Urteil des ArbG Freiburg vom 30.01.2007

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ArbG Freiburg Urteil vom 30.1.2007, 3 Ca 174/06
Illegale Arbeitnehmerüberlassung - Abgrenzung Werkvertrag - Fiktion eines Arbeitsvertrags zwischen
Entleiher und Leiharbeitnehmer
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten seit 6.11.1996 ein Arbeitsverhältnis mit
Beschäftigung des Klägers als Elektroinstallateur mit einer Arbeitszeit von 40 Stunden/wöchentlich, ansonsten zu
den bei der Beklagten aufgrund von Haustarifverträgen mit der IG Metall angewendeten tariflichen Bestimmungen
der Metallindustrie in jeweils aktueller Fassung, besteht.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den Bedingungen gem. Ziff. 1 zu beschäftigen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6804,60 EUR brutto abzüglich dem Kläger von der Agentur für Arbeit
F. geleistetes Arbeitslosengeld in Höhe von 1831,13 EUR netto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2692,27 EUR seit 1.11.2006 und aus weiteren 2281,20 EUR seit
1.12.2006.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
5. Der Streitwert beträgt 10206,90 EUR.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Frage, ob infolge einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung zwischen den
Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.
2
Der am ... 1948 geborene, verheiratete Kläger wurde zum 1.7.1987 von der Firma L. M. als Elektroinstallateur
eingestellt. Dieses Unternehmen unterfällt aufgrund der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nicht dem
Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes und ist im Bereich der Planung, Installation und
Instandhaltung von elektrischen Anlagen tätig. Der Kläger erhielt dort zuletzt eine Vergütung in Höhe von
2.605,98 EUR (s. Anlage A 1, AS. 17). Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 40 Stunden. Ein schriftlicher
Arbeitsvertrag existiert nicht.
3
Erstmals mit Schreiben vom 29.9.2004 kündigte die Firma L. M. dem Kläger zum 31.3.2005. Die
Kündigungsschutzklage des Klägers hatte in erster Instanz (Urteil vom 4.2.2005 - 14 Ca 469/04) und in zweiter
Instanz (Urteil vom 10.3.2006 - 10 Sa 52/05) Erfolg. Herr M. sprach mit Schreiben vom 30.3.2006 eine weitere
Kündigung zum 30.9.2006 aus. Diese Kündigung ist Gegenstand des Rechtsstreits 14 Ca 179/06. Der
Rechtsstreit wurde durch Beschluss vom 4.12.2006 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits im
vorliegenden Verfahren ausgesetzt. Der sofortigen Beschwerde des Beklagten im Verfahren 14 Ca 179/06
wurde nicht abgeholfen. Der Rechtsstreit wurde dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
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Die Beklagte des vorliegenden Verfahrens befasst sich mit der Produktion elektronischer Systeme,
insbesondere für Flugzeuge und die Rüstungsindustrie, und beschäftigt in ihrem F. Betrieb regelmäßig ca. 500
Arbeitnehmer. Sie wendet allgemein für ihre Arbeitsverhältnisse aufgrund von Haustarifverträgen mit der IG
Metall weitgehend die tariflichen Bestimmungen für die Metallindustrie in Südbaden an.
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Seit dem 6.11.1996 wurde der Kläger von Herrn M. bei der Beklagten in streitigem Umfang eingesetzt. Herr M.
verfügt unstreitig über keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gem. § 1 AÜG. Ebenfalls unstreitig hat
Herr M. seine Arbeitnehmer nicht nur bei der Beklagten, sondern auch auf Baustellen etc. eingesetzt.
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Hinsichtlich des Umfangs des streitigen Einsatzes des Klägers bei der Beklagten wird auf die Aufstellungen
des Klägers (Anlage A 2, AS. 22 ff) und die Aufstellung der Beklagten (Anlage B 3, AS. 65 f) Bezug
genommen. Nach Vortrag des Klägers war er allein in den Jahren 2001 bis 2004 jährlich zwischen 193 und 213
Arbeitstagen bei der Beklagten und nur bis zu 5 Arbeitstagen bei Herrn M. tätig. Nach Vortrag der Beklagten
war der Kläger im Zeitraum 2001 bis 2004 zwischen 186 und 204 Arbeitstagen bei der Beklagten eingesetzt.
