Urteil des ArbG Freiburg vom 28.05.2002

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ArbG Freiburg Urteil vom 28.5.2002, 13 Ca 82/02
Außerordentliche Kündigung - Bankangestellte - Straftat - fehlende Zuverlässigkeit iSd § 14 GwG
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 7.442,22 EUR festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
2
Die 43-jährige Klägerin ist Bankkauffrau und seit 01.10.1991 als Kassiererin bei der beklagten Sparkasse tätig. Sie ist zwei Kindern gegenüber
unterhaltspflichtig und verdiente zuletzt monatlich 2.480,74 EUR brutto. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der
Bundesangestelltentarifvertrag Anwendung. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses legte die Klägerin ein Gelöbnis gemäß § 6 BAT ab (Aktenseite
24). Das Arbeitsverhältnis verlief bislang ohne Störungen. Bei der Beklagten sind regelmäßig mehr als 5 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer tätig.
3
Am 05.03.2002 wurde die Klägerin zu 2 Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Mittäterschaft bei illegaler Einfuhr, unerlaubtem Besitz und
Handel mit Betäubungsmittel verurteilt. Dem lag zugrunde, dass die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann in der Schweiz 13,5 kg Marihuana,
Haschisch und Heroin beschafft hatte. Die Klägerin bestätigte gegenüber der Beklagten am 11.03.2002 den Inhalt des Strafurteils. Nach
Anhörung des bei ihr bestehenden Personalrates (Aktenseite 26) erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 15.03.2002 die außerordentliche
Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 18.03.2002.
4
Nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz - GwG) ist die Beklagte
verpflichtet sicherzustellen, dass die Beschäftigten, die befugt sind, bare und unbare Finanztransaktionen durchzuführen, zuverlässig sind. Bei
der Beklagten bestehen keine Arbeitsplätze für Bankkaufleute, bei denen keine Finanztransaktionen durchzuführen sind.
5
Mit der vorliegenden Klage wendet sich die Klägerin gegen die außerordentliche Kündigung.
6
Sie meint, die Straftat wirke sich als außerdienstliches Verhalten nicht auf ihre Zuverlässigkeit und das Arbeitsverhältnis aus. Sie sei durch ihren
Ehemann in die Straftat hineingezogen worden.
7
Die Klägerin beantragt:
8
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 15.
März 2002, zugegangen am 15. März 2002, nicht aufgelöst worden ist, sondern darüber hinaus weiter unverändert fortbesteht.
9
Die Beklagte beantragt,
10 die Klage abzuweisen.
11 Sie meint, sie dürfe die Klägerin nicht mehr weiterbeschäftigen, da diese aufgrund der Straftat nicht mehr als zuverlässig im Sinne des § 14 Abs.
2 Nr. 3 GwG anzusehen sei.
12 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen und die Protokolle der mündlichen
Verhandlungen vom 19.04.2002 und 28.05.2002 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
13 I. Die Klage ist gemäß § 4 KSchG zulässig, aber unbegründet.
14 1. Die Kündigung der Beklagten vom 15.03.2002 ist wirksam, da Tatsachen vorliegen, aufgrund derer der Beklagten unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist (30.09.2002, § 53 Abs. 2 BAT) nicht zugemutet werden kann (§ 54 Abs. 1 BAT).
15 a) Die Straftat, wegen deren die Klägerin am 05.03.2002 verurteilt wurde, ist "an sich" zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung
gemäß § 626 Abs. 1 BGB, § 54 Abs. 1 BAT geeignet.
16 Zwar richtete sich die Straftat der Klägerin weder gegen die Beklagte, deren Mitarbeiter oder Kunden noch erfolgte sie in den Räumen der
Beklagten oder unter Ausnutzung der beruflichen Stellung der Klägerin. Sie ist vielmehr als außerdienstliches Verhalten zu bewerten. Dennoch
kommt sie als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht, da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Straftat
konkret beeinträchtigt wird:
17 Die Klägerin hat als Kassiererin zum einen eine Vertrauensstellung inne, aufgrund derer erhöhte Anforderungen an ihre persönliche Integrität
gestellt werden. Sie hat mit fremden Geld umzugehen und muss deshalb aufgrund ihrer gesamten Lebensweise gewährleisten, dass sie nicht in
Versuchung gerät, ihre besonderen Möglichkeiten rechtswidrig zu nutzen.
18 Zum anderen wirken sich die besonderen Anforderungen des § 14 Abs. 2 Nr. 3 GwG auf das Arbeitsverhältnis aus, da die Klägerin befugt ist,
Finanztransaktionen in einem Kredit- und Finanzinstitut durchzuführen. Die Beklagte muss sicherstellen, dass ihre Beschäftigten, die befugt sind,
bare und unbare Finanztransaktionen durchzuführen, zuverlässig sind. Zuverlässig in diesem Sinne ist, wer die Gewähr dafür bietet, dass er die
Pflichten nach dem GwG und die im Institut eingeführten Grundsätze, Verfahren, Kontrollen und Verhaltensrichtlinien zur Verhinderung der
Geldwäsche sorgfältig beachtet, Sachverhalte, die auf Geldwäsche hindeuten, dem Geldwäschebeauftragten meldet, und sich selbst nicht an
zweifelhaften Transaktionen aktiv oder passiv beteiligt (Verlautbarung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen über Maßnahmen der
Kreditinstitute zur Bekämpfung und Verhinderung der Geldwäsche vom 30.03.1998, Rundschreiben 5/98 vom 24.04.1998).
