Urteil des ArbG Freiburg vom 22.02.2001

ArbG Freiburg: unterricht, fachhochschule, zahl, analogie, vergütung, form, reduktion, anwendungsbereich, weiterbildung, gestaltungsspielraum

ArbG Freiburg Urteil vom 22.2.2001, 11 Ca 171/00
Eingruppierung eines Unterrichtspflegers
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Vergütung nach der Vergütungsgruppe KR VII des Abschnittes A der Anlage 1 b
zum BAT ab dem 03.03.1999 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten.
3. Der Streitwert beträgt DM 10.982,00.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Eingruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe KR VII des Abschnittes A der Anlage 1 b zum
Bundesangestelltentarifvertrag.
2
Der am ... geborene Kläger ist seit dem 01.02.1994 bei der Beklagten als Unterrichtspfleger beschäftigt. Er ist in die Vergütungsgruppe KR VI,
Fallgruppe 18 mit Aufstieg nach siebenjähriger Bewährung nach KR VII Fallgruppe 15 eingruppiert. In die Vergütungsgruppe KR VI Fallgruppe
18 des Abschnitts A der Anlage 1 b zum BAT sind Krankenschwestern/-pflegern eingruppiert, die als Unterrichtsschwester oder Unterrichtspfleger
tätig sind. Nach der hierzu vereinbarten Protokoll Nr. 17 muss die Unterrichtsschwester/-pfleger mindestens die Hälfte ihrer Arbeitszeit als
Lehrkraft an Krankenpflegeschulen oder Schulen für Krankenpflegehilfe eingesetzt sein. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass diese
Voraussetzungen beim Kläger erfüllt sind und aus diesem Grunde war er seit 01.02.1994 in dieser Vergütungsgruppe eingruppiert.
3
Am 03.03.1999 schloss der Kläger ein Studium der "Pflegepädagogik" an der katholischen Fachhochschule Freiburg erfolgreich mit einem
Diplomzeugnis ab.
4
Er beantragte deshalb mit Schreiben vom 07.04.1999 die sofortige Höhergruppierung nach Vergütungsgruppe KR VII, Fallgruppe 12.
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Diese Vergütungsgruppe lautet:
6
Krankenschwestern mit mindestens einjähriger erfolgreicher abgeschlossener Fachausbildung an Schulen für Unterrichtsschwestern, die als
Unterrichtsschwestern an Krankenpflegeschulen oder Schulen für Krankenpflegehilfe tätig sind (hierzu Protokollerklärung Nr. 17 und 22).
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Protokollerklärung Nr. 17 lautet:
8
Unterrichtsschwestern sind Krankenschwestern, die mindestens zur Hälfte ihrer Arbeitszeit als Lehrkräfte an Krankenpflegeschulen oder
Schulen für Krankenpflegehilfe eingesetzt sind.
9
Protokollerklärung Nr. 22 lautet:
10
Die Fachausbildung setzt voraus, dass mindestens 900 Stunden zu mindestens je 45 Unterrichtsminuten theoretischer Unterricht in
spätesten 18 Monaten vermittelt werden.
11 Den Studiengang Pflegepädagogik hat der Kläger berufsbegleitend durchgeführt. Während des Studiums hatte er bei der Beklagten eine
Halbtagsstelle. Dies ist Voraussetzung für die Durchführung dieses Studiums, das berufsintegriert konzipiert ist.
12 Nach den von der Zeugin Prof. Geißner mitgeteilten Informationen umfasst das Studium 648 Unterrichtsstunden im ersten und zweiten Semester
und in den übrigen Semestern insgesamt 1.316 Stunden. Zusammen ergibt dies 1.964 Stunden theoretischer Unterricht, bezogen auf eine
Studiendauer von 8 Semestern.
13 Wegen des genauen Inhaltes des Studiums wird auf AS 42 und 43 Bezug genommen.
14 Mit seiner am 30.03.2000 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn nach der
Vergütungsgruppe KR VII des Abschnittes A der Anlage 1 b zum BAT ab dem 03.03.1999 zu vergüten.
