Urteil des ArbG Freiburg vom 29.10.2007

ArbG Freiburg (zpo, bestellung, juristische person, partei, vertreter, gefahr im verzug, rücknahme der klage, kläger, antrag, gesetzlicher vertreter)

ArbG Freiburg Beschluß vom 29.10.2007, 2 Ca 478/04
Bestellung eines Prozesspflegers nach § 57 ZPO
Leitsätze
1. Verliert eine Partei die Prozessfähigkeit erst im Laufe des Rechtsstreits, so ist § 57 ZPO analog anwendbar.
2. Wird eine GmbH prozessunfähig, weil sie nicht (mehr) über einen Geschäftsführer verfügt, kommt der
Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 57 ZPO Vorrang vor der Bestellung eines Notgeschäftsführers
nach § 29 BGB analog zu.
3. Gefahr i.S.d. § 57 Abs. 1 ZPO ist mit dem durch die Prozessunfähigkeit verursachten Verzug verbunden, wenn
die Rechte des Prozessgegners beeinträchtigt werden. Das ist der Fall, wenn seit dem Eintritt der
Prozessunfähigkeit mehr als sechs Monate vergangen sind und wegen der Vermögenslosigkeit der
prozessunfähigen Partei auch der Verlust der Parteifähigkeit (§ 50 Abs. 1 ZPO) droht.
4. Sowohl der Antrag, einen besonderen Vertreter nach § 57 Abs. 1 ZPO zu bestellen, als auch die Bestellung des
besonderen Vertreters durch das Prozessgericht sind während der Unterbrechung oder Aussetzung des
Rechtsstreits wegen Verlusts der Prozessfähigkeit (§§ 241 Abs. 1, 246 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO) wirksam. Es handelt
sich um Prozesshandlungen, die nur die Frage des rechtlichen Stillstands betreffen und nicht "in Ansehung der
Hauptsache" (§ 249 Abs. 2 ZPO) vorgenommen werden.
5. Bei der Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 57 ZPO handelt es sich um eine prozessleitende
Verfügung, gegen die ein Rechtsmittel nicht statthaft ist.
Tenor
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, Herr Rechtsanwalt (…), wird bis zum Eintritt des gesetzlichen
Vertreters zum besonderen Vertreter der Beklagten bestellt.
Gründe
I.
1
Zwischen den Parteien ist seit dem Jahr 2003 ein Rechtsstreit wegen Vergütungsansprüchen rechtshängig. Mit
Schreiben vom 1.4.2004 legte der damalige Geschäftsführer W. sein Amt nieder. Mit Beschluss vom 4.8.2004
bestellte das Arbeitsgericht Freiburg den Prozessbevollmächtigten der Beklagten, Herrn Rechtsanwalt (…),
zum besonderen Vertreter nach § 57 Abs. 1 ZPO. Unter dem 30.8.2004 wurde als neue Geschäftsführerin der
Beklagten Frau S. bestellt und in das Handelsregister eingetragen (Handelsregisterauszug Abl. 254 f.). Mit
Schreiben vom 28.2.2005 legte diese ihr Amt nieder (Anlage K 167, Abl. 548). Unter dem 9.5.2006 beantragte
der Beklagtenvertreter daraufhin die Aussetzung des Verfahrens (Abl. 658). Über den Antrag wurde nicht mehr
entschieden, nachdem zwischenzeitlich Herr B. als Geschäftsführer bestellt worden war. Am 10.4.2007
verstarb er (Sterbeurkunde vom 11.4.2007, Abl. 700). Auf Antrag der Beklagten im Schriftsatz ihrer
Prozessbevollmächtigten vom 4.6.2007 (Abl. 697) wurde mit Beschluss vom 5.6.2007 das Verfahren
ausgesetzt (Abl. 702 f.). Unter dem 25.7.2007 (Abl. 708 f.) beantragte der Kläger die Bestellung des
Prozessbevollmächtigten der Beklagten zum besonderen Vertreter nach § 57 Abs. 1 ZPO. Das Registergericht
München hatte zuvor mitgeteilt, die Beklagte sei wegen der Neubestellung eines Geschäftsführers angehört
worden, die Anmeldung eines neuen Geschäftsführers sei aber noch nicht erfolgt (Schreiben vom 13.7.2007,
Abl. 710). Den Parteien wurde Gelegenheit zur Stellungnahme mit Verfügung vom 9.8.2007 gewährt. Auf die
hierauf eingegangenen Schriftsätze vom 14.8.2007 (Abl. 713 f.), 7.9.2007 (Abl. 717 ff.), 9.9.2007 (Abl. 720 f.)
sowie 19.10.2007 (Abl. 732 f.) wird Bezug genommen.
