Urteil des ArbG Karlsruhe vom 06.12.2007

ArbG Karlsruhe: treu und glauben, altersrente, haftung des arbeitgebers, arbeitslosigkeit, meldung, arbeitsamt, beendigung, sozialplan, kopie, arbeitslosenhilfe

ArbG Karlsruhe Urteil vom 6.12.2007, 8 Ca 295/07
Aufklärungspflicht des Arbeitgebers bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags
Leitsätze
Der Arbeitgeber bietet dem Arbeitnehmer einen risikobehafteten Aufhebungsvertrag an, wenn der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers zur
Aufhebung des Arbeitsvertrages mit dem Versprechen bewogen werden soll, er werde ab dem 60. Lebensjahr vorzeitig Rente in Anspruch nehmen
können, ohne dass jedoch die Voraussetzungen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages bereits vorgelegen haben.
Im Falle eines solchen risikobehafteten Aufhebungsvertrages muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht nur über die arbeits- und
sozialversicherungsrechtlichen Folgen des Aufhebungsvertrages informieren, sondern auch darüber in welcher konkreten Weise sich der
Arbeitnehmer verhalten muss, damit er die Voraussetzungen für die Gewährung der in Aussicht gestellten vorzeitigen Rente schaffen kann. Hierzu
gehört auch, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach Abschluss des Aufhebungsvertrages auf eventuelle Versäumnisse hinweist, sofern er
Kenntnis von Tatsachen erhält, die ein Versäumnis nahe legen könnten.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.724,58 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils
1.287,43 EUR brutto seit dem 01.02.2007, 01.03.2007, 01.04.2007, 01.05.2007, 01.06.2007 sowie seit 01.07.2007 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.149,72 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils
1.287,43 EUR brutto seit dem 01.08.2007, 01.09.2007, 01.10.2007 sowie seit 01.11.2007 zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Der Streitwert wird auf 12.874,30 EUR festgesetzt.
5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen (ihre Zulässigkeit für die Beklagte kann sich bereits aus § 64 Abs. 2 b ArbGG ergeben).
Tatbestand
1
Mit seiner am 19.07.2007 beim Arbeitsgericht Karlsruhe eingegangenen und mit Schriftsatz vom 09.11.2007 erweiterten Klage begehrt der
Kläger von der Beklagten monatliche Zahlung eines Schadensersatzes aus einer Vereinbarung der Parteien über die Beendigung ihres
Arbeitsverhältnisses.
2
Das Arbeitsverhältnis endete nach Vollendung des 54ten Lebensjahres des Klägers mit Ablauf des 31.01.2002 aufgrund der
Auflösungsvereinbarung vom 11.07.2001 (vgl. Kopie Blatt 14/15 der Akten). Bezüglich der Bedingungen der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses wurden die Regelungen eines Sozialplans eines anderen Unternehmens vom 30.11.2000 im Bezug genommen (vgl. Kopie
Blatt 16 bis 28 der Akten).
3
Der Sozialplan sah, soweit für vorliegenden Rechtsstreit von Bedeutung, folgendes vor:
4
"§ 4 Frühpensionierung
5
1. Mitarbeiter/innen, die vom Geltungsbereich des Sozialplans erfasst sind und im Falle des Außendienstes zusätzlich die
Voraussetzungen nach § 6 erfüllen, erhalten bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 55. Lebensjahres
Frühpensionierungsleistungen nach diesem Abschnitt, es sei denn, es wurde oder wird eine Altersteilzeitvereinbarung abgeschlossen.
Bestehende Altersteilzeitvereinbarungen werden fortgeführt. Ein Ausscheiden mit Abfindung (§ 5) ist ausgeschlossen.
6
2. Die Frühpensionierungsleistungen bestehenden aus folgenden Komponenten:
7
a) Laufende Zuschüsse zum Arbeitslosengeld
b) Wahlweise Zusammenfassung der Zuschüsse zu einer Einmalzahlung
c) Zurechnungszeiten für Betriebsrente
d) Abschluss einer Direktversicherung zum Ausgleich von Rentenabschlägen in der gesetzlichen Rentenversicherung
e) Gewährung des vollen betrieblichen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes im Austrittsjahr
8
3. Laufende Zuschüsse zum Arbeitslosengeld
9
a) Mitarbeiter/innen, die nachweisen, dass sie arbeitslos gemeldet sind, erhalten für die Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld
eine monatliche Aufzahlung auf 100 % ihres monatlichen Nettoverdienstes.
10
b) Mitarbeiter/innen, die nach Ausschöpfung der maximalen Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes weiterhin arbeitslos gemeldet
sind, erhalten die 100 %-Nettoaufstockung unter Berücksichtigung eventuell gezahlter Arbeitslosenhilfeleistungen.
11
c) Bei der Ermittlung des monatlichen Nettoverdienstes wird das letzte Brutto-Monatsentgelt vor dem Ausscheiden ohne
Mehrarbeitsvergütung, Prämien, Boni, vermögenswirksame Leistungen und sonstige Zuschläge zuzüglich 1/12 des
Weihnachtsgeldes sowie 1/12 des Urlaubsgeldes in der während des Bestands des Arbeitsverhältnisses zuletzt gezahlten Höhe
berücksichtigt.
12
Der sich insgesamt ergebende Bruttobetrag wird um die aufgrund der bisherigen Steuerklasse anfallenden Steuern,
Solidaritätszuschlag und Sozialversicherungsbeiträge, jedoch ohne Berücksichtigung persönlicher Freibeträge vermindert.
