Urteil des ArbG Hagen vom 05.07.2006

ArbG Hagen: qualifiziertes arbeitszeugnis, beendigung, pflege, arbeitsgericht, inventur, zukunft, angestellter, baustelle, erstellung, datum

Arbeitsgericht Hagen, 2 Ca 2440/05
Datum:
05.07.2006
Gericht:
Arbeitsgericht Hagen
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 Ca 2440/05
Schlagworte:
Zeugnis, Führung und Leistung, Beurteilung, differenziert Darlegungs-
und Beweislast
Normen:
§ 113 GewO
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter dem 30.09.2005 auf
Firmenpapier der Beklagten das folgende Zeugnis zu erteilen:
"Zeugnis
Herr V1xxxx W1xxxxxx, geboren am 15.10.1970 war in der Zeit vom
01.08.2003 bis zum 30.09.2005 in unserem Hause als technischer
Angestellter beschäftigt.
Das Aufgabengebiet bestand im Wesentlichen in der technischen
Beratung der Kunden. Das heißt, Herr W1xxxxxx war verantwortlich für
die Beantwortung aller technischen Fragen des Kunden, die der eher
kaufmännisch orientierte Vertrieb nicht beantworten konnte. In diesem
Zusammenhang war Herr W1xxxxxx auch zuständig für die Bearbeitung
von kundenbezogenen und eigenen Neuteilen. Er war der technische
Verbindungsmann zwischen unserem Hause und den Kunden.
Zu seinen weiteren Aufgaben gehörten schwerpunktmäßig die
technische Bearbeitung von Kundenfragen, einschließlich der Erstellung
der hierzu erforderlichen Kalkulationen, die Überarbeitung und Pflege
unseres Katalogs (Basis war eine Access-Datenbank), die Betreuung
des EDV-Segments Lagerbuchhaltung und Inventur sowie
verfahrenstechnische Aufgabenstellungen.
Die oben angegebenen Aufgaben wurden zum Teil von Herrn W1xxxxxx
alleine erledigt (z.B. Pflege des Katalogs), als auch im Team (z.B.
Neuteilbearbeitung oder Verfahrenstechnik).
Die ihm übertragenen Aufgaben hat er stets zu unserer Zufriedenheit
erledigt. Sein Verhalten gegenüber seinen Vorgesetzten, Kollegen und
Kunden war einwandfrei.
Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.
F2xxxxxxxxxx GmbH
E1xxxxxxx, den 30.09.2005"
2. Die Beklagte wird verurteilt, Dritten gegenüber keine von dem erteilten
Zeugnis inhaltlich abweichenden Erklärungen über den Verlauf und die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Leistungen und
Führung des Klägers abzugeben.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 25 % und die
Beklagte zu 75 %.
5. Der Streitwert wird auf 8.336,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über den Inhalt eines Arbeitszeugnisses.
2
Der Kläger war seit dem 01.08.2003 im Betrieb der Beklagten als technischer
Angestellter zu einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung von 4.168,00 €
beschäftigt. Nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses seitens der Beklagten wurde
am 06.09.2005 vor dem Arbeitsgericht Hagen (2 Ca 1712/05) ein Vergleich
geschlossen, in welchem sich die Beklagte u.a. verpflichtete, dem Kläger ein
qualifiziertes, wohlwollendes Zeugnis unter dem Ausstellungsdatum 30.09.2005 zu
erteilen, dass sich auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis sowie Art und Dauer
der Beschäftigung bezieht. Am 04.10.2005 wurde dem Kläger seitens der Beklagten
folgendes Zeugnis (vgl. Blatt 5 der Akte) erteilt:
3
"Zeugnis
4
Herr V1xxxx W1xxxxxx, geboren am 15.10.1970 war in der Zeit vom 1.9.2003 bis
zum 30.09.2005 in unserem Hause als technischer Angestellter beschäftigt.
