Urteil des ArbG Köln vom 30.06.2009

ArbG Köln: juristische person, verwaltung, vertrauensmann, abgrenzung, anhörung, arbeitsgericht, kongruenz, mitbestimmungsrecht, satzung, kündigung

Arbeitsgericht Köln, 14 BV 399/08
Datum:
30.06.2009
Gericht:
Arbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 BV 399/08
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Kein Leitsatz
Tenor:
Die Anträge werden abgewiesen.
G r ü n d e :
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I.
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Die Beteiligten streiten über die Zuständigkeit der Schwerbehindertenvertretung in
persönlichen Angelegenheiten der schwerbehinderten Menschen in Abgrenzung zur
Zuständigkeit der Gesamtschwerbehindertenvertretung.
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Der Antragsteller ist seit dem 1. April 2004 Vertrauensperson der schwerbehinderten
Menschen im Dezernat 9 (Kultur und Umwelt) des zu 2) beteiligten ....... (im folgenden
.....).
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Die Beteiligte zu 3) ist die bei dem ....... gebildete Gesamtschwerbehinderten-
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vertretung.
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Bei dem ........ ist die Zuständigkeitsabgrenzung in Personalangelegenheiten zwischen
dem Dezernat 3/Fachbereich 12 und dem Fachbereich 14 in der Allgemeinen
Rundverfügung Nr. 17 des Dezernats 3 (Personalamt) (Delegationsverfügung, Bl. 49ff.
d.A.), auf deren Inhalt hiermit Bezug genommen wird, geregelt. Darin hat der .........
einzelne personelle Maßnahmen, wie zB. Abmahnungen und bestimmte Kündigungen,
insgesamt Maßnahmen, in denen eine einheitliche Verfahrensweise im gesamten
Zuständigkeitsbereich sichergestellt werden soll, der Entscheidungshoheit einzelner
Dienststellen (Einzeldienststellen) entzogen. In diesen Fällen ist die sog.
Gesamtdienststelle für die Angelegenheit zuständig. Darüber hinaus kann der .............
delegierte Angelegenheiten jederzeit wieder an sich ziehen.
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Demgegenüber fallen andere personelle Angelegenheiten, wie zB. das Anfordern von
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, in den Zuständigkeitsbereich der
Einzeldienststellen. Dies zugrunde gelegt differenziert der ........... bei der Beteiligung
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des Antragstellers in persönlichen
Angelegenheiten danach, ob die Angelegenheit in die Zuständigkeit der
Einzeldienststelle, dh. des Dezernats 9, oder in die der Gesamtdienststelle fällt. Nur im
ersten Fall beteiligt sie allein den Antragsteller.
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Im Termin zur Anhörung vor der Kammer bestätigten die Beteiligten zudem, dass eine
Beteiligung des Antragstellers immer dann erfolgt, wenn auch der bei dem Dezernat 9
gebildete Personalrat beteiligt wird. Wird hingegen bei einer persönlichen
Angelegenheit der Gesamtpersonalrat beteiligt, so beteiligt der .......... zugleich auch die
Gesamtschwerbehindertenvertretung, nicht aber den Antragsteller.
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Mit Schreiben vom 12. Dezember 2007 (Bl. 6 d.A.) bat der Antragsteller den .......... um
Überprüfung, warum zB. bei Verschiebungen der Rahmenarbeitszeit
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oder bei Kündigungen innerhalb einer Dienststelle die
Gesamtschwerbehindertenvertretung beteiligt werde. Mit Schreiben vom 7.
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Januar 2008 (Bl. 7 d.A.) verwies der ........ auf § 97 Abs. 6 Satz 3 und 4 SGB IX, wonach
die Stufenvertretung in persönlichen Angelegenheiten
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schwerbehinderter Menschen, über die eine oberste Dienstbehörde als
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übergeordnete Dienststelle entscheide, zu beteiligen sei.
