Urteil des ArbG Köln vom 08.01.2009

ArbG Köln: berufliche tätigkeit, gesetzliche vermutung, auflage, juristische person, altersrente, bergbau, zusage, arbeitsgericht, invalidität, organisation

Arbeitsgericht Köln, 22 Ca 9333/07
Datum:
08.01.2009
Gericht:
Arbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
22. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 Ca 9333/07
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Kein Leitsatz
Tenor:
1. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 315,77 € Energiebeihilfe
2007 nebst fünf Prozentpunkten Zins über dem Basiszinssatz seit dem
06.02.08 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 579,78 € Werkrente für die
Monate Mai 07 bis Januar 08 nebst fünf Prozentpunkten Zins über dem
Basiszinssatz seit dem 06.02.08 zu zahlen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Streitwert: 895,55 €.
5. Die Berufung gegen die Nr. 1 und 2. des Urteils wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten darüber, ob die dem Kläger von seiner ehemaligen Arbeitgeberin
zu erfüllenden Hausbrandbezugsrechte Teil der betrieblichen Altersversorgung sind und
ob für diese der Beklagte einzustehen hat. Daneben streiten die Parteien über die
Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger insolvenzgeschütztes Altersruhegeld zu
zahlen.
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Der am 9. November 1957 geborene Kläger war zuletzt bei der beschäftigt. Er schied
am 1. Februar 2007 aus den Diensten der Arbeitgeberin aus. Ab dem 1. Februar 2007
bis zum 31. März 2007 bezog der Kläger Anpassungsgeld, daneben bezog er ab dem 1.
Februar 2007 Rente für Bergleute wegen langjähriger Beschäftigung unter Tage.
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Am 12. Januar 2007 teilte die Arbeitgeberin dem Kläger mit, dass sich sein
Werksrentenanspruch auf 64,42 € belaufe. Nachdem die vorherige Arbeitgeberin des
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Klägers - die GmbH - mit ihr zusammengeführt worden sei, erhalte er nach deren
Versorgungsrichtlinien eine monatliche Rente in vorbenannter Höhe. Für den Kläger
seien dies 50 DM für die ersten zehn Jahre und für die weiteren 19 Jahre
Betriebszugehörigkeit je 4 DM, also 50 DM + 76 DM = 126 DM = 64,42 €.
Am 28. Februar 2007 teilte die Arbeitgeberin dem Kläger mit, dass sie die Leistung von
Hausbrand oder Energiebeihilfen an ausgeschiedene Mitarbeiter sofort einstelle.
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Über das Vermögen der Arbeitgeberin eröffnete das Amtsgericht am 1. Juni 2007 das
am 16. April 2007 eingeleitete Insolvenzverfahren.
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Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers fand der Manteltarifvertrag für den rheinisch-
westfälischen Steinkohlebergbau Anwendung (RWMTV). Dieser Manteltarifvertrag sieht
unter § 54 Hausbrandbezugsrechte für die aktiven Arbeitnehmer sowie die
ausgeschiedenen Arbeitnehmer und deren Witwen vor. Die näheren Einzelheiten der
Hausbrandbezugsrechte sind in der Anlage 7 zum RWMTV geregelt. Der Kläger erhielt
entsprechend den tarifvertraglichen Bestimmungen von der GmbH anstelle von
Hausbrandkohlen Energiebeihilfezahlungen.
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Mit der Klage begehrte der Kläger zunächst die Gewährung der Energiebeihilfe in Höhe
von 884 € und ab dem 1. Mai 2007 Altersruhgeld in Höhe von 64,42 € monatlich für die
Zeit vom 1. Mai 2007 bis zum 31. Januar 2008, also 579,78 €. Aufgrund § 9 Abs. 1
Bergmannsversorgungsscheingesetzes verlangt der Kläger nur noch Energiebeihilfe in
Höhe von 2,5 t und somit 315,77 € jährlich. Im Übrigen hat er die Klage
zurückgenommen.
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Der Kläger meint, die Hausbrandleistungen seien Teil der betrieblichen
Altersversorgung. Als Bergmannsrentner sei er auch Betriebsrentner.
