Urteil des ArbG Köln vom 26.11.2009

ArbG Köln (kläger, adäquate gegenleistung, wichtiger grund, verhältnis zwischen, allgemeine geschäftsbedingungen, ausbildung, höhe, ausbildungskosten, vereinbarung, widerklage)

Arbeitsgericht Köln, 8 Ca 9209/08
Datum:
26.11.2009
Gericht:
Arbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
8.Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 Ca 9209/08
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Kein Leitsatz
Tenor:
1.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
1.380,91 € netto nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.01.2009 zu
zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
2.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3.) Streitwert: 39.333,33 €
Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zur Verrechnung bzw. Rückforderung von
Ausbildungskosten berechtigt ist.
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Der 1982 geborene Kläger schloß unter dem 17. April 2003 mit der Beklagten für die
Dauer vom 16. September 2003 bis zum 15. September 2008 einen Vertrag zum
kooperativen Studium ………………….. mit integrierter Ausbildung zum ……………….,
in welchem für den Fall der erfolgreichen Vertragsdurchführung die Verpflichtung des
Klägers zur Annahme eines etwaigen Angebots der Beklagten zur Übernahme in ein
Anschlußarbeitsverhältnis für einen dem Studium entsprechenden Arbeitsplatz
enthalten war. Weiterer Teil der Vereinbarungen ist eine Klausel, nach welcher die
Beklagte die durch die Ausbildung zum ………….. entstehenden Kosten in Höhe von
40.000,00 € unter der auflösenden Bedingung gewährt, daß der Kläger nicht innerhalb
der nächsten fünf Jahre nach Beendigung der Ausbildung selbst das
Beschäftigungsverhältnis auflöst, ohne daß ihm hierzu beklagtenseits ein wichtiger
Grund gegeben wurde und der Kläger im Falle der vorzeitigen Beendigung innerhalb
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der anschließenden sechs Monate die um 1/60 für jeden vollen Monat des
Anschlußarbeitsverhältnisses verminderten Ausbildungskosten zurückzuzahlen hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Abreden wird auf die zur Klage
angelegte Ablichtung verwiesen.
Mit Schreiben vom 9. Juli 2008 – gleichfalls in Ablichtung zur Klage angelegt und
wegen des Inhalts in Bezug genommen – bot die Beklagte dem Kläger die Einstellung
ab dem Tag nach der mündlichen Prüfung als ……….. unter Eingruppierung in die
Gehaltsgruppe ….. an, welches der Kläger annahm, so daß nach Abschluß des
Studiums der entsprechende Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 23. August 2008
zustandekam. Diesen kündigte der Kläger sodann Ende August 2008 ordentlich zum 30.
September 2008 auf.
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Mit Schreiben vom 18. September 2008 stellte die Beklagte dem Kläger unter
Bezugnahme auf die vertragliche Regelung zu den Ausbildungskosten den Betrag von
39.333,33 € mit Fälligkeit per 17. März 2009 in Rechnung. Ferner behielt sie von der für
September 2008 errechneten Nettovergütung insgesamt 1.380,91 € ein, welche der
Kläger vorprozessual unter Fristsetzung zum 5. Januar 2008 von ihr einforderte.
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Der Kläger ist der schriftsätzlich näher begründeten Auffassung, die Forderung stehe
nicht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
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Er hat am 13. November 2008 die vorliegende Klage erhoben, zunächst gerichtet auf die
Feststellung zum Nichtbestehen einer Zahlungspflicht, nunmehr auf die Zahlung der
einbehaltenen Beträge und Verteidigung gegen die von der Beklagten widerklagend
erhobene Zahlungsforderung. Demgemäß beantragt der Kläger zuletzt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.380,91 € nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.01.2009 zu
zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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widerklagend,
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den Kläger zu verurteilen, an sie 37.952,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Kläger beantragt,
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die Widerklage abzuweisen,
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Die Beklagte behauptet, sie habe dem Kläger allein in der Studienphase – nicht
eingerechnet die Praxis- und Diplomsemester – Vergütungszahlungen von 21.383,99 €
brutto erbracht, worin die bei ihr zusätzlich angefallenen Arbeitgeberanteile zur
Sozialversicherung und die übrigen Lohnnebenkosten nicht enthalten seien. Ferner
habe sie die Studiengebühren und Semesterbeiträge in Höhe von 2.865,25 €
übernommen. An Verwaltungskosten für die Studienphase seien 3.458,33 € und
Trainingskosten von 735,25 € angefallen.