5
Das Aufgabengebiet bestand im Wesentlichen in der technischen Beratung der
Kunden. Das heißt, Herr W1xxxxxx war verantwortlich für die Beantwortung aller
6
technischen Fragen des Kunden, die der eher kaufmännisch orientierte Vertrieb
nicht beantworten konnte. In diesem Zusammenhang war Herr W1xxxxxx auch
zuständig für die Bearbeitung von kundenbezogenen und eigenen Neuteilen. Er war
der technische Verbindungsmann zwischen unserem Hause und den Kunden.
Nach ca. 6 Monaten mussten wir das Aufgabengebiet dahingehend abändern, das
sämtliche Kontakte mit dem Kunden von der Vertriebsleitung, bzw. teilweise von der
Geschäftsleitung wahrgenommen wurden.
7
Das Hauptaufgabengebiet von Herrn W1xxxxxx bestand seit diesem Zeitpunkt in der
technischen Bearbeitung von Kundenanfragen, einschließlich der Erstellung der
hierzu erforderlichen Kalkulationen. Darüber hinaus hat sich Herr W1xxxxxx mit der
Überarbeitung und Pflege unseres Kataloges (Basis war eine Access-Datenbank),
dem EDV-Segment Lagerbuchhaltung und Inventur, sowie verfahrenstechnischen
Aufgabenstellungen befasst.
8
Die oben angegebenen Aufgaben wurden zum Teil von Herrn W1xxxxxx alleine
erledigt (z.B. Pflege des Kataloges), als auch im Team (z.B. Neuteilbearbeitung oder
Verfahrenstechnik).
9
Herr W1xxxxxx war ehrlich, fleißig und pünktlich. Sein Verhalten zu seinen
Arbeitskollegen und seinen Vorgesetzten hat keinen Anlass zur Klage gegeben. Die
ihm übertragenen Arbeiten hat er zu unserer Zufriedenheit erledigt.
10
Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.
11
F2xxxxxxxxxx GMBH
12
Unterschrift
13
E1xxxxxxx, den 30.09.2005"
14
Mit Schreiben vom 10.10.2005 (vgl. Blatt 6 f. der Akte) forderte der Kläger von der
Beklagten die Korrektur des erteilten Zeugnisses.
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Mit der streitgegenständlichen Klage begehrt der Kläger weiterhin die Korrektur des
erteilen Zeugnisses.
16
Der Kläger behauptet, dass das von der Beklagten erteilte Zeugnis an verschiedenen
Stellen Anlass zur Beanstandung bietet. So sei er bereits seit dem 01.08.2003 bei der
Beklagten beschäftigt. Die Tätigkeitsbeschreibung sei vollkommen unübersichtlich und
streckenweise falsch. Nicht richtig sei, dass ihm nach sechs Monaten der Umgang mit
den Kunden entzogen worden sei. Weiterhin habe er auch während der ersten sechs
Monate der Beschäftigung bei der Beklagten die im Zeugnis angegebenen Aufgaben
durchgeführt. Wesentliche Tätigkeitsbereiche lasse die Beklagte unerwähnt. Am
Zeugnisende fehle der Hinweis auf den Grund für die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses. Die Führungsbewertung lasse wegen der gewählten Reihenfolge
negative Rückschlüsse zu. Weiterhin sei auch die Führung gegenüber Kunden zu
erwähnen. Darüber hinaus sei die gewählte Formulierung " hat keinen Anlass zur Klage
gegeben" eindeutig negativ. Der Kläger habe sehr wohl Kontakte mit seinen
Arbeitskollegen gehabt und diese könnten bestätigen, dass man auf einer vernünftigen
17
Ebene zusammen gearbeitet habe. Auch die von der Beklagten gewählte
Leistungsbewertung lasse negative Rückschlüsse zu. Ferner fehle jeglicher Hinweis auf
die Motivation und das Engagement des Kläger sowie dessen hervorragende
Fachkenntnisse. Darüber hinaus sei dem Kläger auch zu bestätigen, dass er im
Umgang mit Kunden überzeugt habe und durch fachliche Kompetenz, Zielstrebigkeit
und Umsicht bis heute in Erinnerung sei.