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Der Kläger beantragt nach Teilklagerücknahme und Antragserweiterung um monatliche
Leistungen und die Hilfsanträge,
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1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn Energiebeihilfe für das Jahr 2007 in Höhe von
315,77 € nebst fünf Prozentpunkten Zins über dem Basiszinssatz seit dem
06.02.2008 zu zahlen.
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2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn Ruhegeld für den Zeitraum Mai 2007 bis
Januar 2008 in Höhe von insgesamt 579,78 € nebst fünf Prozentpunkten Zins über
dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2008 zu zahlen.
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3. hilfsweise, für den Fall, dass der Antrag zu 2. zurückgewiesen werden sollte, den
Beklagten zu verurteilen, an ihn für die Monate Januar bis März 2008 78,94 € zu
zahlen.
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4. äußerst hilfsweise, für das Unterlagen mit den Anträge zu 2. und 3., Ruhegeld für
die Monate Februar und März 2008 in Höhe von 128,84 € zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte meint, es liege keine Leistung zu Versorgungszwecken vor. Das
Kohlebezugsrecht sei seinem Ursprung nach eine Beteiligung der Arbeitnehmer am
Produktionsergebnis. Das Recht auf Hausbrand sei ein Recht eigener Art. Dem
Charakter einer Altersversorgung widerspreche es auch, dass § 106 der Anlage 7 des
RWMTV den Vorbehalt der freien Einschränkung mache und infolge dessen keine
Dauerhaftigkeit der Leistung unterstellt werden könne. Der Entgeltcharakter sei zudem
vielfach durchbrochen, etwa durch die Bedürftigkeitsprüfung, durch den Ausschluss der
Leistung bei anderweitiger Beschäftigung sowie den Umstand, dass die Leistung
unabhängig von der Betriebszugehörigkeit gewährt werde. Nicht in das System einer
betrieblichen Altersversorgung passe auch, dass bei kürzerer Betriebszugehörigkeit
nicht eine anteilige Leistung, sondern gleichwohl die volle Leistung gewährt werde.
Zudem sei die äußerliche Trennung der Regelung zwischen Altersversorgung einerseits
und Hausbrandbezugsrechten andererseits zu berücksichtigen. Da der Kläger
Anpassungsgeld bezogen habe, sei er kein Betriebsrentner.
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Entscheidungsgründe:
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Die Teilklagerücknahme und die Klageerweiterungen sind zulässig: §§ 260, 263, 269
Abs. 1 ZPO. Die Klage ist begründet.
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I. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 7 Abs. 1 BetrAVG und §§
104 Abs. 1, 100, 101 Anlage 7 RWMTV auf Zahlung von 315,77 € Energiebeihilfe für
das Jahr 2007.
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1. Bei der Hausbrandleistung und der daraus folgenden Energiebeihilfe nach § 54
MTVRW und §§ 100 Abs. 1, 101, 102 Abs. 2 Anlage 7 RWMTV handelt es sich um
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung.
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a) Eine betriebliche Altersversorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG, für die
der Beklagte gemäß § 7 BetrAVG einzustehen hätte, liegt vor, wenn einem
Arbeitnehmer Leistungen der Altersinvaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus
Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt werden. Es muss sich um
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eine Leistung handeln, die einen Versorgungszweck erfüllt. Der Versorgungszweck
unterscheidet die Leistung von anderen Leistungen des Arbeitgebers. Kennzeichen der
Altersversorgung ist, dass sie durch ein biometrisches Risiko, etwas das Erreichen des
Rentenalters und den Eintritt in den Ruhestand, ausgelöst wird. Dabei ist der
Leistungsbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG nicht eng, sondern weit auszulegen. Er
beschränkt sich nicht auf Geldleistungen. Auch Sach- und Nutzungsleistungen,
insbesondere Deputate können erfasst werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob derartige
Leistungen auch den aktiven Mitarbeitern gewährt werden (BAG 11. August 1981 - 3
AZR 395/80 - AP BetrAVG § 16 Nr. 11; BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZR 475/05 -
BeckRS 2007, 48604; LAG Köln 7. April 2008 - 5 Sa 430/08 - BeckRS 2008, 55465;
ErfK/Steinmeyer, 9. Aufl. 2009, § 1 BetrAVG Rn. 5; HWK/Schipp, 3. Auflage 2008, Vorb.
