Urteil des ArbG Frankfurt an der Oder vom 21.07.2009

ArbG Frankfurt: betriebsrat, leiter, hauptbetrieb, einheit, manager, anfechtung, geschäftsleitung, geschäftsführer, betriebsstätte, organisation

1
2
3
4
5
Gericht:
ArbG Frankfurt 12.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 BV 184/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 4 Abs 1 S 1 Nr 1 BetrVG, §
19 Abs 1 BetrVG
Anfechtung einer Betriebsratswahl - Betriebsbegriff -
Betriebsteil
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Die Beteiligte zu 1) ist ein Bereich Marketing und Consulting der IT-Branche tätiges
Unternehmen mit 109 Mitarbeitern. Der Sitz der Beteiligten zu 1) ist in München.
Sie ist eine Tochtergesellschaft der ./.. und gehört damit einer weltweit
operierenden Unternehmensgruppe mit derzeit ca. 4.000 Mitarbeitern an. Die
beiden Geschäftsführer der Beteiligten zu 1), Herr ./. und Herr ./., üben ihre
Geschäftsführertätigkeit vom Hauptsitz der ./. in Stamford, USA, aus. Die
Beteiligte zu 1) verfügt in Deutschland über vier Standorte (Frankfurt, München,
Düsseldorf und Hamburg). An jedem der Standorte besteht derzeit ein
Betriebsrat. Seit 14. Juli 2005 besteht auch ein Gesamtbetriebsrat, der sich aus
vier Mitgliedern zusammensetzt.
Der Beteiligte zu 2) ist der am Standort Frankfurt gebildete Betriebsrat.
Am Standort Frankfurt der Beteiligten zu 1) sind derzeit 33 Mitarbeiter beschäftigt.
Am 2. Mai 2005 war dort erstmals ein Betriebsrat gewählt worden, der sich aus
drei Mitgliedern und einem Ersatzmitglied zusammensetzte. Nachdem zum 1. Juli
2005 ein Betriebsratsmitglied das Unternehmen verlassen hatte und sodann zum
30. September 2008 ein weiteres Betriebsratsmitglied aus dem Unternehmen
ausgeschieden war, war die Mitgliederzahl des Betriebsrates unter die gesetzlich
vorgeschriebene Mindestzahl von drei Mitgliedern gesunken, weshalb Neuwahlen
eingeleitet wurden, die am 6. März 2009 stattfanden. Der neu gewählte Betriebsrat
setzt sich aus drei Mitgliedern, Herrn ./., Herrn ./. sowie Herrn ./., sowie drei
Ersatzmitgliedern zusammen. Auf die Wahlniederschrift vom 6. März 2009 (Bl. 47
d. A.) wird Bezug genommen. Mit E-Mail vom gleichen Tage, der als Anhang die
Wahlniederschrift beigefügt war, teilte der Wahlvorstand der Belegschaft und der
Beteiligten zu 1) das Wahlergebnis mit. Zudem hing das Ergebnis der Wahl seit 6.
März 2009 am Schwarzen Brett am Standort Frankfurt aus. In Frankfurt existieren
angemietete Büroräume für die dortigen Mitarbeiter.
Bei der Beteiligten zu 1) erfolgt die Leitung der Mitarbeiter in personellen
Angelegenheiten nicht Standort-, sondern geschäftsbereichsbezogen. An keinem
der Standorte in Deutschland besteht eine Leitung, die die wesentlichen
Entscheidungen in personellen Angelegenheiten für alle dort beschäftigten
Mitarbeiter trifft. Es liegt vielmehr eine weltweite Matrixorganisation mit
geschäftsbereichsbezogenen Organisations- und Hierarchiestrukturen vor, die
unabhängig von den gesellschaftsrechtlichen und betrieblichen Strukturen in den
einzelnen Ländern operiert.
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
Bei der Beteiligten zu 1) existieren im Wesentlichen vier Geschäftsbereiche (sog.
„Business Units"): Consulting, Sales, Research und Gartner Executive Programms
("EXP").
Am Standort Frankfurt sind Mitarbeiter aller Business Units beschäftigt. Von den
33 Mitarbeitern des Standortes gehören fünf der Business Unit Consulting, 18 der
Business Unit Sales, vier der Business Unit Research, vier der Business Unit EXP,
ein Mitarbeiter dem Bereich Strategic Technology Group und ein Mitarbeiter dem
Bereich Client Relationship an. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 33 ff. d. A.
Bezug genommen.