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Der Antragsteller ist der Auffassung, die Gesamtschwerbehindertenvertretung sei nur in
Angelegenheiten zu beteiligen, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe
oder Dienststellen des Arbeitgebers beträfen und die von den
Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Betriebe oder Dienststellen nicht
geregelt werden könnten. Die Rechtsauffassung des .......... führe dazu, dass er
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etwa bei dem Ausspruch einer Kündigung oder bei der Verschiebung von
Rahmenarbeitszeiten nicht unmittelbar beteiligt werde. Dies sei im Hinblick darauf, dass
§ 97 Abs. 6 SGB IX § 50 BetrVG entspreche, nicht richtig.
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In der Vergangenheit habe sich der .......... - was zwischen den Beteiligten
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unstreitig ist - entsprechend seiner im Schreiben vom 7. Januar 2008
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geäußerten Rechtsauffassung verhalten, nämlich zB. bei der Verschiebung der
Rahmenarbeitszeit für Außenämter des Dezernats 9 oder bei der Konzeption des
Kassentresens beim Neubau des Regionalmuseums Xanten oder bei Stellungnahmen
zu Kündigungen von im Dezernat 9 beschäftigten schwerbehinderten Menschen allein
die Gesamtschwerbehindertenvertretung beteiligt. Auf die im Schriftsatz des
Antragstellers vom 12. Januar 2009 (Bl. 26ff. d.A.) ferner aufgeführten Einzelfälle wird
Bezug genommen.
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Die Delegationsverfügung verdränge im übrigen nicht die eindeutige gesetzliche
Regelung des § 97 Abs. 6 SGB IX. Das Dezernat 3 (Personalamt) sei keine
übergeordnete Dienststelle.
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Der Antragsteller beantragt,
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1. festzustellen, dass bei persönlichen Angelegenheiten, die die
schwerbehinderten Mitarbeiter oder die Schwerbehinderten
gleichgestellten Mitarbeiter des Dezernats 9 des Beteiligten zu 2)
betreffen, er als Vertrauensmann der Schwerbehinderten unmittelbar
zu beteiligen ist, unabhängig davon, ob die Angelegenheit in die
Zuständigkeit der Gesamtdienststelle oder der Einzeldienststelle fällt;
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hilfsweise
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2. festzustellen, dass er als Vertrauensmann der Schwerbehinderten
bei persönlichen Angelegenheiten einzelner schwerbehinderter
Menschen oder von Schwerbehinderten Menschen gleichgestellten
Personen des Dezernats 9 des Beteiligten zu 2) im Sinne des § 95
SGB IX zu beteiligen ist;
25
äußerst hilfsweise
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3. festzustellen, dass er als Vertrauensmann der Schwerbehinderten
in persönlichen Angelegenheiten einzelner Schwerbehinderter oder
von Schwerbehinderten gleichgestellten Personen des Dezernats 9
des Beteiligten zu 2) wie Kündigungen, Abmahnungen,
Ermahnungen, Fortbildungen, Fragen der Altersteilzeit, Versetzungen,
Umgruppierungen zu beteiligen ist.
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Der .......... beantragt,
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die Anträge abzuweisen.
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Die Gesamtschwerbehindertenvertretung stellt keinen Antrag.
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Der ....... ist der Auffassung, dass das Gesetz hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit
der Konzern-, Gesamt-, Bezirks- und Hauptschwerbehindertenvertretung die
Regelungen der Betriebs- und Personalvertretungen widerspiegle. Er unterscheide
daher bei der Beteiligung des Antragstellers danach, ob die Dienststelle für die
Entscheidung zuständig sei oder nicht, da eine Symmetrie der Beteiligungsverhältnisse
geschaffen werden solle.
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So sei die Kündigung des Herrn .... nicht in die Zuständigkeit der Dienststelle Dezernat
9 gefallen, sondern in die der Gesamtdienststelle. Die Zuständigkeit für die
Entscheidung über Altersteilzeitanträge liege ebenfalls nicht bei der Einzeldienststelle.
