Urteil des ArbG Limburg vom 03.09.2010

ArbG Limburg: vergütung, hotel, mehrarbeit, pause, datum, urlaub, beendigung, stundenlohn, arbeitskraft, hessen

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Gericht:
ArbG Limburg 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 Ca 49/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 17 Abs 3 BBiG
Auszubildender - Mehrarbeitsvergütung
Leitsatz
Hat eine Auszubildende im Gaststättengewerbe Mehrarbeitsstunden zu leisten, die
vorwiegend abends und nachts und häufig alleine stattfanden, spricht viel dafür, dass
es sich nicht um eine Beschäftigung zu Ausbildungszwecken handelt, sondern lediglich
um die Abdeckung eines zusätzlichen Arbeitsbedarfs. In einem solchen Fall kann auch
eine Auszubildende im 1. Ausbildungsjahr nicht nur mit der auf einen Stundenlohn
heruntergerechneten Ausbildungsvergütung entlohnt werden, sondern sie ist für die
Mehrarbeitsstunden in der tarifvertraglich vorgesehenen niedrigsten
Bewertungsgruppe, der Bewertungsgruppe 1 zu vergüten.
Tenor
1. Die Beklagte zu 1 – 3 werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin
1.193,28 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz auf 1.055,15 € seit dem 01.09.2009 und auf weitere 138,13 € seit
dem 01.10.2009 zu zahlen.
2. Die Beklagten zu 1 – 3 werden gesamtschuldnerisch verurteilt, der Klägerin ein
qualifiziertes Ausbildungszeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer der
Ausbildung erstreckt.
3. Die Beklagten zu 1 – 3 werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die
Arbeitsbescheinigung auf dem Vordruck der Agentur für Arbeit zu erteilen und an
die Klägerin herauszugeben.
4. Die Beklagten zu 1 – 3 werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin
491,84 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 01.04.2010 zu zahlen.
5. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
6. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 29 %, die Beklagten als
Gesamtschuldner zu 71 %.
7. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.151,92 € festgesetzt.
8. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
Die am A geborene Klägerin war bei der Beklagten zu 1) gem. Ausbildungsvertrag
vom 30.05.2008 seit dem 01.08.2008 als Auszubildende zur Hotelfachfrau
beschäftigt. Die Beklagte zu 1) betreibt in B ein Hotel; die Beklagten zu 2) und 3)
sind die Gesellschafter der Beklagen zu 1). Die Beklagte zu 1) kündigte das
Ausbildungsverhältnis zum 15.03.2010. Gegen diese Kündigung hat die Klägerin
sich gerichtlich nicht zur Wehr gesetzt. Der Ausbildungsvertrag verweist hinsichtlich
der Vergütung auf die Tarifverträge des Hotel- und Gaststättengewerbes (Bl. 9
d.A.), sieht eine wöchentliche Ausbildungszeit von 40 Stunden vor und im ersten
Ausbildungsjahr eine Vergütung von 577,00 € brutto und im zweiten Jahr eine
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Ausbildungsjahr eine Vergütung von 577,00 € brutto und im zweiten Jahr eine
Ausbildungsvergütung von 641,00 € brutto im Monat. Als Urlaubsanspruch waren
für das Jahr 2008 12 Werktage vereinbart, für die Jahre 2009 und 2010 jeweils 28
Werktage. Nach § 5 des Berufsausbildungsvertrags wird eine über die vereinbarte
regelmäßige Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung besonders vergütet
oder wird durch entsprechende Freizeit ausgeglichen. Hinsichtlich des weiteren
Inhalts des Ausbildungsvertrags wird auf Bl. 9/10 d.A. verwiesen.
