Urteil des ArbG Freiburg vom 10.01.2002

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ArbG Freiburg Urteil vom 10.1.2002, 10 Ca 232/01
Kein Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld während des Erziehungsurlaubs - Urlaubsabkommen Groß- und Außenhandel NRW
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert beträgt 8.027,28 EUR.
Tatbestand
1
Mit vorliegender Klage begehrt die Klägerin Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 1996 bis 2000 sowie Zahlung einer
Jubiläumszuwendung 1998.
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Die Klägerin ist seit 1992 bei der Beklagten als Service-Außendienstmitarbeiterin beschäftigt.
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Seit 1996 befindet sich die Klägerin nach der Geburt zweier Kinder durchgehend im Erziehungsurlaub.
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Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für den Groß- und Außenhandel Nordrhein-
Westfalen Anwendung.
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Unstreitig wurden der Klägerin ab dem Jahr 1996, dem Beginn des Erziehungsurlaubes der Klägerin, weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld
ausgezahlt. Ebenfalls unstreitig zwischen den Parteien ist, daß der Klägerin eine von der Beklagten im Jahr 1998 gezahlte Jubiläumszuwendung
nicht zur Auszahlung gelangte.
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§ 6 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages enthält über freiwillige Zuwendungen des Arbeitgebers folgende Regelung:
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"Freiwillige Zuwendungen (Weihnachts- und andere Gratifikationen sowie eine übertarifliche Sonderzahlung u.ä.) sind Leistungen, auf die
ein Rechtsanspruch weder dem Grunde noch der Höhe nach besteht. Die Firma behält sich ausdrücklich vor, diese Leistungen nach
eigenem Ermessen festzulegen. Bei Eintritt während des Jahres werden sie nur anteilig gewährt. Von derartigen freiwilligen Zuwendungen
ist der Arbeitnehmer u.a. ausgeschlossen:
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a) Wenn er durch sein Verhalten zu ernstlichen Beanstandungen im Verlaufe des Jahres Anlaß gegeben hat,
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b) wenn er sich im gekündigten Arbeitsverhältnis befindet oder
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c) wenn ein Probe-Arbeitsverhältnis besteht.
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Die freiwilligen Zuwendungen sind nicht nur eine Belohnung für treue Dienste in der Vergangenheit, sondern auch Ansporn für zukünftig zu
leistende Dienste.
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Scheidet der Arbeitnehmer nach Gewährung einer Weihnachtsgratifikation aus, so ist die Gratifikation in voller Höhe zurückzuzahlen. Die
Rückzahlungspflicht entfällt jedoch
a) ...
b) ...
c) ...
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§ 12 des Arbeitsvertrages enthält zur Anwendung tarifvertraglicher und gesetzlicher Bestimmungen nachfolgende Regelung:
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"Neben den vorstehenden Vertragsvereinbarungen gelten insbesondere hinsichtlich des Urlaubs, des Urlaubsgeldes, der
vermögenswirksamen Leistungen, der Sonderzahlung, der Leistung von Überstunden, der Fälligkeit und des Erlöschens von
Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des jeweils gültigen Manteltarifvertrages, ... im Groß- und Außenhandel NRW
(Blatt 44 der Akten)."
15 Nach § 2 des Urlaubsabkommens vom 02.05.1995 steht ab dem Jahr 1997 ein tarifliches zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von DM 1.200,00 zu.
Nach § 2 Abs. 2 Urlaubsabkommen erhalten die im Laufe des Kalenderjahres eintretenden oder ausscheidenden Arbeitnehmer je vollen
Kalendermonat 1/12 des Urlaubsgeldes. Das Urlaubsgeld ist nach § 2 Ziffer 4 vor Urlaubsantritt zu zahlen. Nach § 2 Ziffer 5 Urlaubsabkommen
hat ein vor Beendigung des Urlaubsjahres ausscheidender Mitarbeiter zuviel erhaltenes Urlaubsgeld zurückzuzahlen.
16 Nach dem Tarifvertrag über Sonderzahlung vom 02.05.1995 beträgt die zum 01.12. eines Jahres fällige tarifliche Sonderzahlung ab dem Jahr
1998 DM 790,00.
17 § 15 Abs. 2 des Manteltarifvertrages Groß- und Außenhandel Nordrhein-Westfalen vom 01.01.1997 enthält folgende Regelung:
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"Der Anspruch auf vorgenannte Vergütungen sowie alle sonstigen gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind binnen drei
Monaten nach Fälligkeit dem anderen Vertragspartner gegenüber schriftlich geltend zu machen.
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Spätestens innerhalb weiterer drei Monate nach Ablauf dieser Frist ist Klage zu erheben."
