Urteil des ArbG Mannheim vom 17.03.2015

finanzielle beteiligung, gesellschafter, treu und glauben, allgemeine geschäftsbedingungen

ArbG Mannheim Urteil vom 17.3.2015, 8 Ca 233/14
Mitarbeiterbeteiligung - Beteiligung am Veräußerungserlös für virtuellen
Geschäftsanteil
Leitsätze
Virtuelle Anteile oder Aktienoptionen beteiligen zum Zwecke der Liquiditätssicherung
nicht am laufenden Gewinn des Unternehmens, sondern entfalten ihre Partizipation
am Unternehmenswert in aller Regel nur im Falle des erfolgreichen
Unternehmensverkaufs. Diesem typischen Zweck liefe es zuwider, wenn die
Mitarbeiter unabhängig von einem in der Bezugsvereinbarung bestimmten
Verkaufsfall an den laufenden Gewinnen des Unternehmens oder an
Teilverwertungen dessen Anlagevermögens allgemein beteiligt würden.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 295.058,82.
4. Soweit die Berufung nicht von Gesetzes wegen zulässig ist, wird sie nicht gesondert
zugelassen.
Tatbestand
A.
1 Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte aus einer
vertraglich vereinbarten Mitarbeiterbeteiligung sowie im Wege der Stufenklage um
Erteilung von Auskünften, Richtigkeitsversicherung und Abrechnung.
2 Der Kläger war auf Grund des Anstellungsvertrages vom 30. Mai 2001, auf dessen
Inhalt verwiesen wird (Akten-Bl. 17 ff.), seit dem 01. Juni 2001 bei der Firma 20/10
P. V. ... GmbH (fortan PV GmbH) als IT-Systembetreuer beschäftigt. Im Jahr 2005
wurde diese Gesellschaft rechtsformwechselnd in die 20/10 P. V. AG (fortan PV
AG) umgewandelt. In einem weiteren Schritt wurde im Januar 2009 durch
Ausgliederung aus dieser Aktiengesellschaft die 20/10 P. V. O. GmbH geschaffen,
wobei die von der Umwandlung betroffenen Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter der
PV AG - wie auch das des Klägers - ausweislich des Unterrichtungsschreibens
vom 09. Februar 2009 (Akten-Bl. 45 ff.) auf die neu gegründete 20/10 P. V. O.
GmbH nach § 613 a BGB übergegangen sind. Ebenfalls noch im Jahr 2009 wurde
diese 20/10 P. V. O. GmbH auf die nunmehrige Beklagte, also die T. P. V. GmbH,
nach den Vorgaben des Umwandlungsgesetzes im Wege eines Joint-Ventures mit
einem Konzernunternehmen des Marktkonkurrenten B.+ L. I. (fortan B + L)
rechtsnachfolgend verschmolzen. An dem Stammkapital der Beklagten war die PV
AG zunächst mit 36,7 % beteiligt; die übrigen Anteile wurden von der B + L
gehalten. Seit Januar 2013 ist die PV AG nicht mehr Gesellschafterin der
Beklagten, nachdem sie ihre Anteile an der Beklagten an die B + L veräußerte.
Unter dem Datum vom 28.01.2013 erschien hierzu eine Pressemitteilung der B + L
(Akten-Bl. 37), ausweislich derer sie die Übernahme der Beklagten abgeschlossen
hat.
3 Der Kläger schied Ende des Jahres 2010 aus dem Arbeitsverhältnis aus.
4 Mit seiner vormaligen Arbeitgeberin, der PV GmbH, schloss der Kläger - wie auch
mindestens weitere acht Arbeitnehmer mit wortgleicher Fassung - mit Datum vom
28. Februar 2005 eine Zusatzvereinbarung über eine Mitarbeiterbeteiligung ab.
Diese Zusatzvereinbarung erhält auszugsweise folgende Regelungen:
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1. Vorbemerkung
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Die 20/10 P. V. ... GmbH mit Sitz in H. („GmbH“) beabsichtigt, ihre Mitarbeiter am
Erfolg der GmbH zu beteiligen, um eine längerfristige Bindung der Mitarbeiter an
die GmbH zu erreichen. Dies ist der ausschließliche Zweck der nachfolgenden
Vereinbarung, die insbesondere keine Vergütung für bisher oder zukünftig
geleistete Dienste darstellt und auch keinen gehaltsähnlichen Charakter hat. Die
GmbH wird sich zu diesem Zweck gegenüber den Mitarbeitern verpflichten, für
den Fall der Veräußerung ihrer Geschäftsanteile durch die Gesellschafter den
Veräußerungserlös eines virtuellen Geschäftsanteils (nachfolgend: „virtueller
Geschäftsanteil“) an die begünstigten Mitarbeiter abzuführen. Die Beteiligung der
Mitarbeiter der GmbH am Unternehmenserfolg soll durch eine finanzielle
Beteiligung an diesem Erlös und durch eine Beteiligung an Ausschüttungen
erfolgen.
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2. Virtueller Geschäftsanteil
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Die GmbH verfügt zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Vereinbarung über
ein Stammkapital in Höhe von nominal Euro 76.050,00. Der virtuelle
Geschäftsanteil beträgt nominal Euro 3.802,50, zur Zeit 5 % des Stammkapitals.
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3. Beteiligung des Mitarbeiters am „Veräußerungserlös“ für den virtuellen
Geschäftsanteil
10 a) Die finanzielle Beteiligung des Mitarbeiters wird in Punkten ausgedrückt, die an
den jeweiligen Mitarbeiter als freiwillige Leistung der Gesellschaft vergeben
werden können und den Anteil des Mitarbeiters am nachfolgend definierten
„Veräußerungserlös“ für den virtuellen Geschäftsanteil und an den rechnerisch auf
den virtuellen Geschäftsanteil entfallenden Ausschüttungen ausdrücken.
11 „Veräußerungserlös“ im Sinne dieser Vereinbarung ist der durchschnittliche
Kaufpreis, den ein Geschäftsanteil der GmbH mit demselben Nominalbetrag
(3.802,50 Euro) im Verkaufsfall (vgl. hierzu unter lit. b) erzielt hätte, gemindert um
alle Kosten und Aufwendungen (z.B. Erfolgsprovision eines Vermittlers, usw.), die
bei der Veräußerung eines entsprechenden Geschäftsanteils durch die
Gesellschafter entstanden wären. Maßgeblich hierfür sind die von den
Gesellschaftern mit einem Käufer abgeschlossenen Vereinbarungen, der dort
vereinbarte Kaufpreis ist also entscheidend. Auch hier gilt als Vergleichsmaßstab
der Veräußerungsvorgang der Gesellschafter.
12 b) Der Verkaufsfall liegt vor, wenn
13 (1) alle Geschäftsanteile der Gesellschaft durch die Gesellschafter veräußert
werden,
(2) und ein tatsächlicher Zahlungseingang des vereinbarten Kaufpreises bei den
Gesellschaftern (bzw. Einbuchung von Anteilen oder Rechten, die als
Gegenleistung vereinbart wurden) für die Veräußerung ihrer Geschäftsanteile
vorliegt.
14 Eine wie auch immer geartete Verpflichtung der Gesellschafter zur Veräußerung
von Geschäftsanteilen besteht nicht.
15 c) Der Mitarbeiter erhält ferner für die Dauer seines Anstellungsverhältnisses und
bis zum Verkaufsfall eine finanzielle Beteiligung an Ausschüttungen, die auf den
virtuellen Geschäftsanteil erfolgen würden, ebenfalls in Höhe von 200 Punkten. …
16 Ausschüttungen der GmbH sind auf absehbare Zeit nicht geplant. Nach dem
Verkaufsfall erlischt das Recht des Mitarbeiters auf Ausschüttungen. …
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4. Anteile oder Rechte als Gegenleistung im Verkaufsfall
18 Besteht die Gegenleistung im Verkaufsfall nicht in Geld, sondern in Anteilen oder
sonstigen Rechten an einem Rechtsträger, so gelten die Vorschriften dieser
Vereinbarung mit der Maßgabe entsprechend, dass die Beteiligung des
Mitarbeiters am Veräußerungserlös nicht in Geld, sondern in Anteilen oder
Rechten in entsprechender Anzahl und Stückelung besteht. Dabei entstehende
Spitzen gehen zu Lasten des Mitarbeiters, die Gesellschaft wird sich aber um
Verwertung und Barausgleich von Spitzen bemühen.