Die Parteien streiten mittlerweile noch bzgl. einer Überstundenvergütung für die
Klägerin, die Erteilung von Arbeitspapieren (Zeugnis, Arbeitsbescheinigung) und
Urlaubsabgeltung. Ursprünglich hatte die Klägerin auch die Zahlung einer
tarifgemäßen Vergütung (120,00 € und 100,00 € innerhalb des Klagantrags zu 1),
sowie einen restlichen Nettolohnanspruch für die Monate August bis November
2009 eingeklagt (ursprünglicher Klagantrag zu 2). Für Dezember 2009, Januar,
Februar und März 2010 zahlten die Beklagte zu 1) zunächst keine
Ausbildungsvergütung. Mit Schreiben vom 16.12.2009 hatte die Klägerin durch die
sie vertretende Gewerkschaft der Beklagten zu 1) mitteilen lassen, dass sie wegen
der fehlenden Bezahlung der tarifgemäßen Ausbildungsvergütung und der
fehlenden Vergütung für die Monate Oktober und November 2009 sowie der
fehlenden Vergütung von Mehrarbeitsstunden ihre Arbeitskraft ab dem 01.01.2010
zurückbehalten werde, falls die offenen Ausbildungsvergütungen nicht bis zum
31.12.2009 ausgezahlt würden (vgl. das Schreiben Bl. 6-8 d.A.). Im Gütetermin
vom 09.04.2010 schlossen die Parteien einen Teilvergleich über die ausstehenden
Lohnzahlungen vom August 2009 bis März 2010 sowie über die Forderung der
Klägerin nach einer tarifgemäßen Vergütung (vgl. insoweit das Protokoll der
Güteverhandlung, Bl. 33 d.A.).
Die Klägerin behauptet, sie habe im Jahre 2009 eine Vielzahl von Überstunden
geleistet. Hierzu wird auf die von der Klägerin eingereichte Tabelle (Bl. 44 – 48 d.A.)
verwiesen. Sie sei zum Dienst eingeteilt worden und habe dann bleiben müssen,
bis der letzte Gast zu Bett ging. Sie habe meistens das Hotel alleine abschließen
und, da sie zum Zeitpunkt der Erbringung der Überstunden noch keinen
Führerschein hatte, von ihrer Mutter nachts abgeholt werden müssen. Der
Beklagte zu 2) und der Ausbilder hätten die Dienstpläne erstellt und die Klägerin
alleine im Hotel zurück gelassen, um den Geschäftsbetrieb bis zum Dienstende
aufrecht zu erhalten und dann das Hotel durch sie abschließen zu lassen.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Mehrarbeitsstunden wegen des dabei in
Kauf genommenen Verstoßes gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz mit einem
Stundenentgelt der Tarifgruppe 4.1 des Entgelttarifvertrags für das Hotel- und
Gaststättengewerbe vergütet werden müssten, also mit einem Stundenlohn von
9,20 € bis zum 31.08.2009 und einem Stundenlohn von 9,46 € brutto ab dem
01.09.2009.
Die Klägerin behauptet weiterhin, dass ihr der Beklagte zu 3) am 11.12.2009 auf
ihr Verlangen 250,00 € Restgehalt für Oktober ausgezahlt habe und erklärt habe,
dass sie das Novembergehalt nicht bekommen könne, da nicht genug Geld da sei.
Am 13.12.2009 habe ihre Arbeitskollegin C ihr mitgeteilt, dass sie nicht mehr im
Betrieb erscheinen bräuchte. Vom 15.12.2009 bis zum 03.01.2010 sei sie
durchgängig krank geschrieben gewesen. Sie habe im Jahre 2009 an folgenden
Tagen Urlaub genommen:
05.01.2009 – 08.01.2009 = 4 Tage
10.01.2009 – 11.01.2009 = 2 Tage
25.06.2009 = 1 Tag
13.07.2009 – 17.07.2009 = 5 Tage
12.10.2009 – 16.10.2009 = 5 Tage.