Am 22.08.2005 habe der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger aus dem
Firmengebäude hinausgeworfen und dabei erklärt, dass er nun vergessen könne,
jemals ein gutes Zeugnis zu erhalten. Er solle es im eigenen Interesse besser
unterlassen, ihn als Gutreferenz anzugeben.
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Der Kläger beantragt,
19
1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter dem Datum 30.09.2005 auf ihrem
Firmenpapier ein Zeugnis mit folgendem Wortlaut zu erteilen:
20
21
"Zeugnis
22
Herr V1xxxx W1xxxxxx, geboren am 15.10.1970 war in der Zeit vom 01.08.2003
bis zum 30.09.2005 in unserem Hause als technischer Angestellter beschäftigt.
23
Zu seinen Aufgaben gehörten schwerpunktmäßig folgende Tätigkeiten:
24
Technische Kundenberatung
Prüfung auf Machbarkeit, Planung der Fertigung und Kalkulation von Neuteil-
25
26
anfragen
27
Erstellung von Nachkalkulation
Begleitung von Neuteilen durch die Fertigung
Durchführung interner Projekte wie
Einführung neuer Fertigungstechnologien, z.B. PTA-Schweißen
28
29
- Auswahl eines neuen Warenwirtschaftssystems
30
- Herstellung, Überarbeitung und Pflege des Kataloges auf Basis einer
31
Access-Datenbank
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Betreuung der EDV-Segments Lagerbuchhaltung und Inventur
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Herr W1xxxxxx war stets hoch motiviert und zeigte großes Engagement bei der
Lösung von Arbeitsaufgaben. Er verfügte über hervorragende Fachkenntnisse.
Herr W1xxxxxx beeindruckte uns durch eine sehr gute Arbeitsqualität, wobei er
die selbst gesetzten und vereinbarten Ziele stets erreichte. Die ihm übertragenen
Arbeiten hat er stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt.
35
Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war stets vorbildlich. Im
Umgang mit Kunden überzeugte er durch fachliche Kompetenz, Zielstrebigkeit
und Umsicht.
36
Das Arbeitsverhältnis mit Herrn W1xxxxxx musste aus betriebsbedingten
Gründen zum 30.09.2005 beendet werden.
37
Wir danken ihm für die gezeigten Leistungen und wünschen ihm für die Zukunft
alles Gute.
38
E1xxxxxxx, den 30.09.2005" und
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2. die Beklagte zu verurteilen, Dritten gegenüber keine von dem erteilten Zeugnis
inhaltlich abweichenden Erklärungen über den Verlauf und die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses sowie die Leistungen und Führung des Klägers abzugeben.
40
Die Beklagte beantragt,
41
die Klage abzuweisen.
42
Die Beklagte behauptet, der Kläger habe nie ein besonderes Engagement bei der
Lösung von Arbeitsaufgaben gezeigt, seine Fachkenntnisse seinen eher mangelhaft.
Auch habe der Kläger wegen seiner Arbeitsqualität mehrmals auf die überwiegend
falschen Ergebnisse angesprochen werden müssen. Sein Verhalten gegenüber
Vorgesetzten und Kollegen sei im höchsten Maße zu beanstanden gewesen. Es sei
dem Kläger nicht gelungen, zu irgendwelchen Arbeitskollegen, auch mit denen er
fachlich zusammen arbeiten müssen, Kontakte zu knüpfen oder auf einer vernünftigen
Ebene zusammen zu arbeiten. Auch habe die Beklagte den Umgang mit Kunden nach
wenigen Monaten drastisch einschränken müssen. Das Arbeitsverhältnis sei nicht aus
betriebsbedingten Gründen gekündigt worden. Die wesentlichen Hauptaufgaben seien
vom Kläger absolut ungenügend erledigt worden. Hierzu trägt die Beklagte im
Wesentlichen vor, dass die Vor- und Nachkalkulation zu massiven Beschwerden der
Betriebsleitung geführt haben, der Katalog "eine einzige Baustelle" war, die nie fertig
43
wurde, die Inventurauswertung zum 31.12.2004 dermaßen fehlerhaft war, dass die
gesamte Inventur nach dem Ausscheiden des Klägers überarbeitet werden musste. Die
Lagerbuchhaltung hat nach Einführung einer neuen Software ab 01.01.2005 nicht mehr
funktioniert obwohl der Kläger eine entsprechende Schulung mitgemacht hat. Der
Kläger habe niemals Angebote erstellt, sondern lediglich Vorkalkulationen für Angebote.