19
5. Beendigung/Kündigung des Anstellungsverhältnisses
20 Falls das Anstellungsverhältnis des Mitarbeiters zum Zeitpunkt des Eintritts des
Verkaufsfalls (= im Verkaufsfall) bereits beendet ist (gleich aus welchem Grund),
so gilt folgendes:
21 - wurde eine Kündigung der GmbH aus vom Mitarbeiter zu vertretendem
wichtigem Grund oder verhaltensbedingt im Verkaufsfall ausgesprochen oder ist
das Anstellungsverhältnis im Verkaufsfall wegen einer Kündigung, die aufgrund
eines vom Mitarbeiter zu vertretenden wichtigen Grunds oder verhaltensbedingt
erfolgte bereits beendet, so entfällt die Beteiligung (vgl. Ziff. 3 lit. d)
entschädigungslos.
22 - In allen übrigen Fällen, in denen im Verkaufsfall das Anstellungsverhältnis bereits
beendet ist, behält der Mitarbeiter seine Beteiligung wie folgt:
23 - Bei einer Beendigung vor Ablauf eines Kalenderjahres nach Abschluß
vorliegender Vereinbarung entfällt die Beteiligung entschädigungslos,
24 - Bei einer Beendigung nach Ablauf eines Kalenderjahres und vor Ablauf von zwei
Kalenderjahren nach Abschluß vorliegender Vereinbarung behält Mitarbeiter 10 %
seiner Beteiligung,
25 - Bei einer Beendigung nach Ablauf von zwei Kalenderjahren und vor Ablauf von
drei Kalenderjahren nach Abschluß vorliegender Vereinbarung erhält Mitarbeiter
25 % seiner Beteiligung,
26 - Bei einer Beendigung nach Ablauf von drei Kalenderjahren und vor Ablauf von
vier Kalenderjahren nach Abschluß vorliegender Vereinbarung erhält Mitarbeiter
50 % seiner Beteiligung.
27 Bei einer Beendigung nach Ablauf von vier Kalenderjahren nach Abschluß dieser
Vereinbarung erhält Mitarbeiter die Beteiligung in voller Höhe, auch wenn sein
Anstellungsverhältnis im Verkaufsfall bereits beendet ist. Ausschüttungen
entfallen abweichend hiervon generell mit Beendigung des
Anstellungsverhältnisses.
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7. Börsengang, Rechtsformwechsel der GmbH, Stimmrechte,
Beteiligungsvertrag
29 Für den Fall dass die Anteile der GmbH umgewandelt oder durch Verschmelzung
verändert werden, gilt der nachfolgende Vertrag sinngemäß für die daraus
entstehenden Anteile. Für den Fall eines Börsengangs werden sich die
Gesellschafter hinsichtlich der dann gehaltenen Aktien allen kapitalmarktrechtlich
und sonstigen Vereinbarungen (z.B. Lock up Verpflichtung) unterwerfen, die ihnen
erforderlich erscheine. Der Mitarbeiter erklärt sich hiermit vorsorglich
einverstanden. …
30 Nach vorangegangener schriftlicher Geltendmachung, die von der Beklagten
zuletzt mit E-Mail vom 04. Oktober 2013 (Akten-Bl. 44) zurückgewiesen wurde,
nimmt der Kläger mit seiner am 13. November 2013 beim Arbeitsgericht
eingegangenen Klage die Beklagte nunmehr gerichtlich auf Auskunftserteilung u.a.
über den von der B + L geschuldeten Kaufpreis sowie über die seit 2005 von der
Beklagten erfolgte bzw. beschlossenen Gewinnausschüttung in Anspruch. Mit
weiteren Klaganträgen verfolgt er Ansprüche auf Versicherung der Vollständigkeit
und Richtigkeit der Angaben, Abrechnung sowie aus Auszahlung der sich aus der
Abrechnung über die Beteiligung ergebenden Beträge.
31 Der Kläger ist der Meinung, die Pressemitteilung vom 28. Januar 2013, wonach die
B + L die Übernahme der Beklagten abgeschlossen hat, lege nahe, dass ein
Verkaufsfall gem. der Zusatzvereinbarung vom 08. Februar 2005 (fortan ZV)
eingetreten ist oder demnächst eintreten werde.
32 Entgegen dem Wortlaut der ZV käme es hinsichtlich der Begründung des
Anspruchs auf Beteiligung am Veräußerungserlös nicht auf die Veräußerung von
Anteilen bzw. Aktien der PV AG an, denn rechtlich, finanziell, wirtschaftlich und
auch organisatorisch stelle die Beklagte das allein maßgebliche
Nachfolgeunternehmen der PV AG dar. Die ZV habe den Zweck verfolgt,
Arbeitnehmer, die für den Erfolg des Unternehmens der Gesellschaft unentbehrlich
waren, dauerhaft an die Gesellschaft zu binden, nachdem es bei dieser bereits seit
geraumer Zeit keine Gehaltserhöhungen mehr gegeben hätte. Die Gesellschaft
habe nämlich zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung auf Grund ihrer
wirtschaftlichen Lage keine marktgerechte Vergütungen an ihre qualifizierten
Fachkräfte zahlen können. Um eine Kündigung durch die Mitarbeiter zu verhindern
und diese zu bewegen, dauerhaft für eine Vergütung zu arbeiten, die unterhalb der
am Markt erzielbaren gelegen hätte, seien sie durch die Vereinbarung
Gesellschaftern gleichgestellt worden. Solche Beteiligungen seien insbesondere
bei jungen Unternehmen, wie vorliegend aus der technologieorientierten Start-up-
Branche, gang und gäbe. Zwar erfolge eine solche Beteiligung üblicherweise
durch eine direkte Unternehmensbeteiligung mit echten Gesellschaftsanteilen, die
als Anteile verkauft, an die Börse gebracht oder auf andere Weise wirtschaftlich
verwertet werden könnten. Im vorliegenden Fall sei jedoch - was völlig untypisch
sei - eine Lösung gewählt worden, bei der keine echten, sondern nur virtuelle
Gesellschaftsanteile der Mitarbeiter bestehen. Die Mitarbeiter hätten das
bekommen sollen, was sie im Rahmen einer direkten Unternehmensbeteiligung mit
echten Geschäftsanteilen erhalten würden, allerdings nicht auf Grund einer
vollwertigen Rechtsstellung als Gesellschafter, sondern nur auf Grund eines
schuldrechtlichen Vertrages mit der Gesellschaft.
33 Nach Sinn und Zweck der ZV spiele es keine Rolle, auf welche Weise die
wirtschaftliche Verwertung der vom Kläger und den übrigen betroffenen
Arbeitnehmern geschaffenen Vermögenswerte erfolge. Es sei insbesondere nicht
erforderlich, dass tatsächlich ein „Kaufvertrag“ im Rechtssinne zu Stande komme,
weil sich sonst durch eine entsprechende rechtliche Gestaltung der Anspruch des
Klägers auf Beteiligung an dem von ihm geschaffenen wirtschaftlichen Wert leicht
umgehen ließe. Letztlich lasse sich bei Transaktionen der vorliegenden Art im
Voraus oft nicht festlegen, auf welche Weise die wirtschaftliche Verwertung am
Ende stattfinden werde, da hierfür Erwägungen maßgeblich seien, insbesondere
steuerlicher Art, die sich einer Beurteilung im Vorhinein entzögen. Die ZV trage
diesem Umstand aber dadurch Rechnung, dass die Gegenleistung, wie beim
Kaufvertrag üblich, nicht nur in Geld bestehen könne, sondern auch in Anteilen
oder in sonstigen Rechten (vgl. Ziffer 4 der ZV). Keinem der Mitarbeiter sei jedoch
gesagt worden, dass die Beteiligung am Gewinn dann nicht erfolgen würde, wenn
dieser Gewinn nicht durch einen ganz bestimmten Veräußerungsfall erzielt würde.