II.
2
1. Nach § 57 Abs. 1 ZPO hat der Vorsitzende des Prozessgerichts auf Antrag bis zu dem Eintritt des
gesetzlichen Vertreters einen besonderen Vertreter zu bestellen, wenn eine nicht prozessfähige Partei verklagt
werden soll, die ohne gesetzlichen Vertreter ist, falls mit dem Verzug Gefahr verbunden ist. Diese
Voraussetzungen liegen vor.
3
a) Die Beklagte ist - erneut - mit dem Tod ihres Alleingeschäftsführers B. prozessunfähig (§ 51 Abs. 1 ZPO
i.V.m. § 35 GmbHG). Hierüber streiten die Parteien nicht.
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b) Dem Wortlaut nach findet § 57 Abs. 1 ZPO nur Anwendung, wenn im Vorfeld eines beabsichtigten
Rechtsstreits vom Kläger, der grundsätzlich das Risiko einer Prozessunfähigkeit der Gegenseite zu tragen hat,
ein entsprechendes Defizit festgestellt wird. Unschädlich ist, wenn der Mangel der Prozessfähigkeit der
beklagten Partei erst im Laufe des Rechtsstreits erkannt wird und die weiteren Voraussetzungen des § 57 Abs.
1 ZPO zu bejahen sind (BGH 12.1.1951 - V ZR 11/50 - NJW 1951, 441; 23.2.1990 - V ZR 188/88 - NJW 1990,
1734).
5
Umstritten ist dagegen, ob § 57 Abs. 1 ZPO erweiternd auch dann angewendet werden kann, wenn eine Partei
die Prozessfähigkeit erst später im Laufe des Rechtsstreites verliert. Im Hinblick darauf, dass §§ 241, 246
ZPO hierfür gesetzliche Regelungen vorsehen, lehnt eine - allerdings nicht (mehr) überwiegende Meinung - die
ausdehnende Anwendung von § 57 ZPO auch für diesen Fall ab (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO
64. Aufl. § 57 Rn 4; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 28. Aufl. § 57 Rn. 3; Musielak/Weth ZPO 5. Aufl. § 57 Rn. 2;
MünchKommZPO/Feiber 1. Aufl. § 249 Rn. 16). Dagegen wird zunehmend auf die entsprechende
Anwendbarkeit des § 57 Abs. 1 ZPO auf Fälle erst im Laufe des Rechtsstreits eintretender Prozessunfähigkeit
hingewiesen (Zöller/Vollkommer ZPO 26. Aufl. § 57 Rn. 3; Stein/Jonas/Bork ZPO 21. Aufl. § 57 Rn. 2;
MünchKommZPO/Lindacher 1. Aufl. § 57 Rn. 8; LAG Niedersachsen 25.9.2006 - 4 Ta 328/06 - AE 2007, 96;
OLG Stuttgart 12.7.1995 - 9 W 69/94 - MDR 1996, 198; OLG Köln 27.7.2005 - 19 W 32/05 - OLGR Köln 2005,
684; OLG Dresden 10.8.2005 - 2 U 290/05 - ZIP 2005, 1845). Die besseren Argumente sprechen für die
analoge Anwendung des § 57 Abs. 1 ZPO.
