Urteil des ArbG Frankfurt an der Oder vom 25.03.2009

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Gericht:
ArbG Frankfurt 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 Ca 1181/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 130 BGB, § 7 KSchG
Kündigungszugang durch Einwurf in Briefkasten nach
18.00 Uhr
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 4.800,00 festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer (Probezeit-)Kündigung und hierbei
insbesondere über den Zeitpunkt des Zugangs der Willenserklärung.
Die Beklagte ist eine Bäckerei in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft mit
Sitz in Frankfurt a. M. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer.
Der ...-jährige Kläger ist verheiratet und ... minderjährigen Kindern zum Unterhalt
verpflichtet. Er ist bei der Beklagten seit dem 01.07.2008 als Arbeiter/Küchenhilfe
auf Basis eines Vertrages vom 01.07.2008 (Bl. 8-11 d. A.) beschäftigt. Das
durchschnittliche Bruttomonatsgehalt beträgt € 1.600,00. Das Arbeitsverhältnis ist
befristet auf 1 Jahr. Die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses gelten als
Probezeit, und es wurde insofern eine Kündigungsfrist von 2 Wochen vereinbart.
Es existiert ein auf den 30.12.2008 datiertes Kündigungsschreiben der Beklagten,
das von Frau ... unterzeichnet ist (Bl. 4 d. A.). Hierin wurde das Arbeitsverhältnis
"fristgerecht während der Probezeit zum 15.01.2009" gekündigt. Frau ... ist in der
Finanzbuchhaltung der Beklagten tätig. Der Kläger behauptet, er habe dieses
Schreiben erst am 09.02.2009 erhalten, während die Beklagte behauptet, Frau ...
habe dieses Schreiben am Abend des 30.12.2008 gegen 19:30 Uhr in den
Briefkasten des Klägers an seiner Hausanschrift in der ... in Frankfurt ... geworfen.
Unter Rücknahme des allg. Feststellungsantrages beantragt der Kläger zuletzt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende
Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 30.12.2008
aufgelöst ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage ging beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main am 16.02.2009 ein und
wurde der Beklagten am 19.02.2009 (Bl. 6 d. A.) zugestellt. Das Gericht hat in der
mündlichen Verhandlung vom 25.03.2009 Beweis durch Vernehmung der Zeugin
... erhoben. Hinsichtlich des Gegenstandes und des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 37 ff. d.
A.) Bezug genommen. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die
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A.) Bezug genommen. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, ihre Beweisantritte und die von
ihnen eingereichten Unterlagen und damit auf die Gerichtsakte Bezug genommen
(§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet, so dass sie abzuweisen ist.
I. Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist
gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. b.) ArbGG für die Kündigungsschutzklage gegeben. Der
Sitz der Beklagten (§§ 12, 17 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG) gehört zum
örtlichen Zuständigkeitsbereich des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main. Das
gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. n. §§ 495 Abs. 1, 256 ZPO erforderliche
Feststellungsinteresse liegt vor, da es dem Kläger unabhängig von den
Bestimmungen der §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG gemäß §§ 4, 7 KSchG obliegt, die
Unwirksamkeit einer (Probezeit-) Kündigung binnen der Präklusionsfrist von drei
Wochen ab Zugang der jeweiligen Kündigung gerichtlich geltend zu machen.
II. Die Klage ist auch unbegründet, da die Kündigung der Beklagten vom
30.12.2008 das Arbeitsverhältnis wirksam zum 15.01.2009 aufgelöst hat.
1. Die Kündigungserklärung der Beklagten vom 30.12.2008 wahrt zunächst das
Schriftformerfordernis des § 623 BGB. Soweit sich der Kläger auf eine fehlende
Vollmacht von Frau ... gemäß § 174 BGB beruft, ist dieser Einwand bereits
deswegen unbeachtlich, da er nicht unverzüglich nach dem (behaupteten) Zugang
der Willenserklärung, sondern erst im Kammertermin vom 25.03.2009 erklärt
wurde.
