 ArbGG.
B.
48 Die zulässige Klage ist aber nur teilweise begründet.
49 Zwar besteht das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten Ziff. 2 ungekündigt fort, hinsichtlich der
Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrags sowie bezüglich der gegen die Bekl. Ziff. 1 und Ziff. 3
gerichteten Anträge war die Klage im übrigen jedoch abzuweisen:
50 1. Die gegen die Beklagte Ziff. 1 sowie gegen die Beklagte Ziff. 3 gerichteten Anträge sind unbegründet, da
nach Auffassung des Gerichts mit keiner dieser beiden Gesellschaften überhaupt ein
Dienstvertrag/Arbeitsvertrag zustande gekommen ist, der einer Kündigung bedurft hätte:
51 Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss ein Anstellungsvertrag nicht zwingend mit der
juristischen Person abgeschlossen werden, zu deren Vertreter ein Dienstnehmer bestellt werden soll: Wird etwa
ein bei einer Konzernobergesellschaft beschäftigter Arbeitnehmer zum Geschäftsführer einer anderen
konzernabhängigen Gesellschaft bestellt, so kann der mit der Konzernobergesellschaft geschlossene
Arbeitsvertrag nach wie vor die Rechtsgrundlage auch für eine Geschäftsführerbestellung bei dieser
Tochtergesellschaft sein (vgl. BAG 08.07.2000, 2 AZR 207/99, AP Nr. 49 zu § 5 ArbGG 1979; BAG
25.06.1997, 5 AZB 41/96, AP Nr. 36 zu § 5 ArbGG 1979).
52 Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Beklagten Ziff. 1 um eine Schwestergesellschaft und bei der
Beklagten Ziff. 3 um eine 100%ige Tochtergesellschaft der Beklagen Ziff. 2. Der mit dem Kläger ursprünglich
geschlossene Arbeitsvertrag sieht unter § 1 ausdrücklich eine Zuweisung einer zusätzlichen Tätigkeit auch bei
einer Schwester- bzw. Tochtergesellschaft der ... vor (vgl. Anstellungsvertrag vom 17.07.2002, K2 ABl. 11).
53 Hinzu kommt im vorliegenden Fall, der Umstand, dass der Kläger seine Vergütung für sämtliche Tätigkeiten bei
den Beklagten Ziff. 1, 2 und 3 ausschließlich von der Beklagten Ziff. 2 bezog. Die Kammer ist deshalb zu der
Überzeugung gelangt, dass der Kläger seine Tätigkeiten als Prokurist bzw. Geschäftsführer bei den Beklagten
Ziff. 1 und 3 ausschließlich im Rahmen seines Anstellungsverhältnisses bei der Beklagten Ziff. 2 erbrachte,
von der er hierfür eine einheitliche Vergütung bezog.
54 2. Das ursprünglich mit der Beklagten Ziff. 2 geschlossene Arbeitsverhältnis besteht ungekündigt fort.
55 Es liegt weder eine formwirksame schriftliche Aufhebungsvereinbarung gemäß § 623 BGB vor, noch wurde
nach Auffassung der Kammer eine Kündigung dieses ursprünglichen Arbeitsvertrags ausgesprochen:
56 a) Der ursprüngliche Arbeitsvertrag vom 17.07.2002 wurde zunächst nicht im Rahmen der Bestellung des
Klägers zum Geschäftsführer wirksam aufgehoben: Zwar gilt der Grundsatz, dass ein Arbeitsverhältnis im
Zweifel nicht aufgehoben wird, sondern nur ruhen soll, wenn ein Arbeitnehmer zu einem Organ im Sinne des §
5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG bestellt wird, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts prinzipiell dann
nicht, wenn der durch die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses eintretende Verlust des Kündigungsschutzes
durch eine wesentlich höhere Vergütung aufgewogen wird (vgl. BAG 09.05.1985, 2 AZR 330/84, BAGE 49, 81).