34 Unerheblich sei auch, dass die PV AG, aus der die Beklagte letztlich durch
Ausgründung entstanden ist, noch besteht. Ebenso sei es im Ergebnis ohne
Bedeutung, ob neben der Beklagten möglicherweise noch ein anderer
Rechtsträger als mithaftender (Gesamt-) Schuldner in Betracht käme. Jedenfalls
lasse es die Auslegung der ZV zu, mindestens auch die Beklagte als Schuldnerin
anzusehen. Im Übrigen sei zu beachten, dass es sich bei den Regelungen der ZV
um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele. Unklarheiten und Zweifel bei der
Auslegung gingen gem. § 305 c Abs. 2 BGB somit zu Lasten des Verwenders,
mithin der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Arbeitgeberin des
Klägers.
35 Der Kläger trägt des Weiteren vor, er habe von dem Verkauf der Anteile nur zufällig
über die Pressemitteilung der B + L vom 28. Januar 2013 erfahren. Soweit ein in
der Fachpresse genannter Kaufpreis von 165 Millionen Euro zutreffen würde,
berechne sich der Wert seiner virtuellen Beteiligung unter Berücksichtigung eines
weiteren Anspruchs aus der ZV auf Gewinnausschüttungen auf insgesamt Euro
295.058,82. Eine genaue und abschließende Bezifferung sei dem Kläger an Hand
der ihm zugänglichen Informationen und der von der Beklagten bisher hierzu
erteilten Auskünfte derzeit allerdings unmöglich.
36
Der Kläger beantragt,
37
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger folgende Auskünfte zu erteilten:
38
a) über die Höhe des von B. + L. geschuldeten Kaufpreises für die GmbH-
Geschäftsanteile an der T. P. V. GmbH entsprechend der Pressemeldung
von B. + L. vom 28. Januar 2013 in welcher mitgeteilt wird, dass es die
Geschäftsanteile der Beklagten übernommen hat durch Vorlage geeigneter
Belege, insbesondere des Kaufvertrags und der Bankbelege
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b) über den Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung Bst. a) an die Gesellschafter der
Beklagten
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c) über die seit 2005 erfolgten bzw. beschlossenen Gewinnausschüttungen
der Beklagten
41
d) über sonstige, für die Anspruchsbemessung bedeutende Umstände
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2. erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben an
Eides Statt zu versichern.
43
3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, gegenüber dem Kläger über seine
Beteiligung an dem Verkaufserlös und den Gewinnausschüttungen
abzurechnen und den sich hieraus ergebenden Betrag nebst einer
Verzinsung von 5% p.a. über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit
auszuzahlen.
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4. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
45
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, ggfs. gegen Sicherheitsleistung.
46
Die Beklagte beantragt,
47
die Klage abzuweisen.
48 Die Beklagte ist der Auffassung, das Vorbringen des Klägers sei unschlüssig, denn
er habe nicht dargetan, dass ein „Verkaufsfall“ im Sinne der Ziffer 3 lit. b ZV
eingetreten sei. Ein solcher Verkaufsfall könne nur vorliegen, wenn Aktien der PV
AG ver-äußert werden. Das sei aber - selbst nach dem Vortrag des Klägers -
bisher unstreitig nicht geschehen.
49 Richtig sei, dass dem Kläger durch seine damalige Arbeitgeberin, der PV GmbH,
im Rahmen der ZV eine virtuelle Beteiligung, d.h. schuldrechtliche
Zahlungsansprüche, an ihrem Stammkapital eingeräumt wurde. Die Höhe des
Zahlungsanspruchs richtete sich nach dem Nennbetrag der virtuellen Beteiligung
(2 % von Euro 3.802,50) und belief sich demnach auf Euro 76,05. Durch die
Umwandlung der PV GmbH in die PV AG sei aus dem virtuellen Geschäftsanteil an
der GmbH eine virtuelle Beteiligung des Klägers am Grundkapital der PV AG mit
dem gleichen Nennbetrag geworden. Diese virtuelle Beteiligung an der PV AG
halte der Kläger noch heute. Aktien der PV AG seien - soweit der Beklagten
bekannt - bisher jedoch nicht verkauft worden. Solches werde jedenfalls vom
Kläger auch nicht behauptet.
50 Zwar habe die PV AG, was die Beklagte einräume, in mehreren Schritten in den
Jahren 2008 und 2009 ihre Vermögensgegenstände, die ihren Geschäftsbetrieb
ausmachten, im Ergebnis auf die Beklagte übertragen. Auch wenn im Wege dieser
Ausgliederung die Beklagte gem. §§ 324 UmWG, 613 a BGB Arbeitgeberin des
Klägers geworden ist, habe dies keinerlei Auswirkungen auf die virtuelle
Beteiligung des Klägers am Grundkapital der AG. Rechtsfolge wäre nämlich
allenfalls, dass die Beklagte (auch) für die Ansprüche des Klägers aus der ZV
haften würde, wenn ein solcher Verkaufsfall eingetreten wäre. Voraussetzung sei
aber, dass die Aktien der PV AG - und nicht der Beklagten - verkauft worden seien.
Ziffer 3 lit. b der ZV spreche nämlich ausdrücklich von der „Gesellschaft“ und nicht
von dem „Arbeitgeber“. Die Formulierung in Ziffer 3 lit. b ZV gebe auch keinen
Anlass zu Zweifeln bei der Auslegung im Sinne von § 305 c Abs. 2 BGB. Der
Begriff der „Gesellschaft“ sei nämlich weder auslegungsfähig noch
auslegungsbedürftig, sondern habe sich ursprünglich eindeutig auf die PV GmbH
bezogen und beziehe sich nach dem Rechtsformwechsel gemäß Ziffer 7 ZV auf
die PV AG. Deren Anteile jedenfalls seien durch die spätere Ausgliederung der
Beklagten weder „umgewandelt“ noch „durch Verschmelzung verändert worden“,
sodass es vorliegend selbst nach dem Vortrag des Klägers an einer
anspruchsbegründenden Veräußerung mangele.
51 Entgegen der Auffassung des Klägers sei es aber auch wirtschaftlich sinnvoll,
dass der Kläger nach wie vor Inhaber der virtuellen Beteiligung am Grundkapital
der PV AG sei und keinen virtuellen Geschäftsanteil an der Beklagten erworben
habe. Für den Marktwert der virtuellen Beteiligung des Klägers am Grundkapital
der PV AG und die Höhe des Zahlungsanspruchs sei es nämlich gleich, ob die PV
AG ihren Geschäftsbetrieb selbst halte oder - wie geschehen - ausgliedere.
Gegenteiliges habe der Kläger jedenfalls nicht vorgetragen. Der vom Kläger
beschworene Wert des Unternehmens der früheren PV GmbH sei ihm erhalten
geblieben.
52 Wenn aber der Kläger recht hätte und er auf Grund der Ausgliederung tatsächlich
eine virtuelle Beteiligung an der Beklagten erworben hätte, läge erst recht kein
Verkaufsfall im Sinne von Ziffer 3 lit. b ZV vor, denn im Januar 2013 hat die B + L
nur die Geschäftsanteile an der Beklagten erworben, die sie nicht schon inne hatte.
Es wären also dann - wenn man annähme, dass „Gesellschaft“ im Sinne der ZV
die Beklagte sei - nicht „alle Geschäftsanteile an der Gesellschaft durch die
Gesellschafter veräußert“ worden.
