Urteil des ArbG Karlsruhe vom 17.01.2006

ArbG Karlsruhe (kläger, höhe, arbeitnehmer, anstalt, umwandlung, land baden, gesetz, inhalt, zulage, arbeitgeber)

ArbG Karlsruhe Urteil vom 17.1.2006, 1 Ca 297/05
Zulage aufgrund Betriebsvereinbarung bei Umwandlung in Anstalt öffentlichen Rechts
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als rückständige
Außendienstzulage
174,11 EUR brutto nebst 5 % über dem Basiszinssatz seit dem
16.05.2005,
174,11 EUR brutto nebst 5 % über dem Basiszinssatz seit dem
16.06.2005,
174,11 EUR brutto nebst 5 % über dem Basiszinssatz seit dem
16.07.2005,
174,11 EUR brutto nebst 5 % über dem Basiszinssatz seit dem
16.08.2005,
174,11 EUR brutto nebst 5 % über dem Basiszinssatz seit dem
16.09.2005,
174,11 EUR brutto nebst 5 % über dem Basiszinssatz seit dem
16.10.2005,
174,11 EUR brutto nebst 5 % über dem Basiszinssatz seit dem
16.11.2005
zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger
auch über den Monat November 2005 hinaus die Außendienstzulage in
Höhe von 174,11 EUR monatlich weiter zu zahlen.
3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Der Kläger trägt 1/10, die Beklagte 9/10 der Kosten des Rechtsstreits.
5. Der Streitwert wird auf 6.833,13 EUR festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, eine Außendienstzulage bzw. Feiertagszuschläge
an den Kläger zu bezahlen.
2
Der Kläger war aufgrund Arbeitsvertrages vom 14. Dezember 1989 seit dem 01. Januar 1990 bei der
Gesellschaft für U. mbH (im Folgenden U. GmbH) als Techniker tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft
arbeitsvertraglicher Bezugnahme (§ 16 des Arbeitsvertrages) der Tarifvertrag der Tarifgemeinschaft der
Technischen Überwachungsvereine e.V. für Arbeitnehmer, die zum Stichtag 31.12.1994 betriebszugehörig
waren (sog. Manteltarifvertrag TÜV alt), Anwendung.
3
Gemäß § 10 des Arbeitsvertrages erhielt der Kläger ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt gemäß der mit ihm
getroffenen Vereinbarung und etwaigen für die U. verbindlichen Allgemeinregelung durch die jeweils gültigen
Tarifverträge. Bei Änderung der Bemessungsgrundlage gilt jeweils die schriftliche Gehaltsmitteilung als
Bestandteil dieses Vertrages.
4
Der Kläger erhielt gemeinsam mit dem ihm zustehenden Bruttoentgelt eine sog. Außendienstzulage in Höhe
von ursprünglich DM 300,--, zuletzt 174,11EUR brutto. Die Außendienstzulage war jeweils separat auf der
Gehaltsmitteilung ausgewiesen.
5
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag vom 14. Dezember 1989 (Anlage 1 zur
Klageschrift vom 19.07.2005, Bl. 7 d. A.) verwiesen.
6
Bei der U. GmbH war ein Betriebsrat gebildet. Dieser schloss mit dem Arbeitgeber mehrere
Betriebsvereinbarungen. Mit Betriebsvereinbarung vom 24.03.1997 (vgl. Anlage K 2 zur Klageschrift, Bl. 12 d.
A.) vereinbarten die Betriebspartner eine Neuregelung der Außendienstzulage. Danach sollten alle Mitarbeiter,
die mindestens 50 % ihrer tatsächlich gearbeiteten Tage pro Monat im Außendienst verbringen, eine
Außendienstzulage in Höhe von 300,-- DM pro Monat erhalten. Mitarbeitern, die zwischen 30 % und 50 % ihrer
tatsächlich gearbeiteten Tage im Außendienst verbringen, wird die Zulage hälftig ausbezahlt. Im übrigen wird
die Höhe der Zulage der Tarifentwicklung angepasst. In § 3 der Betriebsvereinbarung wurde eine
Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Jahresende und eine Nachwirkung bis zum Abschluss einer neuen
Vereinbarung vereinbart. Der Kläger erhielt zuletzt eine Außendienstzulage in unstreitiger Höhe von 174,11
EUR, fällig zum 15. des Monats.