Über die personellen Angelegenheiten (Einstellungen, Kündigungen,
disziplinarische Weisungen und disziplinarische Maßnahmen wie die Erteilung von
Abmahnungen) der fünf Mitarbeiter der Business Unit Consulting entscheiden Herr
./., Group Vice President des Bereichs Human Ressources , International, mit Sitz
in England sowie der Leiter der Business Unit Consulting, Herr./. (Group Vice
President Consulting) bzw. ihm untergeordnet Herr ./. (Managing Vice President
Consulting). Herr ./. sitzt in Schweden, Herr ./. in Belgien.
Über die personellen Angelegenheiten der 14 Mitarbeiter der Business Unit Sales
entscheiden Herr A... M. sowie Herr ./. (Country Manager Sales und Leiter der
Business Unit Sales). Herr G. ist arbeitsvertraglich dem Standort Düsseldorf
zugewiesen. Streitig ist, ob auch den Herrn ./. untergeordneten Area Managern
eine gewisse Verantwortlichkeit in personellen Angelegenheiten zukommt.
Über die personellen Angelegenheiten der vier Mitarbeiter der Business Unit
Research entscheiden Herr M. sowie Herr S. (Senior Vice President und globaler
Leiter der Business Unit Research). Herr S. sitzt in den USA.
Über die personellen Angelegenheiten der vier Mitarbeiter der Business Unit EXP
entscheiden Herr M. sowie Herr P. (Vice President Service Delivery und Leiter der
Business Unit EXP). Herr P. ist arbeitsvertraglich dem Standort Düsseldorf
zugewiesen.
Für Herrn H. als Systemadministrator ist Herr M. zuständig, der am Standort
Mailand sitzt. Für die Mitarbeiterin des Bereichs Client Relationship ist Frau D.
zuständig. Sie sitzt in den Niederlanden.
Keiner der Leiter der jeweiligen Business Unit ist an Entscheidungen beteiligt, die
eine andere Business Unit betreffen. Sie können jeweils nur über personelle
Angelegenheiten mit entscheiden, die ihre eigene Business Unit betreffen.
Teilweise geschieht dies (wie überwiegend im Falle von Abmahnungen und
Einstellungen) in der Weise, dass der Leiter der jeweiligen Business Unit eine
Maßnahme in personeller Hinsicht für notwendig erachtet und diesbezüglich mit
der Human Ressources Abteilung bzw. Herrn M. Rücksprache hält. Gegebenfalls
wird außerdem der Bereich Corporate Legal involviert. Dabei regt der jeweilige
Leiter der Business Unit eine Entscheidung in personeller Hinsicht an. Das „Ob"
und das „Wie" der Maßnahme wird sodann zwischen Herrn M. und dem jeweiligen
Leiter der Business Unit diskutiert und gemeinsam entschieden.
Teilweise entscheidet über das „Ob" einer personellen Maßname aber auch allein
die Geschäftsleitung in den USA und diskutiert anschließend das „Wie" mit Herrn
M. und dem jeweiligen Leiter der Business Unit, so etwa, wenn es um den Abbau
von Arbeitsplätzen geht. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 37 d. A. Bezug
genommen.
Die wesentlichen Entscheidungen in sozialen Angelegenheiten werden teilweise für
sämtliche Mitarbeiter aller Standorte und teilweise wiederum
geschäftsbereichsbezogen getroffen.
Der jeweilige Leiter einer Business Unit entscheidet dabei über Urlaubsfragen von
Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG, die seine Business Unit betreffen wie die
Aufstellung von Urlaubsplänen und die Festlegung von Urlaubszeitpunkten.
Fragen zum Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie zur Lage und Dauer
der Arbeitszeit stellen sich nicht. Bei der Beteiligten zu 1) gilt unternehmensweit
Vertrauensarbeitszeit, die von der Geschäftsleitung eingeführt wurde.
Über sämtliche Entgeltfragen im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG
18
19
20
21
22
23
24
25
Über sämtliche Entgeltfragen im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG
entscheidet die Geschäftsleitung in den USA. Das unternehmensweit geltende
Entlohnungssystem wurde von der Geschäftsleitung eingeführt. Diese entscheidet
auch über die Auszahlung und Verteilung von Boni und Provisionen.
Ansprech- und Verhandlungspartnerin der Betriebsräte und des
Gesamtbetriebsrates ist die am Standort München als Legal & Contracts
Managerin tätige Frau J.. Sie agiert diesen gegenüber stellvertretend für die beiden
Geschäftsführen. Sie vermittelt zwischen Herrn M., Herrn Sch. und den
Betriebsräten bzw. dem Gesamtbetriebsrat.