Eine Besonderheit ergibt sich für das Jahr 2005 daraus, dass der Kläger aufgrund des damals laufenden
Kündigungsschutzverfahrens von Herrn M. mehrere Monate nicht bei der Beklagten eingesetzt wurde.
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Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass das vom Kläger verwendete Material überwiegend nicht von der
Fa. M. gestellt wurde, sondern von der Beklagten selbst besorgt wurde. Der Kläger war nicht in das
Zeiterfassungssystem der Beklagten eingebunden, sondern verfügte über einen sog. Fremdfirmenausweis.
8
Seit dem Frühjahr 2006 erhält die Firma M. von der Beklagten keine Aufträge mehr.
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Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 6.6.2006 (Anlage A 9, AS. 32 ff.) bot der Kläger der
Beklagten seine Arbeitskraft an. Unter dem 12.6.2006 (Anlage A 10, AS. 35) lehnte die Beklagte die geltend
gemachten Ansprüche ab. Mit seiner am 10.7.2006 bei Gericht eingegangenen Klage verlangte der Kläger die
Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestehe, und die entsprechende Beschäftigung.
Mit Schriftsatz vom 23.11.2006 hat der Kläger die Klage um einen Zahlungsantrag erweitert, mit dem er
Annahmeverzugsvergütung für Oktober und November 2006 verlangt (zur Anspruchshöhe wird auf AS. 78
verwiesen).
10 Im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits hat die Beklagte als Anlagenordner B 1 die Bestellscheine der
Beklagten an die Fa. M. aus dem Zeitraum 1999 bis 2006 vorgelegt (die einzelnen Bestellscheine werden
künftig unter Angabe der Seitenzahl im Ordner mit "L" bezeichnet). Als Anlagenordner B 2 hat die Beklagte des
Weiteren die Rechnungen der Fa. M. aus dem Zeitraum 1.8.1996 bis 31.7.2000 vorgelegt (die einzelnen
Rechnungen werden künftig unter Angabe der Seitenzahl im Ordner mit "M" bezeichnet). Auf diverse dieser
Rechnungen und Bestellscheine hat der Kläger schriftsätzlich Bezug genommen.
11 Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die rechtlichen Beziehungen zwischen der Beklagten und der Firma M.
nicht durch Werk- oder Dienstverträge geprägt gewesen seien, sondern dass es sich um
Arbeitnehmerüberlassung gehandelt habe, und macht in der Folge die Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 AÜG
geltend. Zwischen der Beklagten und der Firma M. seien keine konkreten werksvertragsfähigen Leistungen
vereinbart worden. Für eine Arbeitnehmerüberlassung sprächen die Abrechnungen nach Stundensätzen und die
Materialüberlassung. In den vorgelegten Rechnungen fehle fast durchweg jede nähere Angabe über ein
vereinbartes Werk. Dies gelte auch für die vorgelegten Bestellscheine. Der Kläger habe jeweils morgens um 7
Uhr im Betrieb der Beklagten und nicht im Betrieb der Fa. M. seine Tätigkeit aufgenommen. Zu den gerade
anstehenden Elektroinstallationsarbeiten sei er arbeitsteilig mit Herrn B., dem Betriebselektriker, von dem
Gruppenleiter Herrn S. und zum Teil auch von dem Abteilungsleiter Herrn V. eingeteilt worden. Nach Abschluss
der Arbeiten habe er sich bei Herrn S. oder Herrn V. gemeldet, die ihm Weisungen für weitere Arbeiten erteilt
hätten. Da die Arbeitszettel, die von Mitarbeitern der Beklagten abgezeichnet wurden, keine Angabe der
geleisteten Tätigkeit enthalten hätten, hätte Herr M. nicht gewusst, wie der Kläger eingesetzt werde.
12 Der Kläger hat zuletzt beantragt:
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1. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten seit 6.11.1996 ein
Arbeitsverhältnis mit Beschäftigung des Klägers als Elektroinstallateur mit einer Arbeitszeit von
40 Stunden/wöchentlich, ansonsten zu den bei der Beklagten aufgrund von Haustarifverträgen
mit der IG Metall angewendeten tariflichen Bestimmungen der Metallindustrie in jeweils
aktueller Fassung, besteht.