7
Mit Betriebsvereinbarung vom 09.01.1991 vereinbarten die damaligen Betriebspartner u. a., dass für erbrachte
Arbeitszeiten am 24.12. bzw. 31.12. ein Zuschlag in Höhe des Feiertagszuschlages gem. Manteltarifvertrag
TÜV gewährt werde, wobei für diese Arbeitszeiten grundsätzlich Freizeit zu gewähren sei. Hinsichtlich der
Einzelheiten wird auf die Betriebsvereinbarung zwischen der U. und dem Betriebsrat der U. über die Höhe der
Zulagen vom 09.01.1991 (Bl. 127 d. A.) verwiesen.
8
Mit Gesetz zur Errichtung der U. vom 19. Dezember 2000 (im Folgenden U.-G, Gesetzblatt Baden-
Württemberg, Seite 761, Bl. 14 d. A.) errichtete das Land Baden-Württemberg durch formwechselnde
Umwandlung der U. GmbH die Beklagte als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in K.. Gemäß
§ 10 U.-G werden die bisherigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der U. GmbH Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer der neu gegründeten Anstalt. Die Rechte und Pflichten der bis zum Zeitpunkt der Errichtung der
Anstalt bei der U. GmbH bestehenden Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse gelten weiter.
9
Gemäß § 13 Abs. 5 U.-G blieb der Betriebsrat der U. GmbH abweichend von § 19 Abs. 2 Nr. 6 des
Landespersonalvertretungsgesetzes (LPVG) auch nach Einrichtung der rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen
Rechts als Personalrat bis zu den nächsten regelmäßigen Personalratswahlen bestehen. Die bisherigen
Außendienstzulagen und die Feiertagszuschläge wurden an den Kläger auch nach der Umwandlung der
Beklagten über den 1. Januar 2001 hinaus fort gewährt.
10 Mit Schreiben vom 28.04.2005 und auf einer Personalversammlung am 29.04.2005 teilte die Beklagte dem
Kläger mit, dass der Aufsichtsrat in einer außerordentlichen Sitzung vom 18.04.2005 festgestellt habe, dass
wohl die Betriebsvereinbarung über die Gewährung einer Außendienstzulage als auch die Betriebsvereinbarung
über die Feiertagszuschläge durch Rechtsreformänderung der U. zum 01.01.2001 unwirksam geworden seien
und die Zulagen deshalb ab Mai 2005 nicht mehr gewährt werden können. Arbeitsleistungen hat der Kläger am
24. Dezember und 31. Dezember nicht erbracht.
11 Mittlerweile hat die Beklagte die Betriebsvereinbarung mit Wirkung zum 31.12.2005 vorsorglich gekündigt. Über
die Fortgeltung der Betriebsvereinbarungen schwebt ein Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht K. zwischen
der Beklagten und deren Personalrat (VG K., AZ.: PL 14 K 1071/05).
12 Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Bezahlung der Außendienstzulage für die Monate Mai bis
November und die Feststellung, dass die Beklagte weiter verpflichtet sei, die Außendienstzulage und die
Feiertagszulage auch künftig zu bezahlen.
13 Der Kläger ist der Auffassung, dass die Betriebsvereinbarung über die Außendienstzulage trotz der
Umwandlung von einer privatrechtlichen Gesellschaft in eine öffentlich rechtliche Anstalt weiter gelte.
Zumindest dürfe der Arbeitnehmer aufgrund des identitätswahrenden Formwandels nicht benachteiligt werden.