BetrAVG Rn. 55).
b) Die 5. Kammer des LAG Köln hat jetzt angenommen, dass es sich bei der
Energiebeihilfe nicht um eine betriebliche Altersversorgung handele, sondern um eine
Leistung mit Fürsorgecharakter. Das verdeutlichten Regelungen, die an die Bedürftigkeit
des Empfängers anknüpften. Eine weitere Durchbrechung finde sich in den
Ausschlusstatbeständen, beispielsweise bei längerfristiger anderweitiger
versicherungspflichtiger Beschäftigung bzw. lang andauernder Selbständigkeit.
Schließlich spreche auch das äußere Erscheinungsbild im Hinblick auf die
Rechtsgrundlagen nicht dafür, dass hier eine Leistung der betrieblichen
Altersversorgung anzunehmen wäre. Schließlich mangele es auch daran, dass die
Leistungen nicht an ein bestimmtes biometrisches Ereignis anknüpften (LAG Köln 7.
April 2008 - 5 Sa 430/08 - BeckRS 2008, 55465; a. A. LAG Köln 27. November 2008 -
13 Sa 952/08).
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c) Die Kammer schließt sich der Auffassung der 5. Kammer des LAG Köln im
vorliegenden Fall nicht an.
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aa) Das BAG hat bereits in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1981 festgehalten, dass
das Kohledeputat Teil der betrieblichen Altersversorgung sei: "Zutreffend ist ferner, dass
die Hausbrandgewährung in Gestalt der Lieferung von Kohle (Deputat) oder der
Einräumung eines Kohlebezugsrechts an Rentner in der geschichtlichen Entwicklung
dieser Leistungsformen auf den Gedanken der nachwirkenden Fürsorgepflicht des
Arbeitgebers zurückgeht. Darin kommt aber kein grundlegender Unterschied gegenüber
der dem Pensionär gezahlten Altersrente zum Ausdruck. Auch die betriebliche
Altersversorgung ist ursprünglich als Niederschlag der allgemeinen Fürsorgepflicht des
Arbeitgebers verstanden worden. Erst die weitere Entwicklung die Ausdehnung der
betrieblichen Altersversorgung sowie die intensivere Durchdringung der auf diesem
Rechtsgebiet entstehenden Probleme haben die Überzeugung von dem
Entgeltcharakter von Versorgungsleistungen gebildet. Fürsorgepflichten werden dann
nicht mehr als Ausdruck der Fürsorge gewertet, wenn sie in der Gestalt abgesicherter
Rechte (Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Einzelvertrag) in Erscheinung
treten. Die Entwicklung von Leistungen mit rein fürsorgerischem Einschlag zu
Leistungen mit verfestigter Rechtsgrundlage zeigt sich in gleicher Weise bei der
Hausbrandgewährung an aktive Bergleute und Berginvaliden" (BAG 11. August 1981 -
3 AZR 395/80 - AP BetrAVG § 16 Nr. 11).
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bb) Insbesondere zu den hier streitgegenständlichen tarifvertraglichen Regelungen hat
das BAG bereits klargestellt, dass es sich um Versorgungsansprüche handelt und diese
an den Maßstäben der Rechtsprechung zur betrieblichen Altersversorgung gemessen
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(BAG 14. Juni 1983 - 3 AZR 565/81 - BAGE 44, 61 = AP BGB § 242 Gleichbehandlung
Nr. 58).
cc) Das BAG hat auch klargestellt, dass es für die rechtliche Beurteilung der Zusage
darauf ankommt, welches Ereignis den Anspruch auslöst; es kommt nicht darauf an, aus
welchem Grund die Zusage erteilt wurde. Leistungen der betrieblichen Altersversorgung
unterscheiden sich durch ihre Zwecksetzung von sonstigen Leistungen, etwa zur
Vermögensbildung, zur Überbrückung der Arbeitslosigkeit und Abfindungen für den
Verlust des Arbeitsplatzes. Wird eine Leistung zur Deckung des
Versorgungsmehrbedarfs nach Ausscheiden aus dem Berufsleben (Versorgungsfall
Altersrente) zugesagt, dient sie der Altersversorgung (BAG 8. Mai 1990 - 3 AZR 121/89 -
AP BetrAVG § 7 Nr. 58).
