Urteil des ArbG Karlsruhe vom 06.09.2013

sozialplan, auflage, befristung, unbefristet

ArbG Karlsruhe Urteil vom 6.9.2013, 9 Ca 120/13
Sozialplan - befristet Beschäftigte
Leitsätze
Die Nichtberücksichtigung befristet beschäftigter Arbeitnehmer bei den
Sozialplanansprüchen verstößt weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, noch
gegen das Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 2 S. 1 TzBfG; dies gilt jedenfalls dann,
wenn das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Betriebsänderung, sondern aufgrund
des Befristungsendes endet. Dies gilt auch dann, wenn der Sozialplan pauschale
Abfindungszahlungen für Mitarbeiter vorsieht, die noch keine 3 Jahre
Betriebszugehörigkeit aufweisen.
Tenor
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3) Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 5.000,- festgesetzt.
4) Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Zahlung einer Sozialplanabfindung.
2 Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1.6.2011 als Drucker mit einem
monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von EUR 3.372,20 angestellt. Das
Arbeitsverhältnis war zunächst befristet bis zum 30.6.2012, aufgrund eines
Nachtrages erfolgte eine Verlängerung bis zum 31.5.2013.
3 Die Beklagte legte mit Wirkung zum 30.4.2013 den Betriebsteil Druckerei still und
führt lediglich noch die Redaktion sowie die erforderliche Verwaltung im Bereich K.
Blatt fort. Im Hinblick auf diese Betriebsänderung schloss die Beklagte mit dem
Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan am 14.12.2012 ab. Der
Sozialplan (Bl. 18ff d.A.) sieht unter anderem folgende Regelungen vor:
4
„…
§ 7 Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen
5
7.2 persönlich:
Arbeitnehmer/innen (zukünftig Mitarbeiter) im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG des
Arbeitgebers.
6
7.3 zeitlich:
Von diesem Sozialplan sind alle diejenigen Mitarbeiter erfasst, die am 5.10.2012
in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber standen.
7
7.4
Keine Leistungen nach den Bestimmungen dieses Sozialplans erhalten folgende
Mitarbeiter:
8
a) …
b) deren Arbeitsverhältnis am 5.10.2012 wirksam gekündigt ist,
c) deren Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Sozialplanes
noch keine sechs Monate Bestand hat,
d) …
e) …
f) …
g) …
h) …
i) Mitarbeiter mit befristeten Arbeitsverträgen.
9
§ 10 Beendigung des Arbeitsverhältnisses
10 10.1
Abfindungsberechtigt sind alle Mitarbeiter, die vom Personalabbau betroffen sind.
11 10.2
Anspruchsberechtigt sind diejenigen Mitarbeiter, die zum 5.10.2012 in einem
ungekündigten Arbeitsverhältnis standen und während der Laufzeit dieses
Sozialplanes eine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung erhalten
(haben) oder die einen betrieblich veranlassten Aufhebungsvertrag
unterzeichnet/unterzeichnen oder die nach Erhalt einer Arbeitgeberkündigung
selbst kündigen, jeweils aufgrund der in diesem Interessenausgleich/Sozialplan
beschriebenen betrieblichen Maßnahmen. …
12 10.5.2
Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt des rechtlichen Endes Ihres Arbeitsverhältnisses
noch keine drei Jahre beim Arbeitgeber beschäftigt waren, erhalten ausschließlich
eine pauschale Abfindung i.H.v. EUR 5000,- brutto.
Alle anderen Mitarbeiter erhalten die unter 10.3 und 10.4 und 10.5 aufgeführten
Sozialabfindung in voller Höhe gemäß den Anspruchsvoraussetzungen.
…“
13 Der Kläger hatte sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.12.2012 selbst mit
Wirkung zum 31.1.2013 gekündigt, um ab dem 1.2.2014 in ein neues (befristetes)
Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber einzutreten.