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Sie ist der gleichfalls schriftsätzlich im einzelnen begründeten Auffassung, die
Vereinbarung zur Rückzahlung der Ausbildungskosten entspreche den Anforderungen
des Gesetzes und der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, insbesondere der ausführlichen
rechtlichen Argumentationen wird gem. § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO auf den Inhalt der im
Verfahren gewechselten Schriftsätze nebst in Bezug genommener Anlagen sowie der
Sitzungsniederschriften verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Die mit der Klage und Widerklage eingebrachten Leistungsanträge sind zulässig, die
Klage ist auch begründet, die Widerklage dagegen unbegründet. Diese Entscheidung
der Kammer beruht im wesentlichen auf folgenden hier gemäß § 313 Abs. 3 ZPO knapp
zusammengefaßt dargestellten Erwägungen:
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Die Beklagte hat gegen den Kläger keinen Anspruch auf die geltend gemachte
Erstattungsforderung, daraus ergibt sich zugleich, daß sie nicht berechtigt war, mit einer
solchen Forderung gegen die Vergütungsansprüche des Klägers aufzurechnen und
diese noch durch Effektivzahlung zu erfüllen hat. Dabei kann dahinstehen, ob es "an
sich" gerechtfertigt war, durch eine vertragliche Verpflichtung zur Erstattung von
Aufwendungen, die der Beklagten durch die Finanzierung des Studiums des Klägers
und der ihm geleisteten Vergütungen entstanden sind, eine fünfjährige Bindung des
Klägers im Anschluß an den Abschluß dieser Ausbildung zu erreichen. Denn die
konkrete Vereinbarung ist hierzu jedenfalls ungeeignet.
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Die Rechtslage zur Rückforderung von Ausbildungskosten im Verhältnis zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer wurde richterrechtlich, d.h. durch die hierzu ergangene
höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelt und geprägt, wobei diese seit der
gesetzlichen Einführung der AGB-Kontrolle in arbeitsrechtlichen Beziehungen auf §§
305, 307 ff. BGB abstellt. Diese Normen gelten auch für die Bedingungen des hier
vorliegenden Vertrages zum kooperativen Studium …………. mit integrierter Ausbildung
zum ……………………., denn diese sind, wie außer Streit steht, von der Beklagten zur
Mehrfachverwendung vorformuliert. Die Voraussetzung des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB der
für eine "Vielzahl" von Fällen vorformulierten Vertragsbedingungen liegt nach der vom
Bundesarbeitsgericht übernommenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits
vor, wenn die dreimalige Verwendung beabsichtigt ist, was hier ohne weiteres unterstellt
werden kann.
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Demnach enthält der Vertrag der Parteien vom 23. April 2003 Allgemeine
Geschäftsbedingungen nach § 305 Abs. 1 BGB und unterliegen die getroffenen
Abreden der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, so daß die von der Beklagten formulierte
Rückzahlungsklausel unter Buchstabe N. Ziff. 1 und 2 des Vertrages daran zu messen
ist, ob sie den Kläger als Vertragspartner der Beklagten als Verwender der Klausel
"unangemessen benachteiligt".
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Nach der Bewertung der Kammer enthält die von der Beklagten aufgestellte Klausel
eine solche Benachteiligung des Klägers, weil ihm damit eine Zahlungsverpflichtung in
unangemessener Höhe auferlegt wird. Denn es ist nicht ersichtlich, daß der Beklagten
selbst Aufwendungen entstanden sind, welche im Bereich des angesetzten Betrages
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von 40.000,00 € liegen. In diesem Fall ergäbe sich aufgrund der Beendigung des
Anschlußarbeitsverhältnisses vor Ablauf der Bindungsfrist eine finanzielle Bereicherung
der Beklagten, für welche es keine sachliche und rechtliche Begründung gibt.