Somit ist in einem solchen Fall im Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrages im Zweifel die
konkludente Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses zu sehen, da dann eine Vermutung dafür spricht,
dass das Arbeitsverhältnis doch nicht ruhend fortbestehen soll (BAG, 24.11.2005, 2 AZR 614/04, NZA 2006,
367). Etwas anderes gilt jedoch im Anwendungsbereich des zum 01.05.2000 in Kraft getretenen § 623 BGB,
durch den für Aufhebungsvereinbarungen die Schriftform eingeführt wurde: Im Geltungsbereich dieser Norm
kann an der bisherigen Rechtsprechung zur konkludenten Aufhebung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr
festgehalten werden, da die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses nunmehr nach dem Willen des
Gesetzgebers dem Schriftformzwang unterliegt (vgl. Preis in Erf. Kom., 6. Auflage 2006, § 611 BGB, Rdnr.
163).
57 Die Beseitigung eines Arbeitsvertrags kann ausschließlich entweder durch eine unterzeichnete
Aufhebungsvereinbarung oder durch eine entsprechende Klausel in einem schriftlich abgefassten und
unterzeichneten Geschäftsführer-Anstellungsvertrages erfolgen. Zumindest müssen die Voraussetzungen der
sogenannten Andeutungstheorie in schriftlicher Form gewahrt sein. Eine nicht schriftliche, anderweitige
konkludente Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses ist nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht
mehr möglich, § 623 i. V. m. § 125 BGB (vgl. Pfeiffer in HaKo Kündigungsschutzgesetz, 2. Auflage 2004, § 14
Rdnr. 16).
58 Im vorliegenden Fall haben die Parteien es versäumt, die zum Zeitpunkt der Bestellung des Klägers zum
Geschäftsführer gemäß § 623 BGB bereits erforderliche Schriftform für die Aufhebung des bisherigen
Arbeitsvertrags zu wahren. Das ursprüngliche Arbeitsverhältnis bestand somit ruhend fort, während der Kläger
als Geschäftsführer tätig wurde.
59 b) Die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten Ziff. 2 erfolgte nach Auffassung des Gerichts
auch nicht im Rahmen des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses, sondern auf der Grundlage eines separaten
Geschäftsführerdienstvertrages, für dessen Abschluss kein zwingendes Formerfordernis besteht:
60 Der mit der Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer zumindest konkludent vereinbarte Anstellungsvertrag
(Geschäftsführer-Dienstvertrag) stellt keine bloße Änderung des bisherigen Arbeitsvertrages dar, sondern die
Begründung eines neuen Rechtsverhältnisses. Dies nicht nur im Hinblick auf die damit verbundene
Statusänderung vom bisherigen Arbeitnehmer zum nunmehrigen gesetzlichen Vertreter des Arbeitgebers (vgl.
Pfeiffer in HaKo, Kündigungsschutzgesetz 2. Auflage 2004, § 14 Rdnr. 16), sondern insbesondere auch
deshalb, weil die Parteien sich unstreitig über die wesentlichen Grundlagen des neuen Dienstvertrags
(essentialia negotii), wie insbesondere die deutlich erhöhte neue Vergütungsregelung, geeinigt haben. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers
kein Arbeitsverhältnis, sondern notwendig ein freies Dienstverhältnis, was sich bereits aus der im Kern
weisungsfreien Repräsentantenstellung ergebe (vgl. BGH, 10.01.2000, NZA 2000, 376; Preis in Erf. Kom., 6.
Auflage 2006, BGB § 611, Rdnr. 162; LAG Düsseldorf, 18.04.2001, 12 Sa 1761/00, LAGE § 611 BGB
Arbeitnehmerbegriff Nr. 43). Demgegenüber vertritt das Bundesarbeitsgericht die Auffassung, dass das
Anstellungsverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers im Einzelfall zwar auch ein Arbeitsverhältnis sein kann
(vgl. hierzu BAG, 26.05.1999, 5 AZR 664/98, AP Nr. 10 zu § 35 GmbHG), dass der Geschäftsführer einer
GmbH für diese allerdings in aller Regel auf der Grundlage eines Dienstvertrags tätig werde.
61 Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Gesellschaft jedenfalls ein unternehmerisches Weisungsrecht
gegenüber dem Geschäftsführer zustehe, könne eine Weisungsgebundenheit, die so stark sei, dass sie
darüber hinaus auf den Status des betroffenen Geschäftsführers als Arbeitnehmer schließen lasse, allenfalls in
extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen (vgl. BAG 24.11.2005 2 AZR 614/04, NZA 2006, 367).