20 Mit Schreiben vom 13.10.2000 beantragte die Klägerin Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie der Jubiläumszuwendung. Mit
Schreiben vom 09.11.2000 lehnte die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche ab. Nach zwischenzeitlichem Schriftverkehr beantragte die
Klägerin erneut mit Schreiben vom 02.03.2000 Zahlung der Sonderzahlungen.
21 Im Jahr 2000 zahlte die Beklagte ihren Arbeitnehmern eine Weihnachtszuwendung in Höhe von DM 2.250,00. Das Schreiben, mit welchem diese
Zahlung angekündigt worden ist, enthält im zweitletzten Absatz folgende Regelung:
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"Die Höhe der Zuwendung ermäßigt sich für jeden Kalendermonat, in dem weniger als zwei Wochen Arbeitsentgelt oder Zuschüsse zum
Mutterschaftsgeld gemäß § 14 MuSchG zustehen um 1/12."
23 Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stünden die geltend gemachten Leistungen auch während des Erziehungsurlaubes zu.
24 Die Klägerin beantragt deshalb:
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 15.700,00 brutto nebst 5% Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz der EZB seit
Rechtshängigkeit zu bezahlen.
26 Die Beklagte beantragt
27
die Klage abzuweisen.
28 Die Beklagte ist der Ansicht, der Klägerin stehen nach den zugrunde liegenden tariflichen Regelungen weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld
während des Erziehungsurlaubes zu. Die Höhe der geltend gemachten Ansprüche sei falsch berechnet, im übrigen beruft sich die Beklagte auf
die tariflichen Ausschlußfristen. Sie erhebt die Einrede der Verjährung.
29 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
30 Die zulässige Klage war nicht begründet.
31 1. Soweit die Klägerin Ansprüche auf Zuwendungen für die Jahre 1996 bis 1998 geltend macht, sind eventuelle Ansprüche verjährt.
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Nach § 196 Ziffer 8 BGB a.F. verjähren Ansprüche der Arbeitnehmer in zwei Jahren. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche
sind deshalb spätestens am 31.12.2000 verjährt. Die Verjährungseinrede ist von der Beklagten erhoben, Unterbrechungs- oder
Hemmungstatbestände für die Verjährung sind nicht erkennbar.
33 2. Dem für das Jahr 1999 geltend gemachten Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld stehen die tariflichen Ausschlußfristen entgegen.
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a) Nach § 12 des Arbeitsvertrages der Parteien gelten die tariflichen Bestimmungen der Tarifverträge Groß- und Außenhandel Nordrhein-
Westfalen. Aus ausdrücklicher Regelung des Arbeitsvertrages sind diese tariflichen Bestimmungen insbesondere auch bezüglich der
tariflichen Ausschlußfristen als anwendbar vereinbart.
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Damit gilt gemäß § 15 Ziffer 2 des Manteltarifvertrages eine Ausschlußfrist von drei Monaten nach Fälligkeit des Anspruches zur
schriftlichen Geltendmachung des Anspruches, sodann eine weitere Ausschlußfrist von drei Monaten zur gerichtlichen
Geltendmachung.
36
Die Klägerin hat die von ihr gemachten Ansprüche nicht fristgerecht geltend gemacht. Unstreitig hat die Klägerin erstmals mit Schreiben
vom 13.10.2000 Zahlung der streitgegenständlichen Ansprüche verlangt.
37
Damit aber sind die für das Jahr 1999 geltend gemachten Ansprüche nach der tariflichen Ausschlußfrist verfallen.
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b) Nichts anderes ergibt sich daraus, daß die Klägerin in dieser Zeit sich im Erziehungsurlaub befand. Wenn die Klägerin meint, ihr stünden
im Erziehungsurlaub Zahlungsansprüche gegen den Arbeitgeber zu, so sind auch im Erziehungsurlaub diese Ansprüche rechtzeitig geltend
zu machen.
39 3. Bezüglich der für das Jahr 2000 geltend gemachten Ansprüche auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld kann ein Verfall der Ansprüche nicht
angenommen werden.
40
Nach § 2 Ziffer 4 des Urlaubsabkommens ist das zusätzliche Urlaubsgeld fällig, wenn mindestens die Hälfte des dem Arbeitnehmer tariflich
zustehenden Urlaubs gewährt und genommen wird.
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Nachdem der Klägerin während des Erziehungsurlaubes Erholungsurlaub nicht zustand, ist nach dieser Fälligkeitsregel im Laufe des Jahres
2000 Fälligkeit nicht eingetreten. Damit aber ist der Anspruch fällig geworden mit Ende des Urlaubsjahres. Zu diesem Zeitpunkt war aber
bereits Geltendmachung mit Schreiben vom 13.10.2000 erfolgt und mit Schreiben vom 02.03.2001 wiederholt. Dennoch stehen der Klägerin
die insoweit geltend gemachten Ansprüche aus materiellem Recht nicht zu.