13
d) Die Aufzahlung gemäß a) und b) wird längstens bis zum dem Zeitpunkt gewährt, ab dem der/die Mitarbeiter/in frühestmöglich
Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder
Versorgungseinrichtung oder eines Versorgungsunternehmens beziehen kann, auch soweit dies mit versicherungsmathematischen
Abschlägen verbunden ist.
14
e) Die Aufzahlung entsteht jeweils rückwirkend für die Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld im vorangegangenen
Kalendermonat. Sie ist frühestens nach Vorlage eines entsprechenden Bezugsnachweises durch den/die Mitarbeiter/in fällig.
..."
15 Der Kläger erhielt daraufhin bis zum Ende des Arbeitslosengeldbezuges am 21.03.2004 die vereinbarte Nettodifferenzzahlung. Mit einem
Kurzbrief vom 25.02.2004 (vgl. Kopie Blatt 36 der Akten) teilte der Kläger das Ende der Bezüge des Arbeitslosengeldes mit und bat um
Berücksichtigung dieses Umstandes bei den zukünftigen Zahlungen. Eine weitere Arbeitslosmeldung bei der Bundesagentur für Arbeit durch den
Kläger erfolgte nicht, da er davon ausging auf Leistungen keinen Anspruch zu haben. Dennoch zahlte die Beklagte gemäß der
Auflösungsvereinbarung der Parteien den 100 %-igen Aufstockungsbetrag. Insgesamt betrug die Zahlung 6.665,00 DM unter Einschluss der P.-
Betriebsrente.
16 Mit Schreiben vom 15.11.2006 (vgl. Kopie Blatt 39 der Akten) teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er versucht habe, Altersrente zum
01.02.2007 zu beantragen (wegen Erreichung des 60. Lebensjahres), dass ihm die Gewährung der Rente allerdings mit der Begründung
abgelehnt worden sei, dass in den letzten 10 Jahren vor Beginn der Rente mindestens acht Jahre Pflichtbeiträge hätten bezahlt sein müssen. Mit
Schreiben vom 22.12.2006 (vgl. Kopie Blatt 40 der Akten) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie Gespräche mit der deutschen
Rentenversicherung und der Agentur für Arbeit im Januar 2007 führen werde und dass weiterhin die externen Berater der Beklagten
herangezogen seien, um den Fall nochmals individuell zu prüfen. Mit Schreiben vom 19.01.2007 (vgl. Kopie Blatt 41 der Akten) teilte die
Beklagte dem Kläger mit, dass sich nach Rücksprache mit der deutschen Rentenversicherung ergeben habe, dass ein Rentenbezug in seinem
Falle ab dem 01.02.2007 nicht möglich sei, da in den letzten zehn Jahren vor Rentenbeginn keine acht Jahre Pflichtbeiträge erreicht seien. Über
eine durchgehende Meldung bei der Agentur für Arbeit habe dieser 10-Jahres-Zeitraum durch sog. Anrechnungszeiten entsprechend verlängert
werden können, sodass einem Rentenbezug ab dem 01.02.2007 nichts im Wege gestanden hätte. Leider hätten die Gespräche zur Klärung kein
positiveres Ergebnis erbracht.
17 Nur im Falle einer nicht richtig durchgeführten Beratung der Agentur für Arbeit/Deutsche Rentenversicherung könne die fehlende Meldung
nachträglich geheilt werden. Ob ein solcher Heilungsgrund vorliege, könne jedoch nur der Kläger persönlich beurteilen und dieser solle dies
auch mit den lokalen Ansprechpartnern der Agentur für Arbeit/Deutsche Rentenversicherung absprechen. Gemäß § 4 Abs. 3 d des für den Kläger
geltenden Sozialplans erfolge die Aufstockungszahlung bis zum frühest möglichen Rentenbeginn in der gesetzlichen Rentenversicherung, was
in seinem Fall der 01.02.2007 gewesen sei. Der Hinweis auf die geforderte durchgehende Meldung bei der Agentur für Arbeit sei § 4 Abs. 3 a zu
entnehmen, der besage, dass die Aufstockungszahlung nur gezahlt werde, solange die Arbeitslosigkeit nachgewiesen werde. Somit sei über den
Sozialplan gewährleistet, dass die Voraussetzungen der Deutschen Rentenversicherung in den letzten zehn Jahren vor Rentenbeginn
mindestens acht Jahr Pflichtbeiträge zu erbringen (ggf. unter Berücksichtigung der oben erwähnten Anrechnungszeiten), stets erfüllt sei.
18 Die Beklagte stellte daher mit Ablauf des Monats Januar 2007 die Zahlung des Aufstockungsbetrags ein. Unabhängig von der nicht bewilligten
Altersrente erhielt der Kläger mit der Vollendung des 60. Lebensjahres aus der gemäß Ablösungsvertrag abgeschlossenen zusätzlichen
Rentenversicherung einen Betrag von 310,00 EUR monatlich sowie aus dem Versorgungswerk der Beklagten in Höhe von 750,00 EUR.
19 Nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung hätte die vorgezogene gesetzliche Altersrente des Klägers ab 01.02.2007 monatlich 1.287,43
EUR brutto betragen.
20 Der Kläger behauptet, zu keiner Zeit seien die Regelungen des Sozialplanes zur Frühpensionierung ihm näher erläutert worden. Insbesondere
sei er zu keinem Zeitpunkt darüber informiert worden, dass er sich auch dann arbeitslos bei der Agentur für Arbeit zu melden habe, wenn er
aufgrund seiner Vermögensverhältnisse keine Arbeitslosenhilfe beanspruchen könne.