Die von der Beklagten in der ersten Phase – Berufsausbildung zum ……………. –
gezahlte Vergütung gemäß den betrieblichen Regelungen für Auszubildende
(Buchstabe I Ziff. 1) gehört nicht zu den rückforderbaren Ausbildungskosten, denn die
Beklagte hat damit die sie als Ausbilderin bindende Verpflichtung gemäß § 17 BBiG
erfüllt. Die Vereinbarung einer auf diesen Ausbildungsabschnitt bezogenen
Entschädigungszahlung ist gemäß § 12 Abs. 2 BBiG nichtig, denn, so der Zweck dieser
Norm in der Auslegung des Bundesarbeitsgerichts, der Auszubildende soll nicht mit
Kosten belastet werden, die dem Ausbilder durch die Ausbildung entstehen.
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Demnach können bei der vorliegenden Kombination von Berufsausbildung und
(bezahltem) Studium allenfalls solche Vergütungen als für eine mögliche
Erstattungsforderung relevante "Kosten" angesehen werden, welche nach dem
Abschluß der integrierten Berufsausbildung mit Facharbeiterprüfung in der zweiten
Phase – Studium – geleistet wurden, ohne daß der Arbeitgeber hierfür eine in einem
Austauschverhältnis gemäß § 611 Abs. 1 BGB stehende Gegenleistung erbracht hat.
Die Vergütungen für die im Rahmen des Studiums geleisteten Praxiszeiten sind danach
keine "Kosten" der Beklagten, weil sie durch Einsatz eines Studenten mit der
abgeschlossenen …………qualifikation eine der vereinbarten Vergütung von 750,00 €
monatlich adäquate Gegenleistung erhalten hat.
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Relevant für die streitgegenständliche Forderung zur Rückerstattung von
Ausbildungskosten sind demnach nur die Vergütungen für die "reine" Studienphase,
welche die Beklagte mit 21.383,99 € brutto angibt. Bei Hinzurechnung der
Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung nach dem durchschnittlichen Satz von 22%
ergeben sich Aufwendungen von 26.087,26 €. Umgelegte Urlaubsvergütungs- oder
Lohnfortzahlungskosten bleiben bei Berechnung der Vergütungsaufwendungen für
ohnehin unproduktive und gegenleistungsfreie Zeiten außer Ansatz. Selbst bei
Zurechnung der von der Beklagten ohne nähere Begründung angegebenen
"Verwaltungskosten" für die Studienphase von 3.458,33 € und Trainingskosten von
735,25 € sowie der übernommenen Studiengebühren und Semesterbeiträge von
2.866,25 € beträgt die Summe 33.147,09 €, d.h. einen Betrag, der weit unter den von der
Beklagten angesetzten 40.000,00 € liegt. Angesichts dieser beträchtlichen Diskrepanz
kann auch nicht mehr von einer zulässigen Pauschalierung des bei Festlegung der
Vertragsbedingungen in 2003 zu prognostizierenden Aufwandes der Beklagten für die
Studienzeit gesprochen werden.
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Bereits nach den von der Beklagten selbst mitgeteilten Werten ergibt sich vielmehr, daß
die Vereinbarung nicht lediglich bewirkte, daß die Beklagte einen von ihr tatsächlich
erbrachten, aber bei Beendigung des an das finanzierte Studium anschließenden
Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Bindungsfrist von 5 Jahren nicht amortisierten
Aufwand erstattet erhielt, sondern tatsächlich ein erheblicher Anteil enthalten war,
welchem keine Vorleistungen der Beklagten zugrundelag. Insoweit hat die Zahlung,
welche aufgrund einer arbeitnehmerseitigen Kündigung verwirkt werden soll, den
Charakter einer reinen Vertragsstrafe gemäß § 340 BGB, deren Vereinbarung bereits
nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor Geltung der AGB-Inhaltskontrolle im
Arbeitsrecht als unzulässige Kündigungserschwerung bewertet wurde. Denn über das
Verbot der Kündigungserschwerung für den Arbeitnehmer durch unterschiedliche
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Fristen in § 622 Abs. 4 BGB hinausgehend hat das Bundesarbeitsgericht generell jede
Strafvereinbarung, die das Kündigungsrecht des Arbeitnehmers einseitig beeinträchtigt,
als unzulässig angesehen.