Ein Anspruch auf eine Dankes- und Grußformel gehöre nicht zum gesetzlich
geschuldeten Inhalt eines Arbeitszeugnisses.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der von ihnen geäußerten
Rechtsauffassung wird gemäß § 313 Abs. 2 ZPO auf die mündlich vorgetragenen
Inhalte der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die
Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
45
Entscheidungsgründe:
46
I.
47
1.
48
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses mit
dem aus dem Tenor ersichtlichen Inhalt.
49
a)
50
Ein ordnungsgemäßes qualifiziertes Arbeitszeugnis eines technischen Angestellten
muss sich nach dem Gesetz (§ 113 GewO) über die Dauer des Arbeitsverhältnisses, die
Art des Beschäftigungsverhältnisses, die Leistungen des Arbeitnehmers und die
Führung des Arbeitnehmers verhalten. Das qualifizierte Zeugnis enthält auch stets
Angaben zu Art und Dauer der Beschäftigung. Das folgt schon aus dem Wortlaut der
einschlägigen Vorschrift des § 113 Abs. 1 GewO, das Zeugnis auf Führung und
Leistung auszudehnen, § 113 Abs. 2 GewO.
51
Arbeitgeber und Gericht haben nicht nur die Zeugnissprache, sondern auch die
gebräuchliche Gliederung eines qualifizierten Zeugnisses zu beachten, denn diese hat
sich inzwischen weitgehend standardisiert. Welche Grundelemente ein qualifiziertes
Zeugnis enthalten muss, ist in dem einen oder anderen Punkte noch umstritten. Es
müssen nicht in jedem Zeugnis alle Gesichtspunkte ausführlich enthalten sein, sondern
sie können auch zusammengefasst werden (LAG Hamm vom 28.03.2000, 4 Sa 1578/99,
Juris).
52
Der gesetzlich geschuldete Inhalt des Zeugnisses bestimmt sich dabei nach dem mit
ihm verfolgten Zweck. Es dient dem Arbeitnehmer regelmäßig als
Bewerbungsgrundlage und ist insoweit Dritten, insbesondere möglichen künftigen
Arbeitgebern, Grundlage für ihre Personalauswahl (BAG vom 20.02.2001, 9 AZR 44/00,
AP zu § 630 BGB Nr. 26). Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss, wie der
Arbeitgeber seine Leistung beurteilt (BAG vom 08.02.1972, 1 AZR 189/71, AP zu § 630
BGB Nr. 7). Daraus ergeben sich als inhaltliche Anforderungen das Gebot der
Zeugniswahrheit und das Gebot der Zeugnisklarheit. Darüber hinaus ist das Zeugnis
nur dann geeignet, den Arbeitnehmer oder Dritte zuverlässig zu informieren, wenn es
53
aus sich heraus verstehbar ist. Daher muss es klar und verständlich formuliert sein (BAG
vom 14.10.2003, 9 AZR 12/03, AP zu § 630 BGB Nr. 28). Dem Arbeitgeber ist gesetzlich
nicht vorgegeben, welche Formulierungen er im Einzelnen verwendet (ständige
Rechtssprechung des BAG, zuletzt BAG vom 14.10.2003, 9 AZR 12/03, AP zu § 630
BGB Nr. 28; BAG vom 20.02.2001, 9 AZR 44/00, AP zu § 630 BGB Nr. 26). Auch steht
ihm frei, welches Beurteilungssystem er heranzieht. Benutzt der Arbeitgeber allerdings
ein im Arbeitsleben übliches Beurteilungssystem, so ist das Zeugnis so zu lesen, wie es
dieser Üblichkeit entspricht. Hinsichtlich der zusammenfassenden Leistungsbeurteilung
sind in der betrieblichen Praxis im Laufe der Jahre Standardformulierungen entstanden