53 Im Übrigen sei die Behauptung des Klägers, er und seine Kollegen seien bei
Abschluss der ZV getäuscht worden, falsch.
54 Zur Höhe des Kaufpreises werde vorsorglich darauf hingewiesen, dass das
Auskunftsbegehren des Klägers schon deshalb keinen Erfolg haben könne, weil
der Kaufpreis bekanntlich zwischen Käufer und Verkäufer einer Beteiligung
ausgehandelt und in diesem Verhältnis regelmäßig einer Vertraulichkeitspflicht
unterworfen werde. Die Beklagte habe als bloßes Kaufobjekt keine Kenntnisse von
den Konditionen und Bedingungen, die auf Ebene ihrer Gesellschafter verhandelt
und vereinbart worden seien.
55 Ferner werde darauf hingewiesen, dass eine Dividendenausschüttung an die
Aktionäre der PV AG erstmals in der Hauptversammlung am 07. März 2014
beschlossen worden sei. Da das Arbeitsverhältnis des Klägers jedoch bereits mit
Wirkung zum Jahresende 2010 geendet hat und vor dem 07. März 2014 keine
Ausschüttungen an die Aktionäre der AG erfolgt seien, sei auch das Recht des
Klägers auf Beteiligung an Ausschüttungen gemäß Ziffer 3 lit. c und Ziffer 5 der ZV
erloschen.
56 Bezüglich des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst deren Anlagen, soweit sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren,
sowie auf die Sitzungsniederschriften vollumfänglich verwiesen.
Entscheidungsgründe
B.
57 Die Klage ist mit Ausnahme des Klagantrags Ziffer 1 lit. d zulässig, aber
unbegründet.
58
I. Zulässigkeit der Klage
59 1. Nach § 254 ZPO kann bei einer Stufenklage die bestimmte Angabe der
Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, wenn mit der Klage
auf Rechnungslegung oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die
Klage auf Herausgabe dessen verbunden wird, was der Beklagte aus dem
zugrundeliegenden Rechtsverhältnis schuldet. Das Gesetz lässt somit in
Abweichung von dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO den
Vorbehalt zu, die Angabe des Leistungsanspruchs nach Rechnungslegung zu
bestimmen. Daraus folgt, dass im Rahmen der Stufenklage die Auskunft und
Richtigkeitsversicherung lediglich ein Hilfsmittel ist, um die (noch) fehlende
Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen. Die einstweilige Befreiung
von dem prozessualen Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und der
daraus folgenden Bezifferungspflicht ist jedoch nur zulässig, wo die Auskunft der
Bestimmung des Leistungsanspruchs dient. Die Regelung des § 254 ZPO
entbindet jedoch bezüglich der vorbereitenden Anträge auf Auskunft bzw.
Versicherung nicht von den Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO
(vgl. Zöller-Greger, ZPO, 30. Aufl., § 254 Rn. 2; Geisler in Prütting/Gehrlein, ZPO,
4. Aufl. § 254 Rn. 7; LAG Baden-Württemberg, 17. Januar 2012 - 22 Sa 7/11 - Rn.
111, Juris).
60 2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Klagantrag Ziffer 1 lit. d
unbestimmt, denn er lässt weder aus sich heraus noch aus der weiteren
Begründung der Klageschrift erkennen, was der Kläger unter „Auskünfte über
sonstige, für die Anspruchsbemessung bedeutende Umstände“ konkret versteht.
Die mangelnde Bestimmtheit des Antrages lässt völlig offen, worauf sich die
Auskunftspflicht überhaupt konkret beziehen soll mit der Folge, dass eine
diesbezügliche Rechtsverteidigung für die Beklagte oder im Falle ihres etwaigen
Unterliegens eine Vollstreckung des Urteils nicht möglich wäre.
61 Im Übrigen bestehen bezüglich der sonstigen Anträge keine prozessualen
Bedenken. Insbesondere ist der Kläger ohne die begehrte Auskunft nach seinem
Vortrag nicht in der Lage, die weitere Berechnung und konkrete Bezifferung der
von ihm geltend gemachten Leistungsansprüche vorzunehmen. Dem steht auch
nicht der Einwand der Beklagten entgegen, ihr sei eine Auskunftserteilung, soweit
sie sich auf die Verhältnisse der PV AG bezieht, mangels eigener Erkenntnis
unmöglich. Zwar ist eine Klage, die auf eine unmögliche Leistung gerichtet ist,
unzulässig (vgl. BAG, 11. August 1998 - 9 AZR 39/97 - AP Nr. 160 zu § 242 BGB
„Gleichbehandlung“). Dies gilt jedoch nur, soweit eine Leistung von Anfang an
oder auch durch Zeitablauf unmöglich geworden ist, wie es § 306 BGB a. F.
vorgesehen hatte. Ist die Beklagte dagegen lediglich subjektiv gehindert, die
geforderte Leistung zu erbringen, d.h. vorliegend die Auskunft zu erteilen,
beeinflusst dies nicht die Zulässigkeit der Klage, sondern kann allenfalls dazu
führen, dass die Klage unbegründet ist, soweit der Einwand überhaupt erheblich
sein sollte (vgl. z.B. LAG München, 6. Juni 2007 - 10 Sa 1349/06 - Rn. 129, 131,
Juris).
62
II. Begründetheit der Klage
63 Die Klage ist jedoch, soweit zulässig, vollumfänglich als unbegründet
abzuweisen.
64 Es kann dabei ausdrücklich dahingestellt bleiben, ob sich für den Kläger aus der
mit der vormaligen Arbeitgeberin, der PV GmbH, geschlossenen ZV ein Anspruch
auf Auskunft und Rechnungslegung gegen die Beklagte ergibt. Ein solcher
(vorbereitender) Anspruch besteht nämlich schon dann nicht, wenn bereits vor
der Auskunft unzweifelhaft feststeht, dass sich ein Zahlungsanspruch gegen die
Beklagte auch nach einer erfolgten Auskunft nicht ergeben kann. Dies ist nach
Überzeugung der Kammer jedoch vorliegend der Fall.
65 Dem Kläger steht gegen die Beklagte weder ein Anspruch auf Beteiligung am
Veräußerungserlös für den virtuellen Geschäftsanteil nach Ziffer 3 lit. b ZV (hierzu
im Folgenden unter 1.) noch auf Ausschüttung nach Ziffer 3 lit. c ZV (nachfolgend
unter 2.) zu. Da den geltend gemachten Hauptansprüchen nach Auffassung der
Kammer die Grundlage fehlt, ist die gesamte (zulässige) Stufenklage, also auch
der mit der Klage verfolgte Anspruch auf Auskunft und eidesstattliche
Versicherung, abzuweisen (unter 3.). Im Übrigen sind die Voraussetzungen eines
Anspruchs auf Erteilung einer Abrechnung über die Beteiligungen des Klägers
nicht gegeben (unter 4.)
66 1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beteiligung am Veräußerungserlös für den
virtuellen Geschäftsanteil nach Ziffer 3 lit. b ZV. Dies folgt aus der Auslegung der
Bestimmungen der ZV.
67
a) Bei den Regelungen der ZV handelt es sich um Allgemeine
Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Hierfür begründet
bereits das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung. Zudem hat
der Kläger, insoweit von der Beklagten nicht bestritten, dargelegt, dass die PV
GmbH mit weiteren acht Arbeitnehmern wortgleiche Zusatzvereinbarungen
abgeschlossen hatte. Von einer mehrfachen, formularmäßigen Verwendung der
Formulierungen der ZV ist daher auszugehen.