In entsprechender Anwendung der Grundgedanken des Umwandlungsgesetzes und den gesetzlichen Regelung
zu einem Betriebsübergang gem. § 10 U.-G seien die Regelungen der Betriebsvereinbarung Inhalt der
Arbeitsverhältnisse geworden und gelten daher auch nach der Umwandlung der Beklagten weiter. Der
Gesetzgeber habe in § 10 U.-G nicht nur die individualrechtlichen Regelungen sondern den gesamten
individual- und kollektivrechtlichen Regelungskomplex von der privatrechtlichen GmbH in den öffentlich-
rechtlichen Bereich transformiert. Darüber hinaus gelten die Regelungen der Betriebsvereinbarungen vom
24.03.1997 und vom 09.10.1991 im Hinblick auf den Vertrauensschutz unter Berücksichtigung von Art. 14 GG
über den 01.01.2001 hinaus weiter. Dies habe auch Herr Ministerialdirektor F. auf einer Betriebsversammlung
vom 15.09.2000 im Zusammenhang mit der konkreten Frage, was mit den Betriebsvereinbarungen geschehen
werde, gegenüber den Mitarbeitern erklärt. Letztendlich ergebe sich auch ein Anspruch aufgrund betrieblicher
Übung, da die Außendienstzulage auch nach der Rechtsformumwandlung durch die Beklagte ohne
Einschränkungen und Vorbehalte weiter bezahlt worden sei.
14
Der Kläger beantragt zuletzt:
15
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als rückständige Außendienstzulage
16
174,11 EUR brutto nebst 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2005,
17
174,11 EUR brutto nebst 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2005,
18
174,11 EUR brutto nebst 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2005,
19
174,11 EUR brutto nebst 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2005,
20
174,11 EUR brutto nebst 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 16.09.2005,
21
174,11 EUR brutto nebst 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2005,
22
174,11 EUR brutto nebst 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2005
23
zu zahlen.
24
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger auch über den Monat
November 2005 hinaus die Außendienstzulage nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung vom
24.03.1997 bis zum Wirksamwerden einer neuen Vereinbarung weiter zu zahlen.
25
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für Arbeitsleistung am 24.12.
und 31.12. jeweils Feiertagszuschlag zu zahlen.
26 Der ursprüngliche Leistungsantrag bzgl. Zahlungen für Feiertagszuschläge am Gründonnerstag bzw.
Faschingsdienstag wurde von dem Kläger nicht weiter aufrecht erhalten (vgl. hierzu Anträge mit Schriftsatz
vom 04.11.2005, Bl. 128 d. A.)
27
Die Beklagte beantragt,
28
die Klage abzuweisen.
29 Die Beklagte ist der Auffassung, dass ein (normativer) Anspruch aufgrund der Betriebsvereinbarung über die
Außendienstzulage nicht mehr bestehe. Für den umgekehrten Fall, die Privatisierung eines öffentlich
rechtlichen Unternehmens, habe das Bundesarbeitsgericht der Fortgeltung von Dienstvereinbarungen
widersprochen. Dies ergebe sich aufgrund der klaren Trennung zwischen Personalvertretungsgesetz einerseits
und Betriebsverfassungsrecht andererseits (§ 130 BetrVG). § 613 a BGB komme aufgrund des gesetzlich
geregelten Übergangs weder unmittelbar noch analog zur Anwendung. Auch § 10 U.-G betreffe nur Ansprüche
aufgrund des Arbeitsverhältnisses . Dies umfasse nicht
30 Kollektivnormen einer Betriebsvereinbarung. Im Gegensatz zu § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB fehle es gerade an
einer Regelung bezüglich der Fortgeltung der Betriebsvereinbarung. Lediglich § 13 U.-G regele eine Ausnahme
im Geltungsbereich des Personalvertretungsrechts. "Renovierende" Vereinbarungen seien zwischen dem
Arbeitgeber und dem Personalrat nicht getroffen worden und wären nach dem Personalvertretungsrecht auch
nicht möglich.
31 Das Umwandlungsgesetz finde auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Dies ergebe sich auch aus § 324
Umwandlungsgesetz, der einen Formwechsel nicht umfasst.