62 Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte für einen derartigen Ausnahmefall ersichtlich. Eine zur
Begründung eines Arbeitnehmer-Status führende persönliche Abhängigkeit des Klägers, die über seine
gesellschaftsrechtliche Weisungsbindung hinaus ginge, liegt nach dem Vortrag der Parteien nicht vor.
63 c) Das neben dem Geschäftsführer-Dienstverhältnis ruhend fortbestehende ursprüngliche Arbeitsverhältnis des
Klägers bei der Beklagten Ziff. 2 wurde entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht durch die Kündigung
vom 07.02.2006 beendet:
64 In der streitgegenständlichen Kündigung "des Dienstverhältnisses" wird ausdrücklich Bezug auf die Abberufung
des Klägers als Geschäftsführer genommen. Des Weiteren ist der Gesellschafterbeschluss in Kopie beigefügt .
Nach Auslegung des Kündigungsschreibens nebst Anlage kam die Kammer deshalb zu dem Ergebnis, dass
sich die Kündigung aus der Sicht eines objektiven Empfängers nicht auf das Arbeitsverhältnis, sondern auf das
Geschäftsführer-Dienstverhältnis bezog:
65 Zwar stellt auch ein Arbeitsverhältnis grundsätzlich ein Dienstverhältnis dar, weshalb allein die Wortwahl
"Dienstverhältnis" nicht ausschließt, dass damit auch ein Arbeitsverhältnis gemeint sein kann. Im vorliegenden
Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass zwischen der Beklagten Ziff. 2 und dem Kläger gerade zwei
Dienstverhältnisse (ein Geschäftsführer-Dienstverhältnis und ein Arbeitsverhältnis) bestanden und die Beklagte
Ziff. 2 nur eine Kündigung erklärte. Die Kammer hatte daher auszulegen, worauf sich diese Kündigung
beziehen sollte und kam aufgrund der oben dargestellten Umstände (Formulierung und Anlage) zu dem
Ergebnis, dass der Kläger als Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der
Verkehrssitte hier von einer Kündigung des Geschäftsführer-Dienstverhältnisses ausgehen musste. Das
während der Bestellung zum Geschäftsführer ruhende Arbeitsverhältnis des Klägers besteht somit in
Ermangelung einer zweiten hierauf bezogenen Kündigung ungekündigt fort.
66 3. Der ausdrücklich nur vorsorglich gestellte gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten
Ziff. 2 gerichtete Kündigungsschutzantrag des Klägers ist somit mangels Eintritt der zulässigen
innerprozessualen Bedingung nicht zur Entscheidung angefallen.
67 4. Das Dienstverhältnis des Klägers als Geschäftsführer bei der Beklagten Ziff. 2 wurde durch die Kündigung
vom 07.02.2006 beendet:
68 a) Die Kündigung des Geschäftsführer-Dienstvertrags ist entgegen der Auffassung des Klägers zunächst nicht
aus formellen Gründen unwirksam. Denn nach Auffassung der Kammer hat die Gesellschafterversammlung,
indem sie den Beschluss fasste, den Kläger als Geschäftsführer abzuberufen und gleichzeitig den neuen
Geschäftsführer anzuweisen, das Dienstverhältnis des Klägers zu kündigen, damit inzident auch die
Kündigung selbst beschlossen.