Aufgrund der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses zum 15.03.2010 stünden
ihr für die Jahre 2009 und 2010 insgesamt 33 Urlaubstage zu, von denen sie 17
genommen habe. Deshalb könne sie noch eine Urlaubsabgeltung für 16
Urlaubstage in Höhe von 491,84 € verlangen. Arbeitsbescheinigung und
Arbeitszeugnis seien trotz Zusicherung bislang nicht erteilt worden.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten zu 1 – 3 gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin
2.528,90 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz aus 430,10 € brutto seit 01.11.2009, aus 1.720,40 € brutto seit dem
01.09.2009 sowie aus 378,40 € brutto seit dem 01.10.2009 zu zahlen,
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2. die Beklagten zu 1 – 3 gesamtschuldnerisch zu verurteilen, der Klägerin ein
qualifiziertes Ausbildungszeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer der
Ausbildung erstreckt,
3. die Beklagten zu 1 – 3 gesamtschuldnerisch zu verurteilen, die
Arbeitsbescheinigung auf dem Vordruck der Bundesagentur für Arbeit zu erteilen
und an die Klägerin herauszugeben,
4. die Beklagten zu 1 – 3 gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin
491,84 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 15.03.2010 zu zahlen,
5. die Beklagten zu 1 – 3 gesamtschuldnerisch zu verurteilen, 215,18 € brutto
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
dem 15.03.2010 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, die von der Klägerin behaupteten Überstunden seien
nicht vom Ausbilder D angeordnet worden. Die Klägerin sei darauf hingewiesen
worden, dass die wöchentliche und tägliche Arbeitszeit einzuhalten sei. Im
Dienstplan sei der Beginn der Arbeitszeit vorgesehen gewesen, ein Ende jedoch
nicht. Es habe jedoch die Anweisung gegeben, dass die Klägerin die tägliche
Arbeitszeit 8 Stunden nicht überschreiten solle. Die Klägerin habe vom 11.12.2009
bis zum 09.01.2010 Urlaub geplant gehabt, der von den Beklagten nicht
genehmigt worden sei; daraufhin habe die Klägerin unentschuldigt gefehlt. Auf ein
Zurückbehaltungsrecht habe die Klägerin sich nicht berufen können, da die
Vergütung für den Monat Dezember noch nicht zur Zahlung fällig gewesen sei.
Soweit die Klägerin in der Klagerweiterung vom 15.04.2010 die Herausgabe der
lohnsteuerrechtlichen Bescheinigungen und der sozialversicherungsrechtlichen
Bescheinigungen verlangt hatte, haben die Parteien im Kammertermin ihren
Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist hinsichtlich der Vergütung von Überstunden nur teilweise begründet,
im Hinblick auf die Erteilung eines Ausbildungszeugnisses und einer
Arbeitsbescheinigung sowie im Hinblick auf die Abgeltung von Urlaub begründet.
I.
Für die bei der Beklagten zu 1) abgeleisteten Mehrarbeitsstunden hat die Klägerin
gegenüber den Beklagten gem. §§ 611, 612 BGB i.V.m. dem zwischen den
Parteien abgeschlossenen Ausbildungsvertrag einen Anspruch auf Bezahlung einer
Vergütung in Höhe von 1.193,28 € brutto nebst Zinsen, jedoch nicht darüber
hinaus.
1.
Zur Begründung eines Anspruchs auf Überstundenvergütung hat ein
Arbeitsnehmer im Einzelnen darzulegen, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten
er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Er muss dabei vortragen, von
welcher Normalarbeitszeit er ausgeht, dass er tatsächlich gearbeitet und welche
Tätigkeiten er ausgeführt hat (vgl. nur BAG 03.11.2004 – 5 AZR 648/03, AP Nr. 49
zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung).
Diese Grundsätze gelten auch, soweit ein Auszubildender oder eine Auszubildende
Mehrarbeitsvergütung gem. § 17 Abs. 3 BBiG verlangt. Danach ist eine über die
vereinbarte regelmäßige tägliche Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung
besonders zu vergüten oder durch die entsprechende Freizeit auszugleichen. Bei
der Darlegung der Ableistung von Überstunden besteht je nach Einlassung des
Arbeitgebers eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Dem Arbeitgeber
obliegt es, einem konkreten Vortrag des Arbeitnehmers substantiiert entgegen zu
treten. Erklärt ein Arbeitnehmer im Einzelnen, an welchen Tagen er zu welcher
Arbeitszeit gearbeitet hat, ist es Sache des Arbeitgebers, den Vortrag des
Arbeitnehmers substantiiert entgegen zu treten. Erst anhand des konkreten
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Arbeitnehmers substantiiert entgegen zu treten. Erst anhand des konkreten
Sachvortrags des Arbeitgebers kann das Gericht dann feststellen, welche
Tatsachen streitig sind. Anschließend ist es Sache des Arbeitnehmers, im
Einzelnen Beweis für die geleisteten Stunden anzutreten (BAG 17.04.2002 – 5 AZR
644/00, EzA Nr. 148 zu § 4 TVG Ausschlussfristen). Darüber hinaus muss der
Arbeitnehmer – und ebenso der oder die Auszubildende – darlegen und ggf.
beweisen, dass die von ihm behaupteten Überstunden vom Arbeitgeber
angeordnet, gebilligt oder geduldet worden sind oder jedenfalls zur Erledigung der
geschuldeten Arbeit notwendig waren (BAG 25.05.2005 – 5 AZB 319/04, EzA Nr. 1
zu § 611 BGB 2002 Mehrarbeit).