19 Diese Gewähr bietet die Klägerin nicht mehr. Ihre Verurteilung hat gezeigt, dass sie nicht zuverlässig im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 3 GwG ist. Die
Klägerin wurde zu 2 Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Mittäterschaft bei illegaler Einfuhr, unerlaubtem Besitz und Handel mit
Betäubungsmitteln verurteilt. Auch wenn die Drogen, bei deren die Einfuhr die Klägerin gefaßt wurde, nicht mehr verkauft wurden, steht aufgrund
der sichergestellten Menge doch fest, dass sie nicht für den Eigenverbrauch bestimmt waren, sondern vertrieben werden sollten. Ein sich daraus
ergebender Gewinn wäre unter die Gewinne aus schweren Straftaten gefallen, die durch das Geldwäschegesetz aufgespürt werden sollen.
20 Die Kammer geht davon aus, dass die Klägerin sich bislang nicht aktiv oder passiv an zweifelhaften Transaktionen beteiligt hat und sich
innerdienstlich immer korrekt verhalten hat. Jedoch zeigt die Verurteilung, dass die Klägerin zumindest Personen unterstützt, die Gewinne aus
dem Drogenhandel erzielen bzw. dies beabsichtigen. Mehr als bei anderen Arbeitnehmern besteht deshalb bei der Klägerin die Gefahr, dass sie
aufgrund ihrer Kontakte künftig die Grundsätze, Verfahren, Kontrollen oder Verhaltensrichtlinien der Beklagten zur Verhinderung der Geldwäsche
nicht einhält. Da die Mitarbeiter der Beklagten für ihr korrektes Verhalten "Gewähr bieten" müssen, genügt diese Gefahr, um der Klägerin die
Zuverlässigkeit abzusprechen.
21 Der Vortrag der Klägerin, sie sei von ihrem Ehemann in die Angelegenheit hineingezogen worden, erlaubt keine andere Bewertung. Es geht
nämlich gerade darum, dass die Klägerin nicht auch in Aktionen hineingezogen wird, die den Tatbestand des Geldwäschegesetzes berühren.
22 § 14 GwG verpflichtet die Beklagte sicherzustellen, dass sie nur zuverlässige Arbeitnehmer beschäftigt. Die fehlende Zuverlässigkeit der Klägerin
stellt daher einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung dar.
23 b) Der Wunsch der Beklagten an einer möglichst schnellen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist im konkreten Fall höher zu bewerten als der
der Klägerin, zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist beschäftigt zu bleiben. Bei der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile sind
zugunsten der Klägerin insbesondere die Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit und ihre Unterhaltspflichten zu berücksichtigen. Zudem sieht die
Kammer, dass das Arbeitsverhältnis bislang störungsfrei verlaufen und es auch nicht zu Verstößen im Hinblick auf das Geldwäschegesetz
gekommen ist.
24 Dem gegenüber steht das Interesse der Beklagten, in Vertrauenspositionen nur integere Mitarbeiter zu beschäftigen, auf deren korrektes
Verhalten sie sich verlassen kann. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin wegen einer Straftat von erheblichem Gewicht verurteilt
wurde, die zumindest mittelbar Bezug zu finanziellen Transaktionen hat (Finanzierung der Drogenbeschaffung, Nutzung des aus dem
Drogenhandels erzielten Gewinnes).
25 Hinzu kommt die gesetzliche Verpflichtung der Beklagten sicherzustellen, dass ihre Mitarbeiter zuverlässig im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 3 GwG
sind. Da die Beklagte für Bankkaufleute nur Arbeitsplätze hat, an denen Finanztransaktionen durchgeführt werden, kann sie die Klägerin nicht -
auch nicht bloß während der Kündigungsfrist - weiterbeschäftigen. Eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz kommt nicht in Betracht.
26 2. Die Beklagte hat die 2-Wochen-Frist des § 54 Abs. 2 BAT für den Ausspruch der Kündigung eingehalten. Die Frist begann in dem Zeitpunkt, in
dem die Beklagte Kenntnis von der Verurteilung der Klägerin erhielt. Die Beklagte durfte nämlich das Ergebnis des Strafverfahrens abwarten, da
ihr selbst keine vollständige tatbestandliche Klärung möglich war und sie nicht wegen des Verdachtes, sondern wegen einer erwiesenen Straftat
kündigen wollte (vgl. KR-Fischermeier, 6. Auflage, § 626 BGB, Rn. 321).
II.
27 Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Streitwert wird gemäß §§ 61 Abs. 1,
12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG in Höhe von dreier Bruttomonatsgehälter der Klägerin festgesetzt.
28 Der Berufungskläger muss sich vor dem Landesarbeitsgericht durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten
lassen, insbesondere müssen Berufungs- und eine eventuelle Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
29 An seine Stelle kann auch ein Vertreter eines Verbandes (Gewerkschaften, Arbeitgebervereinigungen) oder eines Spitzenverbandes
(Zusammenschlüsse solcher Verbände) treten, sofern er kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt und die Partei Mitglied des
Verbandes oder Spitzenverbandes ist. An die Stelle der vorgenannten Vertreter können auch Angestellte einer juristischen Person, deren Anteile
sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer dieser Organisationen stehen, treten, sofern die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung
der Verbandsmitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und der Verband für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet. Ist die Partei
Mitglied eines Verbandes oder Spitzenverbandes, kann sie sich auch durch einen Vertreter eines anderen Verbandes oder Angestellten einer
der oben genannten juristischen Personen mit vergleichbarer Ausrichtung vertreten lassen.
30 Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden. Die Geschäftsstelle des
Landesarbeitsgerichts bittet, Schriftsätze in fünffacher Fertigung einzureichen.
31 2. Für d. Bekl. ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.