15 Zur Begründung trägt der Kläger vor, ... er erfülle die tarifvertraglichen Merkmale der Vergütungsgruppe KR VII. Zwar treffe auf ihn die
Protokollnotiz Nr. 22 nicht zu. Er verfüge jedoch über eine mindestens gleichwertige Ausbildung durch die erfolgreiche Absolvierung des
Studiengangs Pflegepädagogik an der Katholischen Fachhochschule. An der Katholischen Fachhochschule sei dem Kläger mit dem Studium
Pflegepädagogik alle Inhalte vermittelt worden, die ihm auch an einer herkömmlichen Fortbildungseinrichtung wie der des Caritasverbandes
vermittelt worden wäre.
16 Sowohl der bisherige Ausbildungsweg an einem herkömmlichen Weiterbildungsinstitut als auch der des Studiums der Pflegepädagogik dienten
dazu, Unterrichtsschwestern oder Unterrichtspflegern das notwendige Wissen zu vermitteln, um ihrerseits an Krankenpflegeschulen
Auszubildende, Krankenschwestern und ähnliche nach dem Krankenpflegegesetz zu unterrichten. Weder die Dauer noch der Ausbildungsinhalt
an den herkömmlichen Weiterbildungsinstituten sei dort einheitlich geregelt. Aus dem bisherigen Lehrgängen sei dann der Studiengang
Pflegepädagogik entwickelt worden. Der Studiengang Pflegepädagogik diene dazu, die bisherigen Weiterbildungsmaßnahmen abzulösen. So
sei 1993 an der Caritasakademie die bisherige Weiterbildungsmaßnahme eingestellt worden zugunsten des Studiums der Pflegepädagogik an
den Fachhochschulen. Der bisherige Inhalt der Weiterbildungsmaßnahmen werde durch den Studiengang Pflegepädagogik in vollem Umfang
übernommen.
17 (Wegen der Einzelheiten des Inhaltes des Studiums der Pflegepädagogik und der Weiterbildung an der Caritasakademie im Sinne der
Protokollnotiz Nr. 22 wird auf AS 35 und 36 Bezug genommen). Das Studium der Pflegepädagogik vermittelte darüber hinaus auch ein
theoretisch-wissenschaftliches Fundament für Pflegetätigkeit. Dem liege die Überlegung zugrunde, dass die Pflege an sich einer neuen
Konzeption bedürfe und nicht nur in der konkreten pflegerischen Anwendung, sondern auch in konzeptionellen Denken bestünde. Der konkrete
Pflegebereich sei in dem Fachhochschulstudiengang in gleichem Umfang repräsentiert wie bei der bisherigen Weiterbildung durch
Weiterbildungsinstitute. Aus diesem Grunde sei er der Absolvierung einer 18monatige Weiterbildungsmaßnahme im Sinne der Protokollnotiz Nr.
22 gleich zu stellen.
18 Der Kläger beantragt daher:
19
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger Vergütung nach der Vergütungsgruppe KR VII des Abschnittes A der
Anlage 1 b zum BAT ab dem 03.03.1999 zu zahlen.
20 Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
22 Sie trägt zur Begründung vor, die Voraussetzungen der Eingruppierung in die Vergütungsgruppe KR VII lägen nicht vor, da der Kläger nicht die
Merkmale der Protokollnotiz Nr. 22 erfülle. Eine Gleichstellung sei nicht möglich. Die jeweiligen Fortbildungen (einerseits herkömmliche
Fortbildung an einem Weiterbildungsinstitut, andererseits Studium der Pflegepädagogik) hätten unterschiedliche Ausrichtungen. Auf das
theoretisch wissenschaftliche Fundament werde bei einer Ausbildung im Sinne der Nr. 22 der Protokollnotiz weniger Bezug genommen. Es gehe
vor allem darum, praktische Pflege zu erlernen und dies innerhalb einer wirtschaftlich vertretbaren Zeit, was sich in der Protokollnotiz Nr. 22
widerspiegle. Theoretisch wissenschaftliche Reflektion der Pflege an sich und konzeptionelles Denken seien dem gegenüber für eine Tätigkeit
im Rahmen der Vergütungsgruppe KR VII von untergeordnetem Interesse. Im übrigen käme die praktische Pflege im Studium zu kurz.