14
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den Bedingungen gem. Ziffer 1 zu beschäftigen.
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3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.804,60 EUR brutto (Annahmeverzugsvergütung
für Oktober und November 2006) zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz aus 3.402,30 EUR brutto seit 1.11.2006 und aus weiteren 3.402,30 EUR
brutto ab 1.12.2006, abzüglich dem Kläger für Oktober und November 2006 von der Agentur für
Arbeit F. geleistetes Arbeitslosengeld in Höhe von 1.831,13 EUR aus dem Nettobetrag hieraus.
16 Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
18 Die Beklagte behauptet, dass in jedem Fall konkrete Beauftragungen unter Angabe eines konkret zu
erstellenden Werkes vorgelegen hätten. Wenn auf Bestellung vermerkt sei "Arbeiten abgeschlossen", so liege
es daran, dass der Bestellvorgang von der Anforderung bis zur schriftlichen Bestellung 6 bis 8 Arbeitstage
erfordere. Umbauten und Instandhaltungen seien auch kurzfristig erforderlich gewesen. Die Arbeiten seien dann
telefonisch oder im Rahmen einer regelmäßig stattfindenden Besprechungen mit Herrn M. bei ihm bestellt
worden. Der Kläger sei nie angewiesen worden, bevor die Arbeiten, zumindest mündlich, bei Herr M. bestellt
worden wären. Der Kläger habe die Arbeiten selbständig und ohne Zusammenarbeit mit Arbeitnehmern der
Beklagten erbracht, wenn nicht in Ausnahmefällen aufgrund berufsgenossenschaftlicher Vorschriften die
Anwesenheit von zwei Personen erforderlich gewesen sei. Dem Kläger seien nur betriebsspezifische
Anweisungen, die zur Vermeidung von Schäden oder von Produktionsausfall von der Beklagten
zulässigerweise getroffen hätten werden können, erteilt worden. Herr M. habe den Kläger des öfteren
telefonisch oder persönlich von Auftragsarbeiten bei der Beklagten abgezogen, um ihn auf anderen Baustellen
der Fa. M. einzusetzen.
19 Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die Protokolle der
mündlichen Verhandlungen vom 4.8.2006 und 19.12.2006 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
20 Die Klage ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
21 1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere liegt das gem. § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 256 Abs. 1 ZPO
erforderliche Feststellungsinteresse bei Klagantrag 1 vor. Die Parteien streiten um die Frage, ob aufgrund
der gesetzlichen Fiktion in § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis, also ein Rechtsverhältnis, zwischen den
Parteien besteht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitnehmer das
Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu einem Entleiher auf Grundlage der Vorschriften des AÜG mit einer
allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO geltend machen (s. BAG vom 24.5.2006 - 7 AZR
365/05 - abrufbar unter www.bundesarbeitsgericht.de mit weiteren Nachweisen).
22 2. Klagantrag 1 hat auch in der Sache Erfolg. Zwischen den Parteien besteht aufgrund der gesetzlichen Fiktion
des § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zu den im Antrag bezeichneten Bedingungen.
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a) Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG bedürfen Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer
(Leiharbeitnehmer) gewerbsmäßig zur Arbeitsleistung überlassen wollen, einer Erlaubnis. Hat der Verleiher
nicht die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, so sind Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie
zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern gem. § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam. Ist der Vertrag zwischen
einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam, so gilt ein Arbeitsverhältnis
zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den
Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen (s. § 10 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz
AÜG).
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Herr M. verfügt unstreitig über keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Die zwischen Herrn M. und
der Beklagten abgeschlossenen Verträge wurden von diesen als Werkverträge angesehen, während aus
Sicht des Klägers eine Arbeitnehmerüberlassung vorlag, bei der Herr M. als Verleiher den Kläger als
Leiharbeitnehmer der Beklagten als Entleiher überließ.