68
b) Für die Auslegung der vertraglichen Bestimmungen der ZV kommt es somit
darauf an, wie die Klausel nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn von
verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der
normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die
Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des
Verwenders zu Grunde zu legen sind (vgl. BAG, 24. September 2008 - 6 AZR
76/07 - NZA 2009, 154). Ausgangspunkt der Auslegung ist dabei in erster Linie
der Vertragswortlaut (vgl. BAG, 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - NZA 2010,
170; 20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Juris). Für dessen Interpretation kommt
es entscheidend darauf an, wie er aus Sicht der typischerweise an Geschäften
dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille
verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Ferner ist
auch der mit dem Vertrag verfolgte Sinn und Zweck einzubeziehen, wobei hier
allein auf die typischen und von redlichen Geschäftspartnern verfolgten Ziele
abzustellen ist (vgl. BAG, 20. Januar 2010, a.a.O.). Außerdem gehört die
systematische Gesamtschau der Vertragsbestimmungen zu den herkömmlichen
Auslegungsmethoden, die bei der Auslegung Allgemeiner
Geschäftsbedingungen auszuschöpfen sind, bevor auf die Unklarheitenregelung
des § 305 c Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden kann (vgl. BAG, 15. April 2008 -
9 AZR 159/07 - AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 38; 18. August 2009 - 9 AZR 482/08
- Juris). Eine im Einzelfall etwa bestehende übereinstimmende Vorstellung der
Vertragsparteien vom Inhalt der Klausel geht, wie eine Individualvereinbarung
dem Ergebnis selbst einer abweichenden objektiven Auslegung vor, § 305 Abs.
1 Satz 3 BGB (vgl. BAG, 24. September 2008, a.a.O.).
69
c) In Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze ergibt sich, dass entgegen der
Auffassung des Klägers mit Ziffer 3 lit. b ZV keine allgemeine Beteiligung der
Arbeitnehmer am wirtschaftlichen Erfolg der damaligen Arbeitgeberin und
etwaiger ausgegliederter Unternehmen vereinbart werden sollte.
70
aa) Hierfür spricht zunächst der Wortlaut der Klausel.
71
Die finanzielle Beteiligung des Mitarbeiters am Veräußerungserlös setzt einen
Verkaufsfall voraus, der in Ziffer 3 lit. b ZV definiert ist. Der Verkaufsfall liegt
demnach vor, wenn (1) alle Geschäftsanteile der Gesellschaft durch die
Gesellschafter veräußert werden und (2) ein tatsächlicher Zahlungseingang des
vereinbarten Kaufpreises bei den Gesellschaftern für die Veräußerung ihrer
Geschäftsanteile vorliegt. Die Klausel stellt somit ausdrücklich auf die
„Gesellschaft“ ab, womit zweifelsohne die damals vertragsschließende PV
GmbH gemeint war. Nach dem Wortlaut der Regelung sollte
Anspruchsvoraussetzung die Veräußerung aller Geschäftsanteile der
Gesellschaft durch die Gesellschafter sein, ohne dass auf andere Möglichkeiten
der Verwertung des Unternehmensvermögens verwiesen oder in sonstiger
Weise diesbezügliche Anspruchsvoraussetzungen selbst formuliert worden
wären. Ebenso wurde nach dem Text der Klausel keine Regelung getroffen für
den Fall einer Beteiligung bei Vornahme gesellschaftsrechtlicher Aufspaltungen
der Gesellschaft. Allein in Ziffer 7 ZV wurde geregelt, dass für den Fall der
Umwandlung der GmbH im Zuge eines Rechtsformwechsels oder Veränderung
durch Verschmelzung die vertraglichen Regelungen sinngemäß für die daraus
entstehenden Anteile der Gesellschaft gelten.
72
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Klausel soll demnach die PV GmbH
beziehungsweise nach deren formwechselnder Umwandlung die PV AG zur
Beteiligung der Mitarbeiter am Verkaufserlös hinsichtlich des fiktiven Anteils
verpflichtet sein, wenn alle Aktien der AG durch die Aktionäre der PV AG
veräußert werden und den Aktionären ein tatsächlicher Zahlungseingang des
vereinbarten Kaufpreises (bzw. Einbuchung von Anteilen oder Rechten) vorliegt.
Die ZV regelt ihrem Wortlaut nach selbst und ab-schließend, was unter dem
anspruchsbegründenden Verkaufsfall zu verstehen ist. Den Fall der
Veräußerung des Anlagevermögens oder der gesellschaftsrechtlichen
Ausgliederung spricht sie nicht an. Für einen vom vollständigen Aktienverkauf
unabhängigen Anspruch auf Beteiligung der Mitarbeiter an dem wirtschaftlichen
Erfolg der PV AG bieten die Formulierungen der ZV somit keinen Anhaltspunkt.
73
bb) Sinn und Zweck der ZV stützen dieses Verständnis.
74
Die Gewährung von virtuellen Geschäftsanteilen (bei GmbHs) oder virtuellen
Aktienoptionen (bei AGs) ist eine Form der Mitarbeiterbeteiligung am
Unternehmenserfolg, die typischerweise in Start-up-Gesellschaften eingesetzt
wird. Die Risikokapitalgeber der Start-ups verfolgen eine möglichst schnelle
Wertsteigerung des Unternehmens, um ihre Beteiligung mit einem hohen
Gewinn zu verkaufen. Wesentliches Unternehmensziel ist damit die schnelle
vollständige Verwertung der Anteile bzw. der Aktien der Gesellschaft, der
sogenannte Exit. Bei der Gewährung einer virtuellen Beteiligung werden
qualifizierte Mitarbeiter gewonnen, um zügig eine Wertsteigerung des
Unternehmens und einen Exit zu erreichen. Wenn der gewinnträchtige
Unternehmensverkauf gelingt, werden die beteiligten Mitarbeiter über die
getroffene Beteiligungsvereinbarung ähnlich einem Gesellschafter zeitnah zügig
am Kaufpreis wirtschaftlich beteiligt (vgl. hierzu näher, LAG Baden-Württemberg,
17. Januar 2012 - 22 Sa 7/11 - Rn. 114 f., Juris). Demgegenüber räumen „echte“
Aktienoptionen dem Inhaber der Option nach Maßgabe der Optionsbedingungen
das Recht ein, von dem gewährenden Unternehmen Aktien innerhalb eines
festgelegten Zeitraums zu einem vorher bestimmten Kurs zu erwerben. Ziel
dieser Form der Entlohnung ist dabei, neben den generellen mit
Mitarbeiterbeteiligung verfolgten Zielen der Mitarbeiterbindung und -motivation
die stärkere Ausrichtung der Unternehmensführung an dem Shareholder-Value
(vgl. BAG, 16. Januar 2008 - 7 AZR 887/06 - Rn. 17, Juris; Rieder/Holzmann in
Grigoleit, AktG, § 192 Rn. 26). „Echte“ Aktienoptionen unterscheiden sich von
den virtuellen Beteiligungsformen dadurch, dass sie nach Ablauf der Wartefrist
von mindestens vier Jahren, die zwischen Ausgabe und Ausübung der
Aktienoption liegen muss (§ 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG), quasi zeitverzögert eine
Beteiligung am laufenden Gewinn des Unternehmens vermitteln. Virtuelle Anteile
oder Aktienoptionen beteiligen hingegen zum Zwecke der Liquiditätssicherung
nicht am laufenden Gewinn des Unternehmens, sondern entfalten ihre
Partizipation am Unternehmenswert in aller Regel nur im Falle des erfolgreichen
Unternehmensverkaufs und haben somit einen höheren spekulativen Charakter
(vgl. BAG, 28. Mai 2008 - 10 AZR 351/07 - Rn. 31, Juris; LAG Baden-
Württemberg, 17. Januar 2012, a.a.O.; Löw/Glück, Der Betrieb 2015, Seite 187
(189 ff.)).