23 Das Fach Pflege 1 im Grundstudium umfasse jeweils vier Semesterwochenstunden im ersten und zweiten Semester, das Fach Pflege 2 im
Hauptstudium zwei Semesterwochenstunden im dritten Semester und das Fach Pflege 3 jeweils zwei Semesterwochenstunden im vierten,
sechsten und siebten Semester, also insgesamt sechzehn Semesterwochenstunden. Das eigentlich Fach, das den Schülern in den
Krankenpflegeschulen vermittelt werden soll, nämlich die Pflege sei damit mit nur 16 von insgesamt 140 Semesterwochenstunden
unterrepräsentiert.
24 Die Tarifvertragsparteien hätten im übrigen eine eindeutige Regelung getroffen, die gerade nicht auf die vom Kläger absolvierte akademische
Fachhochschulbildung zugeschnitten sei, so dass hier eine Tariflücke vorliege. Dies auszufüllen sei nicht Sache der Arbeitsgerichtsbarkeit,
sondern ausschließlich Sache der Tarifvertragsparteien selbst, denen das bisher jedoch nicht gelungen sei.
25 Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Verhandlungsprotokolle Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
26 Die zulässige Klage ist begründet.
I.
27 Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Das notwendige Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO ist gegeben, da es sich
vorliegend um die Feststellung der richtigen Eingruppierung des Klägers handelt. Durch ständige Rechtsprechung ist anerkannt, dass insoweit
auch nur ein bestimmtes Element eines Rechtsverhältnisses Gegenstand einer Feststellung sein kann.
II.
28 Die Klage ist auch begründet.
29 Der Kläger hat einen Rechtsanspruch auf Eingruppierung in die Vergütungsgruppe KR VII des Abschnittes A der Anlage 1 b zum BAT ab dem
03.03.1999.
30 Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesangestelltentarifvertrag durch arbeitsvertragliche Vereinbarung und durch beiderseitige Tarifbindung
Anwendung. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung ergibt sich aus § 2 des Arbeitsvertrages vom 12.11.1993.
31 1. Die vom Kläger nach erfolgreichem Abschluss des Studiengangs Pflegepädagogik an der Katholischen Fachhochschule Freiburg seit dem
03.03.1999 erfüllt die Merkmale der Vergütungsgruppe KR VII Fallgruppe 12 des Abschnitts A der Anlage 1 b zum BAT. Danach sind in die
Vergütungsgruppe KR VII eingruppiert Krankenschwestern mit mindestens einjähriger erfolgreich abgeschlossener Fachausbildung an Schulen
für Unterrichtsschwestern, die als Unterrichtsschwestern an Krankenpflegeschulen oder Schulen für Krankenpflegehilfe tätig sind.
32
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die in der Fallgruppe 12 unmittelbar genannten Merkmale für den Kläger zutreffen. Insbesondere
hat der Kläger eine mindestens einjährige erfolgreich abgeschlossene Fachausbildung absolviert, nämlich das Diplom im Studiengang
Pflegepädagogik erzielt.
33
Die Katholische Fachhochschule Freiburg ist auch in diesem Sinne ein Schule für Unterrichtsschwestern, denn hier bekommen spätere
Lehrkräfte, die an Krankenpflegeschulen oder Schulen für Krankenpflegehilfe tätig sind, das notwendige Wissen vermittelt. Aus dem
Stundenplan, den der Kläger vorgelegt hat (AS 42 -- 45) ergibt sich, dass die ihm Studiengang Pflegepädagogik unterrichteten Fächer auf
die Tätigkeit als Unterrichtsschwester an einer Krankenpflegeschule oder ähnliche Einrichtung zugeschnitten sind. Zum einen wird die
unmittelbare Pflegewissenschaft und verwandte Felder gelehrt zum anderen liegt der Schwerpunkt des Studiums auf pädagogischen
Themenbereichen, so dass der Studiengang Pflegepädagogik insoweit auch eine Fachausbildung an Schulen für Unterrichtsschwestern ist.