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b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erfolgt die Abgrenzung der
Arbeitnehmerüberlassung gegenüber einem Einsatz von Arbeitnehmern auf werk- oder dienstvertraglicher
Basis nach folgenden Grundsätzen:
26
Über die rechtliche Einordnung eines Vertrages entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den
Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht
entspricht. Die Vertragsschließenden können das Eingreifen zwingender Schutzvorschriften des AÜG nicht
dadurch vermeiden, dass sie einem vom Geschäftsinhalt abweichenden Vertragstyp wählen. Der
Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch
aus der praktischen Durchführung des Vertrages ergeben. Widersprechen sich beide, so ist die
tatsächliche Durchführung des Vertrages maßgebend, weil sich aus der praktischen Handhabung der
Vertragsbeziehungen am ehesten Schlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die
Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben. Der so ermittelte wirkliche Wille
der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp (s. BAG vom 13.5.1992 - 7
AZR 284/91 - NZA 1993, 357 ff.; BAG vom 6.8.2003 - 7 AZR 180/03 - AP Nr. 6 zu § 9 AÜG; BAG vom
24.5.2006 a.a.O. jeweils mit weiteren Nachweisen).
27
Bei der Arbeitnehmerüberlassung werden dem Entleiher die Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt. Der
Entleiher setzt sie nach seinen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb wie eigene Arbeitnehmer ein.
Die Arbeitskräfte sind voll in dem Betrieb des Entleihers eingegliedert und führen ihre Arbeiten allein nach
dessen Weisungen aus. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den
Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt hat. Von der
Arbeitnehmerüberlassung ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk-
oder Dienstvertrages zu unterscheiden. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er
organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen
betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der im Vertrag vorgesehenen Dienste oder für
die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur
Ausführung des Dienst- oder Werkvertrages eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des
Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Der Werkbesteller kann jedoch, wie sich aus § 645 Abs.
1 Satz 1 BGB ergibt, dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die
Ausführung des Werkes erteilen. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht erfasst (s. BAG vom 13.5.1992, vom 6.8.2003 und vom 24.5.2006
a.a.O.).
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Die Vorschriften über den Dienst- oder Werkvertrag schließen nicht aus, dass die zu erbringende Dienst-
oder Werkleistung vertraglich hinsichtlich aller Einzelheiten bezüglich Ausführung, Umfang, Güte, Zeit und
Ort der Erbringung so detailliert und bestimmt vereinbart werden kann, dass dem Dienst- oder
Werkunternehmer im Hinblick auf die Durchführung der Leistung kein eigener Entscheidungsspielraum
mehr verbleibt. Er ist vertraglich verpflichtet, die Leistung hinsichtlich aller Einzelheiten
vereinbarungsgemäß zu erbringen. Damit wird jedoch nur die vertragsgemäße Leistung als solche in die
Planung des Arbeitsablaufs des Auftraggebers einbezogen. Eine Eingliederung derjenigen Person, die als
Dienst- oder Werknehmer oder als deren Erfüllungsgehilfen die in einem Dienst- oder Werkvertrag
vereinbarte Leistung erbringen, setzt weiter voraus, dass diese Personen selbst in die Arbeitsorganisation
des Auftraggebers eingegliedert werden, so dass dieser die für ein Arbeitsverhältnis typischen
Entscheidungen über deren Personaleinsatz auch nach Zeit und Ort zu treffen hat, er die Personalhoheit
über diese Person hat (s. BAG vom 13.5.1992).
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Aus der Tatsache, dass die Abrechnung für erbrachte Leistungen nicht nach Festpreisen, sondern nach
Stundenverrechnungssätzen vereinbart worden ist, lässt sich nicht auf das Vorliegen von
Arbeitnehmerüberlassung schließen. Denn auch im Rahmen von Werk- oder Dienstverträgen ist eine
Berechnung der zu zahlenden Vergütung nach einem solchen Berechnungsmodus möglich und vielfach
üblich. Zwar kann diesem Umstand für die Abgrenzung von Werk- und Dienstverträgen Bedeutung
zukommen; für die Frage, ob nach den vertraglichen Vereinbarungen eine Arbeitnehmerüberlassung
vorliegt, ist jedoch allein maßgebend, ob die vertraglich übernommene Verpflichtung lediglich die
Überlassung eines Arbeitnehmers zum Gegenstand hat oder ob eine bestimmte werk- oder
dienstvertragliche Leistung geschuldet ist, in deren Rahmen der Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfe
eingesetzt wird (s. BAG vom 13.5.1992, a.a.O.).