(vgl. zu den Notenskalen LAG Hamm vom 13.02.1992, 4 Sa 1077/91, LAGE § 630 BGB
Nr. 16; LAG Hamm 28.03.2000, 4 Sa 1578/99, Juris). Ebenso kommen bei der
Bewertung der Führung zusammenfassende Beurteilungen vor. Das Verhalten im
Arbeitsverhältnis umfasst den Umgang mit verschiedenen Personengruppen, so dass
Vollständigkeit der diesbezüglichen Beurteilung erhebliches Gewicht zukommt (LAG
Hamm vom 01.12.1994, 4 Sa 1631/94, LAGE § 630 BGB Nr. 28). In Betracht kommen
neben dem betrieblichen Zusammenwirken mit Vorgesetzten, gleichgeordneten
Kollegen, nachgeordneten Mitarbeitern auch der Kontakt zu Behörden,
Geschäftspartnern und Kunden. Die Reihenfolge, in der diese Gruppen im Zeugnis
angesprochen werden, ist rechtlich ohne Belange. Darüber hinaus ist es durchaus
üblich, Zeugnisse mit der Erklärung besonderen Dankes, des Bedauerns und/oder der
Wünsche für die Zukunft abzuschließen. Derartige Schlussformeln wie der Satz "wir
bedauern sein Ausscheiden, danken für die geleisteten Dienste und wünschen ihm für
seinen weiteren Lebensweg alles Gute" können das Zeugnis abrunden, sind aber kein
rechtlich notwendiger Bestandteil, auf sie besteht kein Anspruch (BAG vom 20.02.1991,
9 AZR 44/00, AP zu § 630 BGB Nr. 26, LAGE Berlin vom 10.12.1998, 10 Sa 106/98, DB
1999, Seite 851 f.; LAG Köln vom 02.07.1999, 11 Sa 255/99, NZA-RR 2000, Seite 235
f.). Die Gründe und Umstände des Arbeitsverhältnisses sind regelmäßig im Zeugnis
nicht zu nennen (LAG Hamm vom 24.09.1985, 13 Sa 833/85, NZA 1986, Seite 99; LAG
Köln vom 29.11.1990, 10 Sa 801/90, LAGE § 630 BGB Nr. 11; LAG Sachsen vom
30.01.1996, 5 Sa 996/95, NZA-RR 1997, Seite 47 f.).
Da das Zeugnis ein einheitliches Ganzes ist, dessen Teile nicht ohne Gefahr der
Sinnentstellung auseinandergerissen werden können, sind die Arbeitsgerichte befugt,
ggf. das gesamte Zeugnis zu überprüfen und u.U. selbst neu zu formulieren (BAG vom
23.06.1960, 5 AZR 560/58, AP zu § 73 HGB Nr. 1; BAG vom 24.03.1977, 3 AZR 232/76,
AP § 630 BGB Nr. 12; Erfurter Kommentar - Müller-Glöge, 6. Aufl. 2006, § 109 GewO
Rn. 138).
54
Strebt der Arbeitnehmer eine bessere, überdurchschnittliche Beurteilung an, trifft ihn die
Darlegungs- und Beweislast, soll das Zeugnis "sehr gute" oder "gute" Leistungen
bescheinigen, hat er deren tatsächliche Grundlagen darzulegen und ggf. zu beweisen
(BAG vom 14.10.2003, 9 AZR 12/03, AP § 630 BGB Nr. 28; LAG Hamm vom
22.05.2002, 3 Sa 231/02, NZA-RR 2003, Seite 71 f.).
55
Demgegenüber ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet, wenn er dem
Arbeitnehmer nur eine "ausreichende" oder noch schlechtere Bewertung zukommen
lassen will (BAG vom 24.03.1977, 3 AZR 232/76, AP § 630 BGB Nr. 12; LAG Hamm
vom 13.02.1992, 4 Sa 1077/91, LAGE § 630 BGB Nr. 16; LAG Köln vom 26.04.1996, 11
(13) Sa 1231/95 NZA-RR 1997, Seite 84). Daraus folgt, dass allein sachgerechte
Ergebnis, dass bei mangelndem Vortrag oder Beweisfälligkeit beider Parteien im
Prozess ein Zeugnis mit durchschnittlicher, "befriedigender" Bewertung ausgeurteilt
56
werden muss (LAG Hamm vom 13.02.1992, 4 Sa 1077/91, LAGE § 630 BGB Nr. 16).