Bei der Frage der Teilnahme an den Fortbildungsmaßnahmen sei der Antragsteller
auch nicht zu beteiligen, da sie nicht im Zuständigkeitsbereich der Einzeldienststelle
liege (Ziffer 8.1 der Anlage zur Delegationsverfügung). Die Verschiebung der
Rahmenarbeitszeit stelle keine personelle Einzelmaßnahme dar, da für ganze Bereiche
der Außenämter des Dezernats 9 die Rahmenarbeitszeit verschoben worden sei.
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Schließlich habe er das Beteiligungsverfahren bei Schulungsmaßnahmen seinerzeit in
den Jahren 2006/2007 mit dem Antragsteller und der
Gesamtschwerbehindertenvertretung abgestimmt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den
Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen sowie auf die
Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
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II.
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A. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 3a
ArbGG eröffnet.
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Dem steht zunächst nicht entgegen, dass der Antragsteller als
Schwerbehindertenvertretung bei einer Dienststelle und nicht in einem privaten Betrieb
gebildet ist. Nach der seit dem 1. Juli 2001 geltenden Fassung des § 2a Abs. 1 Nr. 3a
ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für
Angelegenheiten nach den §§ 94, 95, 139 SGB IX, gleichgültig ob die
Schwerbehindertenvertretung in einem Betrieb oder in einer Dienststelle gewählt wurde
(BAG 11. November 2003 – 7 AZB 40/03 – zit. nach juris, GK-ArbGG/Dörner § 2a Rdn.
71; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 6. Aufl. § 2a Rdn. 23).
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Der Richtigkeit des beschrittenen Rechtsweg steht des weiteren nicht entgegen, dass
die Beteiligten im vorliegenden Streit um die in § 97 SGB IX geregelte Frage der
Zuständigkeit der Schwerbehindertenvertretung in Abgrenzung zur Zuständigkeit der
Gesamtschwerbehindertenvertretung streiten und § 2a Abs. 1 Nr. 3a ArbGG nicht auf
diese Vorschrift verweist. Denn die fehlende Erwähnung des § 97 SGB IX in § 2a Abs. 1
Nr. 3a ArbGG beruht offenbar auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers (vgl.
GK-ArbGG/Dörner § 2a Rdn. 72 mN.). Nach Auffassung der erkennenden Kammer sind
daher auch diese Streitigkeiten jedenfalls in analoger Anwendung des § 2a Abs. 1 Nr.
3a ArbGG den Gerichten für Arbeitssachen zugewiesen. Denn dieser Regelung kann
der gesetzgeberische Wille entnommen werden, den Gerichten für Arbeitssachen sind
alle Streitigkeiten über die Wahl und die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung
sowie über deren Aufgaben und Befugnisse zuzuweisen. Hiervon kann die Frage der
sich nach § 97 SGB IX richtenden Zuständigkeit der einzelnen
Schwerbehindertenvertretungen nicht getrennt werden. Denn diese kann regelmäßig
nur beantwortet werden, wenn feststeht, dass es sich überhaupt um Aufgaben der
Schwerbehindertenvertretung nach § 95 SGB IX handelt (ebenso iE. GK-ArbGG/Dörner
§ 2a Rdn. 72).
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Nach § 2a Abs. 2 ArbGG ist über die Streitigkeit schließlich im Beschlussverfahren zu
entscheiden.
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B. An dem Verfahren ist auch die – formell erst durch das Gericht hinzugezogene –
Gesamtschwerbehindertenvertretung als Beteiligte zu 3) beteiligt.
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Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren die Stellen ein Recht auf
Anhörung, die durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung in ihrer
betriebsverfassungs- bzw. personalvertretungsrechtlichen oder
mitbestimmungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen werden (vgl. GK-
ArbGG/Dörner § 83 Rdn. 42 mwN.). Ob einer Stelle eine Rechtsposition oder
Kompetenz in der Betriebsverfassung, der Personalvertretung oder eben nach dem SGB
IX zugewiesen ist, richtet sich nach materiellem Recht.
