Urteil des ArbG Freiburg vom 10.04.2000

ArbG Freiburg: bereitschaftsdienst, unverzüglich, form, arbeitsstelle, tarifvertrag, initiative, fahren, bezirk, aufenthalt, beschränkung

ArbG Freiburg Urteil vom 10.4.2000, 11 Ca 67/00
Bereitschaftsdienst eines Rettungssanitäters
Tenor
1. Es wird festgestellt, daß die Anordnung von Bereitschaftsdienst im Rettungsdienst dergestalt, daß die Arbeitsaufnahme des Klägers unverzüglich
nach Alarmierung zu erfolgen hat, nicht zulässig ist und der Kläger nicht verpflichtet ist, derartigen Bereitschaftsdienst zu leisten.
2. Der Beklagte wird verurteilt, den in den Monaten Juli 1999 bis Dezember 1999 geleisteten Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit zu werten und zu
vergüten einschließlich der sich daraus ergebenden Überstundenzuschläge.
3. Der Beklagte wird verurteilt, über den Dezember 1999 hinaus geleisteten Bereitschaftsdienst auch zukünftig als Arbeitszeit zu werten und zu
vergüten, einschließlich der sich daraus ergebenden Überstundenzuschläge.
4. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.
5. Der Streitwert wird auf DM 43.200,00 festgesetzt.
6. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte berechtigt ist, von dem Kläger, einem Rettungssanitäter, die Leistung von Bereitschaftsdienst in
der Weise zu verlangen, daß der Kläger sich an seiner Arbeitsstelle (der Rettungswache) aufzuhalten hat und bei Alarmierung unverzüglich mit
dem Rettungsfahrzeug zum Einsatzort auszurücken hat.
2
Der Kläger ist bei dem Beklagten, einem eingetragenen Verein, seit 01.11.1998 als Rettungsassistent beschäftigt. Sein monatlicher
Bruttoverdienst beträgt ca. DM 2.778,00. Der Kläger ist hauptsächlich im Rettungsdienst im Stadtgebiet F eingesetzt.
3
Auf das Arbeitsverhältnis finden Kraft vertraglicher Vereinbarung (§ 2 des Arbeitsvertrages vom 31. Juli 1996) der jeweilige Tarifvertrag über
Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes nebst seiner Nebenbestimmungen Anwendung.
4
§ 14 des Tarifvertrages lautet wie folgt:
5
§ 14 regelmäßige Arbeitszeit
6
Abs. 1 ...
7
Abs. 2: Die regelmäßige Arbeitszeit kann verlängert werden
8
a) bis zu 10 Stunden täglich (durchschnittlich 49 Stunden wöchentlich), wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich
mindestens 2 Stunden täglich fällt,
9
b) bis zu 11 Stunden täglich (durchschnittlich 54 Stunden wöchentlich), wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich
mindestens 3 Stunden täglich fällt,
10
c) bis zu 12 Stunden täglich (durchschnittlich 60 Stunden wöchentlich), wenn der Mitarbeiter lediglich an der Arbeitsstelle anwesend sein
muß, um im Bedarfsfall vorkommende Arbeiten zu verrichten.
11 Nach der Protokollnotiz zur Anlage 2 (Sonderregelungen für das Personal in Rettungsdiensten und Krankentransport) ist die Möglichkeit zur
Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 14 Abs. 2 DRK-Tarifvertrag wie folgt eingeschränkt:
12 Ab 1. Januar 1993:
13 § 14 Abs. 2 a: Von 47 Stunden/Woche auf 45 Stunden/Woche.
14 § 14 Abs. 2 b: Von 51 Stunden/Woche auf 49 Stunden/Woche.
15 § 14 Abs. 2 c: Von 56,5 Stunden/Woche auf 54 Stunden/Woche.
16 § 14 Abs. 5 Tarifvertrag des DRK lautet:
17 Der Mitarbeiter ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber
bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst). Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur
anordnen, wenn zu erwarten ist, daß zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt.
18 Zum Zwecke der Vergütungsberechnung wird die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit entsprechend dem Anteil
der erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Zeit der Arbeitsleistung als Arbeitszeit gewertet und mit der Überstundenvergütung vergütet ...
