Urteil des ArbG Frankfurt an der Oder vom 28.06.2007

ArbG Frankfurt: ordentliche kündigung, fristlose kündigung, gütliche beilegung, abmahnung, personalakte, niedersachsen, beendigung, betriebsrat, aufnehmen, ausführung

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Gericht:
ArbG Frankfurt 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 Ca 1148/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 106 GewO, § 314 Abs 2 BGB,
§ 626 Abs 1 BGB, § 1004 BGB
Keine verhaltensbedingte Kündigung wegen beharrlicher
Arbeitsverweigerung bei pauschalem Angebot der lediglich
vertragsgemäßen Beschäftigung durch den Arbeitgeber
Tenor
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehenden
Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose noch durch die hilfsweise ordentliche
Kündigung vom 31. Januar 2007 beendet wurde.
Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnungen vom 30. November 2006, vom
04. Januar 2007 und vom 12. Januar 2007 aus der Personalakte der Klägerin zu
entfernen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 14%, die Beklagte 86% zu
tragen.
Der Streitwert wird auf 32.921,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses und um die
Entfernung von Abmahnungen.
Die Klägerin ist seit Januar 1988 für die Beklagtenseite tätig. Den
Quartalsverdienstbezug gibt sie mit € ... an.
Zwischen den Parteien war unter dem Aktenzeichen 3/17 Ca 2818/06 bereits ein
Rechtsstreit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines
Interessenausgleiches mit Namensliste anhängig. Auf das Verfahren wird
verwiesen. Dort wurde in der Anlage K 1 der Anstellungsvertrag vorgelegt. § 1. hat
folgenden Wortlaut:
"Beginn des Anstellungsverhältnisses und Aufgabengebiet
1. Frau... wird ab 01.10.2003 als Referent Marketing Entwicklung in der OE
Kredit und Immobilien Management eingesetzt. Dienstsitz ist Frankfurt.
2. Der Mitarbeiter ist damit einverstanden, dass ihm eine andere und / oder
zusätzliche Tätigkeit übertragen oder er an einem anderen Ort auch bei einem
anderen oder neben der ...-Gruppe, eingesetzt wird. Dabei wird die Bank die
persönlichen und sozialen Belange des Mitarbeiters berücksichtigen."
Unter dem 05. Oktober 2006 wurde ein klagestattgebendes Urteil verkündet.
Inhaltlich wurde es insbesondere damit begründet, dass die Klägerin auf eine
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit als Organisationssekretärin/Banksteuerung
verwiesen hat.
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil zunächst Berufung eingelegt.
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Unter dem 22. November wurde die Berufung zurückgenommen und der Klägerin
zu Händen ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, dass sie ab dem
morgigen Tage zur Arbeitsleistung erwartet werde.
Nachdem die Klägerin nicht zur Arbeit erschien, erhielt sie unter dem Datum 30.
November 2006 eine Abmahnung (Bl. 10 d. A.).
Mit Schreiben vom 01. Dezember 2006 wandte sich die Klägerin an die
Beklagtenseite und verwies darauf, dass ihr Arbeitsverhältnis frühestens zum 31.
Dezember beendet werden könne. Es wurde eine gütliche Beilegung nach Zahlung
der Sozialplanabfindung in Aussicht gestellt. Die Klägerin teilte mit:
"Sollte dies möglich sein, wird unsere Mandantin ihr neues Arbeitsverhältnis
kündigen und ihre Tätigkeit ab dem 02.01.07 für die Beklagte wieder aufnehmen."
Nachdem die Beklagte dies mit Schreiben vom 06. Dezember 2006 hinsichtlich
der Sozialplanzahlung ablehnte, wandte sich die Klägerin unter dem 08. Dezember
nochmals an die Beklagtenseite und wies darauf hin, dass sie über eine
Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende verfüge.
Unter dem 04. Januar (Bl. 13 d. A.) bzw. 12. Januar 2007 wurde die Klägerin erneut
wegen Nichtaufnahme der Arbeit abgemahnt.