14 Der Kläger trägt vor,
ihm sei von Anfang an ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in Aussicht gestellt
worden. Schon bei Vertragsabschluss zwischen den Parteien sei dem Kläger ein
befristeter Jahresvertrag angeboten worden mit der Begründung, dass der Kläger
zuerst erprobt werden solle und danach einen unbefristeten Arbeitsvertrag im
Anschluss an den ersten Zeitvertrag erhalten solle. Der Kläger sei aus
ungekündigter Stellung bei der Firma W. D. in L. zu der Beklagten gewechselt.
Nach einem späteren Wechsel in der Person des Personalleiters seien die
Anfragen des Klägers nach einem unbefristeten Arbeitsverhältnis jedoch
abgeblockt worden.
15 Der Kläger ist der Auffassung,
im Hinblick auf die Herausnahme der befristet Beschäftigten aus den
Sozialplanansprüchen liege ein Verstoß der Betriebsparteien gegen § 4 Abs. 2 S.
1 Teilzeit- und Befristungsgesetz in Verbindung mit § 75 BetrVG vor, weil ein
sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung nicht ersichtlich sei. Der Kläger habe
mindestens Anspruch auf den Betrag, den andere Arbeitnehmer der Beklagten in
unbefristeten Arbeitsverhältnissen erhielten, welche noch keine drei Jahre
Betriebszugehörigkeit aufwiesen.
16 Der Kläger beantragt:
17
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5000,- EUR zu zahlen nebst
Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz hieraus seit
Rechtshängigkeit.
18 Die Beklagte beantragt:
19
Die Klage wird abgewiesen.
20 Die Beklagte trägt vor,
sie hätte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht selbst gekündigt, sondern zum
Ende der Befristung auslaufen lassen, hätte dieser nicht selbst sein
Arbeitsverhältnis zum 31.1.2013 beendet.
21 Die Beklagte ist der Auffassung,
die Differenzierung zwischen befristet und unbefristet Beschäftigten im Sozialplan
sei zulässig, da unterschiedliche Sachverhalte vorliegen würden. Die
Betriebsparteien brauchten nicht die zweckmäßigste, vernünftigste und
gerechteste Lösung zu wählen, vielmehr genüge es, wenn sich für die getroffene
Regelung ein sachlich vertretbarer Grund ergebe. Der Sozialplan habe nach der
ständigen Rechtsprechung des BAG eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und
Überbrückungsfunktion. Eine Überbrückung künftiger Nachteile sei bei befristet
beschäftigten Arbeitnehmer mangels gefestigter Zukunftserwartungen nicht
erforderlich, da das Arbeitsverhältnis mit Ende der Befristung auslaufe.
22 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 17.4.2013 und
06.09.2013 verwiesen. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
Entscheidungsgründe
I.
23 Die zulässige Klage ist unbegründet.
24 Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer pauschalen Abfindung in Höhe
von EUR 5000,- brutto.
25 1. Ein Zahlungsanspruch ergibt sich nicht aus § 10.5.2 des Sozialplans vom
14.12.2012.
26 a) Der Kläger fällt zwar grundsätzlich unter den Geltungsbereich des Sozialplans
gemäß § 7.2, soweit er Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG war. Einem
Anspruch auf die geltend gemachte Sozialplanabfindung steht zunächst auch
nicht entgegen, dass der Kläger noch vor der endgültigen Betriebsteilstilllegung
das Arbeitsverhältnis selbst beendet hat, um ein neues Arbeitsverhältnis bei
einem anderen Arbeitgeber einzugehen. Denn vom Sozialplan werden auch
ausgeschiedene Arbeitnehmer erfasst, wenn deren Abschluss eines
Aufhebungsvertrages oder Eigenkündigung vom Arbeitgeber aufgrund der
Betriebsänderung veranlasst wurde (vgl. Kania in Erfurter Kommentar, 13. Auflage
2013 § 112 BetrVG Rn. 20 m.w.N.). Als Mitarbeiter mit befristetem Arbeitsvertrag
ist der Kläger jedoch gemäß § 7.4 des Sozialplans von den Leistungen des
Sozialplans ausgenommen.