6
aa) Eine Analogie ist die Übertragung der Rechtsfolge eines gesetzlichen Tatbestandes auf einen
vergleichbaren, aber im Gesetz nicht geregelten Tatbestand. Die analoge Anwendung gesetzlicher
Bestimmungen setzt voraus, dass eine vom Gesetzgeber unbeabsichtigt gelassene Lücke vorliegt und diese
Planwidrigkeit auf Grund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann, weil sonst jedes Schweigen des
Gesetzgebers - also der Normalfall, wenn er etwas nicht regeln will - als planwidrige Lücke im Wege der
Analogie von den Gerichten ausgefüllt werden könnte (vgl. nur BAG 13.12.2006 - 10 AZR 674/05 - NZA 2007,
751 mwN). Neben der Darlegung einer planwidrigen Gesetzeslücke erfordert die analoge Anwendung der für
einen Tatbestand im Gesetz gegebenen Regel auf einen vom Gesetz nicht geregelten Tatbestand die
Begründung, dass beide Tatbestände infolge ihrer Ähnlichkeit in den für die gesetzliche Bewertung
maßgebenden Hinsichten gleich zu bewerten sind (BGH 13.4.2006 - IX ZR 22/05 - NJW 2006, 2997).
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bb) Eine planwidrige Gesetzeslücke ist zu bejahen.
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(1) Der Bundesgerichtshof geht insofern von einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers der ZPO aus und
befürwortet eine "weitherzige Auslegung und eine entsprechende Anwendung des § 57 ZPO" über den einzigen
dort geregelten Fall hinaus, weshalb auch die Regelungen der §§ 241, 246 ZPO nicht entgegenstünden
(9.5.1962 - IV ZR 4/62 - NJW 1962, 1510). Der Normzweck des § 57 Abs. 1 ZPO, die verfassungsrechtlichen
Anforderungen, die durch den Justizgewährleistungsanspruch an eine effektive Rechtsverfolgung gestellt sind,
zu gewährleisten, trifft über den ausdrücklich geregelten Fall der bereits vor Klageerhebung bestehenden
Prozessunfähigkeit auch auf den hier vorliegenden Fall der erst im Laufe des Rechtsstreits eintretenden
Prozessunfähigkeit der Beklagten zu (vgl. auch OLG Dresden 10.8.2005 - 2 U 290/05 - aaO). Wird zudem zu
Grunde gelegt, dass § 57 ZPO nach dem Willen des historischen Gesetzgebers Vorrang vor der gerichtlichen
Bestellung eines Vertretungsorgans gebührt (vgl. nachfolgend cc), wird gänzlich klar, dass der Gesetzgeber
übersehen hat, den Fall der erst im Laufe eines bereits rechtshängigen Rechtsstreits eintretenden
Prozessunfähigkeit einer Partei so zu regeln, dass der Rechtsstreit nicht vollständig zum Erliegen kommt. Die
Regelungen der §§ 246 Abs. 2, 241 Abs. 1 ZPO bieten keinen Anhalt, dass der Gesetzgeber die im Laufe des
Rechtsstreits eintretende Prozessunfähigkeit abschließend geregelt hätte (OLG Stuttgart 12.7.1995 - 9 W
69/94 - aaO). Denn ebenso wie § 57 Abs. 1 ZPO weisen sie eine maßgebliche Regelungslücke auf. Der Gegner
der prozessunfähigen Partei hat nach § 241 Abs. 1 ZPO nur dann die Möglichkeit, den Rechtsstreit
aufzunehmen, wenn eine Anzeige über die Bestellung des (neuen) gesetzlichen Vertreters der
prozessunfähigen Partei bei Gericht nicht eingeht. Voraussetzung ist damit, dass überhaupt ein (neuer)
gesetzlicher Vertreter bestellt worden ist. Wird die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters verzögert, so hat
der Gegner im anhängigen Rechtsstreit nach § 241 ZPO keine Möglichkeit, die Fortsetzung zu erzwingen oder
die Unterbrechung zu beenden (vgl. MünchKommZPO/Feiber 2. Aufl. § 249 Rn. 16). Die §§ 241 Abs. 1, 246
Abs. 2 ZPO einerseits und § 57 Abs. 1 ZPO andererseits ergänzen sich deshalb nur teilweise; den Fall der
nachträglich eintretenden Prozessunfähigkeit regeln sie dagegen nicht.