Die Klägerin hat hier für einzelne Tage im Schriftsatz vom 30.04.2010 dargestellt,
zu welcher Uhrzeit der Beginn ihrer Ausbildung im Dienstplan vermerkt war und
dass sie hier beispielsweise zur Arbeit im Restaurant eingeteilt war. Darüber hinaus
hat die Klägerin im Einzelnen vermerkt, wann ihr Dienstende war und dass sie
dieses Dienstende mit dem Abschließen des Hotels beendet hat.
Ein derartiger Vortrag genügt den Angaben für eine konkrete Darstellung der
abgeleisteten Arbeitszeit. Die Klägerin hat dabei vorgetragen, dass sie verpflichtet
war, im Hotel zu bleiben, bis der letzte Gast zu Bett ging und dass sie häufig das
Hotel abschließen musste. Sie hat in ihrer Auflistung im Einzelnen dargelegt, an
welchen Tagen sie das Hotel ohne Beaufsichtigung einer anderen Person
abgeschlossen hat.
Soweit die Beklagten vorgetragen haben, es habe die Anweisung bestanden, nicht
länger als 8 Stunden zu arbeiten, haben die Beklagten nicht vorgetragen, welche
Maßnahmen sie getroffen haben, um eine anderweitige Betreuung von Gästen
nach Ablauf der 8-stündigen Arbeitszeit der Klägerin zu gewährleisten.
Der Vortrag der Klägerin, sie sei in den Abendstunden in der Regel alleine gewesen
und hätte das Hotel abschließen müssen, haben die Beklagten nicht bestritten
(dieser Vortrag ist daher gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen). Die
Beklagten können deshalb auch nicht damit gehört werden, sie hätten keine
Überstunden angeordnet, sondern im Gegenteil untersagt. Soweit sie die Klägerin
für einen Dienstbeginn um 11.00 Uhr eingeteilt haben, haben die Beklagten nicht
vorgetragen, welche Vorkehrungen sie für den Betrieb ihres Hotels nach 19.00 Uhr
getroffen haben. Dem Vortrag der Klägerin, dass sie an konkreten Tagen jeweils
bis zu einer bestimmten Uhrzeit habe im Hotel verbleiben müssen, sind die
Beklagten nicht mit konkreten Tatsachen entgegen getreten. Ihr Bestreiten ist
unsubstantiiert.
Das Gericht geht deshalb von folgenden Arbeitszeiten der Klägerin aus:
Soweit die Klägerin in der Klage behauptet, sie habe im Januar 2009 69,5 Stunden
Mehrarbeit geleistet, ist dies anhand der Einzelaufstellung im Schriftsatz vom
30.04.2010 (Bl. 44 d.A.) nicht nachzuvollziehen. Einzelne rechnerische
Ungenauigkeiten (17.1., 24.1.) hat die Kammer zu Lasten der
darlegungsbelasteten Klägerin berechnet.
Für den Februar 2009 hat die Klägerin nach der Klageschrift und auch nach der
Forderungsaufstellung der Einzelgewerkschaft vom 16.12.2009 keine
Mehrarbeitsvergütung gefordert.
Im März 2009 hat die Klägerin an ihrer von den Beklagten nicht im Einzelnen
bestrittenen Behauptung folgende Mehrarbeitsstunden abgeleistet:
Soweit die Klägerin in der Klage von 53 Mehrarbeitsstunden im März 2009 ausgeht,
kann dies anhand der von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 30.04.2010
vorgelegten Tabelle nicht nachvollzogen werden.
Im April 2009 hat die Klägerin nach dem von den Beklagten nicht im Einzelnen
bestrittenen Vortrag folgende Mehrarbeitsstunden abgeleistet:
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Für den 23.04.2009 hat die Klägerin zu Recht ihre gesamte Arbeitszeit als
Mehrarbeitsstunden angesetzt, da sie an diesem Tag bereits vorher zur
Berufsschule gegangen war und an diesem Tag nicht mehr arbeiten brauchte (§ 15
BBiG).
Im Mai 2009 hat die Klägerin, ohne dass dies im Einzelnen von den Beklagten
bestritten worden wäre, folgende Mehrarbeitsstunden abgeleistet:
Soweit die Klägerin in ihrer Klage vom 01.02.2010 von 31 Stunden Mehrarbeit im
Mai 2009 ausgeht, ist diese Angabe aufgrund der von der Klägerin im Schriftsatz
vom 30.04.2010 eingereichten Tabelle (Bl. 47 d.A.) nicht nachvollziehbar.
