Urteil des ArbG Köln vom 25.06.2009

ArbG Köln (kläger, arbeitszeit, juristische person, vollzeitbeschäftigung, abschluss, erhöhung, bag, tätigkeit, zpo, antrag)

Arbeitsgericht Köln, 12 Ca 469/09
Datum:
25.06.2009
Gericht:
Arbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
12.Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 Ca 469/09
Schlagworte:
Arbeitszeiterhöhung
Normen:
§ 9 TzBfG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Der Anspruch nach § 9 TzBfG setzt voraus, dass ein “freier
Arbeitsplatz” zu besetzen ist. Dazu muss zumindest ein nach dem Willen
des Arbeitgebers zu besetzender Arbeitsplatz vorhanden sein. Er muss
dem Arbeitsplatz entsprechen, auf dem der Arbeitnehmer, der den
Verlängerungswunsch angezeigt hat, seine vertraglich geschuldete
Tätigkeit ausübt (BAG 8. Mai 2007 - 9 AZR 874/06 - BAGE 122, 235 =
AP TzBfG § 9 Nr. 3).
2. Der Unternehmer ist auch vor dem Hintergrund des § 9 TzBfG frei, wie
er einen Arbeitskräftemangel überbrücken will. Zur Schaffung neuer
Arbeitsplätze ist er nicht gezwungen.
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Streitwert 33.000 €.
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten über eine Erhöhung der Arbeitszeit des Klägers von 75% auf
100%.
2
Der Kläger ist seit Mai 1990 bei der Beklagten zuletzt als verantwortlicher
Flugzeugführer (Kapitän) mit einem Monatsverdienst von 11.000 € brutto beschäftigt.
Die Beklagte ist ein Linienflugunternehmen. Es ist eine Personalvertretung gebildet. Die
tarifvertraglichen Bestimmungen finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das
Arbeitsverhältnis Anwendung.
3
Bei der Beklagten besteht eine Betriebsvereinbarung Teilzeit/Altersteilzeit ……….. vom
18. Juli 2002 (BV TZ). §§ 2, 3 BV TZ regeln das Antrags- und Vergabeverfahren. § 3
Abs. 2 BV TZ enthält die Regelung, dass die Teilzeit wegen besonderen Grundes
(Kindererziehung oder Pflege eines Angehörigen) bis zum Ende des Kalenderjahres
befristet werden kann, in dem der Grund voraussichtlich wegfällt. Die Teilzeit ist
mindestens bis zum 31. Juli des Vorjahres zu beantragen. Die Beklagte wird bis zum 30.
September nach der Antragstellung mitteilen, ob die Teilzeit genehmigt wird. § 5 Abs. 1
BV TZ bestimmt, dass der Wechsel auf ein anderes Teilzeitmodell oder die Rückkehr
auf eine Vollzeitbeschäftigung frühestens nach einem Jahr in der Teilzeitbeschäftigung
erfolgen kann. Nach § 5 Abs. 2 BV TZ können jeweils nur so viele Mitarbeiter auf
Vollzeitbeschäftigung wechseln, wie Neueinstellungen in diesem Jahr geplant sind.
4
Die Parteien schlossen am 15. November 2007 einen unbefristeten Teilzeitvertrag auf
75% der tariflichen Vollarbeitszeit.
5
Im August 2008 begehrte der Kläger die unbefristete Aufstockung seiner Arbeitszeit auf
100%. Die Beklagte lehnte dieses Ansinnen am 27. Oktober 2008 aus betrieblichen
Gründen ab und bot dem Kläger an, die Arbeitszeit befristet für das Jahr 2009 auf 100%
aufzustocken und dem Verlängerungswunsch bei einem entsprechenden Bedarf zu
entsprechen. Die ungewisse Flottenentwicklung und ihre Auswirkungen auf die
Personalkapazität erlaube keine andere Bewertung. Das Angebot auf befristete
Erhöhung der Arbeitszeit nahm der Kläger nicht an. Dennoch beschäftigte die Beklagte
den Kläger seit dem 1. Januar 2009 in Vollzeit und vergütete ihn entsprechend.
6
Im September 2008 schrieb der Leiter ………..personal in einer sogenannten "News",
dass Anträge auf Teilzeit, Aufhebung befristeter Verträge oder Aufstockung der
bestehenden Arbeitszeit derzeit nicht genehmigt werden könnten. Modellwechsel
könnten nur kapazitätsneutral genehmigt werden. Die vereinbarte Abgabe von 60
Kollegen an den Konzern sei zu unterstellen, die Personalkapazität sei nicht vorhanden,
um den Anträgen zu entsprechen. Eine Entspannung auf dem Pilotenmarkt und
Rekrutierungsmaßnahmen brächten eine Entspannung, er sich indes nicht signifikant
positiv auf die Personalkapazität auswirke.