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dd) Noch weitergehend hat das BAG jetzt festgestellt, dass eine betriebliche
Altersversorgung vorliegt, wenn die im Betriebsrentengesetz abschließend aufgezählten
Voraussetzungen erfüllt sind. Der Arbeitgeber müsse die Zusage aus Anlass eines
Arbeitsverhältnisses erteilen. Die Leistungspflicht müsse nach dem Inhalt der Zusage
durch ein im Gesetz genanntes biologisches Ereignis (Alter, Invalidität oder Tod)
ausgelöst werden. Die zugesagte Leistung müsse einem Versorgungszweck dienen.
Unter einer "Versorgung" seien alle Leistungen zu verstehen, die den Lebensstandard
des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Versorgungsfall, wenn auch nur
zeitweilig, verbessern sollten (BAG 28. Oktober 2008 - 3 AZR 317/07 - Pressemitteilung
becklink 269304)
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ee) Auch für eine dem vorliegenden Fall ähnliche Regelung hat das BAG angenommen,
dass es sich um Versorgungsleistungen handelt (BAG - 2. Dezember 1986 - 3 AZR
123/86 - AP BGB § 611 Deputat Nr. 9). Die Regelung lautete: "An Hausbrandkohlen
gewährt Gottessegen den ausgeschiedenen Belegschaftsmitgliedern für die Dauer
eines Jahres die tarifl. Jahresmenge, wenn nachgewiesen wird, daß ein Doppelbezug
nicht vorliegt und von dritter Seite auch keine kohlenähnl. Vergünstigungen gewährt
werden. Solange der Ausgeschiedene einen Werkszuschuß bezieht, erhält er
Hausbrandkohle wie ein Invalide ohne Nachweis der Bedürftigkeit. Im Übrigen gelten
die tarifl. Bestimmungen."
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ff) Die Leistung wird auch hier zur Deckung des Versorgungsmehrbedarfs nach dem
Ausscheiden aus dem Berufsleben (Versorgungsfall Altersrente) zugesagt. Sie knüpft
jedenfalls beim Kläger an den Bezug von Bergmannsrente und damit an ein
biometrisches Ereignis an, da Bergmannsrente Invalidenrente ist und erst ab dem 50.
Lebensjahr verlangt werden kann. Unerheblich ist es, wie gesehen, dass die
Kohledeputatleistungen und Energiebeihilfen auch an aktive Arbeitnehmer erfolgen.
Dass die Leistung dem Fürsorgegedanken entspringt, steht der Pflicht des Beklagten
auch nicht entgegen, wie das BAG festgestellt hat.
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2. Der Kläger war auch bereits Betriebsrentenempfänger im Zeitpunkt der
Insolvenzeröffnung, § 7 Abs. 1 BetrAVG.
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a) Der Kläger war Betriebsrentner im Sinne des § 100 Abs. 1 Anlage 7 RWMTV. Denn
er ist Empfänger von Bergmannsrente.
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b) Die Bergmannsrente ist auch ein nach § 1 Abs. 1 BetrAVG versicherbares Risiko. Die
Bergmannsrente knüpft an das Risiko der Invalidität an und ist damit eine Rente wegen
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verminderter Erwerbsfähigkeit (c). Sie ist keine Altersrente, obwohl sie vom Lebensalter
abhängig ist. Sie wird wegen im Bergbau verminderter Berufsfähigkeit geleistet. Sie
weist nach ihrem Grund und ihrer Ausgestaltung die typischen Merkmale einer
Berufsunfähigkeitsrente auf. § 45 Abs. 3 SGB VI stellt die gesetzliche Vermutung auf,
dass die im Bergbau verminderte Berufsfähigkeit mit dem 50. Lebensjahr unwiderruflich
eingetreten ist. Der Normzweck der Rente besteht darin, die Lohneinbuße
auszugleichen, die der Versicherte erleidet, weil er aufgrund des gesetzlich vermuteten
Eintritts der verminderten Berufsfähigkeit seine berufliche Tätigkeit nicht mehr
wahrnehmen kann und, da sein Arbeitsleben nicht abgeschlossen ist, zur Absicherung
des Lebensstandards im Allgemeinen zur Aufnahme einer minderentlohnten Tätigkeit
gezwungen ist (zum Ganzen Kasseler Kommentar/Niesel, 59 EGL 2008, § 45 SGB VI
Rn. 7, 8).
