Urteil des ArbG Freiburg vom 30.07.2003

ArbG Freiburg: venire contra factum proprium, befristung, universität, persisch, unbefristet, verfügung, amtsantritt, internet, arbeitsbedingungen, seminar

ArbG Freiburg Urteil vom 30.7.2003, 2 Ca 252/03
Entfristungsklage bei nicht nur vorübergehendem Bedarf an der Arbeitsleistung - Lektorin
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien seit dem 15.04.2002 bis 31.03.2003 bestehende befristete Arbeitsverhältnis über
den 31.03.2003 hinaus unbefristet zu den bisherigen Arbeitsbedingungen fortbesteht.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf EUR 6.725,62 festgesetzt.
gez. Steuerer
gez. Fuchs
gez. Hellgoth
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um eine Entfristungsklage.
2
Die Klägerin war bereits früher bei der ... als Lektorin im Rahmen befristeter Arbeitsverträge beschäftigt. Streitgegenstand des vorliegenden
Prozesses ist der zuletzt mit den Parteien vereinbarte befristete Arbeitsvertrag vom 15.04.2002, dessen wesentliche Passagen wie folgt lauten:
"§ 1
3
Frau ... wird gemäß § 77 Universitätsgesetz als außertarifliche Lektorin eingestellt. Das Arbeitsverhältnis beginnt am 15.02.2002 und endet
mit Ablauf des 31.03.2003.
4
Das Arbeitsverhältnis endet vorzeitig mit Ablauf der jeweils gültigen Aufenthalts-/Arbeitserlaubnis.
5
Die Beschäftigung erfolgt als nichtvollbeschäftigte Lektorin mit 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit einer entsprechenden vollbeschäftigten
Angestellten.
6
Die Grundvergütung wird entsprechend BAT Vergütungsgruppe II a ausbezahlt.
§ 2
7
Befristungsgründe:
8
Der Arbeitsvertrag ist gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG befristet geschlossen, weil der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend
besteht. Es handelt sich hier um eine Aushilfstätigkeit bis zur ordnungsgemäßen Besetzung nach einer Stellenausschreibung.
§ 3
9
Die Lektorin führt unter fachlicher Verantwortung eines von der Fakultät bestimmten Professors überwiegend folgende Aufgaben durch:
10
– Sprachpraktische Ausbildung (Phonetik, Idiomatik, Soziolekte mit Schwerpunkt auf dem sprachlichen Wandel),
11
– Vermittlung von Kenntnissen über die Kultur des Herkunftslandes (Landeskunde).
12
Sie kann auch herangezogen werden zur Bewertung der sprachlichen Leistungen der Studenten und zur Unterstützung bei der Vorbereitung
von Programmen für Sprachlabors sowie zur Mitwirkung an Prüfungen.
..."
13 Mit ihrer am 17.04.2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Entfristungsklage rügt die Klägerin, dass ein sachlicher Grund für die Befristung
ihres Arbeitsvertrages nicht vorgelegen habe. Demgemäss habe das Arbeitsverhältnis nicht durch Befristungsablauf zum Ablauf des 31.03.2003
geendet, sondern bestehe als unbefristetes Arbeitsverhältnis fort.
14 Die Klägerin beantragt:
15
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien seit dem 15.04.2002 bis 31.03.2003 bestehende befristete Arbeitsverhältnis über
den 31.03.2003 hinaus unbefristet zu den bisherigen Arbeitsbedingungen fortbesteht.
16 Das beklagte Land beantragt,
17
die Klage abzuweisen.
18 Das beklagte Land trägt vor:
19 Die Klage sei bereits unzulässig. Etwa am 08.04.2003 habe die Klägerin Herrn ... mitgeteilt, sie stehe für die Stelle nicht zur Verfügung. Auch
gegenüber mehreren Mitarbeitern habe die Klägerin dies ausgesagt. Daraufhin habe man einen anderen Persisch-Lektor eingestellt. Der Klage
stehe damit der Grundsatz venire contra factum proprium entgegen.