Im August 2009 hat die Klägerin im Einzelnen folgende Mehrarbeitsstunden
abgeleistet, die von der Beklagten im Einzelnen nicht bestritten sind:
Soweit die Klägerin in der Klage vom 01.02.2010 16,5 Mehrarbeitsstunden für den
August angegeben hat, ist dies aus der Tabelle mit den Einzelangaben der
Arbeitszeit für August 2009 (Bl. 47/48 d.A.) nicht nachzuvollziehen.
Insgesamt hat die Klägerin somit in der Zeit von Januar 2009 bis August 2009 167
¾ Mehrarbeitsstunden für die Beklagte zu 1) erbracht.
Im September 2009 hat die Klägerin für die Beklagten nach der von diesen nicht
im Einzelnen bestrittenen Behauptung folgende Mehrarbeitsstunden erbracht:
Für den 25.09.2009 hat die Klägerin zu Recht ihre gesamte Arbeitszeit als
Mehrarbeitsstunden angesetzt, da sie entgegen § 15 BBiG nach einem
Berufsschultag noch von der Beklagten zu 1) zur Arbeit eingeteilt worden ist.
Die gesamte von der Klägerin für die Beklagte zu 1) abgeleistete Mehrarbeit von
186 ¾ Stunden in der Zeit von Januar bis einschließlich September 2009 ist von
der Klägerin nicht nur im Einzelnen vom Arbeitsbeginn und Arbeitsende dargestellt
worden –einschließlich der abzuziehenden Pausen- sondern sie hat darüber hinaus
in ihren Tabellen dargestellt, zu welcher Arbeit sie nach dem Dienstplan eingeteilt
war. Die Klägerin hat darüber hinaus dargestellt, an welchen Tagen sie zu welcher
Zeit sie ihre Arbeit entweder durch Abschließen des Hotels, des Pubs oder des
Biergartens alleine beendet hat oder wann sie jeweils durch einen anderen
Mitarbeiter abgelöst worden ist. Erschreckend ist dabei für die Kammer die
Skrupellosigkeit der Beklagten, mit der sie sich über die Beschränkungen bei der
Nachtarbeit von Jugendlichen gem. § 14 JArbSchG hinweg gesetzt haben. Die
Klägerin war zum damaligen Zeitpunkt noch minderjährig und hätte in Gaststätten
gem. § 14 Abs. 2 JArbSchG nur bis 22.00 Uhr beschäftigt werden dürfen.
2.
Die abgeleisteten Mehrarbeitsstunden einer Auszubildenden sind gem. § 17 Abs. 3
BBiG besonders zu vergüten oder durch entsprechende Freizeit auszugleichen.
Einen entsprechenden Freizeitausgleich haben die Beklagten nicht vorgetragen.
Die entsprechende Verpflichtung zur Vergütung der Mehrarbeit ergibt sich auch
aus § 5 Ziff. 1 des Ausbildungsvertrags zwischen den Parteien.