19 Seit 1. April 1999 wurde die Arbeitszeit des Klägers auf wöchentlich 45 Stunden erhöht. Darüber hinaus leistet der Kläger wöchentlich ca. 15 bis
17 Stunden Bereitschaftsdienst. Der Bereitschaftsdienst ist in den Dienstplan integriert.
20 Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, daß der Kläger in den Zeiten des Bereitschaftsdienstes in der Rettungswache anwesend zu
sein hat, dort im Falle der Alarmierung sofort die Arbeit aufzunehmen hat, er in der übrigen Zeit schlafen kann und daß in den Zeiten, in denen
Bereitschaftsdienst angeordnet wird, die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt.
21 Die Zeit zwischen der Alarmierung und dem Ausrücken liegt im Schnitt zwischen ein und zwei Minuten.
22 Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger zum einen die Feststellung, daß diese Form des Bereitschaftsdienstes unzulässig ist, zum
anderen die Verurteilung der Beklagten zur Vergütung der bisher geleisteten Bereitschaftsdienste als Überstunden.
23 Der Kläger trägt vor, diese Art der Anordnung des Bereitschaftsdienstes sei unzulässig, da bereits im Hinblick auf § 3 des
Rettungsdienstgesetzes Baden-Württemberg, der verlange, daß innerhalb von 10 Minuten nach der Alarmierung der Rettungswagen am
Einsatzort eintreffe, in der Anordnung des Bereitschaftsdienstes in der beschriebenen Art ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liege. Der
Rettungsassistent sei gerade nicht in der Lage, langsam nach Aufforderung des Arbeitgebers seine Freizeitaktivitäten, denen er während des
Bereitschaftsdienstes grundsätzlich nachzugehen berechtigt sei einzustellen, sondern er müsse sofort und innerhalb weniger Sekunden das
Fahrzeug besetzen, um entsprechend auszurücken. Die Tätigkeit während des Bereitschaftsdienstes unterscheide sich durch nichts von der
sonstigen Arbeitstätigkeit des Klägers. Lediglich die Bezahlung sei anders und auch die Zahl der Einsätze sei geringer. Durch die Vorgaben des
Landesrettungsdienstgesetzes Baden-Württemberg ergebe sich im Ergebnis, daß hier Arbeitsbereitschaft vorliege und nicht Bereitschaftsdienste.
Die Möglichkeiten der Freizeitwahrnehmung während des Bereitschaftsdienstes seien nämlich so eingeschränkt, daß ein Ruhen und eine
Freizeitgestaltung nicht möglich sei. Gerade dies unterscheide jedoch systematisch den Bereitschaftsdienst von der Arbeitsbereitschaft, denn
Bereitschaftsdienst solle eher gerade außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit anfallen. Im übrigen stelle diese Form des Bereitschaftsdienstes
eine starke physische und psychische Belastung des Klägers dar, da er immer wieder aus den Schlafphasen herausgerissen werde und aus
arbeitsmedizinischer Sicht eine Erholung nicht gewährleistet sei. Im übrigen hätten die Tarifvertragsparteien durch § 14 Abs. 2 c MTV eine
zusätzliche Art der zu leistenden Arbeit eingeführt, die zwischen Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst stehe. Dieser Form der Tätigkeit sei
die Tätigkeit des Klägers während des angeordneten Bereitschaftsdienstes zuzuordnen. Daraus ergebe sich, daß eine Einstufung dieser
Tätigkeit als Bereitschaftsdienst nicht zulässig sei.
24 Der Kläger beantragt daher zuletzt:
25 1. Es wird festgestellt, daß die Anordnung von Bereitschaftsdienst im Rettungsdienst dergestalt, daß die Arbeitsaufnahme des Klägers
unverzüglich nach Alarmierung zu erfolgen hat, nicht zulässig ist und der Kläger nicht verpflichtet ist, derartigen Bereitschaftsdienst zu leisten.
26 2. Der Beklagte wird verurteilt, den in den Monaten Juli 1999 bis Dezember 1999 geleisteten Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit zu werten und zu
vergüten, einschließlich sich daraus ergebender Überstundenzuschläge.
27 3. Der Beklagte wird verurteilt, über den Dezember 1999 hinaus geleisteten Bereitschaftsdienst auch zukünftig als Arbeitszeit zu werten und zu
vergüten, einschließlich sich daraus ergebender Überstundenzuschläge.
28 Der Beklagte beantragt,
29
die Klage abzuweisen.