Indem die zu prüfende Vertragsbestimmung auf eine Zahlungsverpflichtung gerichtet ist,
welche der Höhe nach – auch nach den eigenen im Verfahren beigebrachten Zahlen -
wesentlich über den tatsächlichen finanziellen Aufwand der Beklagten für die
Ausbildung des Klägers in der Studienphase hinausgeht, stellt diese nach dem jetzt
anzuwendenden Maßstab des § 307 Abs. 1 BGB eine unangemessene Benachteiligung
des Klägers im Rechtssinne dar.
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Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel zu Buchstabe N des Vertrages vom 23.
April 2003 kommt nicht in Betracht, dies entspricht gleichfalls der ständigen
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Denn zum einen ist eine solche
Rechtsfolge nicht in § 306 BGB vorgesehen, zum anderen verweist die
höchstrichterliche Rechtsprechung auf das gesetzliche Ziel, auf einen angemessenen
Inhalt der in der Praxis verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzuwirken.
Der Vertragspartner des Klauselverwenders soll bereits hierdurch zuverlässig erfahren,
welche Rechte und Pflichten sich für ihn ergeben; deren Umfang soll nicht erst in einem
Prozeß geklärt werden müssen. Umgekehrt ist es berechtigt, dem Klauselverwender,
der die Möglichkeit nutzen kann, die ihm der Grundsatz der Vertragsfreiheit für die
Aufstellung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen eröffnet, auch das vollständige
Risiko einer Klauselunwirksamkeit aufzuerlegen.
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Ist danach die Rückzahlungsklausel vollständig unwirksam, fehlt die Rechtsgrundlage
für den von der Beklagten geltend gemachten Anspruch. Demnach ergab sich schon
dem Grunde nach keine berechtigte Gegenforderung i.S.d. § 387 BGB, welche sie
wegen der entsprechend verrechneten Teilforderungen gemäß §§ 389, 399 BGB mit
Erfüllungswirkung gegen die unstreitig gemäß § 611 Abs. 1 BGB entstandenen
Vergütungsansprüche des Klägers aus September 2008 aufrechnen und, wie
geschehen, vom Nettogehalt einbehalten konnte, so daß die entsprechende Summe
noch zum Ausgleich offensteht und wie beantragt zu titulieren waren, dies unter
Einschluss der gemäß §§ 286 Abs. 2 S. 1, 614, 288 Abs. 1, 247 BGB berechtigten
Zinsforderung.
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Zugleich ergibt sich, dass die Widerklage mangels wirksamer Rechtsgrundlage für den
geltend gemachten Anspruch abzuweisen war.
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Da die Beklagte mithin insgesamt im Verfahren unterliegen musste, ergibt sich aus § 91
Abs. 1 ZPO zugleich ihre Kostenlast. Die Streitwertfestsetzung nach der Anordnung des
§ 61 Abs. 1 ArbGG erfolgte gemäß §§ 3, 4, 5 ZPO.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann die Beklagte
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Berufung
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eingelegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 € übersteigt,
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Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung ist beim Landesarbeitsgericht Köln, Blumenthalstraße 33, 50670 Köln,
einzulegen. Die Berufungsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht
zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet werden; an seine Stelle können Vertreter von
Gewerkschaften oder von Vereinigungen von Arbeitgebern oder von
Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht
zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren
Mitglieder Partei sind.
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Die Berufungsschrift muss binnen einer Notfrist (eine Notfrist ist unabänderlich und kann
nicht verlängert werden) von einem Monat nach Zustellung des Urteils beim
Landesarbeitsgericht eingegangen sein. Die Berufung ist gleichzeitig oder innerhalb
eines weiteren Monats nach Eingang der Berufung bei Gericht in gleicher Form
schriftlich zu begründen.
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