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Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall in Bezug auf die
Gesamtschwerbehindertenvertretung vor. Der Antragsteller macht Rechte geltend, die
nach Auffassung des ....... - jedenfalls auch - in die Zuständigkeit der
Gesamtschwerbehindertenvertretung fallen können. Im Fall einer stattgebenden
Entscheidung wäre die Zuständigkeit der Gesamtschwerbehindertenvertretung bei
persönlichen Angelegenheiten der im Dezernat 9 beschäftigten schwerbehinderten
Menschen nicht gegeben.
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C. Die zulässigen Anträge sind unbegründet.
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I. Der zu 1) gestellte Hauptantrag ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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a. Der Antrag ist mit der im Termin zur Anhörung vor der Kammer vorgenommenen
Änderung im Wortlaut hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Diese
Vorschrift findet auch im Beschlussverfahren Anwendung. Dies hat zur Folge,
dass der Verfahrensgegenstand so genau bezeichnet werden muss, dass die
eigentliche Streitfrage zwischen den Beteiligten mit Rechtskraftwirkung
entschieden werden kann (BAG 30. Mai 2006 – 1 ABR 17/05 – zit. nach juris).
Wird zB. über das Bestehen von Mitbestimmungsrechten gestritten, muss der
Antragsteller diejenigen Maßnahmen des Arbeitgebers und denjenigen
betrieblichen Vorgang, für die bzw. für den er ein Mitbestimmungsrecht geltend
macht, so genau bezeichnen, dass mit der Entscheidung über den Antrag
feststeht, für welche Maßnahmen oder Vorgänge das Mitbestimmungsrecht bejaht
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oder verneint worden ist (vgl. BAG 27. Oktober 1992 – 1 ABR 17/92 – zit. nach
juris). Entsprechendes gilt, wenn ein im Beschlussverfahren beteiligtenfähiges
Organ für bestimmte Angelegenheiten in Konkurrenz zu einem anderen Organ
eine eigene Zuständigkeit reklamiert.
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Der Antragssteller hat im Anhörungstermin klargestellt, dass er mit den Anträgen seine
originäre Zuständigkeit in "persönlichen Angelegenheiten" der schwerbehinderten
Menschen des Dezernats 9 beansprucht und insoweit zur Bestimmung seines Antrags
Rückgriff auf die Formulierung des § 97 Abs. 6 S. 3 SGB IX genommen. Damit hat er
zwar keine konkrete(n) dienstrechtliche(n) Maßnahme(n) benannt. Es wird jedoch
deutlich, dass er in allen Angelegenheiten, die einen im Dezernat 9 beschäftigten
schwerbehinderten Mitarbeiter in seiner persönlichen Rechtsstellung betreffen, die
Feststellung seiner Zuständigkeit begehrt. Dass er in diesem Zusammenhang auch die
Verschiebung der Rahmenarbeitszeit eines Mitarbeiters zur Erläuterung erwähnt,
schadet diesem Antragsverständnis nicht, da er offenbar davon ausgeht, dass nur der
von ihm erwähnte Mitarbeiter von der Maßnahme betroffen war und den vom ......
angenommenen "organisatorischen" Charakter bestreitet.
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b. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind ebenfalls gegeben. Der
Antragsteller hat ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung seiner
Zuständigkeit bei persönlichen Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen.
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Der Antragsteller kann die Frage seiner Zuständigkeit nach § 97 SGB IX losgelöst von
einem konkreten Einzelfall klären lassen. Denn die zwischen den Beteiligten streitige
Frage, wann der Antragsteller und wann die Gesamtschwerbehindertenvertretung nach
§ 97 Abs. 6 SGB IX in persönlichen Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen zu
beteiligen ist, stellt sich regelmäßig und auch zukünftig wiederkehrend. Mit dem
vorliegenden Rechtsstreit soll demgemäß kein ausschließlich in der Vergangenheit
liegender, abgeschlossener Vorgang einer rechtlichen Prüfung unterzogen werden (vgl.
entsprechend zum allgemeinen Feststellungsantrag bei einem Streit um
betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte: BAG 29. Februar 2000 – 1 ABR 5/99
– zit. nach juris; 28. März 2000 – 1 ABR 17/99 – zit. nach juris).