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(2) Die bereits vor Klageerhebung bestehende und die erst nachträglich während des Rechtsstreits eintretende
Prozessunfähigkeit sind gleich zu bewerten. Die Prozessunfähigkeit führt immer zum Stillstand des
Rechtsstreits, dem die Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung dient. Während aber dem Kläger, der gegen
eine von Beginn an prozessunfähige Partei Klage erheben will ebenso wie der Partei, deren Gegner bei
nachträglich eintretender Prozessunfähigkeit einen gesetzlichen Vertreter (neu) bestellt, prozessuale Mittel an
die Hand gegeben sind, um den Stillstand zu beenden, kann die Partei, deren Gegner sich bei nachträglich
eingetretener Prozessunfähigkeit nicht - jedenfalls nicht mit der gebotenen Nachdrücklichkeit - bemüht, ihre
Prozessfähigkeit wieder herzustellen, nichts unternehmen. Es bliebe allenfalls die - allerdings rechtlich nicht
durchsetzbare - Möglichkeit, das Registergericht bei Prozessunfähigkeit einer juristischen Person zur
nachhaltigen Einflussnahme auf diese anzuhalten. Wie das vorliegende Verfahren zeigt, bedeutet dies jedoch
keine gleichwertige Einflussmöglichkeit. Ein sachlicher Grund, weshalb einer Partei die Fortführung eines
infolge nachträglich eingetretener Prozessunfähigkeit ausgesetzten Prozesses nicht unter denselben
Voraussetzungen eröffnet werden sollte wie die Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine von vornherein
prozessunfähige Partei, ist nicht ersichtlich (so auch OLG Dresden 10.8.2005 - 2 U 290/05 - aaO).
Möglicherweise wird die weitere Voraussetzung des § 57 Abs. 1 ZPO, dass mit dem Verzug Gefahr verbunden
sein muss, bei nachträglich eingetretener Prozessunfähigkeit weniger häufig eintreten. Auszuschließen ist dies
jedoch - wie der vorliegende Rechtsstreit zeigt - nicht (vgl. nachfolgend c).
10 (3) Dieses Ergebnis wird auch durch die Entwicklung der Rechtsprechung des Reichsgerichts gestützt. In der
Entscheidung vom 30.11.1922 (- IV 102/22 - RGZ 105, 401, 405) stellte es klar, dass eine vorangegangene
Entscheidung, die noch die Unzulässigkeit der Bestellung eines besonderen Vertreters festgestellt hatte, einen
früheren, wesentlich anderen Rechtszustand zur Grundlage hatte. Die frühere Entscheidung ist deshalb als
überholt zu betrachten. Wörtlich führte das Reichsgericht aus:
11 "Gefahr im Verzug kann in demselben Maße und vielleicht in noch höherem Maße vorliegen, wenn bei der
Klaganstellung die Bestellung eines besonderen Vertreters noch nicht erfolgt ist und erst nachher der die
sachliche Entscheidung hindernde Mangel sich gezeigt hat, sei es, dass er anfangs übersehen worden oder
dass er erst später eingetreten ist. Es würde eine nicht gerechtfertigte Schädigung der Interessen des Klägers
bedeuten, wenn er in einem solchen Falle gezwungen wäre, unter Rücknahme der Klage den Prozess von
neuem anzustellen, und wenn dem Vorsitzenden in dem Falle, dass ein zur Zeit der Klagezustellung von ihm
bestellter besonderer Vertreter später weggefallen ist, die Bestellung eines neuen Vertreters verwehrt sein
sollte. In diesem Sine hat auch bereits das Oberlandesgericht Karlsruhe in dem (....) mitgeteilten Beschluss
vom 3.3.1916 sich ausgesprochen. In der Rechtslehre wird diese Ansicht mit Entschiedenheit (.....) vertreten,
der in entsprechender Anwendung des § 57 ZPO die Bestellung eines besonderen Vertreters für den Beklagten
auch dann für zulässig erachtet, wenn durch die Prozessunfähigkeit des Beklagten der Fortgang des
Prozesses gehindert wird. Abweichend hiervon hat zwar das Reichsgericht in einer früheren Entscheidung vom
1.2.1884 (...) für den damals zu entscheidende, gegenwärtig nicht vorliegenden Fall, dass eine prozessfähige
Partei im Laufe des Rechtsstreits die Prozessfähigkeit verloren hatte, die Bestellung eines Vertreters aus § 53
(jetzt § 57 ZPO) für unzulässig erklärt. Das Vorliegen dieser Entscheidung macht jedoch ein Verfahren nach §
137 BGB nicht erforderlich, weil sie auf die vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches in Geltung
gewesene, durch das Einführungsgesetz vom 17.5.1898 wesentlich geänderte Zivilprozessordnung begründet
ist."