32 Ansprüche aufgrund einer betrieblichen Übung beständen nicht, da beide Parteien von der irrtümlichen
Weitergeltung der Betriebsvereinbarung ausgegangen seien. Der Arbeitnehmer konnte daher nicht darauf
vertrauen, dass der Arbeitgeber einen selbständigen und von der vermeintlich wirksamen Betriebsvereinbarung
abstrahierenden Willen zur dauerhaften Leistungserbringung der Außendienstzulage entwickelt habe.
33 Spätestens werde die Betriebsvereinbarung aufgrund der Kündigung zum 31.12.2005 auslaufen. Eine
Nachwirkung käme nicht in Betracht, da der Personalrat mangels Regelungskompetenz im
Personalvertretungsrecht nicht in der Lage sei, mit der Beklagten eine neue Betriebsvereinbarung zu schließen.
Eine Nachwirkung setze aber den Fortbestand eines Kollektivorgans voraus, welches in diesem Bereich noch
die entsprechende Mitbestimmungsrechte habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
34 Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Parteienvortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
und auf das Sitzungsprotokoll vom 18.11.2005 (Bl. 139 d. A.) verwiesen.
35 Die Entscheidung der Kammer erging ohne Beweisaufnahme.
Entscheidungsgründe
36 Die Klaganträge Ziff. 1 und 2 sind zulässig und begründet.
37 Der Klagantrag Ziff. 3 ist mangels alsbaldigem Feststellungsinteresse unzulässig.
I.
38 1. Bei dem Klagantrag Ziff. 1 handelt es sich um eine Leistungsklage, die bezüglich dem Inhalt hinreichend
konkretisiert ist. Für den Klagantrag Ziff. 2 besteht ein Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO, da
zwischen den Parteien das Bestehen eines Rechtsverhältnisses, nämlich eines Anspruches aufgrund
Betriebsvereinbarung und/oder Arbeitsvertrag, streitig ist.
39 Eine Leistungsklage auf zukünftige bzw. wiederkehrende Leistungen ist nicht möglich, da die Leistungszulage
gem. § 1 der Betriebsvereinbarung über die Außendienstzulage davon abhängig ist, dass ein Mitarbeiter
mindestens 50 % der tatsächlich gearbeiteten Tage pro Monat im Außendienst verbringt und damit von einer
Gegenleistung abhängig ist. Daran ändert auch nichts, dass der Kläger in der Vergangenheit regelmäßig 50 %
seiner tatsächlich geleisteten Arbeitszeit im Außendienst verbracht hat.
40 2. Hingegen ist die Feststellungsklage bzgl. den Feiertagszuschlägen unzulässig. Aus dem Sachvortrag wird
nicht ersichtlich, dass der Kläger am 24. bzw. 31.12. zuschlagspflichtige Arbeitsleistungen erbracht hat.
Aufgrund des bisherigen Sachvortrages steht auch nicht fest, ob und inwieweit der Kläger im Jahr 2006 bzw.
2007 Arbeitsleistungen an diesen Tagen erbringen wird. § 256 ZPO setzt jedoch ein gegenwärtiges, zwischen
den Parteien streitiges Rechtsverhältnis voraus. Unzulässig ist daher eine Klage auf Feststellung von
Rechtsfolgen aus einem künftig (möglicherweise) entstehenden Rechtsverhältnis (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 24.
Aufl. § 256 Rnr. 3 a).
II.
41 Die Klage ist bzgl. den Klaganträgen Ziff. 1 und 2 begründet. Der Kläger hat zwar keinen kollektivrechtlichen
Anspruch aus der Betriebsvereinbarung gem. § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG, ein Anspruch ergibt sich jedoch
aufgrund § 10 U.-G in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag.
42 1. Die Betriebsvereinbarung über die Außendienstzulage vom 24.03.1997 ist wirksam zustande gekommen. Sie
verstößt insbesondere nicht gegen die Regelungssperre gem. § 77 Abs. 3 BetrVG, wonach Arbeitsentgelte und
sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht
Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können.