75
Aus diesen Grundsätzen folgt vorliegend:
76
Ausweislich der Vorbemerkung unter Ziffer 1 der ZV ist beabsichtigt, die
Mitarbeiter am Erfolg der GmbH zu beteiligen und somit eine längerfristige
Bindung der Mitarbeiter an die GmbH zu erreichen. Aus Satz 3 der
Vorbemerkung geht des Weiteren hervor, dass die finanzielle Beteiligung einen
durch die Veräußerung der Gesellschaftsanteile der Gesellschafter generierten
Veräußerungserlös voraussetzt. In Ziffer 3 lit. b Satz 3 ZV wird ferner
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine wie auch immer geartete
Verpflichtung der Gesellschafter zur Veräußerung von Gesellschaftsanteilen
nicht besteht (und im Übrigen auch Ausschüttungen der GmbH auf absehbare
Zeit nicht geplant waren, Ziffer 3 lit. c Satz 4 ZV). Sinn und Zweck der Regelung
der Ziffer 3 lit. b ZV ist es deshalb, den Mitarbeitern eine wirtschaftliche
Beteiligung im Falle des Ausstiegs aller Gesellschafter aus der GmbH durch
Verkauf all ihrer Anteile zu gewähren. Wie aus dem ausdrücklichen Hinweis in
Ziffer 3 lit. b Satz 3 ZV zu folgern ist, sollte es dabei völlig offen sein, ob und ggf.
wann es zu einer solchen Veräußerung aller Anteile durch die Gesellschafter
kommen würde. Damit bezweckten die Vertragspartner der ZV den typischen
Zweck einer virtuellen Unternehmensbeteiligung, nämlich im Falle eines
angestrebten Exits die begünstigten Mitarbeiter wie Gesellschafter der
Gesellschaft am erzielten Veräußerungserlös zu beteiligen. Diesem typischen
Zweck liefe es zuwider, wenn die Mitarbeiter unabhängig vom derart definierten
Verkaufsfall an den laufenden Gewinnen oder Teilverwertungen des
Anlagevermögens allgemein beteiligt würden.
77
cc) Diese Auslegung der ZV wird nicht zuletzt auch durch systematische
Überlegungen gestärkt.
78
In Ziffer 3 lit. c ZV werden nämlich die typischen Geschäftszwecke der virtuellen
Mitarbeiterbeteiligung im Verkaufsfall mit einer Beteiligung an erfolgten
Ausschüttungen der GmbH kombiniert. Damit sollte typischerweise eine
wirtschaftliche Beteiligung bei laufendem Geschäftsbetrieb erfolgen, wenn die
Gesellschafter der GmbH durch Ausschüttungen an dem Erfolg des laufenden
Unternehmens teilhaben. Auch diesbezüglich sollten die begünstigten
Mitarbeiter - fiktiv - so wie die übrigen Gesellschafter behandelt werden.
79
Damit bildet die ZV ein in sich geschlossenes Konzept der Mitarbeiterbeteiligung
ab. Ziffer 1 ZV beschreibt in der Vorbemerkung ebenso wie in Ziffer 3 lit. b die
Bedingungen einer klassischen Mitarbeiterbeteiligung in der Gestalt der
Gewährung virtueller Geschäftsanteile. In Ziffer 2 ZV werden der Nennwert des
dem Mitarbeiter gewährten virtuellen Geschäftsanteil und dessen weitere
Einzelheiten beschrieben. Ziffer 3 ZV regelt des Weiteren die Einzelheiten der
Berechnung und Realisierung der Mitarbeiterbeteiligung und in Ziffer 5 ZV sind
Klauseln zum Ausscheiden der Mitarbeiter aus der Gesellschaft verankert.
Demnach handelt es sich bei den Regelungen der ZV um typische Klauseln der
virtuellen Mitarbeiterbeteiligung, die typischerweise den Fall des erfolgreichen
Exits der Gesellschaft flankieren und sicherstellen sollen, dass die Mitarbeiter am
erfolgreichen Verkauf der Gesellschaft oder bei Kapitalentnahmen der
Gesellschafter wirtschaftlich teilhaben. Entgegen der Auffassung des Klägers ist
jedoch in Ziffer 3 lit. b ZV gerade eine allgemeine Teilhabe an jeglicher
wirtschaftlicher Verwertung des Anlagevermögens der Gesellschaft oder
ausgegliederter Unternehmen nicht festgeschrieben. Maßgebend ist allein der
Verkauf aller Geschäftsanteile der PV GmbH durch deren Gesellschafter bzw.
der Verkauf aller Aktien der PV AG durch deren Aktionäre. Der vom Kläger zur
Begründung der Klage vorgebrachte Sachverhalt hat mit dem, der nach Ziffer 3
lit. b ZV zur Beteiligung der Mitarbeiter am Erlös der Veräußerung führt, nichts zu
tun. Es liegt nach dem Vortrag des Klägers kein Verkaufsfall im Sinne der Ziffer 3
lit. b ZV vor.
80
dd) Dieses Auslegungsergebnis wird nach Auffassung der Kammer auch durch
nachfolgende Kontrollüberlegung bestätigt:
81
Nach dem eigenen Vortrag des Klägers hätten die Mitarbeiter der PV GmbH im
Zuge der vereinbarten Beteiligung das bekommen sollen, was sie auch im
Rahmen einer direkten Unternehmensbeteiligung mit „echten“ Geschäftsanteilen
erhalten hätten - allerdings nicht auf Grund einer vollwertigen Rechtsstellung als
Gesellschafter, sondern nur auf Grund eines schuldrechtlichen Vertrages mit der
Gesellschaft. Wenn jedoch diese Gesellschaft ihr Anlagevermögen oder ihre
Beteiligung an einem ausgegliederten Unternehmen veräußert, dann fließt der
Gesellschaft der entsprechende Kaufpreis zu. Damit bleibt, soweit die
Vermögens- bzw. Beteiligungswerte dem Kaufpreis entsprechen, der
Unternehmenswert der Gesellschaft unverändert. Würde nun das Kapital der
Gesellschaft durch Ausschüttung an die Gesellschafter ausgegeben, würden die
durch die ZV begünstigten Mitarbeiter wie Gesellschafter behandelt
entsprechend den Vorgaben von Ziff. 3 lit. c ZV.
82
Hat also vorliegend die PV AG im Jahr 2013 ihre 40-prozentige Beteiligung an
der Beklagten - für vom Kläger angenommene 165 Millionen Euro - an den
Konkurrenten B + L verkauft, so fließt der PV AG dieser Kaufpreis als Einnahme
zu. Über die Verwendung eines sich etwa hieraus ergebenden, in der Bilanz
ausgewiesenen Gewinns beschließt die Hauptversammlung, also die
Gesamtheit der stimmberechtigten Aktionäre der PV AG, in den Grenzen des §§
58 Abs. 3, Abs. 4 AktG frei. Soweit eine Ausschüttung beschlossen würde (§ 174
AktG), entstünde dadurch für den einzelnen Aktionär ein unentziehbarer
Anspruch auf Auszahlung seines Gewinnanteils, nämlich der Dividende.
Hinsichtlich dieses Gewinnanteils wäre ein durch die ZV begünstigter
Arbeitnehmer nach den Vorgaben des Ziff. 3 lit. c ZV hinsichtlich seines virtuellen
Beteiligungsanspruchs den übrigen Aktionären gleichzustellen. Sollten hingegen
alle Aktionäre der AG ihre Anteile an der PV AG in Ansehung des durch den
Zufluss des Verkaufspreises erhöhten Kapitals veräußern, so läge der in Ziff. 3
lit. b ZV definierte Exit-Fall vor. Eines Schutzes durch ein im Sinne des Klägers
überschießend weit ausgelegtes Verständnis der Regelungen der ZV bedarf es
demnach grundsätzlich nicht. Dass der Kläger keinen Anspruch auf
Ausschüttung gem. Ziff. 3 lit. c ZV hat, weil das Arbeitsverhältnis bereits im Jahr
2010 beendet wurde (hierzu nachfolgend unter 2), fällt auf Grund der
mangelnden fortdauernden Bindung an die Gesellschaft (vgl. hierzu
Vorbemerkung der ZV) in seinen Risikobereich.