69 b) Die Kündigung des Geschäftsführer-Dienstverhältnisses des Klägers ist auch materiell rechtlich wirksam: Im
Gegensatz zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, welches im Anwendungsbereich des
Kündigungsschutzgesetzes eines Grundes im Sinne des § 1 KSchG bedarf, ist die ordentliche Kündigung
eines Geschäftsführer-Dienstverhältnisses ohne Grund zulässig. Die ordentliche Kündigung ist auch nicht
gemäß § 138 BGB als sittenwidriges Rechtsgeschäft nichtig, da sie nach Auffassung der Kammer im
vorliegenden Fall nicht gegen "das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" verstößt (vgl. Palandt
BGB, 62. Auflage 2003, § 138 Rdnr. 2):
70 Die vom Kläger angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beschäftigt sich mit der Problematik,
ob eine Aussage bzw. die Übergabe von Unterlagen an die Staatsanwaltschaft einen Grund für eine fristlose
Kündigung eines Arbeitsverhältnisses darstellen kann. Das Verfassungsgericht führt hier aus, dass die
Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte im Strafverfahren soweit nicht wissentlich unwahre oder leichtfertig
falsche Angaben gemacht werden im Regelfall aus rechtsstaatlichen Gründen nicht dazu führen kann, hieraus
einen Grund für eine fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses abzuleiten (vgl. Bundesverfassungsgericht
02.07.2001, 1 Bvr 2049/00, DB 2001, 1622).
71 Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um die Frage, ob ein (fristloser) Kündigungsgrund für die Beendigung
eines Arbeitsverhältnisses vorliegt, sondern darum, ob der Beklagten Ziff. 2 die ohne Grund zulässige
ordentliche Kündigung eines Geschäftsführer-Dienstverhältnisses ausnahmsweise verwehrt sein soll. Dies ist
nach Auffassung der Kammer nicht der Fall: Nicht zuletzt in Anbetracht des zeitlichen Ablaufs stellt sich
vielmehr die Frage, ob der Kläger vor der unmittelbaren Weitergabe der ihm "zu treuen Händen" übergebenen
Unterlagen an die Staatsanwaltschaft nicht noch das für wenige Stunden später angesetzte Gespräch mit dem
betroffenen Mitarbeiter hätte abwarten können und ob es des Weiteren aufgrund seiner Treuepflicht gegenüber
der Gesellschaft geboten gewesen wäre, die Gesellschafter vorab von seinem Vorhaben zu informieren und
ihnen Gelegenheit zu geben, gegebenenfalls selbst in dieser Richtung aktiv zu werden.
72 Aufgrund dieses zeitlichen Ablaufs und der unstreitig bestehenden weiteren Meinungsverschiedenheiten mit ...
bezüglich der Beurlaubung des betroffenen Bereichsleiters war das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger
und den Gesellschaftern insbesondere ...als Vertreter der Hauptgesellschafterin aus Sicht der Kammer so
gestört, dass die ohne Grund zulässige Kündigung des Geschäftsführer-Dienstvertrages zumindest nicht als
sittenwidrig erscheint. Ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen dem GmbH-Geschäftsführer und den
Vertretern der Gesellschafter ist vielmehr der klassische Grund für eine grundlos mögliche Kündigung eines
Geschäftsführerdienstvertrages.
73 5. Der Auflösungsantrag der Beklagten Ziff. 2 ist nicht zur Entscheidung angefallen, da dieser als sogenannter
echter Hilfsantrag nur für den Fall gestellt ist, dass dem Kündigungsschutzantrag des Klägers entsprochen wird
(vgl. Fiebig in HaKo KSchG 2. Auflage, § 9 Rdnr. 86). Diese war hier jedoch nicht der Fall: Denn wie bereits
ausgeführt, liegt gerade keine sozialwidrige Kündigung eines Arbeitsverhältnisses vor.
74 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ 91, 92, 100 ZPO.
75 7. Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Streitwert setzt sich zusammen aus einem
durchschnittlichen Vierteljahresgehalt des Klägers im Rahmen seines Geschäftsführer-Dienstvertrages (EUR
23.756,52) zuzüglich eines weiteren durchschnittlichen Vierteljahresgehalts im Rahmen seines
Arbeitsverhältnisses (EUR 9.500,00), § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG. Eine Addition erschien im vorliegenden Fall
geboten, nachdem verschiedene Rechtsverhältnisse betroffen sind. Hinsichtlich der vom Kläger behaupteten
weiteren Vertragsverhältnisse bei der Beklagten Ziff. 1 und Ziff. 3 liegt jedoch nachdem hier unstreitig von der
Beklagten Ziff. 2 eine einheitliche Vergütung gezahlt wurde wirtschaftliche Identität mit der
Geschäftsführervergütung vor, § 3 ZPO.