Hingegen trifft den Arbeitnehmer bei Uneinigkeit der Parteien im deskriptiven Bereich
die Darlegungs- und Beweislast für seine Wünsche, etwa bei Streit über erbrachte
Tätigkeiten (LAG Köln vom 26.04.1996, 11 (13) Sa 1231/95, NZA-RR 1997, Seite 84;
Schöppe, Arbeitsrecht 3. Aufl. 2003, Teil 3 J Rn. 57).
b)
57
Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen sich die erkennende Kammer anschließt,
hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf das im Tenor ausgeurteilte
Zeugnis:
58
Insoweit war zunächst das Datum des Beginns der Tätigkeit auf den 01.08.2003 zu
berichtigen, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Auch war die Beschreibung des
Aufgabengebiets, wie mit dem zweiten Absatz des bemängelten Zeugnisses
geschehen, nicht zu verändern, da zwischen den Parteien nicht im Streit stand, dass zu
den Aufgaben des Klägers auch die technische Beratung von Kunden gehörte.
59
Hingegen war wegen der üblichen Lesegewohnheiten die weiteren
schwerpunktmäßigen Arbeitsaufgaben im Anschluss anzugliedern, um auf diese Weise
eine zusammenhängende Darstellung der Aufgaben zu erzielen. Weitere
Tätigkeitsmerkmale waren nicht aufzunehmen, da die im Klageantrag genannten
weiteren Tätigkeitsmerkmale in der Klagebegründung hierfür keine Anhaltspunkte
bieten. So lassen sich insbesondere für die "Durchführung interner Projekte" mit den
dort genannten Unterpunkten, soweit sie nicht bereits in dem erteilten Zeugnis benannt
wurden, in den Ausführungen der Klagebegründung nicht wiederfinden. Die Darlegung
entsprechender Tätigkeiten eines die Zeugnisberichtigung begehrenden Arbeitnehmers
gehört aber zur Schlüssigkeit der Klage, um nachvollziehen zu können, welche
Tätigkeiten der Arbeitnehmer hiermit meint und auf dieser Weise dem Arbeitgeber die
Möglichkeit zur Erwiderung zu geben. Allein die schlagwortartige Benennung von
Tätigkeiten im Klageantrag stellt demgemäß keinen geeigneten, für die Gegenseite
erwiderungsfähigen und für das Arbeitsgericht nachprüfbaren Sachvortrag dar.
60
Auch auf die vom Kläger begehrte optische Darstellung der Tätigkeitsmerkmale besteht
kein Anspruch, da die Gegenseite sich mit der Reihung der Tätigkeitsmerkmale im
Rahmen der üblichen Darstellung bewegt.
61
Hingegen musste der dritte Absatz des erteilten Zeugnisses ersatzlos gestrichen
werden, da dieser der Zeugniswahrheit insoweit nicht entspricht, als zwischen den
Parteien unstreitig ist, dass der Kläger innerhalb des Arbeitsverhältnisses Kontakt mit
Kunden auch nach sechs Monaten nach Beginn des Arbeitsverhältnisses besaß, was
daraus deutlich wird, dass die Beklagte ausführt, dass der Kundenkontakt habe
drastisch reduziert werden müssen. Daraus folgt zugleich, dass ein Ausschluss des
Kundenkontaktes nicht erfolgt ist.
62
Auch bedurfte der fünfte Absatz des erteilten Zeugnisses keiner Änderung, da vom
Kläger nicht bestritten worden ist, dass die dort beispielhaft genannten Aufgaben von
ihm allein oder im Team wahrgenommen wurden und insoweit zutreffend die
Arbeitsweise wiedergeben.