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Ständig wiederkehrende Wartungsarbeiten an Einrichtungen und Geräten, die der Erfüllung des
Betriebszwecks zu dienen bestimmt sind, können durchaus über Jahre hinweg an denselben
Fremdunternehmer übergeben werden, ohne dass allein aus der Dauer solcher Geschäftsbeziehungen zu
schließen wäre, es handele sich bei entsprechend lang dauernden Einsätzen derselben Arbeitnehmer im
Rahmen solcher Verträge um Arbeitnehmerüberlassung (s. BAG vom 13.5.1992, a.a.O.).
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Aus der Ausübung werkvertraglicher Weisungsbefugnisse einschließlich der damit zusammenhängenden
Kontroll- und Überprüfungsrechte kann nicht auf das Vorliegen eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages
geschlossen werden. Sind die Weisungen des Dritten gegenständlich begrenzt, also auf die zu erbringende
Werkleistung bezogen, so deutet dies auf das Vorliegen eines Werkvertrages hin. Dagegen sprechen
arbeitsvertragliche Anweisungen für Arbeitnehmerüberlassung. Die Grenze zu arbeitsvertraglichen
Anweisungen würde insbesondere überschritten, wenn der Dritte erst durch seine Anweisungen den
Gegenstand der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Leistung bestimmt. Dagegen lässt sich aus
Weisungen des Dritten, durch die Art, Reihenfolge und Einzelinhalte verschiedener oder gleichartiger
Werkleistung im Rahmen der zuvor vereinbarten Werkgegenstände festgelegt werden, nicht auf
Arbeitnehmerüberlassung schließen, soweit sie nur bezogen auf das konkrete Werk erteilt werden (s. BAG
vom 13.5.1992, a.a.O.). Die Ausführung ausschließlich werkvertraglicher Befugnisse und der damit
verbundenen Kontrolle und Überprüfungsrechte schließt das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung aus.
Doch muss die Weisung des Werkbestellers gegenständlich begrenzt auf das konkrete Werk bezogen
sein. Fehlt es an einem abgrenzbaren, dem Werkunternehmen als eigene Leistung zurechenbaren und
abnahmefähigen Werk, deutet dies auf Arbeitnehmerüberlassung hin, weil der Besteller dann durch seine
Anweisungen den Gegenstand der von dem Arbeitnehmer zu erbringende Leistung überhaupt erst bestimmt
und damit Arbeit und Einsatz für ihn organisiert (BAG vom 9.11.1994 - 7 AZR 217/94 - AP Nr. 18 zu § 1
AÜG).
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c) Nach Auffassung des Gerichts ergab sich im vorliegenden Fall, insbesondere unter Berücksichtigung
der vorgelegten Unterlagen, dass es in den Vertragsbeziehungen zwischen Herrn M. und der Beklagten
wiederholt an einem abgrenzbaren, dem Werkunternehmer als eigene Leistung zurechenbaren und
abnahmefähigen Werk fehlte. Deshalb konnte von einem Einsatz des Klägers von einer werk- oder
dienstvertraglicher Basis nicht mehr ausgegangen werden.
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Zwar ist das Unternehmen L. M. grundsätzlich aufgrund seiner Struktur in der Lage, Werkverträge
abzuschließen, und tut dies unstreitig auch. Auch ergibt sich eine Einordnung der vertraglichen
Beziehungen als Arbeitnehmerüberlassung noch nicht allein daraus, dass der Kläger seit Ende 1996, auch
nach Vortrag der Beklagten, weit über 100 Arbeitstage pro Jahr bei der Beklagten eingesetzt wurde. Auch
die Tatsache, dass die Tätigkeit des Klägers nach Stundenverrechnungssätzen und nicht nach
Festpreisen abgerechnet wurde, ist nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts noch kein Indiz für
Arbeitnehmerüberlassung.
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Wie die vorgelegten Bestellscheine und Rechnungen belegen, gingen die Firma M. und die Beklagte davon
aus, dass zwischen ihnen Werkverträge abgeschlossen wurden. Die letztendlich maßgebliche praktische
Durchführung dieser Verträge zeigte jedoch nach Auffassung des Gerichts, dass es sich in Wirklichkeit um
eine Arbeitnehmerüberlassung handelte.