a)
Die Höhe der für Mehrarbeitsstunden zu leistende Vergütung ist im Gesetz oder
im Berufsausbildungsvertrag nicht näher geregelt. Der Rückgriff auf die
Angemessenheit der Vergütung im Sinne des § 17 Abs. 1 BBiG, der allgemein
vorgenommen wird (vgl. nur BAG 25.04.1984 – 5 AZR 528/82, JURIS;
Schaub/Vogelsang, Arbeitsrechtshandbuch, 13. Auflage, § 174 Rn. 67), bedarf
dabei unter Abwägung der näheren Umstände, zu der es zu der abgeleisteten
Mehrarbeit kam, einer näheren Konkretisierung. Weder wird man generell davon
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Mehrarbeit kam, einer näheren Konkretisierung. Weder wird man generell davon
ausgehen können, dass die vereinbarte Ausbildungsvergütung auch während der
Mehrarbeit zu zahlen ist, ggf. unter Berücksichtigung eines Mehrarbeitszuschlags
von 25 %, soweit dieser tarifüblich ist (so etwa Küttner/Kania, Personalbuch 2010,
Ausbildungsverhältnis Rn. 31; in diese Richtung auch BAG 25.04.1984 – 5 AZR
528/82), noch wird man generell davon ausgehen können, dass bei Mehrarbeit
dem Auszubildenden grundsätzlich die Arbeitsvergütung einer entsprechend
qualifizierten Arbeitskraft zu gewähren ist (so aber HaKo, Arbeitsrecht/Gross, § 17
BBiG, Rn. 7). Man wird darauf abstellen müssen, ob während der Mehrarbeit eine
Ausbildung in dem vertraglich vereinbarten Ausbildungsberuf stattgefunden hat
oder ob der Auszubildende während dieser Zeit lediglich als billige Arbeitskraft
eingesetzt worden ist. Insofern hat das Sächsische Landesarbeitsgericht (Urteil
vom 16.01.2008 – 9 Sa 269/07, JURIS) bei einem Auszubildenden zum Koch
durchaus zu Recht entschieden, dass dieser während der Überstunden, in denen
er mit dem Zubereiten von Speisen und dem Zubereiten von kalten Büffets
beschäftigt war, die Mehrarbeit auf Basis der Ausbildungsvergütung zu erhalten
hat. Es hat aber darüber hinaus auch darauf hingewiesen, dass dann, wenn dem
Auszubildenden Arbeiten übertragen werden, die in keinem Sachzusammenhang
mit der Ausbildung stehen, sondern lediglich einen zusätzlichen
Beschäftigungsbedarf im Betrieb abdecken sollen, anderes gelten kann. So hat
etwa das Arbeitsgericht Rheine (Arbeitsgericht Rheine, Urteil vom 13.11.1991 – 2
Ca 134/91, NZA 1992, 413) entschieden, dass die Beauftragung mit der
Wochenendfütterung in der Landwirtschaft für einen Auszubildenden der
Landwirtschaft nicht zum Ausbildungsverhältnis gehört und damit gem. § 612 Abs.
2 BGB mit der für die gewerblichen Arbeitnehmer tariflich vorgesehenen Vergütung
zu bezahlen ist (in diese Richtung offenbar auch Schaub/Vogelsang,
Arbeitsrechtshandbuch, 13. Auflage, § 174 Rn. 67).
Hier sprechen die Umstände des Einzelfalls dafür, die von der Klägerin
abgeleistete Mehrarbeitszeit nicht auf Basis der Ausbildungsvergütung zu
entgelten, sondern auf Basis eines Tarifentgelts für vollzeitbeschäftigte Hilfskräfte.
Zwar mag die Tätigkeit der Klägerin, die sie bei der Beklagten zu 1) auch in den
Abendstunden abgeleistet hat, durchaus ausbildungsgeeignet sein. Jedoch hat die
Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass sie über weite Teile alleine war und in
vielen Fällen alleine das Hotel oder den Restaurationsbetrieb abgeschlossen hat.
Eine ordnungsgemäße Ausbildung konnte während dieser Zeit nicht stattfinden.
Eigentlich ist eine Mehrbeschäftigung von Auszubildenden ohnehin nur dann
zulässig, wenn auch der Ausbilder oder die von diesem bestellte Aufsichtsperson
zur gleichen Zeit tätig ist (Küttner/Kania, Personalbuch 2010,
Ausbildungsverhältnis Rn. 31; Wohlgemuth, BBiG, § 10 Rn. 17).
Gerade die Umstände der Beschäftigung der Klägerin in den Mehrarbeitsstunden,
die vorwiegend abends und nachts und häufig alleine stattfanden, sprechen dafür,
dass es sich hier nicht um eine Beschäftigung zu Ausbildungszwecken handelt,
sondern lediglich um die Abdeckung eines zusätzlichen Arbeitsbedarfs. In einem
solchen Fall kann die Auszubildende nicht nur mit der auf einen Stundenlohn
heruntergerechneten Ausbildungsvergütung entlohnt werden. Andererseits kann
sie nicht wie eine ausgebildete Kraft vergütet werden. Die Klägerin befand sich zum
Zeitpunkt ihres Einsatzes bei der Beklagten zu 1) größtenteils im ersten
Ausbildungsjahr, ab dem 01.08.2009 im zweiten Ausbildungsjahr. In diesem
Ausbildungsstadium hält die Kammer es für zu hoch gegriffen, die Klägerin gem. §
612 Abs. 2 BGB wie eine angelernte Fachkraft ohne abgeschlossene
Berufsausbildung mit Tätigkeiten, die fachliche Kenntnisse erfordern, die durch
Anleitung in betrieblicher Praxis in entsprechendem gastgewerblichem
Tätigkeitsbereich erworben wurden, in der Bewertungsgruppe 4 des
Entgelttarifvertrags für das Hotel- und Gaststättengewerbe Hessen zu vergüten.