12 cc) Der analogen Anwendung des § 57 Abs. 1 ZPO steht nicht entgegen, dass auch die Bestellung eines
Notgeschäftsführers (analog) § 29 BGB in Betracht kommt (so auch OLG Zweibrücken 22.1.2007 - 4 W 6/07 -
GmbHR 2007, 544; OLG Köln 27.7.2005 - 19 W 32/05 - aaO; OLG Dresden 11.12.2001 - 2 W 1848/01 -
GmbHR 2002, 163; OLG Dresden 10.8.2005 - 2 U 290/05 - aaO zu § 104 Abs. 1 AktG). Das OLG Dresden
verweist insofern auf den Willen des historischen Gesetzgebers, wonach bei einer gegen eine juristische
Person gerichteten Klage einem Vorgehen nach § 57 ZPO Vorrang vor der gerichtlichen Bestellung eines
Vertretungsorgans gebührt (OLG Dresden 11.12.2001 - 2 W 1848/01 - GmbHR 2002, 163 mVa Mugdan, Die
gesammelten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches, Band I S. 407). Bereits
dieser Wille dürfte der Auffassung entgegen stehen, die Bestellung eines besonderen Vertreters sei gegenüber
der Bestellung eines Notgeschäftsführers subsidiär (so aber BayOblG München 12.8.1998 - 3Z BR 456/97 ua. -
NJW-RR 1999, 1259; KG Berlin 4.4.2000 - 1 W 3052/99 - BB 2000, 998). Für ein Subsidiariätsverhältnis der
beiden Normen ist kein Anhalt erkennbar. Vielmehr würde verkannt, dass beide Regelungen unabhängig
voneinander und parallel nebeneinander bestehen (so auch OLG Stuttgart 12.7.1995 - 9 W 69/94 - aaO). Das
wird bereits aus der unterschiedlichen Stellung des besonderen Vertreters einer- und des Notgeschäftsführers
andererseits deutlich: Der besondere Vertreter nach § 57 Abs. 1 ZPO hat nicht die umfassende
organschaftliche Stellung eines Notgeschäftsführers, der als "normaler" Geschäftsführer mit allen Rechten und
Pflichten anzusehen und entsprechend ins Handelsregister einzutragen ist. Richtigerweise wird es sogar am
Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers mangeln, weil der Weg über §
57 Abs. 1 ZPO der einfachere und weniger einschneidende ist (vgl. OLG Stuttgart 12.7.1995 - 9 W 69/94 - aaO;
OLG Dresden 11.12.2001 - 2 W 1848/01 - aaO; MünchKommBGB/Reuter 5. Aufl. § 29 Rn. 11;
Erman/H.P.Westerman BGB 11. Aufl. § 29 Rn. 2; Kutzer ZIP 2000, 654).
13 c) Mit dem Verzug der Bestellung eines gesetzlichen Vertreters durch die Beklagte ist für den Kläger auch die
Gefahr verbunden, dass die Verwirklichung seiner Rechte beeinträchtigt werden könnte. Dies hat der Kläger
ausreichend glaubhaft gemacht.
14 aa) Der Kläger hat in seinem Schriftsatz vom 14.8.2007 (Abl. 731) auf das Schreiben des Beklagtenvertreters
vom 3.8.2007 (Abl. 715 f.) Bezug genommen. Darin führt der Beklagtenvertreter selbst aus, die vom Kläger
eingezogenen Beträge hätten das Guthaben der Beklagten abschließend verbraucht. Weitere
Zahlungseingänge stünden nicht mehr an. Die Beklagte hat dies in den Schriftsätzen vom 7.9.2007 und
19.10.2007 bestätigt (Abl. 719 f., 731 f.). Es ist zudem nicht ersichtlich, dass sich die Beklagte ausreichend
bemüht, einen neuen Geschäftsführer zu bestellen und so ihre Prozessfähigkeit in überschaubarer Zeit wieder
zu erlangen (vgl. hierzu OLG Zweibrücken 22.1.2007 - 4 W 6/07 - aaO; OLG Dresden 10.8.2005 - 2 U 290/05 -
aaO). Seit dem Tod ihres letzten Geschäftsführers am 10.4.2007 sind über sechs Monate vergangen. Der
Beklagtenvertreter hat in seinen Schriftsätzen vom 7.9.2007 und 19.10.2007 nicht zu erkennen gegeben, dass
nunmehr die Bestellung eines Geschäftsführers in wenigstens naher Zukunft bevorstünde.