30 Sie trägt vor, der Tarifvertrag erlaube in § 14 Abs. 5 ausdrücklich die Anordnung des Bereitschaftsdienstes in der vorliegenden Form. Die
Voraussetzungen seien erfüllt. Insbesondere gestatte § 14 Abs. 5 dem Arbeitgeber, den Aufenthaltsort zu bestimmen. Dies könne auch die
Rettungswache sein. Bereitschaftsdienst sei seinem Wesen nach eine Aufenthaltsbeschränkung, die mit der Verpflichtung verbunden ist, bei
Bedarf unverzüglich tätig zu werden. Dies bedeute, daß der Kläger in Zeiten des Bereitschaftsdienstes grundsätzlich einer selbstgewählten
Beschäftigung oder dem Schlafen nachgehen darf. Nur wenn zum Beispiel wegen eines Notfalls von ihm Arbeitsleistung konkret gefordert werde,
müsse er die von ihm bis dahin selbstgewählte Beschäftigung zu Gunsten der Arbeitsaufnahme unterbrechen.
31 Der Arbeitnehmer sei immer verpflichtet, die Arbeit unverzüglich aufzunehmen. Ein Recht, die Freizeitaktivitäten langsam einzustellen und sich
erst dann zur Arbeitsaufnahme zu melden, gebe es im Bereitschaftsdienst nicht. Die Tätigkeit des Klägers sei auch keine Arbeitsleistung, da er
sich nicht in einem Zustand der wachen Achtsamkeit befinde und sich nicht zur jederzeitigen Arbeitsaufnahme bereit zu halten brauche, da er
zum Beispiel auch während dieser Zeit schlafen könne.
32 Wegen der weiteren Rechtsausführungen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
33 Die zulässige Klage ist begründet.
I.
34 Der Klagantrag Ziff. 1 bedarf der Auslegung. Hierzu sind die Ausführungen des Klägers vom 03.03.2000 (Aktenseite 73) maßgeblich. Hieraus
ergibt sich, daß der Kläger lediglich die Feststellung begehrt, daß Bereitschaftsdienst auf der Rettungswache mit der Verpflichtung sofort und
innerhalb von ein bis zwei Minuten nach der Alarmierung bereits auf Einsatzfahrt zu sein, eben nicht zulässiger Bereitschaftsdienst ist. Dem
Kläger geht es nicht darum, festgestellt zu wissen, daß er im Falle eines zulässigen Bereitschaftsdienstes nicht verpflichtet ist, unverzüglich nach
Alarmierung die Arbeit aufzunehmen. So ein Begehren wäre auch nicht begründet, denn auch im Falle der Anordnung des Bereitschaftsdienstes
ist der Arbeitnehmer verpflichtet, unverzüglich nach der Aufforderung des Arbeitgebers die Arbeit aufzunehmen. Welcher Zeitraum dafür zulässig
ist, hängt von den jeweiligen Umständen ab. (Dazu Clemens-Scheuring, Erläuterung 18 d zu § 15 BAT).
35 Darüber hinaus sind die Anträge auch insgesamt zulässig. Der Antrag Ziff. 1 ist als Feststellungsantrag nach § 256 ZPO zulässig, weil der Kläger
ein Interesse an der baldigen Feststellung hat, ob der angeordnete Bereitschaftsdienst in der beschriebenen Form rechtlich zulässig ist oder
nicht. Hier handelt es sich um die Auslegung von tarifvertraglichen Vorschriften, die grundsätzlich einer Feststellungsklage zugänglich sind.
36 Auch die Anträge 2 und 3 als unbezifferte Leistungsanträge sind zulässig. Dies ergibt sich bereits daraus, daß der Beklagte ausdrücklich erklärt
hat, daß er entsprechend den geleisteten Bereitschaftsdiensten diese gemäß den tarifvertraglichen Vorgaben nach vergüten wird (Aktenseite 43).
II.
37 Mit dem genannten Inhalt sind die Anträge begründet. § 14 Abs. 5 Tarifvertrag-DRK läßt die Anordnung von Bereitschaftsdienst, bei dem sich der
Arbeitnehmer in der Rettungswache aufzuhalten hat und innerhalb kürzester Zeit (hier ein bis zwei Minuten) auszurücken hat, nicht zu.