20 Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet. Ursprünglich, das heißt, bevor man die Klägerin eingestellt habe, sei im orientalischen Seminar der
Universität Herr A. als Lektor für persisch beschäftigt gewesen. Dessen Arbeitsverhältnis sei befristet gewesen bis 30.09.2002. Ebenso habe zum
30.09.2002 die Pensionierung von Herrn ... angestanden, dem dieser Lektor zugeordnet gewesen sei. Herr ... sei jedoch vorzeitig zum
31.03.2002 ausgeschieden, weil er einen anderen Arbeitsplatz in Köln angenommen habe. Das habe für die Universität erst am 11.03.2002
festgestanden. Die Planungen des orientalischen Seminars seien aber zu diesem Zeitpunkt für das Sommersemester bereits abgeschlossen
gewesen. Bis zum Semesterbeginn (15.04.2002) habe die Stelle nicht mehr ausgeschrieben und besetzt werden können. Ohne Lektor sei man
jedoch nicht in der Lage gewesen, das veröffentlichte Angebot zu erfüllen. Zudem sei es nicht möglich gewesen, für den potenziellen Nachfolger
von ... bereits vor dessen Amtsantritt einen Lektor unbefristet einzustellen.
21 Die Klägerin erwidert zum Vortrag des beklagten Landes:
22 Die Klage sei nicht unzulässig. Zwar habe sie in einem E-Mail vom 19.04.2003 tatsächlich mitgeteilt, "unter den gegebenen Umständen" zu einer
Weiterbeschäftigung nicht bereit zu sein. Dies habe sich jedoch darauf bezogen, dass Herr ... ihr auf ihre Anfrage im Januar 2003 zunächst
mitgeteilt habe, sie könne sich auf die Persisch Lektorenstelle, die auf vier Jahre befristet ausgeschrieben sei, bewerben. Sie sei die einzige
weibliche Bewerberin. Später jedoch habe ihr Herr ... mitgeteilt, der Personaldezernent Herr ... habe befristungsrechtliche Bedenken und wolle
ihr jetzt nur eine Befristung für ein Jahr anbieten. Schließlich habe ihr Herr ... am 29.03.2003 kundgetan, dass der Personaldezernent ... mit ihr "zu
Gericht gehen" wolle, um aus "verwaltungstechnischen Gründen" den neuen befristeten Vertrag als "Gerichtsvergleich" abzuschließen. Auf diese
Weise habe ... letztlich nur einen sachlichen Befristungsgrund nach § 14 Abs. 1 Ziff. 8 TzBfG schaffen wollen. Hiermit sei sie nicht einverstanden
gewesen, weshalb sie das besagte E-Mail versandt habe.
23 Ein Befristungsgrund des "vorübergehenden Bedarfs" bestehe nicht, nachdem die Persisch Lektorenstelle schon über Jahre hinaus ständig
besetzt sei. Auch der Befristungsgrund des § 14 Abs. 1 Ziff. 7 TzBfG greife nicht, da es um dauerhaften Bedarf in der Lehre gehe. Eine Befristung
auf Grund des Hochschulrahmengesetzes greife nicht wegen nicht § 57 b Abs. 3 HRG, da dann der Befristungsgrund hätte im Arbeitsvertrag
angegeben werden müssen. Das beklagte Land könne sich auch nicht darauf berufen, dass man die Stelle vor Amtsantritt des potenziellen
Nachfolgers von Herrn ... nicht habe besetzen können, da die Universität selbst im Internet die Persisch Lektorenstelle, obwohl der Nachfolger
von Herrn ... immer noch nicht feststehe, zur Besetzung ab 01.04.2003 auf vier Jahre befristet ausgeschrieben habe.
24 Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und eingereichten Unterlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
25 Die Klage ist zulässig und in vollem Umfang begründet. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 31.03.2003 ist unwirksam,
weshalb das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien als unbefristetes fortbesteht.
26 1. Die Klage ist zulässig.
27
Das beklagte Land hat den Vortrag der Klägerin nicht bestritten, dass der Personaldezernent der Universität ... von ihr verlangt habe, wenn
sie einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag (allerdings befristet nur für ein Jahr) haben wolle im Anschluss an die Befristung zum
31.03.2003, müsse sie mit ihm zum Arbeitsgericht gehen, um diesen Vertrag gerichtlich zu protokollieren. Im Hinblick auf die Regelung des §
14 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 8 TzBfG ist festzustellen, dass bei einer Befristung, die auf einem gerichtlichen Vergleich beruht, per Gesetz ein
sachlicher Grund vorliegt. Dass die Klägerin zu einem solchen Vorgehen nicht gezwungen werden kann, liegt auf der Hand. Demgemäss
kann ihre Äußerung, unter den "gegebenen Umständen" stehe sie zum Sommersemester 2003 der Universität F nicht zur Verfügung, ihrem
Recht aus § 17 TzBfG gerichtlich die Unwirksamkeit der Befristung geltend machen zu können, nicht im Wege stehen.