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Der Antragsteller ist für die Ausübung der Rechte der Schwerbehindertenvertretung im
Zusammenhang mit persönlichen Angelegenheiten der im Dezernat 9 beschäftigten
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schwerbehinderten Menschen nicht gemäß § 97 Abs. 6 SGB IX unabhängig davon
zuständig, ob für die Angelegenheit die Gesamt- oder die Einzeldienststelle zuständig
ist. Seine Zuständigkeit hängt analog § 97 Abs. 6 S. 3 SGB IX vielmehr gerade davon
ab, ob die Angelegenheit in die Zuständigkeit der Gesamtdienststelle oder in die der
Einzeldienststelle, des Dezernats 9, fällt. Nur im letzten Fall stellt er die nach § 97 SGB
IX zuständige Schwerbehindertenvertretung dar.
a. § 97 Abs. 1 SGB IX schreibt für den Fall, dass für den Geschäftsbereich mehrerer
Dienststellen ein Gesamtpersonalrat errichtet ist, die Wahl einer
Gesamtschwerbehindertenvertretung vor. § 97 Abs. 3 SGB IX sieht für den
Geschäftsbereich mehrstufiger Verwaltungen, bei denen ein Bezirks- oder
Hauptpersonalrat gebildet ist, die Bildung von Bezirks- und
Hauptschwerbehindertenvertretungen vor.
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b. Die Vorschrift unterscheidet demgemäß - was die Bildung der verschiedenen
Schwerbehindertenvertretungen angeht - für den Bereich der öffentlichen
Verwaltung zwischen der personalvertretungsrechtlichen Situation in der sog.
mehrstufigen Verwaltung, in der Stufenvertretungen zu bilden sind, und der
Situation in personalvertretungsrechtlich aufgegliederten Dienststellen, in denen
neben den einzelnen Personalräten der Stamm- oder Hauptdienststelle (im
Streitfall: Gesamtdienststelle) und der Nebenstellen und Dienststellenteilen ein
Gesamtpersonalrat zu bilden ist.
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§ 97 Abs. 1 SGB IX soll nun gewährleisten, dass jeder nach den einschlägigen
Personalvertretungsgesetzen zu bildenden Personalvertretung eine
Schwerbehindertenvertretung zugeordnet ist, die über die Beachtung und
Berücksichtigung der besonderen Interessen der schwerbehinderten Menschen in
diesen Beteiligungsgremien wacht (vgl. GK-SchwbG/Schimanski 2. Aufl. § 27 Rdn. 45;
Müller-Wenner/Schorn/Müller-Wenner SGB IX Teil 2 Schwerbehindertenrecht § 97 Rdn.
2, 8). Im Betriebsverfassungsrecht wird diesem Gesetzeszweck ausdrücklich durch die
Regelungen der §§ 32, 52 und 59a BetrVG Rechnung getragen, die ein Teilnahmerecht
der Schwerbehindertenvertretung an Sitzungen des Betriebsrats bzw. der
Gesamtschwerbehindertenvertretung an Sitzungen des Gesamtbetriebsrats bzw. der
Konzernschwerbehindertenvertretung an Sitzungen des Konzernbetriebsrats vorsehen.
Entsprechende Regelungen enthalten das LPVG NW und das BPersVG nicht. Ein
Teilnahmerecht der verschiedenen Schwerbehindertenvertretungen an den Sitzungen
der entsprechenden Personalvertretungen wird jedoch jedenfalls § 95 Abs. 4 SGB IX
entnommen (vgl. Müller-Wenner/Schorn/Müller-Wenner SGB IX Teil 2
Schwerbehindertenrecht § 97 Rdn. 15; Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 10.
Aufl. § 97 Rdn. 2).