21 Es sei lediglich der grobe Ablauf erläutert worden, d. h. Auflösungsvereinbarung, darauf folgend Freistellung, darauf folgend
Arbeitslosengeldbezug, auf 100 % netto aufgestockt, darauf folgend Weiterzahlung der 100 % Nettoaufstockung bis zur Altersrente, danach
Altersrente. Für den Kläger sei in dem mündlichen Gespräch vor Abschluss des Auflösungsvertrages lediglich erheblich gewesen, ob er nach
dem Ende des Arbeitslosengeldbezugszeitraums noch irgendetwas mit dem Arbeitsamt zu tun habe. Dabei sei es ihm aber nicht um Fragen nach
weiteren Zahlungen des Arbeitsamts gegangen, sondern nur darum, ob er sich nach Auslaufen des Arbeitslosengeldbezugszeitraumes noch in
irgendeiner Art und Weise gegenüber dem Arbeitsamt verhalten und insbesondere sich weiter melden müsse. Hintergrund dieser Frage sei
gewesen, dass der Kläger habe wissen wollen, ob er Einschränkungen hinsichtlich Urlaubsreisen sowie der diesbezüglichen Dauer habe, bzw.
ob er sich sonst irgendwie regelmäßig weiter rückmelden müsse. Vom Personalleiter sei dem Kläger hierauf ausdrücklich erklärt worden, dass er
nach Auslaufen des Arbeitsgeldbezugszeitraumes nichts mehr mit der Agentur für Arbeit zu tun habe, sich also insbesondere nicht mehr (rück-
)melden müsse.
22 Der Kläger ist der daher der Auffassung, er habe gegen die Beklagte entweder aus der Auflösungsvereinbarung in Verbindung mit dem
Sozialplan einen Anspruch auf Fortzahlung des 100 %-igen Nettoaufstockungsbetrages bis zum tatsächlichen Renteneintritt oder unter dem
Gesichtspunkts des Schadensersatzes wegen unterlassener Information und Auskunft über die vom Kläger vorzunehmenden Handlungen einen
Anspruch auf Zahlung der ihm entgangenen monatlichen Rentenbeträge in Höhe von 1.287,43 EUR.
23 Der Kläger beantragt daher,
24
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.724,58 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus jeweils 1.287,43 EUR brutto seit dem 01.02.2007, 01.03.2007, 01.04.2007, 01.05.2007, 01.06.2007 sowie seit 01.07.2007 zu
bezahlen;
25
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 5.149,72 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz aus jeweils 1.287,43 EUR brutto seit dem 01.08.2007, 01.09.2007, 01.10.2007 sowie seit 01.11.2007 zu bezahlen.
26 Die Beklagte beantragt
27
die Klage abzuweisen.
28 Die Beklagte behauptet, im Vorfeld des Abschlusses des Auflösungsvertrages sei dem Kläger das Vorruhestandsmodell einschließlich der
Bestimmungen des Sozialplans vom 30.11.2000 durch den damaligen Personalleiter und den damaligen Verkaufsleiter in einem Gespräch im
Juni 2001 erläutert worden. In allen Gesprächen sei durch den Personalleiter ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass sich die Mitarbeiter
beim Arbeitsamt für die gesamte Dauer des Vorruhestandes zu melden haben. Auf die hierbei häufig gestellte Frage, was passiere, wenn kein
Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bestehe, habe er stets geantwortet, dass die Mitarbeiter nach dem Antrag und einer negativen Bescheidung durch
das Arbeitsamt kein Geld mehr vom Arbeitsamt bekämen und dass die Beklagte dann 100 % des früheren Nettobetrages ausgleiche. Insofern
habe der Mitarbeiter dann (nach der Meldung und negativen Bescheidung) nichts mehr mit dem Arbeitsamt zu tun. Zu keiner Zeit sei mitgeteilt
worden, dass von vorneherein ein Antrag auf Arbeitslosenhilfe nicht erforderlich sei.
29 Die persönlichen Fragen des Klägers in dem Gespräch hätten sich um die Frage nach dem Arbeitslosengeld und der Aufstockung durch P.
gedreht. Der Kläger habe sich erkundigt, was passieren würde, wenn das Arbeitslosengeld auslaufe oder reduziert werde. Die Antwort des
Personalleiters hierzu sei gewesen, dass dann P. die Zahlung entsprechend aufstocke, sodass der Kläger insgesamt immer 100 %
Nettoaufstockung erhalte. Auch auf die Frage nach gesetzlichen Änderungen, die unter Umständen das Arbeitslosengeld reduzieren könnten, sei
die Antwort gewesen, dass P. dann den Differenzbetrag entsprechend aufstocken werde. Das weitere Vorgehen sei in der Art und Weise
besprochen worden, dass der Kläger sich zunächst erstmalig bei der Agentur für Arbeit melden müsse und dann die darauf folgenden
regelmäßigen Termine entsprechend einzuhalten habe. Auf die Frage des Klägers nach evtl. Vermittlungsversuchen seitens der Agentur für
Arbeit habe der Personalleiter ihm die Information gegeben, dass dies in der Theorie schon vorkommen könne, in der Praxis jedoch bei älteren
Personen, insbesondere bei Personen älter als 58 Jahre, wenn überhaupt nur sehr selten der Fall sei. Falls doch Vermittlungsversuche
unternommen würden, und der Kläger sich nicht kooperativ zeige, könne im schlimmsten Fall eine Sperrzeit eintreten. Die finanzielle Differenz
würde allerdings analog der zuvor gestellten Fälle von P. ausgeglichen werden. Die Aussage "insofern hat er dann nichts mehr mit dem
Arbeitsamt zu tun" sei lediglich im Zusammenhang mit den Zahlungen gefallen, nicht aber im Rahmen der regulären Meldung bei der Agentur für
Arbeit.