28 2. Die Klagfrist des § 17 Satz 1 TzBfG ist gewahrt.
3.
29
a) Eine Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG war wegen § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht möglich, da die Klägerin bereits früher befristet bei
der Universität Freiburg beschäftigt war.
30
b) Eine Befristung nach § 14 Abs. 1 Ziff. 1 TzBfG liegt nicht vor. Hiernach besteht ein sachlicher Grund für die Befristung, wenn ein
betrieblicher Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Es ist unstreitig, dass seit Jahren ständig im orientalischen
Seminar der Universität Freiburg ein Persischlektor eingesetzt ist. Daraus ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen nur
vorübergehenden Bedarf.
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c) Die Argumentation des beklagten Landes, auf Grund des kurzfristigen Ausscheidens von Herrn ... das erst am 11.03.2002
festgestanden habe, habe bis Semesterbeginn (15.04.2002) die Stelle nicht mehr ausgeschrieben und besetzt werden können, führt
nicht dazu, einen vorübergehenden Bedarf im Sinne der genannten Vorschrift annehmen zu können; denn wenn es tatsächlich darum
gegangen wäre, lediglich bis zur möglichen ordnungsgemäßen Ausschreibung die Stelle zu besetzen, hätte keine Veranlassung
bestanden, die Befristung über das Sommersemester hinaus auszudehnen. Davon abgesehen ist nicht ersichtlich, was dagegen
gestanden hätte, die Stelle unter Umständen erst ab 01. oder 15. Mai 2002 nach Durchführung einer ordnungsgemäßen Ausschreibung
zu besetzen. Auch dann hätte noch das Angebot des orientalischen Seminars für das Semester erfüllt werden können. Schließlich
kommt es nicht selten vor, dass einzelne Veranstaltungen etwas später beginnen.
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d) Der Vortrag der Universität, man habe die Stelle deshalb nicht endgültig besetzen wollen, weil der potenzielle Nachfolger von Herrn ...
noch nicht zum Zeitpunkt der Einstellung der Klägerin festgestanden habe, greift nicht. Hierum ist es nach Auffassung der Kammer nicht
gegangen. Zum einen hätte dann mehr beim Abschluss des befristeten Vertrages dafür gesprochen, diesen tatsächlich auf das
Sommersemester zu begrenzen, zum anderen spricht entscheidend gegen diesen Vortrag, dass die Universität, obwohl die Stelle
immer noch nicht besetzt ist und ein Nachfolger noch nicht feststeht, die Stelle des Persischlektors auf vier Jahre im Internet
ausgeschrieben hat.
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e) Ein Befristungsgrund im Sinne des § 14 Abs. 1 Ziff. 3 TzBfG liegt nicht vor. Hiernach ist ein sachlicher Grund anzunehmen für eine
Befristung, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Dies setzt aber voraus, dass im
Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Vertrages davon auszugehen ist, dass dieser andere Arbeitnehmer wieder zurückkommt.
Vorliegend war es jedoch klar, dass Herr A. als Lektor nicht mehr zurückkommt, da dieser eine andere Arbeitsstelle in Köln
angenommen hat.
34
f) Weitere in § 14 Abs. 1 TzBfG genannte Befristungsgründe sind nicht ersichtlich.
35
g) Eine Befristung nach dem Hochschulrahmengesetz greift nicht, da der Befristungsgrund nach 57 b Abs. 3 HRG hätte im Arbeitsvertrag
angegeben werden müssen.
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Demgemäss ist die Befristung des Arbeitsvertrages rechtsunwirksam, weshalb das Arbeitsverhältnis gemäß § 16 Satz 1 TzBfG als auf
unbestimmte Zeit geschlossen gilt.
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Der Klage war somit in vollem Umfang stattzugeben.
38 4. Da das beklagte Land den Rechtsstreit verloren hat, hat es nach Maßgabe des § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 ZPO auch die Kosten zu
tragen.
39
Bei der Streitwertfestsetzung, die gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil zu erfolgen hat, war von einem dreifachen Bruttomonatsverdienst der
Klägerin auszugehen, was den festgesetzten Betrag ergab.
40 D. Vorsitzende:
41 Steuerer