Urteil des ArbG Köln vom 07.10.2009

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Arbeitsgericht Köln, 2 Ca 6269/09
Datum:
07.10.2009
Gericht:
Arbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 Ca 6269/09
Schlagworte:
Betriebliche Übung, Personalgestaltung, Gleichbehandlungsgrundsatz
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Einzelfallentscheidung zur Anwendung des arbeitsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatzes und der Grundsätze der betrieblichen
Übung bei der Überlassung von Kommunalmitarbeitern an eine
privatrechtlich organisierte Tochtergesellschaft im Wege eines
Personalgestellungsvertrages.
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Die Berufung wird nicht zugelassen.
4. Streitwert: 472,50 Euro
Tatbestand
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Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 313a ZPO, 46 Abs. 2
ArbGG).
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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I.
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1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Zeitgutschrift von 4 Stunden für den
Nachmittag seines Geburtstages im Jahr 2008. Der Anspruch ist nach § 37 TVöD (VkA)
verfallen, da er nicht innerhalb der sechsmonatigen Ausschlussfrist geltend gemacht
wurde. Das Schreiben des Klägers vom 04.07.2009 wahrt diese Frist nicht.
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2. Der Kläger hat ebenfalls keinen Anspruch auf bezahlte Freistellung an den
Nachmittagen seiner zukünftigen Geburtstage. Insbesondere ergibt er sich nicht unter
dem Gesichtspunkt einer betrieblichen Übung.
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a) Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung
bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen seine Arbeitnehmer
schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer
gewährt werden. Aus dem Verhalten des Arbeitgebers, das als seine Willenserklärung
zu werten ist, die von den Arbeitnehmern stillschweigend (§ 151 BGB) angenommen
worden ist, erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordene Leistung oder
Vergünstigung. Dabei kommt es für die Begründung eines solchen Anspruchs durch
betriebliche Übung nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit Verpflichtungswillen
gehandelt hat oder ob ihm ein solcher Wille gerade fehlte.
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Denn die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im
Rechtsverkehr nicht lediglich deshalb ein, weil der Erklärende eine bestimmten Willen
gehabt, sondern weil er einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen
gegenüber dem Erklärungsempfänger geäußert hat. Ob sich der Arbeitgeber binden
wollte oder nicht, ist danach zu beurteilen, inwieweit Arbeitnehmer dies aus dem
Erklärungsverhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§
242 BGB) sowie aller Begleitumstände gemäß den §§ 133, 157 BGB schließen durften.
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Für Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes gelten diese Grundsätze allerdings
nicht uneingeschränkt. Die durch Anweisungen vorgesetzter Dienststellen,
Verwaltungsrichtlinien, Verordnungen und gesetzliche Regelungen, vor allem aber
durch die Festlegungen des Haushaltsplans gebundenen öffentlichen Arbeitgeber sind
anders als private Arbeitgeber gehalten, die Mindestbedingungen des Tarifrechts und
die Haushaltsvorgaben bei der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen zu beachten. Im
Zweifel gilt Normvollzug. Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes muss
grundsätzlich davon ausgehen, dass ihm sein Arbeitgeber nur die Leistungen gewähren
will, zu denen er rechtlich verpflichtet ist. Ohne besondere Anhaltspunkte darf der
Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst deshalb auch bei langjähriger Gewährung von
Vergünstigungen, die den Rahmen rechtlicher Verpflichtungen überschreiten, nicht
darauf vertrauen, die Übung sei Vertragsinhalt geworden und werde unbefristet
weitergewährt. Der Arbeitnehmer muss damit rechnen, dass eine fehlerhafte
Rechtsanwendung korrigiert wird. Die Besonderheit der betrieblichen Übung im
öffentlichen Dienst beruht gerade darauf, dass der öffentliche Arbeitgeber bei der
Schaffung materieller Dienst- und Arbeitsbedingungen nicht autonom wie ein
Unternehmer der privaten Wirtschaft handeln darf, sondern insoweit vor allem an die
Vorgaben des Dienstrechts und der Tarifverträge gebunden ist (BAG v. 14.09.1994 –5
AZR 679/93–).
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b) Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen besteht kein Anspruch auf eine
zukünftige Freistellung an den Nachmittagen der Geburtstage. Sofern die Beklagte in
der Vergangenheit allgemein oder im Einzelfall überobligatorisch eine derartige
Freistellung gewährte, ist sie hierzu für die Zukunft nicht verpflichtet.
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c) Der Freistellungsanspruch ergibt sich auch nicht aus dem Arbeitsvertrag oder dem
TVöD.