63
Hingegen war der erste Satz des sechsten Absatzes wiederum ersatzlos zu streichen.
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Die Charakterisierung des Arbeitnehmers als ehrlich, fleißig und pünktlich lässt sich auf
die Beschäftigung des Klägers als technischen Angestellten im Hinblick "Ehrlichkeit"
inhaltlich nicht nachvollziehen und stellt demgemäß neben dem Fleiß und der
Pünktlichkeit nur eine Betonung von Unwesentlichem und die Heraushebung von
Selbstverständlichkeiten dar, die mangels weiterer Angaben in der Beurteilung eine
Abqualifizierung darstellen (vgl. Schleßmann, Das Arbeitszeugnis, 17. Aufl., 2004, Seite
144).
Ausgehend von der o.g. Darlegungs- und Beweislast hat der Arbeitgeber dem
Arbeitnehmer im vorliegenden Rechtsstreit aber ein befriedigendes Zeugnis zu erteilen,
da er nach den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast für ein Zeugnis diejenigen
Tatsachen vorzutragen hat, aus denen folgen soll, dass dem Arbeitnehmer nur eine
"ausreichende" oder noch schlechtere Bewertung korrekter Weise zukommt. Zwar hat
der Arbeitgeber vorgetragen, die Vor- und Nachbearbeitung sei durchweg fehlerhaft
gewesen, der Katalog sei eine "einzige Baustelle" gewesen, die Inventarauswertung sei
dermaßen fehlerhaft gewesen, dass eine Überarbeitung erfolgen musste und die
Lagebuchhaltung (Bewertung) habe nicht funktioniert. Doch lässt sich dem jeweiligen
Vortrag der Beklagten nicht entnehmen, aufgrund konkret welcher (wenigsten
beispielhaft) zu benennender und vom Kläger zu vertretender Fehler die Vor- und
Nachkalkulation durch den Kläger fehlerhaft war, warum der Katalog eine einzige
Baustelle war bzw. bis wann der Katalog durch den Kläger hätte fertiggestellt werden
müssen, die Inventurauswertung dermaßen fehlerhaft war, dass die gesamte Inventur
überarbeitet werden musste und die Lagerbuchhaltungssoftware ab 01.01.2005 nicht
funktionierte bzw. diese Funktionsbeeinträchtigung aus welchem Grund dem Kläger
anzulasten sein soll. Der insoweit beklagtenseits erfolgte Vortrag stellt sich nach
Auffassung der erkennenden Kammer als eine auf Oberbegriffe bezogene wertende
Schilderung dar, die nicht insoweit konkretisiert worden ist, als dass darüber hätte
Beweis erhoben werden können. Demgemäß ist die mangelhafte Leistungsbewertung
nicht gerechtfertigt.
65
Demgegenüber hat der Kläger aber auch keinen Anspruch auf die von begehrte
Leistungsbeurteilung "stets zu unserer vollen Zufriedenheit", denn diese stellte eine
überdurchschnittliche Bewertung dar, wofür der Kläger darlegungs- und beweisbelastet
ist. Der Kläger hat insoweit aber seinerseits nicht dargelegt, aufgrund welcher konkreten
Umstände die von ihm begehrte Leistungsbeurteilung gerechtfertigt ist, denn allein der
allgemeine Vortrag, Angebote binnen weniger Tage bearbeitet zu haben und gemachte
Zielvorgaben eingehalten zu haben, lässt nicht ansatzweise den Schluss auf die
sachliche Rechtfertigung der begehrten Leistungsbewertung zu, zumal dieser Vortrag
nur einen Teil der Aufgaben und deren Bearbeitungsweise betrifft.
66
Danach ist im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislastverteilung allein der
Beurteilung des Klägers mit einer befriedigenden Bewertung sachgerecht.