43 a) Die Regelung einer Außendienstzulage verstößt nicht gegen den auf das Arbeitsverhältnis Anwendung
findenden TÜV MTV-alt. Die in der Betriebsvereinbarung geregelte Außendienstzulage ist nicht (abschließend)
in diesem Tarifvertrag geregelt. Die bloße tarifliche Lohnregelung hindert nicht die Gewährung von
Sonderleistungen, die an zusätzlichen Leistungen der Arbeitnehmer oder an Leistungen mit anderen
Tatbestandsvoraussetzungen anknüpfen (vgl. Fitting/Kaiser/Heither, BetrVG, 21. Auflage § 77 Rnr. 88).
44 b) Zwar besteht bezüglich der Höhe der Zulage auch kein zwingendes Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1
Nr. 10 BetrVG (Fragen der betrieblichen Lohngestaltung) bzw. gem. § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG
(leistungsbezogene Entgelte), dies hindert jedoch nicht den Abschluss einer sog. freiwilligen
Betriebsvereinbarung gem. § 88 BetrVG. Insoweit ist die dortige Aufzählung nicht abschließend (vgl.
Fitting/Auffarth/Kaiser BetrVG § 88 Rnr. 12). Auch diese Betriebsvereinbarungen wirken gem. § 77 Abs. 4
BetrVG unmittelbar und zwingend auf das Arbeitsverhältnis ein, so dass dem Kläger aufgrund der betrieblichen
Vereinbarung ein Anspruch auf Bezahlung der Außendienstzulage gegenüber der U.-GmbH zustand.
45 2. Diese unmittelbare und zwingende Wirkung ist jedoch aufgrund der Umwandlung der privatrechtlichen U.-
GmbH in eine öffentlich rechtliche Anstalt mit Wirkung zum 01.01.2001 entfallen.
46 a) Aufgrund des Übergangs in eine Anstalt des öffentlichen Rechts findet gem. § 130 BetrVG das
Betriebsverfassungsrecht keine Anwendung. Daran ändert sich auch aufgrund der zulässig vereinbarten
Nachwirkung der Betriebsvereinbarung nichts. Eine vereinbarte Nachwirkung hat nur den Sinn, die Zeit
zwischen der Beendigung einer Betriebsvereinbarung (z. B. durch Kündigung) bis zu einer Neuregelung zu
überbrücken.
47 b) Eine solche Neuregelung ist jedoch im vorliegenden Fall nicht möglich. Zum einen entfällt aufgrund der
Umwandlung der für den Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung notwendige Betriebsrat auf Dauer.
Gemäß § 13 Abs. 5 U.-G wandelt sich ohne Übergangsmandat nach Errichtung in eine rechtsfähige Anstalt der
Betriebsrat in einen Personalrat um. Entscheidend ist jedoch, dass nach dem
Landespersonalvertretungsgesetz Baden-Württemberg (LPVG) weder ein Mitbestimmungsrecht und damit ein
Recht auf Abschluss einer Dienstvereinbarung bzgl. der Höhe von Leistungszulagen noch die Möglichkeit einer
freiwilligen Dienstvereinbarung besteht. Dies ergibt sich aufgrund der Regelung in § 73 LPVG, wonach
Dienstvereinbarungen nur für bestimmte, im Gesetz abschließend genannte Gegenstände zulässig sind. Die
Höhe von Dienstbezügen einschließlich Zulage ist nach dem Landespersonalvertretungsgesetz einer
Mitbestimmung nicht zugänglich. Sie beschränkt sich vielmehr nur auf die Aufstellung von allgemeinen Regeln,
nach der die Lohnfindung zu erfolgen hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 5 LPVG). Darüber hinausgehende, "freiwillige"
Dienstvereinbarungen sind gem. § 97 BPVG, das auch auf das Landesrecht Anwendung findet, nicht zulässig
(so auch Verwaltungsgericht Karlsruhe in seiner Stellungnahme vom 09. Dezember 2005, Bl. 157 d. A.). Dies
bedeutet, dass aufgrund der Formumwandlung die kollektivrechtliche Geltung der Betriebsvereinbarung sowohl
gem. § 77 Abs. 4 BetrVG als auch im Wege der Nachwirkung i.V.m. § 88 BetrVG entfallen ist. Eine
Umwandlung bzw. eine Fortgeltung als Dienstvereinbarung findet nicht statt.