2. Vorliegend hat der Kläger jedoch die Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG
nicht gewahrt, so dass er im Hinblick auf die streitgegenständliche Kündigung vom
30.12.2008 nicht fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben hat, denn die
Kündigungserklärung ist dem Kläger bereits am 31.12.2008 zugegangen. Insofern
ist er mit – materiellen – Einwendungen gegen die Kündigungserklärung vom
30.12.2008 gemäß § 7 KSchG präkludiert, zumal er auch keinen Antrag gemäß § 5
KSchG gestellt hat.
Den Zugang der Kündigungserklärung am 31.12.2008 hat die Beweisaufnahme
im Kammertermin vom 25.03.2009 zur Überzeugung des Gerichts ergeben (§ 286
ZPO). So hat die Zeugin ... glaubwürdig und glaubhaft ausgesagt, dass sie am
Abend des 30.12.2008 gegen 19:30/19:45 Uhr das von ihr unterzeichnete
Kündigungsschreiben in den Briefkasten des Klägers in der .... in Frankfurt- ...
gelegt hat. Die Zeugin hat glaubhaft den Einwurf des Kündigungsschreibens auf
ihrem Rückweg von der Arbeit nach Hause am 30.12.2008 dargestellt. Sie hat
insbesondere eine umfassende und konkrete Schilderung vorgenommen, was sie
am Abend des 30.12.2008 gemacht hat. Insbesondere hat sie glaubhaft
geschildert, wie sie den leeren Briefkasten des Klägers im Lichtschein ihres
Feuerzeugs identifiziert hat. Die Aussage ist in sich schlüssig und konsistent, wobei
die Zeugin auch auf Details, z. B. Farbe und Größe des Hauses sowie Anzahl der
Briefkästen geachtet hat. Die Zeugin ist auch glaubwürdig. Sie hat die Aussage
ohne sichtbare Belastungstendenz hinsichtlich des Klägers gemacht. Sie hat sich
bemüht, den Vorfall möglichst objektiv und ohne wertende Äußerungen zu
schildern. Da es sich um einen Zugang unter Abwesenden gemäß § 130 BGB
handelt und die Kündigungserklärung erst nach 18:00 Uhr in den dafür
vorgesehenen Briefkasten des Klägers eingeworfen wurde, ist die
Kündigungserklärung dem Kläger rechtlich erst am nächsten Tag und damit am
31.12.2008 zugegangen. Die Frist des § 4 Satz 1 KSchG ist somit nicht gewahrt.
Die Kündigung ist somit nicht am Maßstab des KSchG zu messen, zumal auch die
Wartefrist des § 1 Abs. 2 KSchG von sechs Monaten noch nicht erfüllt ist. Es
handelt sich insofern um eine wirksame Probezeitkündigung der Beklagten.
3. Auch die für eine Probezeitkündigung geltende Kündigungsfrist von 2
Wochen zum 15.01.2009 hat die Beklagte eingehalten. Die Einhaltung der
Kündigungsfrist kann auch dann gerügt werden, wenn die Frist des § 4 Satz 1
KSchG versäumt wurde. Vorliegend ist die einschlägige Kündigungsfrist –
unabhängig davon, dass keine Rüge erhoben wurde – gewahrt.
III. Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger, da er, insbesondere soweit
er sich mit der Teilklagerücknahme selbst in die Position des Unterlegenen
begeben hat, unterlegen ist, § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
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IV. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes im Urteil beruht auf §
61 Abs. 1 ArbGG. Der Wert des Streitgegenstandes ist vorliegend auf € 4.800,00
(= 3 x Bruttomonatsgehalt i. H. v. € 1.600,00) festzusetzen.
V. Gründe, die Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG gesondert zuzulassen,
liegen nicht vor, insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung gemäß §§ 64 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 2 lit. a.) ArbGG zu. Die ohnehin
gegebene Zulässigkeit der Berufung gemäß § 64 Abs. 2 lit. c.) ArbGG bleibt
hiervon unberührt. Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung ist gemäß §
64 Abs. 3 a Satz 1 ArbGG in den Urteilstenor aufzunehmen.
VI. Eine Rechtsmittelbelehrung findet sich auf der nächsten Seite.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.