67
Darüber hinaus war die Führungsbeurteilung neu zu fassen und um den Bereich
Kunden zu ergänzen, denn nach eigenem Vortrag der Beklagten war der Kundenkontakt
nur drastisch eingeschränkt, nicht aber beendet, so dass der Kundenkontakt mit
aufzunehmen war. Die von der Beklagten verwendete mangelhafte Führungsbeurteilung
war ebenfalls in eine befriedigende Führungsbeurteilung abzuändern, da der insoweit
erfolgte Beklagtenvortrag, dass es dem Kläger nicht gelungen sei, zu irgendwelchen
Arbeitskollegen, auch nicht zu denen, mit denen er fachlich mit zusammen arbeiten
musste, Kontakt zu knüpfen oder auf einer vernünftigen Ebene zusammen zu arbeiten
68
als Wertung einer näheren Prüfung unzugänglich war. Demgegenüber war aber auch
keine über den ausgeurteilten Umfang hinaus gehende gute Führungsbeurteilung
zugunsten des Klägers festzustellen, da der Kläger als die dafür darlegungs- und
beweisbelastete Parteien ebenfalls keinen verwertbaren Vortrag lieferte, da allein der
Vortrag, die Arbeitskollegen könnten bestätigen, dass man auf einer vernünftigen Ebene
zusammen gearbeitet habe, ebenfalls lediglich eine Wertung und keinen konkretisierten,
dem Bewies zugänglichen, Sachvortrag darstellt.
Die von der Beklagten verwendete Abschlussformel mit Zukunftswünschen entspricht
befriedigenden Bewertungen und war demnach nicht abzuändern.
69
Für die vom Kläger begehrte Aufnahme der Dankesformel gibt es keinen rechtlichen
Anspruch.
70
Auch konnte vorliegend der Beendigungsgrund, wie vom Kläger gewünscht, nicht
aufgenommen werden, da die Betriebsbedingtheit der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien nicht unstreitig ist und der Kläger die
Betriebsbedingtheit nicht unter Beweis gestellt hat.
71
Nach alledem war von der erkennenden Kammer das aus dem Tenor ersichtliche
Zeugnis neu zu formulieren.
72
2.
73
Darüber hinaus hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch darauf, dass die
Beklagte Dritten gegenüber keine von dem Zeugnis inhaltlich abweichende Erklärungen
über den Verlauf und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Leistungen
und Führung des Klägers abgibt als nachwirkende Fürsorgepflicht gemäß §3 611, 241
Abs. 2 BGB.
74
Dies folgt daraus, dass der Arbeitgeber gegenüber Dritten zur Auskunft auch ohne
Zustimmung des Arbeitnehmers bei Vorliegen eines berechtigten Interesses des
Auskunftsersuchenden befugt ist (vgl. Schleßmann, Das Arbeitszeugnis, 17. Aufl. 2004,
Seite 211 m.w.N.). Diese Auskunft muss aber wahrheitsgemäß im Sinne einer
vollständigen, gerechten und nach objektiven Grundsätzen getroffenen Beurteilung sein,
wobei in ihr der Arbeitnehmer nicht anders beurteilt werden darf als im Zeugnis (LAG
Hamburg vom 16.08.1984, 2 Sa 144/83, BB 1985, Seite 804 f.). Für diesen Klageantrag
hat der Kläger nach Auffassung der erkennenden Kammer im vorliegenden Verfahren
auch ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse, da der Arbeitgeber hat erkennen lassen,
dass er eine vom austenorierten Urteil abweichende Beurteilung des Arbeitnehmers für
gerechtfertigt hält und in seinen schriftsätzlichen Ausführungen das von ihm erteilte
Zeugnis noch für zu gut hält.
75
II.
76
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
77
Die Parteien tragen demgemäß die Kosten entsprechend ihrem Anteil des jeweiligen
Obsiegens und Unterliegens, so dass die Kosten für die Berichtigung zwischen den
Parteien zu teilen und die Kosten bezogen auf den Klageantrag zu 2. der Beklagten
aufzuerlegen waren.
78
III.
79
Die Entscheidung über den Streitwert des Urteils gründet sich auf den §§ 61 Abs. 1, 46
Abs. 2 ArbGG i.V.m. den §§ 3 ff. ZPO, wobei für die Klageanträge jeweils eine
Bruttomonatsvergütung des Klägers zugrunde gelegt wurde.
80
Dr. Dewender
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