30 Die Beklagte habe beim Kläger, wie bei anderen Arbeitnehmern in vergleichbaren Fällen auch, nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes eine
formlose Mitteilung akzeptiert, ohne einen Nachweis der Arbeitslosmeldung zu fordern. Die Beklagte sei hierbei davon ausgegangen, dass die
Mitarbeiter entsprechend den Bestimmungen der Vorruhestandsregelung weiterhin arbeitslos gemeldet seien. Dies habe einerseits den
Verabredungen in den Auflösungsvereinbarungen entsprochen, andererseits dem vertrauensvollen gegenseitigen Umgang der Beklagten und
ihrer Mitarbeiter.
31 Der Kläger sei nach Kenntnis der Beklagten der einzige unter den ca. 100 Teilnehmern des Vorruhestandsmodells bei der Beklagten, bei dem
die durchgehende Meldung beim Arbeitsamt unterblieben sei.
32 Die Beklagte ist der Auffassung, nach dem Rentenbescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sei der für den Kläger mögliche,
spätere Bezug der gesetzlichen Altersrente auf die unterbliebene durchgehende Meldung bei der Agentur für Arbeit als arbeitslos
zurückzuführen. Dieses Versäumnis beruhe nicht auf einer unterbliebenen oder unzureichenden Information des Klägers über die
Voraussetzungen des Vorruhestandsmodells. Einer darüber hinaus gehenden Aufklärung des Klägers habe es insoweit nicht bedurft, als sich
seine Verpflichtung zur Arbeitslosmeldung bereits aus den Regelungen des Sozialplanes eindeutig ergebe. Damit sei davon auszugehen, dass
dem Kläger auch die Verpflichtung zur Arbeitslosmeldung bekannt gewesen sei.
33 Die ausreichende Information des Klägers ergebe sich auch aus einem Schreiben des Arbeitsamts H. anlässlich des Auslaufens des
Arbeitslosengeldanspruches des Klägers, in welchem der Kläger darauf hingewiesen geworden sei, für die weitere Beantragung von
Arbeitslosenhilfe das Merkblatt 1 für Arbeitslose zur Berücksichtigung von Zeiten der Arbeitslosigkeit in der Rentenversicherung zu beachten sei.
34 Der Kläger könne den Aufstockungsbetrag auch nicht aus den Bestimmungen des Sozialplanes bis zum nunmehr frühest möglichen
Rentenbeginn mit Ablauf des 63. Lebensjahres beanspruchen, da die Aufstockungszahlung gemäß § 4 Ziff. 3 d des Sozialplans längstens bis zu
dem Zeitpunkt gewährt werde, ab dem der Mitarbeiter frühest möglich Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen könne.
Als frühest möglicher Renteneintritt bezeichne der Sozialplan in § 4 Nr. 5 das 60. Lebensjahr. Der in der Vorruhestandsvereinbarung vereinbarte
Termin des frühest möglichen Renteneintritts sei zu unterscheiden von dem tatsächlich möglichen Renteneintritt. Die Vereinbarung habe eine
Verpflichtung des Klägers enthalten, alle seinerseits notwendigen Schritte zu unternehmen, um seinen Renteneintritt zum frühest möglichen
Zeitpunkt (hier: 60. Lebensjahr) zu ermöglichen. Eine Verschiebung des frühest möglichen Zeitpunkts auf den nächst möglichen Zeitpunkt sei
den Regelungen nicht zu entnehmen.
Entscheidungsgründe
I.
35 Die Klage ist begründet.
36 Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB und § 249
Abs. 1 BGB in Höhe des entgangenen und der Höhe nach unstreitigen monatlichen Rentenbetrages von jeweils 1.287,43 EUR für die Monate
Februar 2007 bis November 2007, da von der Beklagten eine ihr obliegende Aufklärungspflicht gegenüber dem Kläger nicht erfüllt wurde.
37
1.
versorgungsrechtlichen Folgen einer derartigen Arbeitgeber Vorgehensweise, so müssen diese Angaben richtig sein, andernfalls verletzt der
Arbeitgeber seine Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis (BAG 12. Dezember 2002 - 8 AZR 497/01 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers
Nr. 25).
38 Darüber hinaus müssen die Angaben unter Umständen auch so vollständig sein, dass für den Arbeitnehmer keine neuen Gefahrenquellen
entstehen. Anerkannt ist, dass für den Arbeitgeber Aufklärungs- und Informationspflichten über die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen
Folgen eines Aufhebungsvertrages grundsätzlich bestehen können. Inhalt und Umfang dieser Pflichten sind unter Abwägung der beiderseitigen
Interessen und Möglichkeiten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) und unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles zu
bestimmen (BAG Urteil vom 13. November 1996, Az: 10 AZR 340/96, NZA 1997, 390-393 (Leitsatz 1 und Gründe; BAG 13. November 1984 - 3
AZR 255/84 - BAGE 47, 169, 175). Die erkennbaren Informationsbedürfnisse des Arbeitnehmers einerseits und die Beratungsmöglichkeiten des
Arbeitgebers andererseits sind stets zu beachten (vgl. ua. BAG 13. Dezember 1988 - 3 AZR 322/87 – AP Nr. 23 BetrAVG § 1
Zusatzversorgungskassen, zu 1 a der Gründe). Bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses können von einem Arbeitgeber besondere
Hinweise auf die arbeits- und sozialrechtlichen Folgen der Beendigung erwartet werden, wenn der Arbeitgeber erkennen muss, dass der
Arbeitnehmer weiterer Informationen bedarf und er selbst die Auskünfte unschwer erteilen oder beschaffen kann (BAG Urteil vom 13. Dezember
1988 - 3 AZR 322/87 - AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen). Zwar muss sich der Arbeitnehmer vor Abschluss eines
Aufhebungsvertrages regelmäßig selbst über die Folgen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Klarheit verschaffen (BAG, Urteil vom 21.