48 3. Der Anspruch auf Außendienstzulage ist jedoch gem. § 10 S. 2 U.-G (wieder) Inhalt des Arbeitsvertrages
des Klägers geworden.
49 a) Dabei kann das Gericht dahingestellt sein lassen, ob ein entsprechender Übergang aufgrund analoger
Anwendung des § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB erfolgt. Danach werden Rechte und Pflichten, die durch eine
Betriebsvereinbarung geregelt sind, Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Voraussetzung ist allerdings ein
Betriebsübergang durch Rechtsgeschäft. Ausgenommen sind daher Fälle, in denen der Übergang auf Gesetz
oder sonstigem Hoheitsakt beruht (vgl. BAG Urteil vom 05.10.1993, AP Nr. 42 zu § 1 BetrAVG
Zusatzversorgungskasse; BAG Urteil vom 26.08.1999, AP Nr. 197 zu § 613 a BGB). Ob und inwieweit dies
den Grundsätzen der Richtlinien zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Wahrung
von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder
Betriebsteilen (vgl. EG/RL 200/23/EG Abl. Nr. L 82/16 vom 22.03.2002 bzw. 77/187, EWG Art. 1 Abs. 1) und
der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. EuGH Urteil vom 26.09.2000 -
Rs. C-175/99 = NZA 2000, 1327; EuGH Urteil vom 14.09.2000 - Rs. C-343/98 = NZA 2000, 1279 ff) entspricht,
ist nicht entscheidungserheblich, da eine entsprechende Überleitung nach Auffassung der Kammer bereits
unmittelbar aufgrund der Regelung in § 10 U.-G erfolgt.
50 b) Gemäß § 10 U.-G gelten die Rechten und Pflichten der bis zum Zeitpunkt der Errichtung der Beklagten
ursprünglich bestehenden Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse weiter. Diese Weitergeltung umfasst nicht nur
die arbeitsvertraglichen, sondern alle Ansprüche, die zum Zeitpunkt der Formumwandlung bestanden haben.
Diese Auslegung ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung; der Wortlaut steht dem nicht entgegen.
51 aa) § 10 U.-Gesetz hat den Zweck, insoweit entsprechend dem Grundgedanken des § 613 a Abs. 1 BGB bzw.
des Umwandlungsgesetzes bei einem identitätswahrenden Übergang die Rechtsposition der Arbeitnehmer
gegenüber dem Rechtsnachfolger nicht zu verändern. Insoweit ist unumstritten, dass eine bloße
Formumwandlung die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer - seien sie kollektivrechtlich oder
individualrechtlich - ohne spezielle gesetzliche Regelung unberührt lässt (vgl. BAG Urteil v. 05.02.1991 u.
27.07.1994 = AP Nr. 89 und 118 zu § 613 a BGB bei Betriebsidentität). Im vorliegenden Fall bedurfte es jedoch
einer entsprechenden Regelung, da aufgrund er oben genannten Gründe eine Weitergeltung der
Betriebsvereinbarung als Dienstvereinbarung gem. § 73 LPVG ausscheidet. Die Betriebsvereinbarung verliert
ihren kollektivrechtlichen Charakter und wandelt sich in individualrechtliche Abreden um (so auch
Fitting/Auffarth/Kaiser BetrVG § 1 Rnr. 140, für den Fall, dass ein Betrieb aus dem Geltungsbereich des
BetrVG fällt).
52 bb) Der Wortlaut des § 10 steht dem nicht entgegen. Gemäß § 10 U.-Gesetz gehen nicht nur die Rechte und
Pflichten aus dem Arbeitsvertrag sondern aus dem gesamten Arbeitsverhältnis über. Dies entspricht -
entgegen der Auffassung der Beklagten - auch dem Wortlaut der Regelung des § 613 a BGB, wonach auch
Pflichten durch Rechtsnormen einer Betriebsvereinbarung Inhalt des alten Arbeitsverhältnisses waren bzw.