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c. Der Grundsatz, dass auf allen Ebenen der betriebsverfassungs- oder
personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmung ein entsprechende
Schwerbehindertenvertretung zu bilden ist, damit eine lückenlose Vertretung der
Interessen der schwerbehinderten Menschen gewährleistet ist, hat zwingend zur
Folge, dass die Zuständigkeiten der verschiedenen
Schwerbehindertenvertretungen denen der betriebsverfassungs- oder
personalvertretungsrechtlichen Organe folgen. Demgemäß wird auch in der
Literatur der Grundsatz aufgestellt, dass das Gesetz hinsichtlich der sachlichen
Zuständigkeit der Schwerbehindertenvertretungen die Regelungen für die
Betriebs- und Personalvertretungen widerspiegelt, so dass alle Angelegenheiten,
die in die Zuständigkeit der Stufenvertretungen des Betriebs- und
Personalvertretungsrechts gehören, dann auch in den Kompetenzbereich der
Stufenvertretungen nach § 97 SGB IX fallen sollen (vgl. Hauck/Noftz- Masuch SGB
IX K § 97 Rdn. 16; Müller-Wenner/Schorn/Müller-Wenner SGB IX Teil 2
Schwerbehindertenrecht § 97 Rdn. 15; zum SchwbG GK-SchwbG/Schimanski 2.
Aufl. § 27 Rdn. 45).
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In der ausdrücklich die verschiedenen Zuständigkeiten der
Schwerbehindertenvertretungen regelnden Vorschrift des § 97 Abs. 6 SGB IX wurde
diesem Grundsatz jedoch nur im Bezug auf das Betriebsverfassungsrecht entsprochen.
So orientiert sich § 97 Abs. 6 S. 1 SGB IX, der die Zuständigkeit der sowohl in Betrieben
als auch in der öffentlichen Verwaltung zu bildenden
Gesamtschwerbehindertenvertretung regelt, offensichtlich nur an § 50 Abs. 1 BetrVG.
Damit stellt das Gesetz zwar eine Kongruenz in der Zuständigkeit von
Gesamtbetriebsrat und Gesamtschwerbehindertenvertretung her. Keine Kongruenz
besteht jedoch im Bereich der öffentlichen Verwaltung. Denn die Zuständigkeit des
Gesamtpersonalrats folgt nach den jeweiligen Personalvertretungsgesetzen anderen
Regeln als § 50 BetrVG sie für das Betriebsverfassungsgesetz vorsieht. Gemäß § 78
Abs. 4 LPVG NW richtet sich die Verteilung der Zuständigkeit zwischen Personalrat und
Gesamtpersonalrat nach der Abgrenzung der Entscheidungsbefugnisse des Leiters der
verselbständigten Teildienststelle – im Streitfall des Leiters des Dezernats 9 – und des
Leiters der Gesamtdienststelle. Die Zuständigkeit des bei der verselbständigten
Teildienststelle gebildeten Personalrats reicht danach nicht weiter als die
Entscheidungsbefugnis des Leiters der Teildienststelle (OVG NW 7. Juni 1990 – CL
86/88 – zit. nach juris).
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Eine am Wortlaut des § 97 Abs. 1 SGB IX orientierte Zuständigkeitsabgrenzung
zwischen der Schwerbehindertenvertretung und der
Gesamtschwerbehindertenvertretung hätte daher im Geltungsbereich des LPVG NW zur
Folge, dass die Zuständigkeiten des Gesamtpersonalrats und der
Gesamtschwerbehindertenvertretung auseinanderfallen können und die
Schwerbehindertenvertretung in Angelegenheiten zu beteiligen ist, in denen auf
personalvertretungsrechtlicher Ebene der Gesamtpersonalrat zu beteiligten ist. Dieses
Auseinanderfallen der Zuständigkeiten hat der Gesetzgeber - wie oben ausgeführt -
ganz offensichtlich nicht gewollt. Für den Bereich der mehrstufigen Verwaltung hat er
einer derartigen Inkongruenz daher durch die Regelung in § 97 Abs. 6 S. 3 SGB IX
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Rechnung getragen und angeordnet, dass die Stufenschwerbehindertenvertretung in
persönlichen Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen zuständig ist, wenn über
sie eine übergeordnete Dienststelle entscheidet. Nach den Gesetzesmaterialien (BT-
Drucks. 10/3138, S. 23) sollte damit auf Zweifelsfragen reagiert werden, ob bei
persönlichen Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen, über die eine
übergeordnete Dienststelle entscheidet, der örtliche Vertrauensmann oder der Bezirks-
bzw. Hauptvertrauensmann der entscheidenden übergeordneten Dienststelle zuständig
ist. Da nach den Regelungen der Personalvertretungsgesetze in diesen Fällen die bei
der zuständigen Dienststelle gebildete Stufenvertretung des Personalrats zu beteiligen
sei, sei auch der jeweilige Stufenvertrauensmann zu beteiligen. Unberücksichtigt
geblieben ist dabei aber, dass vergleichbare Zweifelsfragen auch im Verhältnis
zwischen Schwerbehindertenvertretung und Gesamtschwerbehindertenvertretung
auftreten können. Insoweit weist das Gesetz daher eine Lücke auf. Eine, dem
gesetzgeberisch offenbar gewollten System entsprechende Verteilung der
Kompetenzen kann daher nur erreicht werden, wenn auch die sog. Gesamt- oder
Hauptdienststelle als übergeordnete Dienststelle iSd. § 97 Abs. 6 Nr. 3 SGB IX gilt (vgl.