Februar 2002, Az: 2 AZR 749/00, BB 2002, 2335-2339 (red. Leitsatz 1-2 und Gründe):. Den Arbeitgeber treffen aber jedenfalls dann erhöhte
Hinweis- und Aufklärungspflichten, wenn er im betrieblichen Interesse den Abschluss eines Aufhebungsvertrages vorschlägt und dadurch den
Eindruck erweckt, er werde bei der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn
nicht ohne ausreichende Aufklärung erheblichen Risiken für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses aussetzen (vgl. BAG 17. Oktober 2000 - 3
AZR 605/99 - AP BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 116 = EzA BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 59; 3. Juli 1990 - 3 AZR 382/89 - AP BetrAVG § 1 Nr. 24
= EzA BGB § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 7 zu Versorgungsrisiken).
39
a.
40
§ 33 Rentenarten
41
(1)
42
(2)
43
1. Regelaltersrente,
2. Altersrente für langjährig Versicherte,
3. Altersrente für schwerbehinderte Menschen,
4. Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute sowie nach den Vorschriften des Fünften Kapitels
5. Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit,
6. Altersrente für Frauen.
44
(3)
45
1. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung,
2. Rente wegen voller Erwerbsminderung,
3. Rente für Bergleute sowie nach den Vorschriften des Fünften Kapitels
4. Rente wegen Berufsunfähigkeit,
5. Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
46
(4)
47
1. kleine Witwenrente oder Witwerrente,
2. große Witwenrente oder Witwerrente,
3. Erziehungsrente,
4. Waisenrente.
48
(5)
Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit und Witwenrente und Witwerrente an vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten.
49
§ 237 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit
50
(1)
51
1. vor dem 1. Januar 1952 geboren sind,
2. das 60. Lebensjahr vollendet haben,
3. entweder
a) bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen
arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben
oder
b) die Arbeitszeit aufgrund von Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes für mindestens 24
Kalendermonate vermindert haben,
4. in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben,
wobei sich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten, Berücksichtigungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus
eigener Versicherung, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind, verlängert, und
5. die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben.
52
(2)
53
1. während der Arbeitslosigkeit von 52 Wochen nur deshalb der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung standen, weil sie nicht
arbeitsbereit waren und nicht alle Möglichkeiten nutzten und nutzen wollten, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden, oder
2. nur deswegen nicht 52 Wochen arbeitslos waren, weil sie im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit mit Entschädigung für
Mehraufwendungen nach dem Zweiten Buch eine Tätigkeit von 15 Stunden wöchentlich oder mehr ausgeübt haben.
Der Zeitraum von zehn Jahren, in dem acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden sein
müssen, verlängert sich auch um
1. Arbeitslosigkeitszeiten nach Satz 1,
2. Ersatzzeiten,
soweit diese Zeiten nicht auch Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit sind. Vom 1. Januar 2008 an werden
Arbeitslosigkeitszeiten nach Satz 1 nur berücksichtigt, wenn die Arbeitslosigkeit vor dem 1. Januar 2008 begonnen hat und der
Versicherte vor dem 2. Januar 1950 geboren ist.
54
(3)
Dezember 1936 geboren sind, angehoben. Die vorzeitige Inanspruchnahme einer solchen Altersrente ist möglich. Die Anhebung der
Altersgrenzen und die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrenten bestimmen sich nach Anlage 19.
55
(4)
56
1. bis zum 14. Februar 1941 geboren sind und
a) am 14. Februar 1996 arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben oder
b) deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 14. Februar 1996 erfolgt ist, nach dem 13. Februar
1996 beendet worden ist,
2. bis zum 14. Februar 1944 geboren sind und aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 Buchstabe b des Vertrages über die
Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS-V), die vor dem 14. Februar 1996 genehmigt worden ist, aus
einem Betrieb der Montanindustrie ausgeschieden sind oder
3. vor dem 1. Januar 1942 geboren sind und 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben,
wobei § 55 Abs. 2 nicht für Zeiten anzuwenden ist, in denen Versicherte wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder
Arbeitslosengeld II versicherungspflichtig waren,
57 wie folgt angehoben:
58
§ 58 Anrechnungszeiten
59
(1)
60
1. wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben
erhalten haben,
1a. nach dem vollendeten 17. und vor dem vollendeten 25. Lebensjahr mindestens einen Kalendermonat krank gewesen sind, soweit
die Zeiten nicht mit anderen rentenrechtlichen Zeiten belegt sind,
2. wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft während der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz eine versicherte Beschäftigung
oder selbständige Tätigkeit nicht ausgeübt haben,
3. wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit als Arbeitsuchende gemeldet waren und eine öffentlich-rechtliche
Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben,
3a. nach dem vollendeten 17. Lebensjahr mindestens einen Kalendermonat bei einer deutschen Agentur für Arbeit als
Ausbildungsuchende gemeldet waren, soweit die Zeiten nicht mit anderen rentenrechtlichen Zeiten belegt sind,
4. nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden
Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren, oder
5. eine Rente bezogen haben, soweit diese Zeiten auch als Zurechnungszeit in der Rente berücksichtigt waren, und die vor dem Beginn
dieser Rente liegende Zurechnungszeit.
Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen sind alle beruflichen Bildungsmaßnahmen, die auf die Aufnahme einer Berufsausbildung
vorbereiten oder der beruflichen Eingliederung dienen, sowie Vorbereitungslehrgänge zum nachträglichen Erwerb des
Hauptschulabschlusses und allgemeinbildende Kurse zum Abbau von schwerwiegenden beruflichen Bildungsdefiziten. 3Zeiten, in
denen Versicherte nach Vollendung des 25. Lebensjahres wegen des Bezugs von Sozialleistungen versicherungspflichtig waren, sind
nicht Anrechnungszeiten.
61
(2)
Tätigkeit oder ein versicherter Wehrdienst oder Zivildienst oder ein versichertes Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-
Weiterverwendungsgesetzes unterbrochen ist; dies gilt nicht für Zeiten nach Vollendung des 17. und vor Vollendung des 25. Lebensjahres.
2Eine selbständige Tätigkeit ist nur dann unterbrochen, wenn sie ohne die Mitarbeit des Versicherten nicht weiter ausgeübt werden kann.
62
(3)
Arbeitsleben liegen bei Versicherten, die nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 versicherungspflichtig werden konnten, erst nach Ablauf der auf Antrag
begründeten Versicherungspflicht vor.
63
(4)
für Arbeit oder in den Fällen des § 6a des Zweiten Buches die zugelassenen kommunalen Träger für sie Beiträge an eine
Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung, an ein Versicherungsunternehmen oder an sie selbst gezahlt haben.
64
(4a)
Ausbildung, wenn der Zeitaufwand für die schulische Ausbildung unter Berücksichtigung des Zeitaufwands für die Beschäftigung oder Tätigkeit
überwiegt.
65
(5)
66 Danach sollte der Kläger gemäß den Regelungen des Sozialplans Rente wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 33 Abs. 2 Nr. 5 SGB VI in Anspruch
nehmen. Die einzuhaltenden Voraussetzungen sind § 237 SGB VI zu entnehmen. Der Kläger musste daher bezogen auf den möglichen
Rentenbeginn am 01.02.2007
67
1. vor dem 01.01.1952 geboren sein,
2. das 60.Lebensjahr vollendet haben,
3. bei Beginn der Rente arbeitslos sein,
4. nach einem Lebensalter von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen lang arbeitslos gewesen sein,
5. in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben,
wobei sich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten, Berücksichtigungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus
eigener Versicherung, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind, verlängert, und
6. die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben.
68 Die Voraussetzungen 1 bis 4 waren unproblematisch gegeben. Unter Arbeitslosigkeit im Sinne der Nummern 3 und 4 ist lediglich zu verstehen,
dass der Arbeitnehmer vorübergehend in keinem Beschäftigungsverhältnis steht und keine selbstständige Tätigkeit oder Tätigkeit als
mithelfender Familienangehöriger ausübt oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung von unter 15 Stunden und wenn er eine Beschäftigung unter
den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts von mindestens 15 Stunden wöchentlich ausüben kann oder darf und bereit ist, jede
ihm zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. Eine Meldung als arbeitssuchend bei der Agentur für Arbeit ist im Sinne dieser Voraussetzung nicht
erforderlich.
69 Nicht erfüllte hatte der Kläger die Voraussetzung zu 5. Der Kläger hatte lediglich in der Zeit von Februar 1997 bis einschließlich Januar 2002, d.h.
für einen Zeitraum von 5 Jahren Pflichtbeiträge während des Bestands des Arbeitsverhältnisses entrichtet. Es war damit bereits zum Zeitpunkt
des Abschlusses des Aufhebungsvertrages für die Beklagte erkennbar, dass Anspruchsvoraussetzungen für die in Aussicht gestellte Rente nicht
von vornherein gegeben waren. Erkennbar war auch, dass dieser Zehnjahreszeitraum durch Anrechnungszeiten verlängert werden konnte. Dies
betraf zunächst die Zeiten, in welchen der Kläger Arbeitslosengeld erhielt (gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI). Für diesen Zeitraum 01.02.2002 bis
21.03.2004, d.h. für 25 Monate und 21 Tage war daher die Zehnjahresfrist über Februar 1997 hinaus in die Vergangenheit zu erstrecken. Da der
Kläger in dieser Zeit voll erwerbstätig war, erwarb er in gleichem Umfang Beitragszeiten, sodass nunmehr Beitragszeiten von 7 Jahren, einem
Monat und 21 Tagen vorlagen. Weitere Anrechnungszeiten wären hinzugekommen, wenn der Kläger sich wegen Arbeitslosigkeit bei einer
deutschen Agentur für Arbeit als Arbeitsuchende gemeldet hätte und nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens
Leistungen nicht bezogen hätte (gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI). Diese Situation war bereits zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrages für die
Beklagte absehbar.
70
b.
dass der Kläger zur Aufhebung des Arbeitsvertrages und zur Aufgabe seiner Verdienstmöglichkeiten bewogen werden sollte mit dem
Versprechen, dass er ab dem 60. Lebensjahr vorzeitig Rente in Anspruch nehmen könne, ohne dass die Voraussetzungen zum Zeitpunkt des
Abschlusses des Aufhebungsvertrages bereits vorgelegen haben. Risikolos wäre für den Kläger allein die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
gewesen bis zum regulären Rentenbeginn. Die Beklagte musste daher den Kläger über alle notwendigen Voraussetzungen die zur Bewilligung
dieser Rente erfüllt sein mussten vollständig und richtig informieren. Dieses Risiko war nicht dem Kläger zuzuweisen, insbesondere nicht das
Risiko der Vollständigkeit und Richtigkeit eigener Informationsbemühungen.