Ein fachliches Weisungsrecht gegenüber den Mitarbeitern der Business Unit
Consulting (vier am Standort Frankfurt, 11 am Standort München, sechs am
Standort Düsseldorf, zwei am Standort Hamburg und zwei in Home-Offices
beschäftigte Mitarbeiter) üben der Leiter Business Unit Consulting Herr E. bzw.
Herr Gr. unabhängig von der Standortzugehörigkeit der Mitarbeiter aus.
Seit 5. Mai 2009 gibt es am Standort Frankfurt in Bereich Consulting einen
sogenannten Councelor , den Betriebsratsvorsitzenden Herrn Sch., der zukünftig
Herrn E. bzw. Herrn Gr. zumindest bei der Ausübung des fachlichen
Weisungsrechts unterstützen soll. Der genaue Umfang seiner Befugnisse ist
zwischen den Beteiligten streitig.
Innerhalb der Business Unit Sales sind dem Leiter der Business Unit, Herrn G., vier
Area Manager und ein Teamleiter unterstellt, die direkt an ihn berichten und
gegenüber denen Herr G. ein fachliches Weisungsrecht ausübt. Die Area Manager
und der Teamleiter sind die fachlichen Leiter der anderen Mitarbeiter der Business
Unit Sales und üben ein fachliches Weisungsrecht aus. Jedem Area Manager und
dem Teamleiter ist ein konkretes Mitarbeiterteam zugeteilt, das er fachlich
betreut. Von den vier Area Managern sind zwei (Herr P. und Herr R.) am Standort
Frankfurt tätig. Dem Team von Herrn P. gehören vier am Standort Frankfurt
beschäftigte Mitarbeiter der Business Unit Sales an. Darüber hinaus gehören
diesem Team zwei am Standort München beschäftigte Mitarbeiter an. Dem Team
von Herrn R. gehören sieben am Standort Frankfurt beschäftigte Mitarbeiter der
Business Unit Sales an, darüber hinaus zwei am Standort München und zwei am
Standort Düsseldorf beschäftigte Mitarbeiter. Weitere zwei am Standort Frankfurt
beschäftigte Mitarbeiter sind dem Team von Herrn L. (Standort München)
zugeordnet, ein weiterer Mitarbeiter dem des Teamleiters Herrn K., der im Home
Office tätig ist. Wegen der weiteren Einzelheiten der Gestaltung des fachlichen
Weisungsrechts wird auf Bl. 41 ff. d. A. Bezug genommen. Die am Standort
Frankfurt tätigen zwei Area Manger erstellen innerhalb ihres jeweiligen Teams auch
Mitarbeiterbeurteilungen und die Bewertung von Mitarbeiterentwicklungen in
Abstimmung mit Herrn G..
Mit ihrer am 19. März 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift
macht die Beteiligte zu 1) die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl vom 6. März
2009 geltend.
Sie ist der Auffassung, die Betriebratswahl am Standort Frankfurt sei wegen
Verkennung des Betriebsbegriffs unwirksam. Der Standort Frankfurt erfülle weder
die Voraussetzungen eines selbständigen Betriebes im Sinne von § 1 Abs. 1
BetrVG noch eines qualifizierten Betriebsteils im Sinne von § 4 Abs. 1 BetrVG.
Vielmehr sei er als unselbständiger Betriebsteil anzusehen und daher nicht
betriebsratsfähig. Ein selbständiger Betrieb liege nicht vor, da in der Betriebsstätte
gerade nicht die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen
Angelegenheiten ausgeübt würden. Aber auch ein selbständiger Betriebsteil im
Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 BetrVG sei nicht gegeben. Da unstreitig am
Standort Frankfurt Mitarbeiter aller Geschäftsbereiche tätig sind, sei er nicht nach
Aufgabenbereich und Organisation selbständig im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2
BetrVG, denn der innerhalb der Betriebsstätte verfolgte Zweck hebe sich fachlich
nicht von dem Zweck des Gesamtbetriebes ab. Es handele sich ferner nicht um
einen weit vom Hauptbetrieb entfernten Betriebsteil im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1
BetrVG, da hierfür ungeachtet der Entfernung vom Hauptbetrieb ein Mindestmaß
an organisatorischer Selbständigkeit erforderlich sei, was voraussetze, dass in der
organisatorischen Einheit eine den Einsatz aller dort beschäftigter Mitarbeiter
bestimmende Leitung institutionalisiert sei, die Weisungsrechte des Arbeitgebers
ausübe.