Die Beklagte hat dies auch nicht näher bestritten.
34 2. Problematisch und Schwerpunkt des Rechtsstreits ist hingegen, inwieweit der Kläger die Voraussetzungen der Protokollnotiz Nr. 22 erfüllt,
wonach die Fachausbildung voraussetzt, dass mindestens 900 Stunden zu mindestens je 45 Unterrichtsminuten theoretischer Unterricht in
spätestens 18 Monate vermittelt werden.
35
a) Bei wortgetreuer Anwendung dieser Protokollnotiz, der nach ständiger Rechtsprechung der Charakter einer Tarifnorm zukommt, sei es
als zwingende Auslegungsrichtlinie, sei es als Normierung weiterer Tatbestandsmerkmale, erfüllt der Kläger diese Voraussetzungen nicht.
Wie im Kammertermin mit den Parteien und mit Hilfe von informatorischen Auskünften der geladenen Zeugin Frau Prof. Dr. Geißner der
Katholischen Fachhochschule Freiburg ermittelt worden ist, liegen diese Voraussetzungen weder für die ersten 18 Monate des Studiums vor
noch dann, wenn man die Gesamtstunden des Studiums anteilig auf die ersten 18 Monate des Studiums umrechnet. Die Zahl der
Unterrichtsstunden ist in jedem Fall weniger als 900 in den ersten 18 Monaten gewesen. Das erste und zweite Semester haben zusammen
648 Wochenstunden, die übrigen Semester 1.316 Wochenstunden. Daraus ergibt sich eine Gesamtzahl von 1.964 Wochenstunden verteilt
auf acht Semester, wobei das fünfte Semester überwiegend ein praktisches Semester ist und hier nur sechs Stunden theoretischer Unterricht
enthalten sind.
36
Verteilt man die Gesamtstundenzahl auf acht Semester, so ergibt sich für einen Zeitraum von 18 Monaten eine Stundenzahl von 36
Stunden, verteilt man die Stundenzahl auf sieben Semester, weil das praktische Semester außer acht zu bleiben hätte, so ergibt sich
auch nur ein Wert von 841 Stunden an durchschnittlicher theoretischer Stundenzahl für die Dauer der von 18 Monaten des Studiums.
37
Bei wortgetreuer Anwendung der Protokollnotiz Nr. 22 hätte der Kläger also keinen Anspruch auf Eingruppierung in die
Vergütungsgruppe KR VII Fallgruppe 12.
38
b) Die Tätigkeit des Klägers ist gleichwohl in die Vergütungsgruppe KR VII Fallgruppe 12 einzugruppieren. Die Protokollnotiz Nr. 22 ist
dahingehend auszulegen, dass sie auch Ausbildungen erfasst, wie der vom Kläger abgeschlossene Studiengang Pflegepädagogik.
39
Der BAT ist an dieser Stelle insoweit lückenhaft, als der Studiengang Pflegepädagogik ein neuer Studiengang ist und erst im Jahre 1993
begonnen wurde. Die Protokollnotiz Nr. 22 wurde in den BAT hingegen schon am 01.08.1989 in den BAT eingeführt (Böhm/Spirz, BAT,
Anlage 1 b, Kommentierung zur Protokollnotiz Nr. 22).