38 Das Gericht schließt sich der Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 07.06.1999 (4 Sa 355/99) an. Die Entscheidung des Rechtsstreits
hängt davon ab, ob die vom Arbeitnehmer abverlangte Arbeitsleistung materiell-rechtlich dem Begriff des Bereitschaftsdienstes im Sinne des §
14 Abs. 5 Satz 1 DRK-TV entspricht oder ob ein darüber hinausgehendes Mehr an Arbeitsleistung verlangt wird. Die Regelungen des
Tarifvertrages in § 14 Abs. 2 bzw. § 14 Abs. 5 regeln, wie die von dem Kläger abverlangte Arbeitsleistung während des angeordneten
Bereitschaftsdienstes zu qualifizieren ist.
39 Dabei unterscheiden die Tarifvertragsparteien nicht nur zwischen Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft (siehe § 14 Abs. 2 a und b) und
Bereitschaftsdienst (§ 14 Abs. 5), der Rufbereitschaft (§ 14 Abs. 6), sondern sie haben auch hier noch eine zusätzliche Zwischenstufe eingefügt
nach § 14 Abs. 2 c DRK-TV. Dort ist nämlich geregelt, daß es auch Arbeitsleistung gibt, die darin besteht, daß der Mitarbeiter lediglich an der
Arbeitsstelle anwesend sein muß, um im Bedarfsfall vorkommende Arbeiten zu verrichten. Diese Art der Arbeitsleistung unterscheidet sich von
den in § 14 Abs. 5 DRK-TV angeordneten Bereitschaftsdienst nach ihrem Wortlaut bereits. Sie stellt eine Spezialregelung gegenüber § 14 Abs. 5
dar; Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, die den Merkmalen des § 14 Abs. 2 c DRK-TV entspricht, kann nicht Bereitschaftsdienst im Sinne des §
14 Abs. 5 sein. § 14 Abs. 2 c DRK-TV enthält nach ihrem Wortlaut nicht nur eine stärkere Beschränkung des Aufenthaltsortes, nämlich beschränkt
auf den Aufenthalt an der Arbeitsstelle, während beim Bereitschaftsdienst nur maßgeblich ist, daß der Arbeitgeber den Aufenthaltsort bestimmen
kann, sondern sie sieht auch ein Mehr an Initiative des Arbeitnehmers beim Tätigwerden vor. Gemeinsam ist dieser Arbeitsform mit dem
Bereitschaftsdienst, daß der Arbeitnehmer nur die im Bedarfsfall vorkommende Arbeit zu leisten hat. Beim Bereitschaftsdienst muß er diese
jedoch auf Anforderung des Arbeitgebers erst aufnehmen, während er bei Arbeitszeiten nach § 14 Abs. 2 c DRK-TV von sich aus diese Arbeiten
verrichten muß. Bereits diese unterschiedliche Wortwahl innerhalb des gleichen Paragraphen eines Tarifvertrages deutet auf einen
unterschiedlichen Regelungsgehalt hin. Wesentliches Abgrenzungskriterium zwischen dem Bereitschaftsdienst und der Arbeitszeit nach § 14
Abs. 2 c DRK-TV ist, ob der Arbeitnehmer Initiative entwickeln muß oder nur auf Anweisung des Arbeitgebers die Arbeit aufzunehmen hat.
40 Die Tätigkeiten, die den Wesensgehalt des Arbeitsverhältnisses eines Rettungsassistenten ausmachen, sind das Fahren oder Begleiten eines
Rettungsfahrzeuges und das Betreuen, Versorgen, Transportieren von Kranken oder Verletzten. Eine Besonderheit ist jedoch, daß seine
vertraglich geschuldete Arbeitsleistung auch von vornherein darin besteht, während seiner dienstplanmäßigen Schicht in der Rettungswache
anwesend zu sein, sich für Einsätze bereit zu halten und nach der Alarmierung durch die Rettungsleitstelle mit dem Rettungswagen zum
Einsatzort zu fahren. Diese Art der Tätigkeit des sich Bereithaltens bildet einen erheblichen Teil der Tätigkeit eines Rettungssanitäters. Besteht
die vertragliche Hauptleistungspflicht damit auch darin, sich für nicht aufschiebbare Arbeiten bereit zu halten (Arbeitsbereitschaft), so kann
Bereitschaftsdienst außerhalb dieser dienstplanmäßig zu erbringenden Arbeitsleistung nur angeordnet werden, wenn insoweit gegenüber der
sonstigen Arbeitstätigkeit ein weniger an Leistung verlangt wird.