Sie behauptet, das fachliche Weisungsrecht im Bereich Sales bestehe in erster
Linie formell, da die Sales Mitarbeiter sehr selbständig und eigenverantwortlich
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
Linie formell, da die Sales Mitarbeiter sehr selbständig und eigenverantwortlich
arbeiteten.
Über eine eigene Entscheidungsgewalt in personellen Angelegenheiten verfügten
die Area Manager im Bereich Sales nicht. Auch hätten sie keine Disziplinargewalt,
allenfalls könne es vorkommen, dass sie ein Fehlverhalten eines Mitarbeiters
aufdeckten und eine disziplinarische Weisung oder Maßnahme vorschlügen.
Ebenso werde der Councelor im Bereich Consulting lediglich eine unterstützende
Rolle einnehmen und über keinerlei Entscheidungsgewalt verfügen. Wegen der
Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrages der Beteiligten zu 1) wird auf Bl. 129 ff.
d. A. Bezug genommen.
Die Beteiligte zu 1) ist der Auffassung, die Wahlanfechtung sei entgegen der
Ansicht des Beteiligten zu 2) auch zulässig. Die Gefahr eines betriebsratslosen
Zustandes für eine gewisse Dauer sei nach der Konzeption des § 19 BetrVG
hinzunehmen. Gerade in der vorliegenden Konstellation drohe, wenn man die
Wahlanfechtung für unzulässig halten wolle, ein dauerhaft
betriebsverfassungswidriger Zustand. Wegen der Einzelheiten der diesbezüglichen
Argumentation wird auf Bl. 169 ff. d. A. Bezug genommen.
Am Standort München fand am 26. Juni 2009 ebenfalls eine Neuwahl des
Betriebsrates statt, nachdem die Mitgliederzahl des dortigen Betriebsrates unter
die vorgeschriebene Zahl von drei Mitgliedern gesunken war. Diese Wahl hat die
Beteiligte zu 1) mit Antragschrift vom 1. Juli 2009 beim Arbeitsgericht München
(Az. 33 BV 246/09) angefochten.
Die Beteiligte zu 1) beantragt,
die Betriebsratswahl vom 06. März 2009 am Standort Frankfurt am Main
für unwirksam zu erklären.
Der Beteiligte zu 2) beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Wahlanfechtung sei unzulässig, weil die Folge einer
erfolgreichen Anfechtung der Wahl sein könne, dass der Standort Frankfurt auf
längere Zeit ohne Arbeitnehmervertretung bleibe. Denn gleichzeitige Neuwahlen
mit den anderen Standorten seien frühestens mit dem übernächsten regulären
Wahlturnus zu erzielen, also im Jahr 2014. Bis dahin gebe es an den einzelnen
Standorten völlig verschiedene Zeitpunkte für Neuwahlen und damit auch für
eventuelle Wahlanfechtungsverfahren, deren Ausgang jeweils zudem für die
anderen Verfahren nicht bindend sei. Wegen der Einzelheiten seines
diesbezüglichen Vorbringens wird auf Bl. 88 f. und Bl. 141 ff. d. A. Bezug
genommen.
Zudem sei der Antrag auch unbegründet. Der Standort Frankfurt sei jedenfalls als
selbständiger Betriebsteil im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu qualifizieren.
Das erforderliche Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit sei gegeben,
denn Frankfurt sei nicht führungslos. Der Beteiligte zu 2) verweist insoweit
insbesondere auf den Geschäftsbereich Sales, bei dem es sich um den
Schlüsselbereich handele und wo es unstreitig zwei in Frankfurt angesiedelte Area
Manager mit fachlichen Weisungsrechten gegenüber einer größeren Anzahl
Mitarbeiter am Standort Frankfurt gibt.
Er behauptet, das Weisungsrecht der Area Manager beschränke sich zudem nicht
auf fachliche Aspekte, sondern erstrecke sich auch auf Verantwortlichkeiten in
personellen Belangen wie Einstellungen („ownership of recruitment of new
associates"), wie sich auf dem sogenannten Role Profile für die Area Manager (Bl.
90 d. A.) ergebe.
Unrichtig sei auch, dass der Councelor im Bereich Consulting lediglich eine
unterstützende, untergeordnete Rolle einnehmen werde. Wegen der Einzelheiten
des diesbezüglichen Vorbringens des Beteiligten zu 2) wird auf Bf. 85 f. und Bl. 144
f. d. A. Bezug genommen.