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Den Tarifvertragsparteien war also die zukünftige Entwicklung, nämlich die Ablösung der bisherigen klassischen Ausbildung in Form
von Vollzeitseminaren an verschiedenen Berufsbildungseinrichtungen, wie auch der des Deutschen Caritasverbandes durch den
Studiengang Pflegepädagogik nicht bekannt. Die Eingruppierung von Arbeitnehmern, die den Studiengang Pflegepädagogik absolviert
haben, konnte also von der Protokollnotiz Nr. 22 gar nicht erfasst werden.
41
Eine lückenausfüllende Analogie, da es sich um eine unbewusste Tariflücke handelt, ist aber einerseits nicht möglich, andererseits aber
auch nicht erforderlich. Sie ist zum einen nicht möglich, weil dies zunächst voraussetzen würde, dass die
Eingruppierungsbestimmungen des BAT zwar auch die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit erfassen sollen, eine Eingruppierung in eine
der in der Anlage zum BAT aufgeführten Vergütungsgruppen aber nicht möglich ist (BAG Urteil vom 21.10.1992, AP Nr. 165 zu §§ 22, 23
BAT 1975 unter III 2.a der Gründe). Es fehlt insoweit für eine im Wege der Analogie ausfüllungsfähige Tariflücke, denn der Kläger wird
durch die Fallgruppe VI der Anlage 1 b genannten Vergütungsgruppe erfasst.
42
Einer Lückenfüllung durch Analogie ist jedoch im vorliegenden Fall auch nicht erforderlich, weil eine am Zweck der Protokollnotiz Nr. 22
orientierte Auslegung ergibt, dass der Kläger gleichwohl in die Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 12 der Anlage 1 b einzugruppieren ist.
43
Da Tarifverträge Normcharakter haben, gelten für sie die auch für Gesetze geltenden Auslegungsgrundsätze. Danach hat sich die
Auslegung zunächst am Wortlaut zu orientieren. Hinsichtlich der Protokollnotiz Nr. 22 ist diese eindeutig; der Kläger hat nicht innerhalb
von 18 Monaten 900 Stunden theoretischen Unterricht erhalten.
44
Weitere Auslegungskriterien sind jedoch zulässig, wie zum Beispiel auch die am Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung, solange
diese nur in der Wortlaut oder in der tarifvertraglichen Systematik einen entsprechenden Anhaltspunkt findet. Das ist der Fall.
45
Hintergrund der Einführung der Protokollnotiz Nr. 22 sind wirtschaftliche Überlegungen. Der Gruppenausschuss der VKA für Kranken-
und Pflegeanstalten hat in seiner Besprechung am 21.10.1991 darauf hingewiesen, dass die Begrenzung der Fachausbildung auf
höchstens 18 Monate vereinbart worden sei, um diese in wirtschaftlich vertretbarer angemessener Zeit durchzuführen.
46
Hintergrund dessen ist, dass der Freistellungsanspruch und Fortzahlung der Vergütung und die Kostenübernahme nach Nr. 7 Abs. 1
SR2y a BAT nur für die Fachausbildungen gelten, die den Voraussetzungen der Protokollerklärung Nr. 22 zu Abschnitt A der Anlage 1 b
zum BAT Rechnung tragen.
47
Die Forderung, dass innerhalb von 18 Monaten 900 Stunden theoretischer Unterricht erteilt werden, ist also nur auf dem Hintergrund
verständlich, dass die Ausbildung, für die der entsprechende Arbeitnehmer regelmäßig unter Vergütungsfortzahlung nach der SR 2a Nr.
7 freigestellt ist, in konzentrierter Form durchgeführt wird, um die wirtschaftlichen Belastungen des Arbeitgebers durch die
Freistellungskosten zu vermeiden.
48
Eine am Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung ergibt, dass jedenfalls für gleichwertige Ausbildungsformen, bei denen der
Arbeitgeber keiner wirtschaftlichen Belastung ausgesetzt ist, es auf die zeitliche Begrenzung von 18 Monaten für die Erteilung des
theoretischen Unterrichtes nicht ankommen kann. Insoweit ist die Protokollnotiz Nr. 22 im Wege der Auslegungsmethode der
teleologischen Reduktion in ihrem Anwendungsbereich einzuschränken.