Unter dem 19. Januar 2007 wandte sich die neue Prozessvertretung der
Klägerseite an die Beklagte und teilte mit:
"Selbstverständlich ist unsere Mandantin bereit, ihre Arbeitsleistung zu
erbringen. Diese Bereitschaft steht aber unter der Bedingung, dass Sie unserer
Mandantin im Vorfeld die zu besetzende Position, deren Einordnung in die
betriebliche Hierarchie sowie den Namen des zukünftigen Vorgesetzten mitteilen.
Bis dahin wird sie von ihrem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB Gebrauch
machen."
Die Beklagte erwiderte unter dem 23. Januar 2007:
"Selbstverständlich ist für Frau ... eine vertragsgemäße Beschäftigung mit Zahlung
der bisherigen Vergütung vorgesehen. Allerdings können wir nicht erkennen, worin
die Rechtsgrundlage für die namentliche Nennung des zukünftigen Vorgesetzten
bestehen soll. Angesichts des Umstandes, dass es nicht im geringsten Zweifel
daran geben kann, dass Frau ... bei Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit
vertragsgemäß beschäftigt werden wird, können wir auch das von Ihnen
behauptete Zurückbehaltungsrecht nicht anerkennen. Sollten Sie uns innerhalb
der genannten Frist nicht mitteilen, dass Frau ... ihre Tätigkeit bei uns am 29.01.
wieder aufnehmen wird, sehen wir uns gezwungen, das Arbeitsverhältnis Ihrer
Mandantin erneut zu kündigen."
Die Beklagte hat dann das Arbeitsverhältnis unter dem 31. Januar 2007 fristlos,
hilfsweise ordentlich zum 30. September gekündigt (Bl. 16 d. A.).
Die Klägerin wendet sich gegen diese Kündigung und begehrt ferner die Entfernung
der Abmahnungen.
Die Klägerin rechtfertigt das Nichterscheinen und die Nichterbringung der
Arbeitsleistung dahingehend, dass, solange nicht feststehe, welche konkrete
Position zu besetzen sei, sie befürchten müsse, die vertragsgemäße
Beschäftigung ggf. über die Gerichte einklagen zu müssen. Dies sei ihr nicht
zumutbar. Die Abmahnungen seien daher unwirksam.
Darüber hinaus habe die Beklagte Vergütungsansprüche nicht erfüllt.
Die Klägerin beantragt,
1. es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende
Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 31. 01. 07,
zugegangen am 01.02.07, beendet wurde;
2. es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende
Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung
vom 31. 01. 07, zugegangen am 01.02.07, beendet wird;
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3. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere
Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen
über den 01.02.07 bis zu seinem Ende am 30.09.07 hinaus fortbesteht;
4. die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 30.11.2006 aus der
Personalakte des Klägers zu entfernen;
5. die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 04.01.07 aus der
Personalakte der Klägerin zu entfernen;
6. die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 12.01.07 aus der
Personalakte der Klägerin zu entfernen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte rechtfertigt den Abweisungsantrag wie folgt:
Da die Klägerin der Aufforderung zur Arbeitsaufnahme nicht nachgekommen sei,
sei sie zunächst wirksam abgemahnt worden.
Die Beklagte habe eindeutig erklärt, dass die Klägerin vertragsgemäß beschäftigt
werde. Die Klägerin habe die Arbeit trotz dieser Erklärung nicht wieder
aufgenommen. Vor diesem Hintergrund liege eine hartnäckige
Arbeitsverweigerung durch die Klägerin vor.
Man habe den Betriebsrat mit Schreiben vom 29. Januar angehört. Der Betriebsrat
habe die Stellungnahmefrist verstreichen lassen und sich nicht zum Antrag
geäußert. Sodann sei die Kündigung am 31. Januar ausgesprochen worden.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Hinsichtlich des allgemeinen Feststellungsantrages ist die
Klage abzuweisen.
Sowohl die fristlose als auch die hilfsweise ordentliche Kündigung sind unwirksam,
da nicht ersichtlich ist, dass hier eine sog. beharrliche Arbeitsverweigerung mit
Kündigungsrelevanz vorliegt.