83
In diesem Sinn trägt auch die Beklagte vor, wenn sie darauf hinweist, dass es für
den Wert der virtuellen Beteiligung des Klägers am Grundkapital der PV AG und
der Höhe seines Zahlungsanspruchs im Ergebnis gleich sei, ob die PV AG ihren
Geschäftsbetrieb selbst halte oder ausgliedere. Der vom Kläger beschworene
Wert des Unternehmens der früheren GmbH sei ihm jedenfalls erhalten
geblieben.
84
Hierzu hat der Kläger trotz Rüge der Beklagten jedoch nichts erwidert.
85
ee) Selbst wenn man der Auffassung des Klägers folgen würde, wonach
bezüglich des Verkaufsfalls nach Ziff. 3 lit. b ZV nicht auf die PV AG, sondern auf
die Beklagte abzustellen sei, wäre ein Anspruch des Klägers am
Veräußerungserlös nicht gegeben. Da die PV AG nämlich ihre Beteiligung in
Höhe von 40 Prozent der Geschäftsanteile der Beklagten veräußert hat, liegt
gerade kein Fall vor, bei dem alle Geschäftsanteile der Gesellschaft durch die
Gesellschafter veräußert wurden. „Alle Geschäftsanteile“ der Gesellschaft
bedeutet nämlich nicht, dass es ausreicht, wenn ein Gesellschafter alle in
seinem Besitz stehenden Anteile veräußert. Der „Verkaufsfall“ im Sinne des Ziff.
3 lit. b ZV setzt voraus, dass „alle“ im Sinn von 100 Prozent der Geschäftsanteile
der in Bezug genommenen Gesellschaft veräußert werden. Dies liegt jedoch
unstreitig weder bezüglich der PV AG noch bezüglich der Beklagten vor.
86
d) Die vom Kläger vertretene, anderweitige Auffassung ergibt sich auch nicht als
die dem Arbeitnehmer günstigere Regelung aus § 305 c Abs. 2 BGB.
87
Bleibt bei der Auslegung einer allgemeinen Geschäftsbedingung nach
Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht
dieser zu Lasten des Verwenders. Dies setzt aber voraus, dass die Auslegung
mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines den
klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen
Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu
kommen, genügt für die Anwendung des § 305 c Abs. 2 BGB nicht (LAG
München, 22. Juli 2014 - 9 Sa 255/14 - Rn. 87 unter Hinweis auf BAG, 24. Januar
2013 - 8 AZR 965/11 - Juris).
88
Der Wortlaut der Ziffer 3 lit. b ZV ist eindeutig. Er knüpft an den Verkaufsfall der
Veräußerung aller Geschäftsanteile durch die Gesellschafter, nach
rechtsformwahrender Umwandlung folglich an den Verkauf aller Aktien durch die
Aktionäre der PV AG an. Eine Differenzierung danach, dass eine Verwertung des
Vermögens des Unternehmens oder dessen Nachfolge durch Übertragung von
Wirtschaftsgütern (sogenannte Asset-Deals) stattfindet, hat im Wortlaut keinen
Niederschlag gefunden. Entgegen der Auffassung des Klägers soll, wie es sich
auch aus der teleologischen und systematischen Auslegung ergibt, eine
Beteiligung der Mitarbeiter am Verkaufserlös nur im Falle eines Exits erfolgen.
Auf Grund des nach Auffassung der Kammer eindeutigen
Auslegungsergebnisses bleibt für die Anwendung der Unklarheitenregelung des
§ 305 c Abs. 2 BGB demnach kein Raum.
89
e) Eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend, dass eine Veräußerung
der Geschäftsanteile an der Beklagten durch die PV AG zu einer Beteiligung am
Veräußerungserlös nach Ziff. 3 lit. b führen soll, kommt nach Auffassung der
Kammer nicht in Betracht.
90
aa) Eine solche Auslegung setzt eine planwidrige Unvollständigkeit der
vertraglichen Regelung voraus. Liegt sie vor, tritt im Wege der ergänzenden
Vertragsauslegung an die Stelle der lückenhaften Vertragsbestimmung diejenige
Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der
beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien
vereinbart hätten, wenn ihnen die Lückenhaftigkeit des Vertrages bekannt
gewesen wäre. Zunächst ist hierfür an den Vortrag selbst anzuknüpfen. Die in
ihm enthaltenen Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der
Vertragsergänzung. Soweit irgend möglich, sind danach Lücken im Wegen der
ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise zu füllen, dass die Grundzüge
des konkreten Vertrages „zu Ende gedacht“ werden (vgl. jüngst BAG, 23.
September 2014 - 9 AZR 827/12 - Rn. 27 unter Hinweis auf BAG, 15. Oktober
2013 - 9 AZR 2/13 - Rn. 43, Juris).
91
bb) Selbst wenn der Vortrag des Klägers zutreffen sollte, dass sich bei
wirtschaftlichen Transaktionen oft im Voraus nicht festlegen lasse, auf welche
Weise die wirtschaftliche Verwertung eines Unternehmens am Ende stattfinden
würde und sich durch eine Beschränkung auf einen bestimmten Verkaufsfall die
Beteiligung der Arbeitnehmer an den von ihnen geschaffenen Werten leicht
umgehen ließe, liegt mangels eines nicht bedachten, unvorhergesehenen
Umstands keine planwidrige Lücke vor. Wie bereits zuvor aufgezeigt, handelt es
sich bei der ZV um ein in sich geschlossenes Konzept der Mitarbeiterbeteiligung,
wonach lediglich im Falle des Exits eine Beteiligung am Veräußerungserlös
erfolgen soll. Dass das Eintreten eines solchen Veräußerungsfalls höchst
ungewiss war, haben die vertragsschließenden Parteien erkannt, denn sonst
hätte die ausdrückliche Regelung unter Ziffer 3 lit. b Satz 3 ZV, wonach eine wie
auch immer geartete Verpflichtung der Gesellschafter zur Veräußerung von
Gesellschaftsanteilen nicht besteht, keinen Sinn gemacht. Deshalb musste auch
den begünstigten Arbeitnehmern - wie auch dem Kläger - klar gewesen sein,
dass die Gewährung ihrer Beteiligung auf Basis eines virtuellen Geschäftsanteils
einen großen spekulativen Charakter hat und sie auf die Werthaltigkeit ihrer
Beteiligung nur eingeschränkt, nämlich lediglich für den Fall des Exits oder der
Ausschüttung, vertrauen durften. Unerheblich ist daher, ob der Kläger bei
Abschluss der Vereinbarung darauf hingewiesen wurde, dass eine Beteiligung
am Gewinn nur bei einem ganz bestimmten Veräußerungsfall erfolgen würde.
Denn hierbei handelt es sich - den Vortrag des Klägers zu Grunde gelegt - um
einen unbeachtlichen Irrtum über die rechtlichen Folgen eines zum Zeitpunkt
des Vertragsschlusses bekannten Inhalts (vgl. insoweit BAG 23. September
2014 - 9 AZR 827/12 - Rn. 28, Juris).
92
f) Entgegen der Meinung des Klägers liegt auch kein treuwidriges Verhalten vor,
für das die Beklagte etwa einzustehen hätte. Weder die Ausgliederung der P. V.
O. GmbH aus der PV AG unter Übertragung der wesentlichen Vermögenswerte
auf vorgenannte GmbH noch deren Verschmelzung im Zuge eines Joint-
Ventures auf die Beklagte im Jahr 2009 stellen ein treuwidriges Verhalten im
Sinne von §§ 162 Abs. 1 oder 242 BGB dar.
93
aa) Die Regelung in § 162 Abs. 1 BGB ist Ausdruck des allgemeinen
Rechtsgedankens, das niemand aus einem von ihm treuwidrig herbeigeführten
Ereignis Vorteile herleiten darf (BAG, 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn.