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Zwar erfolgten auch einige Bestellungen aufgrund konkreter Angebote der Firma M. (s. L 10 unter
Bezugnahme auf L 13 f., L 86 ff.). Auch hat die Beklagte Bestellscheine vorgelegt, die eine mehr (z.B. L
52, L 99) oder weniger (z.B. L 34, L 120, L 202) konkret bezeichnete Leistung aufführen.
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Vielfach hat die Beklagte jedoch in den Bestellungen ein abgrenzbares Werk nicht angegeben (z.B. L 15, L
17, L 20, L 59, L 68, L 128, L 137, L 159, L 163, L 184, L 207). Weder "Instandsetzungsarbeiten nach
unseren Angaben" (s. L 15) noch "Reparatur- und Wartungsarbeiten an Elektroanlagen und Geräten nach
unseren Angaben" (s. L 128) noch "Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten an Elektroanlagen und
Beleuchtungseinrichtungen" (s. L 207) stellen ein abnahmefähiges Werk dar. Vielmehr handelt es sich
jeweils um eine allgemeine Beschreibung der Aufgaben, die ein Betriebselektriker oder ein in einem Betrieb
angestellter Elektroinstallateur zu erledigen hat. Die in allen der genannten Beispiele, die sich über einen
Zeitraum von 1999 bis 2005 erstrecken, verwendete Formulierung "nach unseren Angaben" weist zudem
darauf hin, dass erst durch die "Angaben" der Beklagten die jeweils zu erbringende Leistung näher
bestimmt wurde, während sich Herr M. darauf beschränkte, für den in der Bestellung genannten Zeitraum
den Kläger zur Verfügung zu stellen.
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Dass der Kläger wie ein Leiharbeitnehmer beschäftigt wurde und nicht wie ein Erfüllungsgehilfe eines
Werkunternehmers eingesetzt wurde, zeigen in besondere Weise Bestellscheine, ausweislich derer der
Kläger als "Urlaubsvertretung" für den Betriebselektriker eingesetzt wurde (s. L 20, L 209). Es ist typisch
für Arbeitnehmerüberlassung, dass ein Leiharbeitnehmer beschäftigt wird, um Urlaubs- oder
Krankheitszeiten eigener Arbeitnehmer zu überbrücken. Wie aus anderen Bestellscheinen ersichtlich (L 40,
L 190) zeigen, wurde der Kläger auch zur "Mithilfe" eingesetzt, also vermutlich um den Betriebselektriker
zu unterstützen.
38
Ein ähnliches Bild wie bei Durchsicht der Bestellscheine aus den Jahren 1999 bis 2006 ergibt sich
hinsichtlich der von der Firma M. erstellten Rechnungen, die die Beklagte für den Zeitraum 1996 bis 2000
vorgelegt hat. Während in einzelnen Rechnungen ein konkretes Werk benannt wird (z. B. M 45 f., M 213),
hat sich Herr M. in anderen Rechnungen auf Angaben wie "Änderungsarbeiten an El.-Inst. und
Beleuchtungsanlage nach Ihren Angaben" (M 41) oder "Installationsarbeiten in Ihrem Haus durchgeführt"
(M 126 f.) oder "Arbeiten laut Anweisung von Herrn S. durchgeführt" (M 134 f.) beschränkt. Auch aus den
für diese zuletzt genannte Rechnung vorliegenden Arbeitszettel (M 136 f.) ergibt sich kein konkretes Werk.
Dort wird nur die Auftragsnummer genannt, die ausgeführten Tätigkeiten werden in keiner Weise
beschrieben.
39
Da in den Rechnungen jeweils die Auftragsnummer der Beklagten angegeben ist, wäre die jeweilige
Leistung auch bestimmbar, wenn in dem dazugehörigen Bestellschein die Leistung konkret beschrieben
wäre. Dies lässt sich anhand der Unterlagen teilweise für die Jahre 1999 und 2000 feststellen, da insofern
sowohl Rechnungen als auch Bestellscheine von der Beklagten vorgelegt wurden. In einigen Fällen können
auch Rechnungen, in denen die zu erbringende Leistung nicht näher beschrieben werden, anhand der
Auftragsnummern Bestellscheine zugeordnet werden, die die Leistung mehr oder weniger konkret
bestimmen (z. B. M 195 ff. zu L 214 f., M 236 ff. zu L 199, M 255 f. zu L 191). Dafür dass der Kläger seine
Arbeitsleistung im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung erbrachte, sprechen aber diverse Rechnungen
und dazugehörige Bestellungen, die jeweils beide die zu erbringende Leistung nicht näher bestimmen (s. M
215 f. zu L 207, M 253 und 258 zu L 190, M 262 zu L 187, M 263 und 268 zu L 184).