27 b) Die Herausnahme von befristet Beschäftigten von Leistungen aus dem
Sozialplan gemäß § 7.4 ist rechtswirksam, insbesondere liegt keine
ungerechtfertigte Diskriminierung befristet beschäftigter Arbeitnehmer vor.
28 aa) Gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 TzBfG darf ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer
wegen der Befristung des Arbeitsvertrages nicht schlechter behandelt werden als
ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass
sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Ob es mit dem
Diskriminierungsverbot vereinbar ist, befristet Beschäftigte von
Sozialplanabfindungen auszunehmen, ist in der Literatur umstritten.
29 (1) Zum Teil wird vertreten, es sei aufgrund der Regelung in § 4 Abs. 2 S. 1
TzBfG nun nicht mehr möglich, befristet Beschäftigte ganz oder teilweise
pauschal vom Geltungsbereich eines Sozialplans auszunehmen. Es bleibe zwar
nach wie vor möglich, Sozialplanansprüche auf Abfindung an bestimmte
Betriebszugehörigkeiten zu knüpfen. Erfülle ein befristet beschäftigter
Arbeitnehmer dann jedoch (auch) durch einen oder mehrere befristete
Arbeitsverhältnisse diese Voraussetzung, könne ihm der Anspruch auf die
Abfindung nicht versagt werden. Von der Betriebsänderung - bzw. den damit
verbundenen Anpassungsschwierigkeiten - betroffen seien die befristet
Beschäftigten ebenso wie die unbefristet beschäftigten Arbeitnehmer (vgl. KR-
Bader, 10. Auflage 2013 § 4 TzBfG Rn. 10; Kittner/Däubler/Zwanziger, 7. Auflage
2008 § 4 TzBfG Rn. 37). Dies solle darüber hinaus nicht nur dann gelten, wenn
der befristete Arbeitsvertrag zum Zeitpunkt der Durchführung der
Betriebsänderung noch nicht abgelaufen sei, sondern auch dann, wenn der
Ablauf der Befristung und die Betriebsänderung zeitlich zusammenfalle. Auf den
geringeren Besitzstand des befristet beschäftigten Arbeitnehmers gegenüber
dem unbefristet beschäftigten Arbeitnehmer komme es nicht entscheidend an
(Sievers, TzBfG 2.Auflage 2007 § 4 Rn. 47).
30 (2) Demgegenüber wird vertreten, die in der Herausnahme aus dem Sozialplan
liegende Diskriminierung sei sachlich gerechtfertigt. Ein rechtfertigender
sachlicher Grund liege regelmäßig in der Funktion des Sozialplans: dieser habe
nämlich maßgeblich die Aufgabe, die Zeit zwischen dem Auslaufen eines
Beschäftigungsverhältnisses infolge einer betriebsbedingten Kündigung und dem
Antritt einer neuen Beschäftigung zu überbrücken. Diese Überbrückungsfunktion
erreichten jedoch befristet Beschäftigte schon von der Natur der Sache her nicht,
da deren Arbeitsverhältnisse ohnehin ausgelaufen wären. Infolgedessen seien
diese Ausnahmen in der Regel als sachlich gerechtfertigt anzusehen
(Boecken/Joussen, TzBfG 3. Auflage 2012 § 4 Rn. 68; im Ergebnis ebenso
Rambach-Gräfl/Arnold, 1. Auflage 2005 § 4 Rn. 44; Dörner, Der befristete
Arbeitsvertrag, 2004 Rn. 104; angedeutet wohl auch in LAG Baden-Württemberg,
Urteil vom 07.12.2012 – 12 Sa 119/12, zitiert nach Juris Rn. 70). Das Problem der
Überbrückung ergebe sich zwar auch beim Auslaufen eines befristeten
Arbeitsvertrages, könne jedoch aufgrund der Vorhersehbarkeit für den
Arbeitnehmer von den Betriebsparteien anders behandelt werden. Entscheidend
sei, dass der befristet Beschäftigte, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund
Befristungsablaufs ende, seinen Arbeitsplatz nicht infolge der geplanten
Betriebsänderung verliere (§ 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG), sondern wegen des
Befristungsablaufs. Ein Ausschluss der befristet beschäftigten Arbeitnehmer von
Leistungen aus einem Sozialplan werde deshalb regelmäßig von dem den
Betriebsparteien oder der Einigungsstelle zustehenden Ermessensspielraum
gedeckt sein. Etwas anderes gelte allerdings dann, wenn das befristete
Arbeitsverhältnis nicht durch Befristungsablauf ende, sondern eine
betriebsbedingte Kündigung zur Beendigung führe. In diesem Fall müsse der
Sozialplan auch Leistungen für den befristet Beschäftigten vorsehen, wobei die
Leistungen allerdings auch mit Blick auf die Restlaufzeit des befristeten
Arbeitsvertrages reduziert werden könnten (Meinel/Heyn/Herms TzBfG 4. Auflage
2012 § 4 Rn.119).
31 bb) Die Kammer folgt der zuletzt genannten Auffassung.
32 (1) Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts vor allem eine Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion.
Normzweck des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist es, die künftigen Nachteile
auszugleichen, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen
können. Dabei ist es den Betriebsparteien nicht verwehrt, bei der Höhe der
Sozialplanleistungen auf das vergangenheitsbezogene Kriterium der
Betriebszugehörigkeit abzustellen. Der durch den Sozialplan auszugleichende
oder abzumildernde Verlust wird maßgeblich auch durch die Dauer der
Betriebszugehörigkeit bestimmt. Die mit der Betriebszugehörigkeit wachsenden
Besitzstände setzen das ununterbrochene Bestehen des Arbeitsverhältnisses
voraus. Das gilt insbesondere bei der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1
KSchG. Hier zählt nur die Beschäftigungszeit in dem letzten rechtlich
ununterbrochenen Arbeitsverhältnis. Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses
mit demselben Arbeitgeber sind nur zu berücksichtigen, wenn das spätere
Arbeitsverhältnis mit dem früheren in einem engen sachlichen Zusammenhang
steht. Der Verlust, den der Arbeitnehmer durch die Betriebsänderung erleidet, ist
der mit dem letzten Arbeitsverhältnis verbundene Besitzstand (vgl. BAG, Urteil
vom 13.03.2007 – 1 AZR 262/06, zitiert nach Juris Rn. 18f m.w.N.). Die in
Sozialplänen vorgesehenen Leistungen stellen kein zusätzliches Entgelt für die
in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar, sondern sollen die künftigen
Nachteile ausgleichen, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung
entstehen können. Nach der Legaldefinition des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist
der Sozialplan die „Einigung“ der Betriebsparteien „über den Ausgleich oder die
Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der
geplanten Betriebsänderung entstehen“. Das erfordert eine auf die Zukunft
bezogene Beurteilung. Dass der Gesetzgeber eine solche für geboten erachtet,
wird auch an den nach § 112 Abs. 5 Satz 2 BetrVG für die Einigungsstelle
geltenden Grundsätzen deutlich, insbesondere an dem in § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr.
2 Satz 1 BetrVG normierten Gebot, die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer
auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 11.11.2008 – 1 AZR
475/07, zitiert nach Juris Rn.19 m.w.N.).