Weiterhin meint der Beteiligte zu 2), es sei eine Korrektur des von der
Rechtsprechung entwickelten Betriebsbegriffes dahingehend geboten, dass nicht
allein auf das Vorliegen eines vom Arbeitgeber geschaffenen Leitungsapparates
39
40
41
42
43
44
45
46
allein auf das Vorliegen eines vom Arbeitgeber geschaffenen Leitungsapparates
abgestellt werde, sondern stärker das Erfordernis der Belegschaftsnähe des
Betriebsrates in den Mittelpunkt gerückt werde. Denn das
Betriebsverfassungsgesetz bezwecke eine möglichst ortsnahe und dadurch
effektive Mitarbeitervertretung. Stellte man maßgeblich auf eine bestehende
Leitungsmacht vor Ort ab, könne die Konsequenz sein, dass in global tätigen
Unternehmen, in denen die wesentlichen Entscheidungsbefugnisse im
betriebsverfassungsrechtlichen Sinne im Ausland angesiedelt seien, überhaupt
kein Betriebsrat mehr zu wählen wäre. Gerade auf Strukturen wie bei der
Beteiligten zu 1) passe der herkömmliche Betriebsbegriff daher nicht.
Schließlich ist der Beteiligte zu 2) der Auffassung, die Beteiligte zu 1) verhalte sich
widersprüchlich, indem sie die vorliegende Wahl anfechte. Er behauptet, anlässlich
der Betriebsratswahl im Jahr 2005 habe die Bildung örtlicher Betriebsratsstrukturen
auch dem Wunsch der Beteiligten zu 1) entsprochen. Der damalige Wahlvorstand
habe die Option der Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrates mit
der damaligen Prokuristin Frau P. diskutiert, die sich klar für die Wahl eines
örtlichen Betriebsrates ausgesprochen habe. Frau P. habe den Vorschlag des
damaligen Wahlvorstandes, alternativ einen unternehmensweiten Betriebsrat zu
wählen, definitiv abgelehnt mit dem Hinweis, der Betriebsrat solle sehen, ob er
einen lokalen Betriebsrat überhaupt hinbekäme.
Unstreitig wurden die damaligen Betriebsratswahlen nicht angefochten. Der
Beteiligte zu 2) ist der Ansicht, die Beteiligte zu 1) habe damit aktiv an der
Begründung der jetzigen Betriebsratsstrukturen mitgewirkt, woran sie sich
festhalten lassen müsse.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die
zwischen diesen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die
Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
II.
Der Antrag der Beteiligten zu 1) ist zulässig, aber unbegründet.
A. Die formellen Voraussetzungen eines Wahlanfechtungsverfahrens sind erfüllt.
Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist die Beteiligte zu 1) als Arbeitgeberin
anfechtungsberechtigt. Die Anfechtung der Betriebsratswahl erfolgte auch
innerhalb der Frist von zwei Wochen vom Tag der Bekanntgabe des
Wahlergebnisses an gerechnet, § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Mit ihrer am 19. März
2009 bei Gericht eingegangenen Antragsschrift wahrte die Beteiligte zu 1) diese
Frist, nachdem das Wahlergebnis am 6. März 2009 bekannt gegeben worden war.
Die Wahlanfechtung ist auch nicht als „isolierte Wahlanfechtung" unzulässig. Da
die Beteiligte zu 1) die Wahlanfechtung darauf stützt, der Standort Frankfurt sei
lediglich ein unselbständiger Betriebsteil und sie, wie ihr Prozessbevollmächtigter
auf Nachfrage im Anhörungstermin vor der Kammer erklärte, davon ausgeht,
sämtliche Standorte der Beteiligten zu 1) bildeten einen einheitlichen Betrieb, darf
sie sich zwar nicht auf eine isolierte Anfechtung der Wahl nur eines der
Betriebsräte an den verschiedenen Standorten beschränken. Denn durch die
Möglichkeit der Wahlanfechtung nach § 19 BetrVG soll der Weg frei gemacht
werden für eine neue, nunmehr den gesetzlichen Vorschriften entsprechende
Betriebsratswahl. Dieses Ziel lässt sich bei einer auf einen Standort beschränkten
Anfechtung nicht erreichen, sondern nur durch gerichtliche Annullierung der Wahl
sämtlicher Betriebsräte, damit die Mitarbeiter nunmehr einen neuen, für den
gesamten Betrieb einheitlich zuständigen Betriebsrat wählen können (BAG v.