41 Das ist aber gerade nicht der Fall. Die Arbeitsleistung im Bereitschaftsdienst, wie auch zu sonstigen Zeiten der Tätigkeit des Klägers
unterscheiden sich lediglich dadurch, daß der Kläger während der Zeiten des Bereitschaftsdienstes schlafen darf. Gleichwohl hält er sich dafür
bereit, jederzeit zum Einsatzort ausrücken zu können. Dies ergibt sich bereits daraus, daß nach § 3 des Landesrettungsdienstgesetzes Baden-
Württemberg der Rettungsdienst so organisiert sein muß, daß innerhalb kurzer Zeit (Richtwert 10 Minuten) nach der Alarmierung ein Eintreffen
am Unfallort oder Einsatzort zu erfolgen hat. Die eigentliche Tätigkeit des Klägers während des angeordneten Bereitschaftsdienstes in der Form,
wie er von der Beklagten vorgegeben wird wie auch während seiner sonstigen Arbeitszeit ist dieselbe: Er hält sich bereit für Einsätze und nimmt
im Falle der Alarmierung sofort die Kerntätigkeit seiner Arbeitsleistung auf, nämlich das Ausrücken zum Einsatzort, um dort Hilfe zu leisten.
42 Der Bereitschaftsdienst, den der Beklagte angeordnet hat, entspricht seinem ganzen Erscheinungsbild nach der Tätigkeit des § 14 Abs. 2 c DRK-
TV. Der Kläger hält sich an der Arbeitsstelle auf, nämlich in der Rettungswache, um dort im Bedarfsfall die Arbeit zu verrichten. Dieser Bedarfsfall
wird ihm dadurch angezeigt, daß er eine Einsatzmeldung erhält. Alles andere bestimmt er selber, er wird nicht etwa, wie es Merkmal des
Bereitschaftsdienstes ist, vom Arbeitgeber zunächst nur aufgefordert, irgendwelche Arbeiten aufzunehmen.
43 Aus der Abgrenzung zwischen § 14 Abs. 2 c TV-DRK und § 14 Abs. 5 ergibt sich, daß die Leistung, die dem Kläger abverlangt wird, eine
Arbeitsleistung im Sinne des § 14 Abs. 2 c DRK-TV ist.
44 Da § 14 Abs. 2 c systematisch eine Sonderregelung in dem Spektrum der Möglichkeiten der Arbeitsleistung des Klägers im weitesten Sinne
darstellt, können solche Tätigkeiten des Klägers, die dem Merkmal des § 14 Abs. 2 c genügen, nicht gleichzeitig zum Anlaß genommen werden,
Bereitschaftsdienst anzuordnen. Sie können wohl seitens des Beklagten zum Anlaß genommen werden, die wöchentliche Arbeitszeit nach § 14
Abs. 2 gegebenenfalls weiter zu verlängern.
45 Durch diese tarifvertragliche Auslegung wird auch nicht der Bereitschaftsdienst sinnentleert. Die Möglichkeit der Anordnung des
Bereitschaftsdienstes bleibt dem Beklagten unbenommen. Der Bereitschaftsdienst muß sich nur von der Tätigkeit nach § 14 Abs. 2 c
unterscheiden, zum Beispiel dadurch, daß sich der Arbeitnehmer zwar an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten hat, dieser Ort
jedoch nicht die Arbeitsstelle, hier also die Rettungswache ist.
46 Aus den genannten Gründen war der Klage stattzugeben.
47 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Danach hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da er in vollem Umfang
unterlegen ist.
48 Die Streitwertfestsetzung erfolgt aufgrund von § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG. Es war der 36fache Wert des Differenzbetrages, den der Kläger mit der
vorliegenden Klage verlangt, festzusetzen. Die Streitwerte waren wirtschaftlich identisch zwischen den einzelnen Klaganträgen. Das Gericht hat
einen monatlichen Differenzbetrag von DM 1.200,00 in entsprechender Anwendung des § 3 ZPO zugrundegelegt.
49 Nach § 76 ArbGG hat das Arbeitsgericht die Sprungrevision zugelassen. Die Voraussetzungen hierfür lagen vor. Die Parteien haben dies
übereinstimmend im Kammertermin vom 16.03.2000 beantragt. Die Voraussetzung des § 76 Abs. 2 ArbGG liegen vor, da es sich um die
Streitigkeit über die Auslegung eines Tarifvertrages handelt, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk des Landesarbeitsgerichts hinaus
erstreckt und die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Der Beklagte hat hier vorgetragen, daß die Frage der Auslegung des Tarifvertrages
jährliche Kosten in Millionenhöhe verursachen kann.