33 Die zukunftsbezogene Ausgleichsfunktion von Sozialplänen eröffnet den
Betriebsparteien Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume. Ein
Beurteilungsspielraum besteht hinsichtlich der den Arbeitnehmern durch die
Betriebsänderung voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Nachteile. Ein
Gestaltungsspielraum besteht beim Ausgleich oder der Abmilderung der von
ihnen prognostizierten Nachteile. Der Beurteilungsspielraum betrifft die
tatsächliche Einschätzung der mit der Betriebsänderung für die Arbeitnehmer
verbundenen wirtschaftlichen Folgen. Diese lassen sich regelmäßig nicht in allen
Einzelheiten sicher vorhersagen, sondern können nur Gegenstand einer
Prognose sein. Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz
und die gesetzlichen Diskriminierungsverbote sind bei der Einschätzung der den
Arbeitnehmern entstehenden wirtschaftlichen Nachteile unbeachtlich. Es handelt
sich insoweit um eine tatsächliche Beurteilung, nicht um normative Gestaltung.
Die Betriebsparteien dürfen deshalb bei der Abschätzung der den Arbeitnehmern
aus der Betriebsänderung entstehenden Nachteile auch berücksichtigen, ob
diese bei bestimmten Personengruppen schon durch
sozialversicherungsrechtliche Ansprüche gemildert werden. Die Betriebsparteien
schaffen diese Privilegierungen nicht, sondern finden sie vor und können sie
nach der gesetzlichen Konzeption des § 112 BetrVG der Sozialplangestaltung
auch zugrunde legen. Der Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien betrifft die
Frage, ob, in welchem Umfang und wie sie die prognostizierten wirtschaftlichen
Nachteile ausgleichen oder abmildern. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts haben die Betriebsparteien hierbei einen weiten
Ermessensspielraum. Sie können im Rahmen ihres Ermessens nach der
Vermeidbarkeit der Nachteile unterscheiden und sind nicht gehalten, alle
denkbaren Nachteile zu entschädigen. Der Spielraum schließt typisierende
Gestaltungen ein. Allerdings müssen die Betriebsparteien hierbei den
betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sowie
grundgesetzliche, gemeinschaftsrechtliche und einfachgesetzliche
Diskriminierungsverbote beachten (BAG, Urteil vom 11.11.2008 a.a.O. Rn 20ff
m.w.N.).
34 (2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, insbesondere der
Überbrückungstheorie des Bundesarbeitsgerichts, ist die Nichtberücksichtigung
der befristet Beschäftigten bei den Sozialplanansprüchen gerechtfertigt. Die
Betriebsparteien haben sich vorliegend dafür entschieden, die durch den Verlust
des Arbeitsplatzes aufgrund der Betriebsteilstilllegung eintretenden Nachteile u.a.
durch Abfindungszahlungen abzumildern, zu deren Berechnung auch auf die
Dauer der Betriebszugehörigkeit abgestellt wird. Für die Gruppe der Mitarbeiter,
die weniger als 3 Jahre Betriebszugehörigkeit aufweisen, wird eine pauschale
Abfindungssumme gezahlt. Der Kläger weist zwar ebenfalls eine solche
Betriebszugehörigkeit auf. Sein Arbeitsverhältnis endete aber nicht aufgrund der
Betriebsänderung, sondern wäre – hätte er nicht zuvor eine Eigenkündigung
ausgesprochen – mit Ende des Befristungszeitraums ausgelaufen. Die Beklagte
hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, sie hätte das Arbeitsverhältnis
mit dem Kläger auch nicht dann vorzeitig gekündigt, hätte dieser seine
Eigenkündigung nicht zuvor ausgesprochen. Dem ist der Kläger nicht
hinreichend entgegengetreten. Damit konnten die Betriebsparteien aber
zutreffend davon ausgehen, dass für die Gruppe derjenigen Mitarbeiter, deren