15 bb) Auf Grund dieses Verzugs in der Herbeiführung der Prozessfähigkeit der Beklagten ist ein endgültiger
Stillstand des Rechtsstreits zu gewärtigen. Angesichts der Vermögenslosigkeit der Beklagten droht als
nächster Schritt der Verlust der Parteifähigkeit der Beklagten (§ 50 Abs. 1 ZPO). In der Rechtsprechung ist
anerkannt, dass eine juristische Person vollbeendet ist, wenn sie im Register wegen Vermögenslosigkeit oder
nach vollzogener Liquidation gelöscht ist und jegliche Anhaltspunkte für verwertbares Vermögen fehlen ("Lehre
vom Doppeltatbestand", vgl. nur BAG 4.6.2003 - 10 AZR 448/02 - NZA 2003, 1049 mwN; OLG Koblenz
9.3.2007 - 8 U 228/06 - DStR 2007, 821). Die Gefahr der Löschung besteht angesichts der von der Beklagten
selbst behaupteten Vermögenslosigkeit der Beklagten konkret (vgl. § 141a FGG). Zwar ist umstritten, ob eine
juristische Person während eines gegen sie gerichteten Rechtsstreits ihre Parteifähigkeit verlieren kann mit der
Folge, dass die Klage unzulässig wird (bejahend: BGH 5.4.1979 - II ZR 73/78 - BGHZ 74, 212; 29.9.1981 - VI
ZR 21/80 - NJW 1982, 238; 4.5.2004 - XI ZR 40/03 - BGHZ 159, 94; vgl. auch Schemmann Parteifähigkeit im
Zivilprozess S. 76 f.; Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. Rn. 47; OLG Rostock 28. 6.2001 - 1 U 203/99 - NJW-RR
2002, 828; OLG Saarbrücken 6.3.1991 - 1 U 143/90 - GmbHR 1992, 311; aA BAG 9.7.1981 - 2 AZR 329/79 -
BAGE 36, 125; wohl auch 9.2.1978 - 3 AZR 260/76 - AP ZPO § 286 Nr. 7; BFH 26.3.1980 - 1 R 111/79 - AP
Nr. 3 zu § 50 ZPO; 22.7.2002 - V R 55/00 -; wie das BAG auch BGH 18.1.1994 - XI ZR 95/93 - NJW-RR 1994,
542 ohne Begründung; wohl auch BGH 23.10.1980 - IVa 79/80 - JZ 1981, 631; Zöller/Vollkommer aaO § 50 Rn.
4a ff.; Musielak/Weth aaO § 50 Rn. 18; differenzierend nach dem für das Gericht entstehenden Aufwand:
MünchKommZPO/Lindacher 2. Aufl. § 50 Rn. 16a; offen gelassen: BAG 22.3.1988 - 3 AZR 350/86 - aaO;
11.1.1989 - 5 AZR 22/88 -; 4.6.2003 - 10 AZR 448/02 - BAGE 106, 217; BGH 6.2.1991 - VIII ZR 26/90 - BB
1991, 571; vgl. ferner Stumpf in Anmerkung zu AP Nr. 4 zu § 50 ZPO; Leipold in Anmerkung zu AP Nr. 6 zu §
50 ZPO). Auf die bloße, nicht gesichert feststehende Möglichkeit, dass das zur Entscheidung berufene Gericht
die Parteifähigkeit der Beklagten zumindest im vorliegenden Rechtsstreit trotz deren möglicher Vollbeendigung
bejahen wird, muss sich der Kläger jedoch nicht verweisen lassen. Der Kläger läuft damit ernsthaft Gefahr,
seine Ansprüche nicht durchsetzen zu können, sondern ohne Sachurteil wegen Fehlens einer
Prozessvoraussetzung einer Klageabweisung wegen Unzulässigkeit der Klage zu unterfallen. Er ginge damit
seiner möglicherweise bestehenden Ansprüche gegenüber der Beklagten - ohne materiell-rechtliche Prüfung -
vollständig verlustig (vgl. auch OLG Köln 27.7.2005 - 19 W 32/05 - aaO).