40
d) Insgesamt hat also der Kläger immer wieder seine Arbeitsleistung im Rahmen einer
Arbeitnehmerüberlassung erbracht, ohne dass die Firma über eine entsprechende Erlaubnis verfügte. Die
gesetzliche Fiktion des § 10 Abs. 1 S. AÜG tritt daher ein: Zwischen den Parteien besteht ein
Arbeitsverhältnis. Dass die Beklagte teilweise auch ein konkretes Werk in Auftrag gegeben hat, kann sich
vor diesem Hintergrund nicht auswirken. Das einmal begründete Arbeitsverhältnis wurde dadurch nicht
wieder beendet.
41
Das Arbeitsverhältnis besteht gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG seit dem Zeitpunkt, als der Kläger am
6.11.1996 seine Tätigkeit für die Beklagte aufgenommen hat. Das fingierte Arbeitsverhältnis beginnt in dem
Zeitpunkt, in dem der Leiharbeitnehmer nach dem Überlassungsvertrag die Tätigkeit beim Entleiher
aufnehmen soll. Dafür ist auf den im Überlassungsvertrag genannten Zeitpunkt abzustellen Fehlt es an der
Vereinbarung eines festen Zeitpunktes oder lässt er sich im Nachhinein nicht mehr genau ermitteln, ist auf
den Zeitpunkt der tatsächlichen Arbeitsaufnahme abzustellen (s. Erfurter Kommentar/Wank, 7. Auflage
2007, § 10 AÜG Rn. 5 mit weiteren Nachweisen). Im vorliegenden Fall ist also der Zeitpunkt der
tatsächlichen Arbeitsaufnahme maßgeblich.
42
Gemäß § 10 Abs. 1 S. 3 AÜG gilt die zwischen dem Kläger und Herrn M. vereinbarte Arbeitszeit von 40
Stunden pro Woche auch zwischen den Parteien als vereinbart. Im Übrigen bestimmen sich Inhalt und
Dauer des Arbeitsverhältnis nach den für den Betrieb des Entleihers geltenden Vorschriften und sonstigen
Regelungen (§ 10 Abs. 1 S. 4 AÜG). Das sind im vorliegenden Fall die bei der Beklagten geltenden
haustarifvertraglichen Regelungen.
43 3. Klagantrag 2 ist ebenfalls begründet. Da zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, hat der Kläger
auch einen Anspruch auf Beschäftigung zu den fingierten arbeitsvertraglichen Bedingungen gegen die
Beklagte. Nach der Rechtsprechung des BAG ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet ist, seinen
Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, wenn dieser es verlangt. Der Anspruch wird aus den §§ 611,
613 BGB i. V. mit § 242 BGB abgeleitet. Die Generalklausel des § 242 BGB wird dabei ausgefüllt durch die
Wertentscheidung der Art. 1 und 2 GG (s. BAG GS vom 27.02.1985 - GS 1/84 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB
Beschäftigungspflicht).
44 4. Auch Klagantrag 3 hat in der Sache Erfolg. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der Vergütung für Oktober
und November 2006 aus § 615 BGB. Dass der Anspruch zum Teil gemäß § 115 SGB X auf die Agentur für
Arbeit übergegangen ist, hat der Kläger bei der Antragstellung berücksichtigt. Im vorliegenden Fall genügte
gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 12.6.2006 sämtliche
zuvor geltend gemachte Ansprüche abgelehnt. Dieses wörtliche Angebot unterbreitete der Kläger mit seiner
Klage.
45
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Auch insofern war der
Anspruchsübergang zu berücksichtigen.
II.
46 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
47 Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzende Streitwert beträgt ein Vierteljahresverdienst gemäß § 42 Abs. 4
S. 1 GKG für Klagantrag 1. Klagantrag 2 und 3 wirkten sich wegen wirtschaftlicher Teilidentität nicht
streitwerterhöhend aus.