Derartige fachliche Kenntnisse können bei einem Auszubildenden im ersten
Ausbildungsjahr noch nicht erwartet werden. Für angemessen hält die Kammer
eine Vergütung in der tarifvertraglich vorgesehenen niedrigsten
Bewertungsgruppe, der Bewertungsgruppe 1 für Hilfskräfte mit einfachen
Tätigkeiten, die keine Vorkenntnisse erfordern. Anhaltspunkte dafür, dass eine
Vergütung in einer höheren Bewertungsgruppe angemessen wäre, hat die Klägerin
nicht vorgetragen.
b)
Die Tätigkeit der Klägerin ist deshalb gemäß § 6 des Entgelttarifvertrags für das
Hotel- und Gaststättengewerbe in Hessen für die Zeit bis zum 31.08.2009 auf
Basis eines Monatsentgelts von 1.091,00 € brutto zu vergüten und ab dem
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Basis eines Monatsentgelts von 1.091,00 € brutto zu vergüten und ab dem
01.09.2009 auf Basis eines Monatsentgelts von 1.260,00 €. Umgerechnet auf
einen Stundenlohn ergibt dies eine Vergütung für die Zeit bis zum 31.08.2009 von
6,29 €/Stunde und ab dem 01.09.2009 von 7,27 €/Stunde. Bei 167 ¾ Überstunden
in der Zeit von Januar 2009 bis August 2009 ergibt dies eine von der Beklagten zu
1) zu erbringende Zahlung an die Klägerin von 1.055,15 € brutto und für die 19
Überstunden des Monats September 2009 einen von der Beklagten zu 1) an die
Klägerin zu zahlenden Betrag von 138,13 € brutto. Zusammen ergibt dies ein
Betrag in Höhe von 1.193,28 € brutto.
Soweit die Klägerin einen höheren Betrag sowohl aufgrund der Annahme einer
höheren Anzahl von Überstunden als auch aufgrund der Annahme einer höheren
Vergütung pro Überstunde gefordert hat, ist die Klage abzuweisen.
c)
Entsprechend dem Klagantrag ist der Betrag von 1.055,15 € wegen Verzugs gem.
§§ 286, 288 BGB mit dem gesetzlichen Zinssatz ab dem 01.09.2009 und der
Betrag von 138,13 € ab dem 01.10.2009 zu verzinsen.
3.
Die Beklagten zu 2) und zu 3) haften als Gesellschafter der Beklagten zu 1), die in
der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft betrieben wird, gesamtschuldnerisch
neben der Beklagten zu 1). Insofern ist die Haftung der BGB-Gesellschafter der
Haftung von OHG-Gesellschaftern nach § 128 HGB angenähert (vgl.
Palandt/Sprau, BGB, 67. Auflage, § 714 Rn. 11 ff.).
II.
Nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses zum 15.03.2010 hat die Klägerin
gegenüber der Beklagten zu 1) gem. § 16 Abs. 1 BBiG einen Anspruch auf
Erteilung eines schriftlichen Zeugnisses. Da die Beklagte zu 1) dieses bislang nicht
erteilt hat, ist sie zur Erteilung eines solchen Zeugnisses zu verurteilen. Die
Beklagten zu 2) und zu 3) haften für die Erfüllung dieses Zeugnisses als
Gesamtschuldner.
III.
Die Beklagte zu 1) hat nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses gegenüber
der Beklagten zu 1) einen Anspruch auf Erteilung einer Arbeitsbescheinigung gem,
§ 312 SGB III. Dabei ist ein Berufsausbildungsverhältnis ein
Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinn, wie sich aus § 7
Abs. 2 SGB IV ergibt. Die Beklagte zu 1) hat eine derartige Arbeitsbescheinigung
noch nicht erteilt. Für die Erfüllung dieser Verpflichtung haften die Beklagten zu 2)
und3) gesamtschuldnerisch neben der Beklagten zu 1).