16 2. Das Gericht war an der Entscheidung über die Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 57 Abs. 1
ZPO nicht deshalb gehindert, weil zunächst die Frage der Vergütung des besonderen Vertreters abzuklären
gewesen wäre (vgl. S. 2 des Schriftsatzes des Beklagtenvertreters vom 19.10.2007). Dem besonderen
Vertreter steht eine Vergütung für seine Tätigkeit zu. Ob diese realisierbar ist, ist für die Entscheidung über
seine Bestellung unerheblich. Ob die Voraussetzungen des § 116 S. 1 Nr. 2 ZPO vorliegen, braucht nicht
entschieden zu werden. Einen entsprechenden Antrag hat die Beklagte bislang nicht gestellt.
17 3. Die vorliegende Entscheidung des Gerichts über den Antrag des Klägers vom 25.7.2007 entfaltet
Rechtswirkung gegenüber den Parteien, obwohl mit Beschluss vom 5.6.2007 auf Antrag der Beklagten der
Rechtsstreit ausgesetzt worden war. Nach § 249 Abs. 2 ZPO sind die während der Unterbrechung oder
Aussetzung von einer Partei vorgenommenen Prozesshandlungen der anderen Partei gegenüber ohne
rechtliche Wirkung. Trotz des engen Wortlauts bezieht sich die Regelung auch auf Prozesshandlungen des
Gerichts. § 249 Abs. 2 ZPO spricht aber von "in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen
Prozesshandlungen". Prozesshandlungen, die nur die Frage des rechtlichen Stillstands betreffen, sind
uneingeschränkt wirksam, da sie nicht "in Ansehung der Hauptsache" vorgenommen werden (vgl.
Thomas/Putzo/Hüßtege aaO § 249 Rn. 6; MünchKommZPO/Feiber 1. Aufl. § 249 Rn. 17). Auch
Prozesshandlungen des Gerichts wie z.B. Zustellungen sind während der Aussetzung nur insofern wirkungslos,
als sie die Hauptsache betreffen (vgl. Zöller/Greger aaO § 249 Rn. 7; MünchKommZPO/Feiber aaO Rn. 21).
Der Antrag, einen besonderen Vertreter nach § 57 Abs. 1 ZPO zu bestellen, dient der Beseitigung des durch
den Aussetzungsbeschluss vom 5.6.2007 eingetretenen Stillstands des Rechtsstreits. Sowohl die
Prozesshandlungen des Klägers als auch diejenigen des Gerichts sind deshalb wirksam.
18 4. Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht statthaft. Es handelt sich um eine prozessleitende
Verfügung. Prozessleitende Verfügungen sind Entscheidungen, die eine Förderung des Verfahrens, mithin den
Verlauf des gerichtlichen Verfahrens selbst betreffen, und auch nicht von besonderem Gewicht sind. Hierzu
gehört auch die Bestellung eines besonderen Vertreters durch den Vorsitzenden nach § 57 Abs.1 ZPO (BFH
9.2.1994 - IV B 73/93 - ; LAG Baden-Württemberg 17.11.2005 - 10 Ta 29/04 -;
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO Rn. 9; MünchKommZ-PO/Lindacher 1. Aufl. § 57 Rn. 18;
Musielak/Weth aaO Rn. 4; Thomas/Putz/Hüßtege aaO Rn. 6). Soweit ein Beschwerderecht des
Prozessunfähigen bejaht wird, weil in der Bestellung eines besonderen Vertreters ein Rechtseingriff liege
(Zöller/Vollkommer aaO § 57 Rn. 7), übersieht diese Auffassung, dass dem besonderen Vertreter die
Vertretungsbefugnis dadurch entzogen werden kann, dass die prozessunfähige Partei einen gesetzlichen
Vertreter bestellt (vgl. hierzu bereits RG 30.11.1922 - IV 102/22 - RGZ 105, 401, 403). Dies kann die Beklagte
dadurch erreichen, dass sie entweder einen neuen Geschäftsführer (§ 35 GmbHG) beruft oder einen
Notgeschäftsführer (§ 29 BGB analog) bestellt.