7.12.1988 - 7 ABR 10/88, AP Nr. 15 zu § 19 BetrVG 1972). Deshalb muss der
Arbeitgeber in einem solchen Fall die Wahl aller Betriebsräte anfechten.
Beschränkt er sich auf die Anfechtung der Wahl nur eines Betriebsrates, so ist
diese Anfechtung unzulässig (BAG v. 7.12.1988, aaO; BAG v. 31.5.2000 - 7 ABR
78/98, AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb).
Eine solche unzulässige isolierte Anfechtung nur einer Betriebsratswahl liegt hier
nicht vor. Zu berücksichtigen ist insofern, dass es sich bei der Wahl vom 6. März
209 am Standort Frankfurt nicht um eine turnusmäßige Wahl gemäß § 13 Abs. 1
BetrVG, sondern um eine außerhalb des Turnus gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG
stattfindende Wahl handelte, die erfolgte, weil die Gesamtzahl der
Betriebsratsmitglieder nach Eintreten sämtlicher Ersatzmitglieder unter die
vorgeschriebene Zahl der Betriebsratsmitglieder gesunken war. Es war dem
47
48
49
50
51
vorgeschriebene Zahl der Betriebsratsmitglieder gesunken war. Es war dem
Arbeitgeber daher gar nicht möglich, auch an den anderen Standorten gleichzeitig
die Betriebsratswahlen anzufechten, weil solche aktuell nicht stattfanden.
Ausreichend in einer solchen Situation muss sein, dass der Arbeitgeber ankündigt,
die nächsten an anderen Standorten stattfindenden Wahlen ebenfalls anfechten
zu wollen und er dies sodann auch tut. Damit kann dann ggf. ein einheitlicher
Betriebsrat gewählt werden. Eine dem Sinn des Wahlanfechtungsverfahrens
widersprechende Rechtsfolge tritt dann nicht ein, jedenfalls nicht in einem
zeitlichen Umfange, der sich vermeiden ließe, ohne dem Arbeitgeber die
gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Wahlanfechtung, wenn er von einem
Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften in Form der Verkennung des
Betriebsbegriffes ausgeht, zu nehmen. Da die Beteiligte zu 1) vorliegend die
zwischenzeitlich erfolgte Wahl des Betriebsrats in München ebenfalls angefochten
hat und angekündigt hat, dies auch bei den im nächsten Frühjahr anstehenden
Wahlen in Düsseldorf und Hamburg tun zu wollen, liegt eine unzulässige isolierte
Wahlanfechtung nicht vor.
B. Die am Standort Frankfurt am Main am 6. März 2009 durchgeführte
Betriebsratswahl verstößt nicht im Sinne von § 19 Abs. 1 BetrVG gegen
wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das
Wahlverfahren. Ein Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift des Wahlverfahrens
liegt vor, sofern der Betriebsbegriff bei der Durchführung der Wahl verkannt wurde
(BAG 19.11.2003 - 7 ABR 25/03, AP Nr. 55 zu § 19 BetrVG 1972; Fitting, 23.
Auflage, § 19 BetrVG Rn. 22 m.w.N.).
Der Betriebsbegriff wurde vorliegend indes nicht verkannt. Es ist vielmehr davon
auszugehen, dass es sich bei dem Standort Frankfurt der Beklagten um einen
selbständigen Betriebsteil im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG handelt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Betrieb iSd.
BetrVG eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen
mit den vom ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische
Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen
materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und
gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen
Leitungsapparat gesteuert werden (BAG v. 29. Mai 1991 - 7 ABR 54/90, AP BetrVG
1972 § 4 Nr. 5; BAG v. 19. Februar 2002 - 1 ABR 26/01, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 13;
BAG v. 21. Juli 2004 - 7 ABR 57/03, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 15; BAG v. 17. Januar
2007 - 7 ABR 63/05, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 18). Ein Betriebsteil ist dagegen auf
den Zweck des Hauptbetriebs ausgerichtet und in dessen Organisation
eingegliedert, ihm gegenüber aber organisatorisch abgrenzbar und relativ
verselbständigt (BAG 21. Juli 2004 - 7 ABR 57/03 - aaO). Für die Abgrenzung von
Betrieb und Betriebsteil ist der Grad der Verselbständigung entscheidend, der im.
Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt.
Erstreckt sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf
alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen
Angelegenheiten, handelt es sich um einen eigenständigen Betrieb iSv. § 1
BetrVG. Für das Vorliegen eines Betriebsteils iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genügt
dagegen ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem
Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt
eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die
Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt (BAG v. 29. Mai 1991 - 7 ABR 54/90, AP
BetrVG 1972 § 4 Nr. 5; BAG v. 20. Juni 1995 -7 ABR 59/94, AP BetrVG 1972 § 4 Nr.