IV.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung gem. § 7 Abs. 4 BUrlG in
Höhe von 491,84 € brutto. Gem. § 7 Abs. 4 BUrlG ist der Urlaub abzugelten, wenn
er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr
gewährt werden kann. Dabei ist ein Arbeitsverhältnis in diesem Sinne auch ein
Berufsausbildungsverhältnis (§ 2 S. 1 BUrlG). Die Klägerin hat dabei nach dem
Ausbildungsvertrag in den Jahren 2009 und 2010 jeweils einen Urlaubsanspruch
von 28 Werktagen. Gewährt wurden der Klägerin nach ihrem unwidersprochenen
Vortrag im Jahre 2009 17 Werktage (05.01.2009-08.01.2009 = 4 Tage, 10.01.2009-
11.01.2009 = 2 Tage, 25.06.2009 = 1 Tag, 13.07.2009-17.07.2009 = 5 Tage,
12.10.2009-16.10.2009 = 5 Tage). Ein weiterer von der Klägerin beantragter
Urlaub vom 11.12.2009 bis 09.01.2010 wurde ihr von der Beklagten zu 1) nicht
genehmigt. Insofern ist der restliche Urlaubsanspruch aus dem Jahre 2009 gem. §
7 Abs. 3 Satz 1 und 2 BUrlG auf das Jahr 2010 zu übertragen. Es handelt sich
hierbei um 28 – 17 = 11 Urlaubstage. Hinzu kommen weitere 5 Urlaubstage für die
Monate Januar und Februar 2010, wie die Klägerin richtig in ihrem Schriftsatz vom
15.04.2010 errechnet hat. Abzugelten sind damit 16 Urlaubstage. Für die Höhe
der Urlaubsabgeltung ist von dem Entgelt zur Zeit der Beendigung des
Ausbildungsverhältnisses auszugehen, somit von 666,00 € brutto im Monat. Die zu
zahlende Urlaubsabgeltung hat daher die Klägerin richtig mit 491,84 € brutto
errechnet (666,00 € x 3 Monate : 65 Tage x 16 Urlaubstage).
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Soweit die Klägerin darüber hinaus Urlaubsabgeltung für das Jahr 2008 verlangt,
und zwar für weitere 7 Tage nicht genommenen Urlaubs im Jahre 2008, ist die
Klage nicht begründet. Zwar mag die Klägerin im Jahre 2008 einen
Teilurlaubsanspruch gem. § 5 Abs. 1a BUrlG erworben haben. Die Klägerin hat
jedoch nicht vorgetragen, dass sie die Übertragung dieses Teilurlaubsanspruchs
auf das nächste Kalenderjahr verlangt hat (§ 7 Abs. 3 S. 4 BUrlG). Insoweit ist
daher die Klage abzuweisen.
V.
Bezogen auf den Gerichtskostenstreitwert von 5.401,92 €, der sich ergibt aus den
Zahlungsanträgen von 2.528,90 €, 491,84 € und 215,18 € und den ursprünglichen
Klaganträgen aus der Klagerweiterung von 15.04.2010 Ziff. 2-5 mit einem
Gesamtstreitwert von 1.500,00 € trägt die Klägerin 29 % der Kosten des
Rechtsstreits gem. § 92 ZPO, die Beklagte 71 %.
Dies ergibt sich daraus, dass die Klägerin in Höhe von 1.193,28 € und 491,84 €
obsiegt hat sowie mit dem Zeugnisanspruch im Wert von 666,00 € sowie der
Erteilung einer Arbeitsbescheinigung mit einem Streitwert von 250,00 €.
Außerdem haben die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit bzgl. der
Anträge zu 2) – 5) aus der Klagerweiterung vom 15.04.2010 übereinstimmend für
erledigt erklärt. Soweit ist die Klägerin ebenfalls so zu behandeln, als hätte sie
obsiegt. Die Klägerin ist lediglich im Hinblick auf die Mehrforderung bei der
Überstundenvergütung und hinsichtlich der Urlaubsabgeltung für 2008 unterlegen.
Der Wert des Streitgegenstands für das Urteil beträgt 4.151,92 €. Dieser ergibt
sich aus den Zahlungsbeträgen sowie einem Betrag von 666,00 € für das Zeugnis
und 250,00 € für die Arbeitsbescheinigung.
Gründe für die Zulassung der Berufung gem. § 64 Abs. 3 ArbGG sind nicht
ersichtlich.
Im Übrigen wird im Hinblick auf die Zulässigkeit der Berufung auf die nachfolgende
Rechtsmittelbelehrung verwiesen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.