71
c.
gelangte die Kammer gemäß § 287 ZPO zu der Überzeugung, dass die Beklagte zu keinem Zeitpunkt in vollständiger und richtiger Weise den
Kläger über die Voraussetzungen informierte unter denen er Altersrente zum frühest möglichen Zeitpunkt, d. h. unter Berücksichtigung der
Regelungen des Sozialplans mit Ablauf des 60. Lebensjahres erhalten konnte.
72 Diese Überzeugung gewann die Kammer aus dem Umstand, dass es der Beklagten in ihren Schriftsätzen nicht gelungen ist, auch nur
ansatzweise zu begründen, welche rentenrechtlichen Voraussetzungen beim Kläger fehlten. Es wird weder ein einziger Bezug zu einer der
hierfür maßgeblichen Normen hergestellt, noch werden die tatbestandlichen Voraussetzungen dargestellt. Auch im Termin zur mündlichen
Verhandlung vor der Kammer gelang es den Beklagtenvertretern auf Fragen des Gerichts nicht darzustellen, aus welcher Anspruchsnorm der
Kläger nach Auffassung der Beklagten mit Ablauf des 60. Lebensjahres Altersrente hätte beziehen können und welche der nach dieser
Anspruchsnorm geregelten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Nach allgemeiner Lebenserfahrung war allerdings davon auszugehen, dass
Aufklärung nur dann erfolgt sein konnte, wenn der zur Aufklärung verpflichtete über Wissen bezüglich des aufzuklärenden Sachverhalts verfügt.
Dies war bei der Beklagten nicht Fall. Auch ihre Ausführungen in den vorgerichtlichen Schreiben an den Kläger enthalten lediglich stereotype
Wiederholungen von Schlagworten des Rentenauskunft, ohne dass auch nur im Ansatz erkennbar, wäre, dass die für die Beklagte handelnden
Personen auch nur die geringste Vorstellung sich bilden konnten, welcher Sachverhaltszusammenhang gemeint sein konnte.
73 Eine Information des Klägers vor Abschluss des Aufhebungsvertrages über seine Verpflichtung, sich auch nach Ablauf des
Arbeitslosengeldzeitraumes arbeitslos zu melden, selbst wenn er keinen Anspruch mehr auf Leistungen habe, die Richtigkeit dieses Vortrags zu
Gunsten der Beklagten unterstellt, begründet keine vollständige Aufklärung, da der konkrete Bezug zu den Anspruchsvoraussetzungen der
vorzeitigen Rentengewährung darin gerade nicht dargestellt wird. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob dem Kläger mitgeteilt wird, dass
er sich stets arbeitslos zu melden habe oder ob ihm erklärt wird, in welcher konkreten Weise durch die Arbeitslosmeldung erreicht wird, dass die
Voraussetzungen für die Gewährung der in Aussicht gestellten vorzeitigen Rente erst noch geschaffen werden soll. Abgesehen davon wäre es,
wie oben gezeigt, gerade nicht erforderlich gewesen, dass der Kläger sich während des gesamten Zeitraums arbeitslos meldet, da ihm lediglich
Beitragszeiten von etwa 11 Monaten fehlen.
74 Auch die Regelungen des Sozialplans lassen vollkommen offen, aus welchen Gründen die Arbeitslosmeldung zu erfolgen habe. Naheliegend
war lediglich die Auslegung dahingehen, dass der Arbeitnehmer nach wie vor arbeitslos sein müsse, keiner anderen Tätigkeit nachgehen dürfte
und grundsätzlich noch dem deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen müsse. Ein Zusammenhang mit den Anspruchsvoraussetzungen für
die Gewährung vorzeitiger Rente lässt sich weder dem Wortlaut noch aus sonstigen Regelungszusammenhängen entnehmen.
75 Vollkommen unerheblich ist es daher, dass mehr oder weniger zufällig die Rentenvoraussetzungen vom Kläger geschaffen worden wären, hätte
er, wie im Sozialplan als Anspruchsvoraussetzung geregelt, sich tatsächlich als arbeitssuchend nach dem Auslaufen des
Arbeitslosengeldbezuges gemeldet.
76
d.
des Arbeitslosengeldbezuges. Im Hinblick auf das Vertragsziel der vorzeitigen Gewährung der Altersrente hätte die Beklagte zu diesem Zeitpunkt
erkennen müssen, dass die weitere Arbeitslosmeldung nicht nur tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung der Aufstockungsleistung ist,
sondern auch für die Schaffung der Rentenvoraussetzungen. Sie hätte daher nicht untätig bleiben und durch kommentarlose Zahlung des
erhöhten Aufstockungsbetrages den Anschein schaffen dürfen, dass alles in Ordnung gehe. Sie hätte daher zumindest den Nachweis der
Arbeitslosmeldung fordern müssen. Soweit dem Wortlaut nach in § 4 Abs. 3 b des Sozialplanes die Notwendigkeit des Nachweises fehlt, dürfte
es sich lediglich um einen redaktioneller Fehler gehandelt haben, da kein Unterschied festzustellen ist zu der Aufstockung auf das
Arbeitslosengeld nach § 4 Abs. 3a, für die der Nachweis ausdrücklich gefordert wird.