49
Die teleologische Reduktion ist grundsätzlich ein für die Auslegung von Tarifverträgen zulässiges Mittel (Wiedemann-Wank,
Tarifvertragsgesetz, 6. Aufl. § 1 Rdnr. 817).
50
Unter Anlegung dieses Maßstabes erfüllt der Kläger auch die Voraussetzungen der Protokollnotiz Nr. 22. Es handelt sich um eine
Fachausbildung, die dem Kläger über weit mehr als 900 Stunden theoretischen Unterricht vermittelt hat, wenn auch nicht in einem
Zeitraum von 18 Monaten.
51
Darüber hinaus handelte es sich um eine Ausbildung, bei der für den Arbeitgeber keine weiteren Ausbildungskosten entstanden sind.
Der Studiengang Pflegepädagogik ist ausdrücklich als berufsbegleitender Studiengang konzipiert worden, bei dem Voraussetzung ist,
dass der Arbeitnehmer zu 50 % in Teilzeit fachspezifisch tätig ist. Das war beim Kläger unstreitig der Fall.
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Hinzu kommt, dass die Ausbildung in inhaltlicher Hinsicht einer Ausbildung in der der Kläger 900 Stunden theoretischen Unterricht in
spätestens 18 Monaten vermittelt erhält, gleichwertig ist.
53
Dies ergibt sich aus der vom Kläger vorgelegten Aufstellung, bei der die Ausbildungsinhalte einerseits im Studiengang Pflegepädagogik
mit den Ausbildungsinhalten des im Sinne der Protokollnotiz Nr. 22 anerkannten Vollzeitseminars der Tätigkeit und Leitung an Schulen
für Pflegeberufe des Caritasverbandes vergleicht. Insoweit wird auf die AS 41 -- 45 Bezug genommen. Beide Ausbildungsgänge haben
einen berufswissenschaftlichen Fachbereich, einen erziehungswissenschaftlichen Fachbereich und einen sozialwissenschaftlichen
Fachbereich. Im übrigen verlangt die Protokollnotiz nicht im einzelnen, wie weit die einzelnen Fachbereiche im Rahmen der Ausbildung
gewichtet sein müssen. Es ist jedoch festzustellen, dass eine ungefähre gleiche Gewichtung vorliegt, wenn auch während des Studiums
der Pflegepädagogik der berufswissenschaftliche Fachbereich geringfügig weniger präsentiert ist.
54
c) Eine solche Auslegung ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG sind auch
die Tarifvertragsparteien an den Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG gebunden (BAG 23.05.1989 AP Nr. 27 zu § 1 Betriebliche
Altersversorgung Zusatzversorgungskassen; BAG Urteil vom 21.10.1992 AP Nr. 165 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Nach den vom
Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung zum allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG entwickelten Grundsätzen
erfordert die Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes den Vergleich von Lebenssachverhalten, der nicht in allen, sondern stets nur in
einzelnen Elemente möglich sein kann. Es ist daher grundsätzlich Sache des Normsetzers, hier der Tarifvertragsparteien zu entscheiden,
welche von diesen Elementen er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht. Daher ist bei der Überprüfung einer
Norm nicht zu untersuchen, ob der Normsetzer die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die
verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat. Daher haben die Tarifvertragsparteien grundsätzlichen einen
weiteren Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum.
55
Auch unter Anlegung dieses großzügigen Maßstabes würde eine andere Auslegung jedoch zu einer verfassungsrechtlich nicht
hinnehmbaren Ungleichbehandlung des Klägers führen. Es ist zwar grundsätzlich zulässig, dass die Tarifvertragsparteien auch
wirtschaftliche Erwägungen bei der Frage, welche Ausbildung zu einer Höhergruppierung führen soll, berücksichtigen. Es steht in ihrem
Ermessen, hier zeitlich enge Grenzen zu ziehen, um zu gewährleisten, dass eine Ausbildung, die zu einer höheren Eingruppierung
führt, in einem zeitlich begrenzten Rahmen durchzuführen ist.