Arbeitsverhältnisse ohnehin aufgrund – wirksamer – Befristung endet, durch die
Betriebsänderung gerade keine auszugleichenden Nachteile i.S.d. § 112 BetrVG
entstehen. Dem steht nicht entgegen, dass für den Anspruch auf eine
Sozialplanabfindung auf das vergangenheitsbezogene Kriterium der
Betriebszugehörigkeit abgestellt wird. Die reine Betriebszugehörigkeit in § 10.5.2
des Sozialplans, also das Bestehen des Arbeitsverhältnisses für die Dauer von
weniger als 3 Jahren, ist alleine nur Anknüpfungspunkt für die Höhe der
Sozialabfindung. Der – auszugleichende - Verlust des damit verbundenen
sozialen Besitzstandes wird wesentlich davon geprägt, dass ein unter das
Kündigungsschutzgesetz fallendes Arbeitsverhältnis aufgrund der
Betriebsänderung beendet werden muss und dieser Schutz mit zunehmender
Dauer der Betriebszugehörigkeit an Intensität gewinnt. Damit ist nicht
vergleichbar die Situation eines befristet beschäftigten Arbeitnehmers, dessen
Arbeitsverhältnis automatisch durch Zeitablauf endet und der bereits mit
Begründung eines solchen Arbeitsverhältnisses weiß, dass kein oder nur ein
sehr geringer Besitzstand entstehen wird und sich auf die
Überbrückungssituation zwangsläufig von Beginn an einstellen muss. Nach
Auffassung der Kammer ist es deshalb vom Beurteilungsspielraum der
Betriebspartner gedeckt, wenn für diese Fälle davon ausgegangen wird, es
entstünden schon keine bzw. nur geringe (z.B. in Fällen vorzeitiger Beendigung
des befristeten Arbeitsverhältnisses) auszugleichenden Nachteile aufgrund der
geplanten Betriebsänderung. Dabei ist schließlich auch zu berücksichtigen, dass
für Sozialpläne nur begrenzt Mittel zur Verfügung stehen, die unter den
Arbeitnehmern zu verteilen sind.
35 Damit liegt im Ergebnis aber eine sachliche Rechtfertigung der objektiven
Ungleichbehandlung vor, so dass weder ein Verstoß gegen das unionsrechtliche
Gleichbehandlungsgebot (jetzt Art. 21 EU-GRCharta) i.V.m. der RL 1999/70/EG
(in den Geltungsbereich der RL fallen ohnehin nur „Beschäftigungsbedingungen“,
vgl. Paragraph 4), gegen Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. § 75 BetrVG noch gegen das
Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 2 S. 1 TzBfG festzustellen ist.
36 2. Dem Kläger steht auch kein Schadenersatzanspruch in der geltend gemachten
Höhe zu, soweit er sinngemäß behauptet, die Beklagte habe ihm bei Begründung
des Arbeitsverhältnisses die spätere unbefristete Fortsetzung in Aussicht gestellt.
Dabei kann dahinstehen, ob er dies überhaupt substantiiert dargelegt hat. Hieran
bestehen schon deshalb Zweifel, weil die ursprüngliche Befristung ein weiteres Mal
verlängert wurde, was gerade nicht für eine ursprüngliche Zusage auf einen
unbefristeten Arbeitsvertrag spricht. Denn sollte der Kläger auf eine Zusage der
Beklagten vertraut haben, wäre ein Schadenersatzanspruch ohnehin auf das
negative Interesse beschränkt. Einen solchen Vertrauensschaden hat der Kläger
aber nicht dargelegt, er ist auch sonst nicht ersichtlich.
II.
37 Die Kostenentscheidung folgt §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO.
38 Der Rechtsmittelstreitwert entspricht der bezifferten Klageforderung, §§ 61 Abs. 1
ArbGG, 48 Abs.1 GKG, 3 ZPO.
39 Unbeschadet der Statthaftigkeit der Berufung kraft Gesetzes gem. § 64 Abs. 2 lit.
b) ArbGG war die Berufung gem. § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, da die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, nachdem die hier zu beantwortende
Rechtsfrage höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.