Zwar ist grundsätzlich anerkannt, dass Arbeitsverweigerungen bei
vorangegangenen vergeblichen Abmahnungen grundsätzlich eine
außerordentliche, aber auch eine ordentliche Kündigung rechtfertigen können (vgl.
BAG, 21.11.1996 – 2 AZR 357/95 – _KR-Fischermeier, § 626 BGB Anm. 412).
Eine beharrliche Arbeitsverweigerung setzt die Nachhaltigkeit im Willen des
Arbeitnehmers voraus, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nicht nachzugehen.
Eine Kündigung wegen Arbeitsverweigerung scheidet aber dann aus, wenn der
Arbeitnehmer berechtigt ist, Arbeit abzulehnen, die der Arbeitgeber ggf. unter
Überschreitung des Direktionsrechtes nach Art, Zeit und Ort zuweist. Ob ein Fall
der Arbeitsverweigerung vorliegt, kann nur aus dem Vergleich der vertraglich
geschuldeten und mit der vom Arbeitgeber konkret verlangten und vom
Arbeitnehmer verweigerten Arbeitsleistung festgestellt werden. Maßgeblich ist
insoweit, ob die vom Arbeitgeber verlangte Arbeitsleistung sich im Rahmen der
durch die im Arbeitsvertrag bestimmten Grenzen hält und wenn es sich um eine
Weisung nach Maßgabe des Direktionsrechts handelt, sofern diese den
Anforderungen des § 315 BGB nach billigem Ermessen entspricht (vgl. LAG
Niedersachsen, 08.12.2003 – _5 Sa 1071/03 –).
Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aber keinen vertragsgemäßen
Arbeitsplatz zur Verfügung, entsteht keine Arbeitspflicht. Insofern obliegt dem
Arbeitgeber die Mitwirkungshandlung. Hat er dem Arbeitnehmer eine
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Arbeitgeber die Mitwirkungshandlung. Hat er dem Arbeitnehmer eine
Arbeitsaufgabe zugewiesen, deren Erfüllung der Arbeitnehmer schuldet, kann sich
die Frage eventuell eines Zurückbehaltungsrechtes stellen (vgl. LAG
Niedersachsen, a. a. O.).
Vorliegend fehlt es an einer konkretisierten Arbeitszuweisung an die Klägerin.
Die Beklagte hat lediglich erklärt, dass die Klägerin vertragsgemäß beschäftigt
werde.
Unter Bezugnahme auf den Vorprozess und die durch Interessenausgleich und
Sozialplan geschlossene Abteilung wäre es an der Beklagten gewesen, die
konkrete Arbeitsstelle zu benennen, auf der die Klägerin vertragsgemäß im Sinne
des weiten § 1 des Arbeitsvertrages beschäftigt wird.
Solange die Klägerin ein konkretes Arbeitsangebot nicht erhalten hat, kann die
pauschale Ausführung, lediglich vertragsgemäß beschäftigt zu werden, eine
Verpflichtung des Arbeitnehmers nicht auslösen. Der Arbeitnehmer kann nicht
dazu verpflichtet werden, ohne die Möglichkeit zu haben, das konkrete Angebot
zur Beschäftigung prüfen zu können, hier zur Arbeit zu erscheinen.
Vor diesem Hintergrund kann eine pflichtwidrige Verweigerung der Arbeit im Sinne
der Rechtsprechung in der Schwere eines Kündigungsgrundes nicht gesehen
werden. Vor diesem Hintergrund sind die Kündigungen unwirksam.
Die Abmahnungen sind ebenfalls zu entfernen, da rechtswidrige
Pflichtverletzungen auf Seiten der Arbeitnehmerin im Hinblick auf die obige
Ausführung nicht ersichtlich sind. Der Entfernungsanspruch ergibt sich aus § 1004
BGB analog.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
Der Klägerin sind die anteiligen Kosten bezüglich des allgemeinen
Feststellungsantrages aufzuerlegen.
Der Streitwert ist im Urteil festzusetzen und wurde je Abmahnung mit einem
Bruttomonatsgehalt, für den Beendigungsstreit mit drei Gehältern, für den
allgemeinen Feststellungsantrag ebenfalls mit einem Gehalt bewertet (§ 3 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.