8; BAG v. 19. Februar 2002 - 1 ABR 26/01, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 13; BAG v. 21.
Juli 2004 -7 ABR 57/03 und BAG v. 17. Januar 2007 - 7 ABR 63/05). Unter den
Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BetrVG gilt ein Betriebsteil als eigenständiger
Betrieb. Liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BetrVG nicht vor, gehört der
Betriebsteil betriebsverfassungsrechtlich zum Hauptbetrieb.
Unstreitig ist vorliegend, dass bei der Beteiligten zu 1) die Leitung der Mitarbeiter
in personellen Angelegenheiten nicht Standort-, sondern allein
geschäftsbereichsbezogen erfolgt; ferner, dass an keinem der Standorte innerhalb
Deutschlands eine Leitung besteht, die die wesentlichen Entscheidungen in
personellen Angelegenheiten trifft. Es besteht vielmehr eine weltweite
Matrixorganisation mit geschäftsbereichsbezogenen Organisations- und
Hierarchiestufen, die unabhängig von den gesellschaftsrechtlichen und
betrieblichen Strukturen in den einzelnen Ländern operiert. Die Entscheidungen
werden dabei je nach Business Unit von ganz unterschiedlichen Personen
52
53
54
werden dabei je nach Business Unit von ganz unterschiedlichen Personen
getroffen, die überwiegend im Ausland tätig und (wohl) teilweise gar nicht bei der
Beklagten selbst beschäftigt sind. Auch in sozialen Angelegenheiten werden
unstreitig die Entscheidungen teilweise für die Mitarbeiter aller Standorte durch die
Geschäftsleitung und teilweise geschäftsbereichsbezogen getroffen. Dies führt
dazu, dass es einen einheitlichen Leitungsapparat, der in der organisatorischen
Einheit am Standort Frankfurt alle wesentlichen Entscheidungen des Arbeitgebers
in personellen und sozialen Angelegenheiten trifft, vor Ort nicht gibt. Der Standort
Frankfurt ist daher nicht als Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 1 BetrVG anzusehen.
Allerdings stellt er eine betriebsratsfähige Einheit als räumlich weit vom
Hauptbetrieb entfernt liegender Betriebsteil gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG dar.
Dabei ist der Standort München der Beteiligten zu 1) als Hauptbetrieb anzusehen,
von dem der Standort Frankfurt räumlich weit entfernt ist. Hauptbetrieb iSv. § 4
Abs. 1 BetrVG ist der Betrieb, in dem Leitungsfunktionen des Arbeitgebers für den
Betriebsteil wahrgenommen werden. Dies entspricht dem Grundsatz, dass
Mitbestimmung dort ausgeübt werden soll, wo die mitbestimmungsrelevanten
unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden (vgl. etwa BAG 9. Dezember
1992 -7 ABR 15/92).
In München hat die Beteiligte zu 1) ihren Sitz. Hier ist damit auch die
Geschäftsführung der GmbH angesiedelt, unabhängig davon, ob die
Geschäftsführer sich tatsächlich regelmäßig in den USA aufhalten. Durch die
Geschäftsleitung werden letztlich auch wesentliche Arbeitgeberfunktionen in
personellen und sozialen Angelegenheiten ausgeübt. Die Beteiligte zu 1) selbst
trägt vor, dass wesentliche Einscheidungen in sozialen Angelegenheiten wie die
erfolgte Einführung der Vertrauensarbeitszeit von der Geschäftsleitung getroffen
wurden, ferner, dass sämtliche Entscheidungen hinsichtlich Entgeltfragen die
Geschäftsleitung trifft. Auch hinsichtlich der personellen Angelegenheiten
entscheidet über das „Ob" wesentlicher Maßnahmen wie etwa den Abbau von
Arbeitsplätzen teilweise allein die Geschäftsleitung sowie über weitere wesentliche
Maßnahmen wie den Ausspruch (betriebsbedingter) Kündigungen mitunter der
Geschäftsführer Herr Sch. gemeinsam mit dem Leiter der Business Unit und Herrn
M.. Dafür, dass der Standort München als Hauptbetrieb anzusehen ist, spricht
zusätzlich, dass Frau J., die stellvertretend für die beiden Geschäftsführer
Ansprech- und Verhandlungspartnerin der Betriebsräte ist, ebenfalls in München
tätig ist. In München ist damit deutschlandweit die größte Entscheidungsnähe
hinsichtlich der mitbestimmungsrelevanten unternehmerischen Entscheidungen
gegeben.