7
Der Kläger behauptet, sein Kollege R. habe eine Reduktion seiner vollen Stelle um 25%
beantragt.
8
Der Kläger meint, es sei durch seinen Einsatz konkludent eine unbefristete Aufstockung
der Arbeitszeit auf 100% vereinbart worden. Außerdem sei die unbefristete Verringerung
der Arbeitszeit unwirksam, da Änderungen des Ausgangsvertrags der Schriftform
bedürften, er den Vertrag indes nicht unterschrieben habe.
9
Der Kläger beantragt,
10
die Beklagte zu verurteilen, der Erhöhung seiner Arbeitszeit von derzeit 75% auf
eine tarifliche Vollzeitstelle ab dem 1.1.2009 zuzustimmen.
11
Die Beklagte beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13
Die Beklagte behauptet, im Zeitpunkt der Ablehnung sei klar gewesen, dass auf der
14
Flotte…………, auf der der Kläger eingesetzt sei, keine weiteren Kapazitäten benötigt
würden. Ende 2010 solle die Anzahl des eingesetzten Flugmusters verringert werden.
Auf der Flotte seien ausschließlich Copiloten, und auch nur für ein Jahr befristet
eingestellt worden. Die Entscheidung, neue Kapitäne einzustellen, sei vor dem
Ansinnen des Klägers in der Mitte 2008 getroffen worden. Zu diesem Zeitpunkt hätten
keine unbefristeten freien Stellen vorgelegen.
Die Beklagte meint, der Anspruch des Klägers sei wegen § 8 Abs. 6 TzBfG mangels
Ablaufs der Zweijahresfrist ausgeschlossen.
15
Der Kläger behauptet, ab September 2009 werde ein neues Flugzeugmuster eingeführt,
auf das er umgeschult werden könne.
16
Entscheidungsgründe:
17
Die Klageänderung ist zulässig, §§ 263, 267 ZPO. Die Klage ist unbegründet.
18
I. Der Antrag ist unbegründet.
19
1. Der Antrag ist nicht schon unbegründet, weil zwischen den Parteien eine unbefristete
oder befristete Vollzeitstelle vereinbart worden oder weil die Absenkung der Arbeitszeit
formunwirksam wäre.
20
a) Die Parteien haben sich durch die Vollzeitbeschäftigung des Klägers seit dem 1.
Januar 2009 nicht auf eine Aufhebung der Teilzeitbeschäftigung oder eine
Vollzeitbeschäftigung geeinigt, obwohl der Kläger in Vollzeit beschäftigt wird. Es liegen
keine kongruenten Willenserklärungen der Parteien vor. Die Beklagte hat dem Kläger
lediglich befristet auf ein Jahr eine Vollzeitbeschäftigung angeboten, während er eine
unbefristete Vollzeitbeschäftigung begehrt. Damit ist keine Vertragsänderung vereinbart
worden, §§ 145, 150 Abs. 2, 154 Abs. 1 BGB. Da sich beide Vertragsparteien zu ihren
eigenen Vertragsangeboten widersprüchlich verhalten, kann weder von einer
unbefristeten noch einer befristeten Vollzeitbeschäftigung des Klägers ausgegangen
werden.
21
b) Die Teilzeitabrede ist auch nicht nach §§ 127 Abs. 1, 126 Abs. 1 BGB unwirksam.
Auch wenn die Parteien im Ursprungsvertrag vereinbart haben, dass Änderungen und
Ergänzungen des Vertrags der Schriftform bedürfen, konnten sie diese einfache
Schriftformklausel durch eine andere Abrede formlos aufheben und haben dies durch
den Teilzeitvertrag im Jahre 2007 auch getan. Denn einen fehlenden Willen zum
Abschluss dieses Vertrags und damit konkludent zur Aufhebung des
Schriftformerfordernisses hat der Kläger nicht behauptet (vgl. zuletzt BAG 20. Mai 2008 -
9 AZR 382/07 NZA 2008, 1233 = AP BGB § 307 Nr. 35 Rn 17).
22
2. Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 9 TzBfG auf Erhöhung seiner Arbeitszeit auf
100%.
23
a) Der Anspruch scheitert nicht an der Frist des § 8 Abs. 6 TzBfG. Sie greift hier nicht ein
(vgl. Boecken/Joussen/Boecken, 1. Auflage 2007, § 9 TzBfG Rn. 18).
24
b) Der Anspruch scheidet auch nicht wegen §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 2, 3 Abs. 4 BV TZ aus.