c) Das relativ junge Alter des Klägers ist ebenfalls unerheblich, da das biometrische
Ereignis Invalidität vorliegt und an dieses angeknüpft wird (vgl. BAG 17. September
2008 - 3 AZR 865/06 -BeckRS 2009, 50313).
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3. Die Höhe des Anspruchs beläuft sich auf 2,5 t Kohle und damit auf 315,77 €.
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a) Aus § 104 Abs. 1 Anlage 7 RWMTV folgt der Anspruch auf eine Energiebeihilfe von
2,5 t. Der Wert einer Tonne Kohle beläuft sich nach der Kenntnis des Gerichts derzeit
auf ca. 200 €. Nach dem Rundschreiben der IG BCE vom 31. August 1992 belief sich
der Wert der Tonne Steinkohle auf 239 DM für ausgeschiedene Rentner und Witwen.
Der Kläger bezieht sich außerdem auf Vergleichswerte bei Kollegen im
Steinkohlebergbau.
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b) Der Beklagte durfte sich in Anbetracht der Vielzahl an Verfahren mit diesem
Gegenstand nicht darauf berufen, den Wert einer Tonne Kohle, den die
Tarifvertragspartner festzusetzen hatten, zu bestreiten. Jedenfalls war wegen des
substantiierten Vortrags des Klägers zumindest von seinen Werten auszugehen. Selbst
wenn dann von jeder Tonne noch 8 DM nach § 104 Abs. 2 RWMTV abzuziehen wären,
bestehen gegen den geltend gemachten Betrag keine Einwände.
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II. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Ruhegeldzahlungen in
Höhe von monatlich 64,42 €, also für den streitigen Zeitraum 579,78 €, aus §§ 1, 5 der
Versorgungsordnung Heitkamp (VersO) und § 7 Abs. 1 BetrAVG.
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1. Der Kläger erfüllte im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung die Voraussetzungen der
VersO. Er bezog seit dem 1. April 2007 eine Bergmannsrente, die als Erwerbs- und
Berufsunfähigkeitsrente im Sinne des § 5 der VersO zu qualifizieren ist.
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a) § Nach § 5 VersO haben Berufs- und Erwerbsunfähige Anspruch auf Invalidenrente,
die ihrer Höhe nach der Altersrente entspricht. Zur Auslegung dieser Begriffe wird auf
die übliche Begriffsbestimmung in der gesetzlichen Rentenversicherung
zurückgegriffen. Wenn Betriebspartner einen Rechtsbegriff wie den der
Erwerbsunfähigkeit verwenden, ohne dessen Voraussetzungen selbst festzulegen,
legen sie regelmäßig den Sprachgebrauch des Sozialversicherungsrechts zu Grunde,
aus dem sie diesen Begriff übernommen haben (BAG 20. Februar 2001 - 3 AZR 21/00 -
NZA 2002, 351; Kemper, 3. Auflage 2008, § 1 BetrAVG Rn. 39; Höfer, EGL Juni 2006,
ART Rn. 865). Das gilt auch für Versorgungsordnungen, die noch die alten, bis Ende
2000 geltenden Begriffe der Erwerbs- und Berufsunfähigkeit fortführen (BRO, 4. Auflage
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2006, Anhang § 1 BetrAVG Rn. 175; Kemper, 3. Auflage 2008, § 1 BetrAVG Rn. 42;
Langohr/Plato, 4. Auflage 2007, Allgemeine Grundlagen Rn. 34; Höfer, EGL Juni 2006,
ART Rn. 865). Wie diese Begriffe zu verstehen sind, steht in der Literatur in Streit,
jedenfalls soll auch weiterhin bei der Verwendung der Begriffe der Berufs- oder
Erwerbsunfähigkeit die teilweise und volle Erwerbsminderung von der
Versorgungsordnung erfasst sein (BRO, 4. Auflage 2006, Anhang § 1 BetrAVG Rn. 175;
Kemper, 3. Auflage 2008, § 1 BetrAVG Rn. 42; Langohr/Plato, 4. Auflage 2007,
Allgemeine Grundlagen Rn. 34; Höfer, EGL Juni 2006, ART Rn. 866)
b) Die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 3 SGB VI ist Berufsunfähigkeitsrente im Sinne