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3. Der Kläger hat ebenfalls keinen Anspruch auf eine Zeitgutschrift in Höhe von 15,5
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Stunden für Weiberfastnacht und Rosenmontag 2009. Der Anspruch ergibt sich weder
aus dem Arbeitsvertrag noch aus Tarifvertrag.
a) Eine betriebliche Übung scheidet aufgrund der o.g. Erwägungen aus. Zudem wurde
nach eigenem Vortrag des Klägers Jahr für Jahr die Dienstbefreiung immer wieder aufs
Neue angeordnet, wobei immer klargestellt wurde, dass es sich um eine Einzelregelung
handelt, die unter dem Vorbehalt der jederzeitigen Änderung für die Zukunft steht. Aus
diesen Umständen ist zu folgern, der Arbeitgeber habe sich für die Arbeitnehmer
erkennbar gerade nicht zu einer uneingeschränkten Leistung bereit erklärt und
verpflichten wollen (vgl. auch BAG v. 24.03.1993 –5 AZR 16/92–).
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b) Der Anspruch ergibt sich ebenfalls nicht aus dem arbeitsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz.
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Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber,
Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage
befinden, gleich zu behandeln. Der Arbeitgeber verletzt diesen Grundsatz, wenn sich für
eine unterschiedliche Behandlung kein vernünftiger, aus der Natur der Sache
ergebender oder in sonstiger Weise sachlich einleuchtender Grund finden lässt. Bei
freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers heißt dies, dass der Arbeitgeber die
Leistungsvoraussetzungen so abzugrenzen hat, dass Arbeitnehmer des Betriebes nicht
aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen werden. Er ist
grundsätzlich frei, den Personenkreis abzugrenzen, dem er freiwillige Leistungen
zukommen lassen will, also Gruppen zu bilden, wenn diese Gruppenbildung nicht
willkürlich, sondern
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sachlich gerechtfertigt und rechtlich zulässig ist (BAG v. 18.09.2007 –9 AZR 788/06–).
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Die Beklagte gewährt keinem der bei der Stadtbetrieb GmbH im Wege der
Personalgestellung eingesetzten Mitarbeiter eine derartige Freistellung bzw. eine
entsprechende Zeitgutschrift an Karneval. Zudem wird auch nicht allen Mitarbeitern der
Beklagten an Karneval eine entsprechende Dienstbefreiung gewährt. Ausgenommen
sind beispielsweise Mitarbeiter der Feuerwehr und Hausmeister.
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Ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz scheidet bereits
deshalb aus, weil die Beklagte den Kläger an den Karnevalstagen nicht ohne
Zustimmung der Stadtbetrieb GmbH unter Fortzahlung der Vergütung freistellen konnte.
Das Recht der bezahlten Freistellung an den Brauchtumstagen ist Ausfluss des
arbeitgeberseitigen
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Direktionsrechts. Dieses hat die Beklagte jedoch auf die Stadtbetrieb
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GmbH übertragen.
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Selbst wenn man die Freistellung rechtlich für möglich hielte, wäre der arbeitsrechtliche
Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt. Denn die bei der Stadtbetrieb GmbH
eingesetzten Mitarbeiter der Beklagten sind in den Betrieb der Stadtbetrieb GmbH
eingegliedert und gerade nicht im "Rathaus". Eine mögliche Ungleichbehandlung wäre
nicht willkürlich, sondern sachlich gerechtfertigt. Denn es ist ein legitimes Ziel, dass die
gestellten Mitarbeiter zu den gleichen Bedingungen arbeiten wie die eigenen Mitarbeiter
der Stadtbetrieb GmbH, jedenfalls sofern arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich nichts
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anderes geboten ist.
Dieses legitime Ziel hat auch in der bei der Stadtbetrieb GmbH bestehenden
"Betriebsvereinbarung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit im Betrieb", von deren
Geltungsbereich laut § 1 auch die gestellten Mitarbeiter umfasst sind, seinen
Niederschlag gefunden.
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II.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung hat ihre gesetzliche Grundlage in den §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2
ArbGG, 3 ff. ZPO. Der Stundenlohn des Klägers wurde entsprechend seiner
Eingruppierung (EGr. 4, St. 6 TVöD-VkA) auf 15,- Euro geschätzt. Demnach wurden der
Antrag zu 1) mit 232,50 Euro und der Antrag zu 2) mit 60,- Euro bewertet. Der Antrag zu
3) wurde gem. § 9 ZPO mit 180,- Euro bemessen, da der Kläger in dreieinhalb Jahren
dreimal Geburtstag hat (3 x 4 Std. x 15,- Euro).
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Gründe im Sinne des § 64 Abs. 3 ArbGG für die Zulassung der Berufung liegen nicht
vor.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.
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