im übrigen OVG NW 22. März 2000 – 1 A 2756/98.PVL – zit. nach juris. Rdn. 40,
welches auch von der Gesamtdienststelle als "übergeordneter" Behörde spricht).
d. Übertragen auf den Streitfall gilt nach Maßgabe der vorangegangen
herausgearbeiteten Grundsätze folgendes: Der Antragsteller ist nicht ausnahmslos
in persönlichen Angelegenheiten der im Dezernat 9 beschäftigten
schwerbehinderten Menschen in Abgrenzung zur
Gesamtschwerbehindertenvertretung zu beteiligen. Vielmehr kommt seine
"unmittelbare" Beteiligung nicht in Betracht, wenn die Angelegenheit in die
Zuständigkeit der Gesamtdienststelle fällt und auf personalvertretungsrechtlicher
Ebene der Gesamtpersonalrat zu beteiligen ist. Da der umfassende (Global-
)Hauptantrag damit auch Fallgestaltungen umfasst, in denen sich der Antrag als
unbegründet erweist, war er insgesamt als unbegründet abzuweisen (vgl. zum
Globalantrag BAG 26. Juni 2006 – 1 ABR 35/05 – zit. nach juris).
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II. Die Hilfsanträge wurden ausweislich der Antragsbegründung für den Fall gestellt,
dass das Gericht den Hauptantrag für zu unbestimmt oder zu weitgehend hält.
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Ersteres ist – wie oben ausgeführt – nicht der Fall. Der Hauptantrag genügt den
Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Aus diesem Grund sind die Hilfsanträge
nicht zur Entscheidung angefallen.
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Soweit sie auch für den Fall gestellt wurden, dass das Gericht den Hauptantrag für "zu
weitgehend" hält, waren sie jedenfalls abzuweisen. Diese Bedingung erschließt sich
der Kammer nicht, denn es ist nicht klar, was der Antragsteller mit "zu weitgehend"
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meint. Nach Auffassung der Kammer stellen alle Anträge bei sachgerechter Auslegung
und nach der Umformulierung des Hauptantrags jedoch ein einheitliches Begehren dar.
Die Hilfsanträge haben – entgegen dem äußeren Anschein – keine eigenständige
Bedeutung (mehr) (vgl. hierzu BAG 28. März 2006 – 1 ABR 5/05 – zit. nach juris). Sie
formulieren lediglich auf andere Weise das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers,
ohne einen eigenen und anderen Gegenstand in das Verfahren einzuführen.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 2 Abs. 2 GKG gerichtskostenfrei.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen diesen Beschluss kann vom Antragsteller
77
B e s c h w e r d e
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eingelegt werden.
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Für die übrigen Beteiligten ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Beschwerde muss
81
innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht Köln, Blumenthalstraße 33, 50670 Köln eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf
Monaten nach Verkündung des Beschlusses.
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Die Beschwerdeschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen
Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft
oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher
Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und
der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind.
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Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im
wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange
die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der
Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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