des § 5 VersO. Sie ist keine Altersrente, obwohl sie vom Lebensalter abhängig ist. Sie
wird wegen im Bergbau verminderter Berufsfähigkeit geleistet und ist damit eine Rente
wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (Kreikebohm/von Koch, 3. Auflage 2008, § 45
SGB VI Rn. 21). Sie weist nach ihrem Grund und ihrer Ausgestaltung die typischen
Merkmale einer Berufsunfähigkeitsrente auf. § 45 Abs. 3 SGB VI stellt die gesetzliche
Vermutung auf, dass die im Bergbau verminderte Berufsfähigkeit mit dem 50.
Lebensjahr unwiderruflich eingetreten ist. Der Normzweck der Rente besteht darin, die
Lohneinbuße auszugleichen, die der Versicherte erleidet, weil er aufgrund des
gesetzlich vermuteten Eintritts der verminderten Berufsfähigkeit seine berufliche
Tätigkeit nicht mehr wahrnehmen kann und, da sein Arbeitsleben nicht abgeschlossen
ist, zur Absicherung des Lebensstandards im Allgemeinen zur Aufnahme einer
minderentlohnten Tätigkeit gezwungen ist (zum Ganzen Kasseler Kommentar/Niesel, 59
EGL 2008, § 45 SGB VI Rn. 7, 8). Aus dieser Beschreibung folgt, dass die
Bergmannsrente zwar Übergangscharakter hat, aber Invaliditätsrente im Sinne der
Versorgungsordnung ist.
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2. Der Kläger hat daher einen Anspruch nach der VersO auf 50 DM für die ersten zehn
Jahre und für die weiteren 19 Jahre Betriebszugehörigkeit je 4 DM, also 50 DM + 76 DM
= 126 DM = 64, 42 €, für neun Monate ergibt dies 579,78 €.
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III. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Zwar hat der Kläger seinen
Anspruch auf Zahlung der Energiebeihilfe reduziert, da er aber durch den erhöhten
Anspruch auf Ruhegeld insgesamt den Anspruch erhöht hat, ist von einem Austauschen
der Anspruchsbegründung und nicht von einer Teilklagerücknahme mit der Folge des §
269 Abs. 3 ZPO auszugehen.
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V. Der Urteilsstreitwert folgt aus §§ 3, 5 ZPO. § 9 ZPO findet keine Anwendung, da der
Kläger nicht das Recht auf wiederkehrende Leistungen geltend macht, sondern konkrete
Rückstände eingeklagt hat (Thomas/Putzo/Hüßtege, 29. Auflage 2008, § 9 ZPO Rn. 3).
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VI. Die Berufung war nach § 64 Abs. 2 lit. b), Abs. 3 Nr. 1, 2 b), 3 ArbGG zuzulassen. Der
RWMTV gilt über den Bezirk des Arbeitsgerichts Köln hinaus. Die Kammer weicht von
dem vorgelegten Urteil des LAG Köln vom 7. April 2008 - 5 Sa 430/08 - BeckRS 2008,
55465 ab. Die Einordnung der Bergmannsrente als Invaliditätsrente hat allgemeine
Bedeutung für die Rechtsordnung und die Praxis des Beklagten. Damit berührt sie auch
wegen der Funktion des Beklagten größere Teile der Allgemeinheit.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht Köln, Blumenthalstraße 33, 50670 Köln eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung
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Die Berufungsschrift
muss
Bevollmächtigte
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1. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder
Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer
der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser
Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit
vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
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Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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