Zwar hat der Kläger seinen Antrag schon während des ersten Jahres der
25
Teilzeitbeschäftigung gestellt und sich nicht an die Antragsfrist vor dem 1. Juli des
Jahres gehalten. Diese Regelungen weichen indes zuungunsten des Klägers von der
Regelung des § 9 TzBfG ab, der keine Fristenregelung enthält und auch die des § 8
TzBfG nicht in Bezug nimmt, so dass die Bestimmungen wegen § 22 Abs. 1 TzBfG
unbeachtlich sind.
b) Der Anspruch scheitert jedoch daran, dass der Kläger nicht substantiiert vorgetragen
hat, dass ein freier Arbeitsplatz bestand.
26
aa) Der Anspruch nach § 9 TzBfG setzt voraus, dass ein "freier Arbeitsplatz” zu
besetzen ist. Dazu muss zumindest ein nach dem Willen des Arbeitgebers zu
besetzender Arbeitsplatz vorhanden sein. Er muss dem Arbeitsplatz entsprechen, auf
dem der Arbeitnehmer, der den Verlängerungswunsch angezeigt hat, seine vertraglich
geschuldete Tätigkeit ausübt (BAG 8. Mai 2007 - 9 AZR 874/06 - BAGE 122, 235 = AP
TzBfG § 9 Nr. 3). Die Vorschrift ist daher nur anzuwenden, wenn sich der Arbeitgeber
dazu entschließt, Arbeitsplätze tatsächlich zu besetzen. Eine Stellenbesetzung besteht
im Abschluss von Arbeitsverträgen. Die "Stellen” werden durch Art, Ort und Umfang der
Tätigkeit gekennzeichnet. Der Arbeitgeber muss die Arbeitszeitwünsche der
Teilzeitkräfte nur im Rahmen der Besetzung der von ihm bereitgestellten Arbeitsplätze
berücksichtigen. Deren Ausgestaltung und Zuschnitt ist ihm überlassen. Das gilt auch
für den zeitlichen Zuschnitt (BAG 15. August 2006 - 9 AZR 8/06 - BAGE 119, 194 = AP
TzBfG § 9 Nr. 1).
27
bb) Anders als der Kläger meint, ergibt sich weder aus seiner vollzeitigen Beschäftigung
noch aus der Mitteilung vom September 2008, dass ein entsprechender Arbeitsplatz
bestand. Beiden Umständen ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte einen freien
Arbeitsplatz besetzen wollte: Der Wille zum Abschluss von Arbeitsverträgen ergibt sich
hieraus nicht. Die Vollbeschäftigung des Klägers kann ebenso gut dem Zweck dienen,
einen vorübergehenden Bedarf ohne neuen Arbeitsplatz zu decken oder spätere
Schadensersatzansprüche des Klägers abzuwehren. Aus dem Verhalten der Beklagten
ergibt sich auch sonst kein erkennbarer Wille zum Abschluss von Arbeitsverträgen. Der
Kläger hat auch keine Stellenausschreibungen interner oder externer Natur vorgelegt,
die einen Einstellungswillen dokumentieren könnten. Die Mitteilung "News" enthält
keine Aussage über freie Arbeitsplätze, sondern nur über einen möglichen Bedarf an
Arbeitskräften. Der Unternehmer ist jedoch auch vor dem Hintergrund des § 9 TzBfG frei,
wie er einen Arbeitskräftemangel überbrücken will. Zur Schaffung neuer Arbeitsplätze ist
er nicht gezwungen. Das Gleiche gilt für das Abkaufen von Off-Tagen und die
Ablehnung von Teilzeitbegehren. Beides bestätigt den Willen der Beklagten, keine
freien Arbeitsplätze zu schaffen. Ebenfalls unbeachtlich ist der Einwand des Klägers,
ein Kollege wolle mit ihm tauschen. § 9 TzBfG ist insbesondere vor der
unternehmerischen Freiheit, die auch durch Art. 2 Abs. 1, 12 GG geschützt ist, nicht
dahin zu verstehen, dass der Unternehmer wechselnde Arbeitszeitkonzepte der
Belegschaft untereinander ermöglichen muss. Erst wenn er sich entscheidet, einen
freien Arbeitsplatz zu schaffen und ihn auch zu besetzen, lebt das Recht des § 9 TzBfG
auf.
28
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
29
III. Der Streitwert ist aufgrund § 3 ZPO mit einem Quartalsverdienst festgesetzt.
30
Rechtsmittelbelehrung
31
Gegen dieses Urteil kann
32
B e r u f u n g
33
eingelegt werden.
34
Die Berufung muss
35
innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
36
beim Landesarbeitsgericht Köln, Blumenthalstraße 33, 50670 Köln eingegangen sein.
37
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung
38
Die Berufungsschrift
muss
Bevollmächtigte
39
1. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder
Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer
der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser
Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit
vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
40
41
Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
42
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
43
Dr. Roloff
44