40, Juris). Nach § 162 Abs. 1 BGB gilt eine Bedingung als eingetreten, wenn ihr
Eintritt von der Partei, zu deren Nachteil sie gereichen würde, wider Treu und
Glauben verhindert wird. Wann die Beeinflussung des Geschehensablaufs
treuwidrig ist, lässt sich nicht abstrakt bestimmen, sondern nur im Einzelfall
beurteilen. Maßgeblich ist, welches Verhalten von einem loyalen Vertragspartner
erwartet werden konnte. Dies ist mittels einer umfassenden Würdigung des
Verhaltens der den Bedingungseintritt beeinflussenden Vertragspartei nach
Anlass, Zweck und Beweggrund unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls, insbesondere des Rechtsgeschäfts, festzustellen (BAG, 23.
September 2014, a.a.O., Rn. 32 unter Hinweis auf BGH, 16. September 2009 - V
ZR 244/04, Juris).
94
bb) Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Treuwidrigkeit bereits deshalb aus,
da der Kläger ausweislich des eindeutigen Wortlauts sowie des Hinweises auf
eine nicht gegebene Verpflichtung zur Veräußerung der Geschäftsanteile gem.
Ziffer 3 lit. b ZV Kenntnis davon haben musste, dass es gänzlich ungewiss
gewesen ist, ob ein Exit der Gesellschafter überhaupt erfolgen und eine
Beteiligung am Verkaufserlös sich wiederspiegelnde Wertsteigerung der
emittierenden Gesellschaft überhaupt jemals zur Auszahlung kommen würde.
Ferner hat der Kläger weder vorgetragen noch sind Anhaltspunkte dafür
ersichtlich, dass die PV AG die Ausgliederung der 20/10 P. V. O. GmbH bzw. die
Verschmelzung dieser mit dem Joint-Venture-Partner zur nunmehrigen
Beklagten allein deswegen durchgeführt habe, um ein Entstehen des
Beteiligungsanspruchs des Klägers sowie der sonstigen begünstigten
Arbeitnehmer zu verhindern. Im Übrigen sind diese Maßnahmen der
betrieblichen und gesellschaftsrechtlichen Organisation als Ausfluss des
Grundsatzes der freien Unternehmerentscheidung durch Art. 2 Abs. 1, 12 und 14
GG gewährleistet und damit eine grundrechtlich geschützte Position. Dem
gegenüber handelt es sich ausweislich der Vorbemerkung der ZV bei der
streitgegenständlichen Mitarbeiterbeteiligung ausdrücklich nicht um eine
Vergütung für bisher oder zukünftige geleistete Dienste. Sie ist bezüglich des
Eintritts der anspruchsbegründenden Bedingung, nämlich des Falls des Exits
der Gesellschafter der PV AG, höchst ungewiss. Diese Ungewissheit liegt jedoch
in dem vorbeschriebenen typischen Zweck der gewählten Beteiligungsform
begründet. Anhaltspunkte dafür, dass es mit Sicherheit niemals zu einer
Erlösausschüttung nach Ziff. 3 lit. b ZV im Sinne der durch die vorgenannte
Auslegung gewonnenen Erkenntnisse wird, sind zumindest weder vorgetragen
noch sonst ersichtlich.
95 2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Gewinnausschüttung nach Ziffer 3
lit. c ZV zu, denn ausweislich der eindeutigen Regelung der Ziffer 5 Satz 4 ZV
entfallen Ausschüttungen generell mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
96 Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten wurde eine
Dividendenausschüttung an die Aktionäre der PV AG erstmalig in der
Hauptversammlung am 07. März 2014 beschlossen. Da zu diesem Zeitpunkt das
Arbeitsverhältnis des Klägers längst beendet gewesen ist, liegen die
Anspruchsvoraussetzungen insoweit nicht vor. Auch diesbezüglich ist die Klage
folglich als unbegründet abzuweisen.
97 3. Auch die Anträge auf Erteilung von Auskünften und Versicherung deren
Richtigkeit sind, soweit sie nicht unzulässig sind, als unbegründet abzuweisen.
98
a) Nach der Rechtsprechung des BAG (21. November 2011 - 9 AZR 665/99 - Rn.
52 unter Hinweis auf 05. September 1995 - 9 AZR 660/94 - Juris; vgl. auch
Geisler in Prütting/Gehrlein, a.a.O., § 254 Rn. 15) ist ein Anspruch auf Auskunft
und Versicherung deren Richtigkeit gegenstandslos, wenn feststeht, dass der
Gläubiger auf Grund der Auskunft keinesfalls etwas fordern könnte. Denn die
vorbereitenden Ansprüche auf Auskunft und Richtigkeitsversicherung sind im
Verhältnis zum Haupt(-leistungs-)anspruch nur Hilfsansprüche, weil sie dessen
Durchsetzung ermöglichen sollen. Stellt das Gericht fest, dass der mit der
Stufenklage verfolgte Leistungsanspruch nicht gegeben ist, wird dem Begehren
auf Auskunft und Versicherung gleichzeitig die Grundlage entzogen mit der
Folge, dass die Stufenklage insgesamt durch ein einheitliches Endurteil
abzuweisen ist (vgl. Zöller-Greger, a.a.O., § 254 Rn. 9; MüKo/Becker-Eberhard,
ZPO, 4. Aufl., § 254 Rn. 20).
99
b) Dies ist vorliegend gegeben. Wie zuvor aufgezeigt, stehen dem Kläger die mit
dem Leistungsantrag verfolgten Ansprüche aus der ZV auf Mitarbeiterbeteiligung
nicht zu. Dem Hauptanspruch fehlt somit die rechtliche Grundlage, weswegen
auch keine diesem vorgelagerten Hilfsansprüche auf Auskunft und
Richtigkeitsversicherung bestehen können.
100 4. Schließlich steht dem Kläger auch nicht der geltend gemachte Anspruch auf
Abrechnungserteilung über seine Beteiligungen zu.
101 Nach § 108 GewO ist dem Arbeitnehmer, wenn ein Anspruch auf Zahlung von
Arbeitsentgelt besteht, bei Zahlung eine Abrechnung zu erteilen. Die Abrechnung
dient der Transparenz und bezweckt die Information über die erfolgte Zahlung.
Der Arbeitnehmer soll erkennen können, warum er gerade den ausgezahlten
Betrag erhält. Dagegen gewährt § 108 GewO keinen selbständigen
Abrechnungsanspruch zur Vorbereitung eines Zahlungsanspruchs (BAG 12. Juli
2006 - 5 AZR 646/05 - Rn. 13, Juris BAG 10. Januar 2007 - 5 AZR 665/06 - Rn.
18 Juris; LAG Rheinland-Pfalz 13. Dezember 2012 - 3 Sa 175/12 - Rn. 47 Juris).
102 An einer bereits erfolgten Zahlung auf die geltendgemachten
Beteiligungsansprüche fehlt es vorliegend jedoch.
103 Die Klage ist daher, soweit sie zulässig ist, insgesamt als unbegründet
abzuweisen.
104
III. Nebenentscheidungen
105 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V. mit § 91 ZPO.
106 2. Die Streitwertfestsetzung beruht dem Grunde nach auf § 61 Abs. 1 ArbGG.
107 Die Höhe des Streitwertes richtet sich bei der Stufenklage gem. § 44 GKG nach
dem Wert des höchsten Anspruchs. Dies ist regelmäßig der Wert des
Zahlungsantrages auf der letzten Stufe und wird bestimmt durch das
wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Anspruchsverfolgung, das gem. § 3
ZPO von der Erwartung des Klägers hinsichtlich des wirtschaftlichen Ziels der
Prozessführung geprägt wird. Diesen Wert hat der Kläger auf Nachfrage des
Gerichts in der Kammerverhandlung vom 17. März 2015 auf Euro 295.058, 82
beziffert.
108 3. Die Berufung ist für den Kläger nach Maßgabe des § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG
zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,-- Euro übersteigt.
Eine gesonderte Zulassung der Berufung nach § 64 Abs. 3 ArbGG war mangels
des Vorliegens der diesbezüglichen Voraussetzung nicht veranlasst.