Inhalt des neuen Arbeitsverhältnisses werden, es sei denn, dass bei dem Rechtsnachfolger eine
entsprechende andere Betriebsvereinbarung besteht. Es bedurfte in § 10 U.-Gesetz keiner gem. § 613 a Abs. 1
S. 2 u. 3 BGB nachgebildeten Kollisionsregel, da entsprechende kollektivrechtliche Regelungen infolge der
bloßen Formumwandlung bei dem Rechtsnachfolger nicht bestehen konnten.
53 cc) Von dieser Rechtswirkung ging wohl auch die Beklagte aus, da sie nach der Umwandlung mehrere Jahre
die entsprechenden Leistungen unter jeweiliger Anpassung an die tarifvertragliche Entwicklung weiter gewährt
hat. Selbst wenn man entgegen der Auffassung der Kammer mit der Beklagten zu der Auffassung gelange, §
10 U.-G umfasse nur die arbeitsvertraglichen Ansprüche, übersieht die Beklagte, dass gem. § 10 des
Arbeitsvertrages in Verbindung mit der in der Gehaltsmitteilung separat ausgewiesenen Außendienstzulage
Bestandteil des Arbeitsvertrages war. Nach bisher unstreitigem Vortrag beider Parteien wurde diese Zulage
durch die Betriebsvereinbarung über die Außendienstzulage abgelöst. Bei vollständigem Wegfall der Wirkung
der Betriebsvereinbarung würde sodann der arbeitsvertragliche Anspruch wieder aufleben. Insoweit könnte
allerdings streitig sein, ob dieser arbeitsvertragliche Anspruch an der tarifvertraglichen Lohnentwicklung
teilzunehmen hat.
54 dd) Ein Anspruch auf die Außendienstzulage folgt dagegen nicht aufgrund betrieblicher Übung. Eine
betriebliche Übung kann grundsätzlich nur dann entstehen, wenn der Arbeitgeber freiwillig ohne Rechtspflicht
über einen längeren Zeitraum Leistungen gegenüber dem Arbeitnehmer erbringt. Grundlage für die
Leistungserbringung war jedoch die ursprünglich wirksame Betriebsvereinbarung vom 24.03.1997 bzw.
arbeitsvertragliche Regelungen. In Betracht käme allenfalls ein Anspruch aufgrund einer Gesamtzusage , da
nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausnahmsweise eine nichtige Betriebsvereinbarung in
eine Gesamtzusage umgedeutet werden kann, wenn und soweit der Arbeitgeber den Arbeitnehmern die in der
Betriebsvereinbarung vorgesehenen Leistungen auf jeden Fall zukommen lassen will oder wenn er nach
Kenntnis der Nichtigkeit der Betriebsvereinbarung die in ihr vorgesehenen Leistungen weiter gewährt (vgl.
hierzu BAG Urteil vom 24.01.1996, AP Nr. 8 zu § 77 BetrVG Tarifvorbehalt und BAG Urteil vom 05.03.1997,
AP Nr. 10 zu § 77 BetrVG Tarifvorbehalt). Aufgrund der Transformationswirkung gem. § 10 U.-Gesetz konnte
das Gericht dieses Rechtsproblem jedoch ebenfalls dahingestellt sein lassen.
55 4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 289 BGB.
III.
56 Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
57 Da der Kläger mit den Klaganträgen Ziff. 1 und 2 obsiegt, mit dem Klagantrag Ziff. 3 unterlegen ist, war die
Kostentragungspflicht entsprechend zu quoteln. Dabei ging das Gericht davon aus, dass der Streitwert für
Klagantrag Ziff. 1 EUR 1.278,77 (7 x 174,11 EUR), Klagantrag Ziff. 2 80 % des dreijährigen Differenzbetrages
und der Klagantrag Ziff. 3 (geschätzt) 600,-- EUR beträgt.