77
2.
werden kann, dass eine richtig informierte Person sich interessengerecht verhält (vgl. BAG 17. April 2002 - 5 AZR 89/01 - BAGE 101, 75 mwN).
78
3.
79
4.
Erteilung einer vollständigen Auskunft kann sich der Schädiger in aller Regel nicht mit dem Einwand entlasten, der Geschädigte habe sich auf
die Vollständigkeit seiner Angaben nicht verlassen dürfen. Dies widerspräche dem Grundsatz vom Treu und Glauben (§ 242 BGB), der in § 254
BGB lediglich eine besondere Ausprägung erhalten hat (BGH 26. September 1997 - V ZR 29/96 - BB 1997, 2553). Dass hier besondere
Umstände vorliegen, ist nicht ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus den kryptischen Hinweisen im Merkblatt der Bundesagentur für
Arbeit, die allenfalls vage andeuten, dass eventuell Rentenvoraussetzung nicht geschaffen werden, sollte keine Arbeitslosmeldung vorliegen.
Der Kläger hatte keine nachvollziehbare Möglichkeit hieraus auf das Erfordernis der Meldung oder der Notwendigkeit weiterer Auskünfte zu
schließen.
80 Die Kammer konnte sich nicht von einem Mitverschulden des Klägers dadurch überzeugen, dass er entgegen der eindeutigen
Anspruchsvoraussetzung im Sozialplan sich nicht arbeitslos gemeldet hatte. Das Mitverschulden des Klägers erscheint geringfügig insoweit, als
die Beklagte trotz des Versäumnisses des Klägers und trotz fehlenden Nachweises der Arbeitslosmeldung die Aufstockungsleistung
kommentarlos erbrachte, obwohl sie bei Kenntnis der Rechtslage hätte erkennen müssen, dass der Kläger ohne die Arbeitslosmeldung die
rechtenrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen würde. Wäre der Vortrag der Beklagten zutreffend, dass ihr dies bekannt gewesen sei und
dass deswegen im Zuge der Verhandlungen über den Sozialplan der Kläger hierüber aufgeklärt worden sei, wäre schlicht nicht mehr zu
verstehen, warum die Beklagte dann sehenden Auges, dass dem Kläger ein Fehler unterlaufen sein könnte, kommentarlos die
Aufstockungszahlung leistet, ohne einen Nachweis zu fordern. Darüber hinaus war das mitwirkende Verschulden des Klägers auch aus
Äußerungen der Beklagten heraus im Erläuterungsgespräch vor Abschluss des Auflösungsvertrages als nur geringfügig und damit nicht mehr
ausschlaggebend anzusehen, da aufgrund des wechselseitigen Vortrags der Parteien davon auszugehen ist, dass in dem Gespräch durch den
Personalleiter tatsächlich die Behauptung gefallen ist, dass der Kläger nach dem Auslaufen des Arbeitslosengeldes nichts mehr mit der Agentur
für Arbeit zu tun habe. Unabhängig davon, in welchem Kontext die Aussage gefallen sein mag, birgt sie eine erhebliche Gefahr des erheblichen
Missverständnisses, denn es war keineswegs so, wie es nach dem Vortrag der Beklagten den Anschein haben mag, dass der Kläger sich
einmalig und der guten Form wegen bei der Bundesagentur für Arbeit zu melden habe. Vielmehr hatte der Kläger weiterhin um die
rechtenrechtlichen Voraussetzungen schaffen zu können der Bundesagentur als arbeitssuchend zur Verfügung zu stehen. Damit waren
beispielsweise auch längere Auslandsaufenthalte ausgeschlossen. Es kann angesichts solcher Umstände nicht nachvollzogen werden, vor
welchem Hintergrund eine solche Ausführung ihre Berechtigung gehabt haben soll.
81 Dass alle anderen Arbeitnehmer, die vergleichbare Auflösungsverträge geschlossen hatten, sich vereinbarungsgemäß durchgängig arbeitslos
gemeldet haben, konnte die Kammer aufgrund des Vortrags der Beklagten nicht annehmen. Es werden von der Beklagten insoweit weder
konkrete Tatsachen vorgetragen, noch lässt sich im Wege eines Beweises des ersten Anscheins aus dem Fehlen weiterer Streitigkeiten darauf
schließen, da der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen nur knapp verfehlt hat, aufgrund seines Lebensalters zum Zeitpunkt der
Ausscheidensvereinbarung. Demgegenüber war nicht auszuschließen, dass für die anderen Arbeitnehmer eine vergleichbare Problemlage wie
beim Kläger von vorneherein ausgeschlossen war.
82
5.
eingetreten wäre (haftungsausfüllende Kausalität). Dies sind vorliegend die ausgefallenen und der Höhe nach unstreitigen monatlichen
Rentenzahlungsbeträge.
II.
83 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Als unterliegende Partei trägt die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits.
84 Die Entscheidung über den Streitwert beruht dem Grunde nach auf § 61 ArbGG, der Höhe nach auf § 3 ZPO. Der Wert wurde in Höhe der Summe
der eingeklagten Zahlungsbeträge bemessen.
85 Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen, nachdem Gründe i.S.d. § 64 Abs. 3 ArbGG, aus denen sie hätte zugelassen werden müssen, nicht
ersichtlich sind. Unabhängig hiervon kann sich die Zulässigkeit der Berufung für die Beklagte bereits aus § 64 Abs. 2 b ArbGG ergeben.
III.
86 Die nachfolgenden Hinweise belehren über das zulässige Rechtsmittel.