56
Erwirkt ein Arbeitnehmer jedoch eine inhaltlich mindestens gleichwertige, wirtschaftlich den Arbeitgeber jedoch überhaupt nicht
belastende Zusatzausbildung, die ihn für die Tätigkeit als Unterrichtspfleger qualifiziert, so läge ein Verstoß gegen den
Gleichheitsgrundsatz vor, wenn der Kläger hier nicht entsprechend den Arbeitnehmern von der vergütungsrechtlichen Seite her
gleichgestellt würde, die zwar in kürzerer Zeit eine entsprechende Ausbildung genossen haben, die aber bei weitem nicht so
umfangreich und ausgeprägt ist, wie die, die dem Kläger zuteil geworden ist.
57
Insbesondere unter dem Aspekt, dass die Ausbildung des Klägers den Arbeitgeber nicht finanziell belastet hat, weil das Studium
berufsbegleitend durchgeführt worden ist, während andere Ausbildungen oftmals nach Nr. 7 der SR 2a zum BAT vom Arbeitgeber zu
finanzieren sind, würde hier der verfassungsrechtliche Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien überschritten, wenn sie einem
Arbeitnehmer mit der Ausbildung des Klägers die Höhergruppierung vorenthalten würden.
58
Die durch die Protokollnotiz als maßgeblich festgelegten Elemente einerseits der Zahl der theoretischen Unterrichtsstunden und
andererseits die Zeit der Dauer der Ausbildung ist hinsichtlich des Merkmals Zahl der Unterrichtsstunden verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden. Durch die Zahl der erhaltenen Unterrichtsstunden in ein inhaltlicher Mindeststandard der Ausbildung gewährleistet.
59 Soweit durch die Festlegung, dass diese Zahl der Unterrichtsstunden innerhalb eines bestimmten Zeitraumes erteilt worden sein müssen aber
gleichwertige, so gar fast identische Ausbildungsgänge ausgeschlossen werden, obwohl auch hier gewährleistet ist, dass die Ausbildung
planvoll, gestrafft und in einem organisierten Rahmen abläuft, ist dieses Kriterium nicht zulässig um auf diese Art und Weise Ausbildungsgänge
wie den Studiengang Pflegepädagogik aus dem Anwendungsbereich der Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 12 in Verbindung mit der
Protokollnotiz Nr. 22 auszunehmen. Außer den bereits erwähnten wirtschaftlichen Gründen, die für den Studiengang Pflegepädagogik keine
Rolle mehr spielen, gibt es keinen sachlichen nachvollziehbaren Grund, diese Ausbildungsgänge nicht auch als einer mindestens einjährige
abgeschlossene Fachausbildung im Sinne der Vergütungsgruppe KR VII Fallgruppe 12 der Anlage 1 b zum BAT anzusehen.
60
Würden die Tarifvertragsparteien also eine Regelung des Inhaltes treffen, dass diese Studiengänge nicht zu einer Höhergruppierung
führen, so würden sie hiermit den verfassungsrechtlich gegebenen Spielraum verlassen. Aus diesem Grunde ist die Protokollnotiz Nr. 22
in der Hinsicht restriktiv wie oben vorgenommen auch aus verfassungsrechtlichen Gründen auszulegen.
61
Nach dem Gesagten hat der Kläger also Anspruch auf die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe KR VII, Fallgruppe Nr. 12 der
Anlage 1 b zum BAT. Diesen Anspruch hat er seit dem 03.03.1999, weil er zu diesem Zeitpunkt die Ausbildung abgeschlossen hat und
diesen Anspruch auch rechtzeitig geltend gemacht hat.
62 Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Danach hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da sie unterlegen ist.
63 Der Streitwert war nach § 12 Abs. 7 S. 2 ArbGG festzusetzen. Er beträgt das 36fache der monatlichen Differenz der Vergütungsgruppe VI und VII.