42
a) Ansprüche auf Sonderzuwendung können auch während des Erziehungsurlaubes zustehen. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichtes (vgl. BAG vom 10.02.1993, AP Nr. 149 zu § 611 BGB Gratifikation) entscheidet der Leistungszweck der
Sonderzuwendung über die Frage, ob auch Arbeitnehmer im Erziehungsurlaub Rechtsanspruch erheben können. Ist
Anspruchsvoraussetzung lediglich der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses, so kommt diese Leistung auch während des
Erziehungsurlaubes zur Auszahlung, da auch in dieser Zeit das Arbeitsverhältnis rechtlich besteht. Erfordert die Sonderzuwendung jedoch
nach den Anspruchsvoraussetzungen eine im Bezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistung, so können die während des ganzen Jahres im
Erziehungsurlaub weilenden Arbeitnehmer/innen den Anspruch nicht erheben.
43
Insbesondere im Fall von Urlaubsgeld ist entscheidend, ob nach den vertraglichen oder tariflichen Anspruchsvoraussetzungen das
zusätzliche Urlaubsgeld an das tatsächliche Bestehen eines Urlaubsanspruches geknüpft wird. Dies ist durch Auslegung der
Rechtsquelle zu ermitteln (BAG vom 19.01.1999 AP Nr. 68 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel).
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b) Eine Anwendung dieser Grundsätze auf das von der Klägerin geltend gemachte Urlaubsgeld ergibt, daß der tarifliche
Urlaubsgeldanspruch untrennbar mit dem Urlaubsanspruch verknüpft ist.
45
Nach § 2 Ziffer 2 des Urlaubsabkommens erhalten im Laufe des Kalenderjahres ein- oder austretende Arbeitnehmer 1/12 des
Urlaubsgeldes je vollen Kalendermonat. Nach § 2 Abs. 4 ist das Urlaubsgeld vor Urlaubsantritt zu zahlen, es wird fällig, wenn
mindestens die Hälfte des dem Arbeitnehmer tariflich zustehenden Urlaubs gewährt und genommen wird. Für den Fall, daß im
Urlaubsjahr Urlaub tatsächlich nicht genommen wird, ist ein Ersatzfälligkeitstermin nicht vorgesehen. Aus dieser tariflichen Regelung
ergibt sich unzweideutig, daß das Urlaubsgeld an einen bestehenden Urlaubsanspruch anknüpft, ohne Urlaubsanspruch auch
Urlaubsgeldanspruch nicht entstehen kann.
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Nachdem während des Erziehungsurlaubes im Jahr 2000 Urlaubsanspruch nicht entstanden ist, ist demzufolge nach dem
Urlaubsabkommen auch kein Urlaubsgeldanspruch entstanden.
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c) Hinsichtlich des Weihnachtsgeldes ist eine differenzierte Betrachtung anzustellen und zwar einerseits bezüglich des tariflichen Teiles des
Weihnachtsgeldes in Höhe von DM 790,00 sowie des übertariflich von der Beklagten gezahlten zusätzlichen Weihnachtsgeldes.
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Bezüglich des tariflichen Weihnachtsgeldes regelt § 2 Ziffer 5 des Tarifvertrages über Sonderzahlung, daß sich die Höhe der
Sonderzahlung für jeden Kalendermonat, in dem dem Anspruchsberechtigten weniger als drei Wochen Arbeitsentgelt oder Zuschuß
zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 MuSchG zustehen, um 1/12 reduziert.
49
Daraus ergibt sich zwangsläufig, daß, nachdem die Klägerin im Laufe des Jahres 2000 keinerlei Vergütungsansprüche erworben hat,
sich ihr Weihnachtsgeldanspruch nach tariflicher Regelung auf Null reduziert.
50
Auch der übertarifliche Teil des im Betrieb der Beklagten gezahlten Weihnachtsgeldes 2000 steht unter einem mit § 2 Ziffer 5 des
Tarifvertrages über Sonderzuwendungen im Wortlaut identischen Vorbehalt (Blatt 96 der Akten).
51
Damit aber ist auch der den tariflichen Betrag überschießende Betrag des Weihnachtsgeldes an die Klägerin nicht auszuzahlen, da ihr
keine Vergütungsansprüche im Jahr 2000 zustanden.
52
Insgesamt war die Klage deshalb unbegründet.
53
Die Kostenentscheidung beruhte auf § 91 ZPO.
54
Der Streitwert wurde festgesetzt in der Höhe der geltend gemachten Forderung.