Von diesem Hauptbetrieb ist der Standort der Beteiligten zu 1) in Frankfurt
räumlich weit entfernt. Betriebsteile sind iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG vom
Hauptbetrieb räumlich weit entfernt, wenn wegen dieser Entfernung eine
ordnungsgemäße Betreuung der Belegschaft des Betriebsteils durch einen beim
Hauptbetrieb ansässigen Betriebsrat nicht mehr gewährleistet ist (BAG v. 24.
Februar 1976 - 1 ABR 62/75, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 2; BAG v. 17. Februar 1983 -
6 ABR 64/81, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 4, BAG v. 14. Januar 2004 -7 ABR 26/03). Der
Zweck der Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG besteht darin, den
Arbeitnehmern von Betriebsteilen eine effektive Vertretung durch einen eigenen
Betriebsrat zu ermöglichen, wenn wegen der räumlichen Trennung des
Hauptbetriebs von dem Betriebsteil die persönliche Kontaktaufnahme zwischen
einem dortigen Betriebsrat und den Arbeitnehmern im Betriebsteil so erschwert
ist, dass der Betriebsrat des Hauptbetriebs die Interessen der Arbeitnehmer nicht
mit der nötigen Intensität und Sachkunde wahrnehmen kann und sich die
Arbeitnehmer nur unter erschwerten Bedingungen an den Betriebsrat wenden
können (BAG v. 21. Juni 1995 - 2 AZR 783/94; BAG v. 14. Januar 2004 - 7 ABR
26/03 -, aaO) oder Betriebsratsmitglieder, die in dem Betriebsteil beschäftigt sind,
nicht kurzfristig zu Sitzungen im Hauptbetrieb gelangen können. Maßgeblich ist
sowohl die leichte Erreichbarkeit des Betriebsrats aus Sicht der Arbeitnehmer wie
auch umgekehrt die Erreichbarkeit der Arbeitnehmer für den Betriebsrat. Eine
Bestimmung des unbestimmten Rechtsbegriffs allein nach Entfernungskilometern
kommt daher nicht in Betracht. Es ist vielmehr eine Gesamtwürdigung aller für die
Erreichbarkeit des Hauptbetriebs in Betracht kommenden Umstände
vorzunehmen (BAG 23. September 1982 - 6 ABR 42/81, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 3;
BAG v. 14. Januar 2004 - 7 ABR 26/03 - aaO). Insoweit ist auf die Erreichbarkeit des
Hauptbetriebes mit dem PKW oder aber auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln
abzustellen (vgl. BAG v. 7.5.2008 - 7 ABR 15/07, NZA 2009, 328). Gerichtsbekannt
ist mit dem PKW von Frankfurt nach München eine Fahrzeit von mindestens drei
Stunden notwendig. Mit der Bahn ist ein ähnlicher Zeitaufwand vonnöten. Aber
55
56
57
Stunden notwendig. Mit der Bahn ist ein ähnlicher Zeitaufwand vonnöten. Aber
auch mit dem Flugzeug unter Berücksichtigung der jeweiligen Wege von und zum
Flughafen sowie der Zeit, die man sich vor dem Abflug am Flughafen einfinden
muss, ist ein Zeitaufwand von nicht weniger als zwei Stunden notwendig. Aufgrund
dieser Umstände kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass eine
ordnungsgemäße Betreuung der Mitarbeiter am Standort Frankfurt durch den
Betriebsrat eines Hauptbetriebes in München gewährleistet ist. Ob der Betriebsrat
in München per Post, Telefon oder mittels moderner Kommunikationsmittel
erreichbar ist, ist für die Beurteilung der räumlich weiten Entfernung vom
Hauptbetrieb unerheblich. § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG stellt allein auf die räumliche
Entfernung ab. Dadurch soll eine jederzeitige persönliche Erreichbarkeit des
Betriebsrates für die Arbeitnehmer und der Arbeitnehmer für den Betriebsrat
gewährleistet sein (BAG v. 7.5.2008, aaO).
Der Standort Frankfurt verfügt auch über das nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts für das Vorliegen eines selbständigen Betriebsteils im Sinne
von § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erforderliche Mindestmaß an organisatorischer
Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Erforderlich, aber auch ausreichend
ist insoweit, wenn in der organisatorischen Einheit wenigstens eine Person mit
Leitungsmacht vorhanden ist, die überhaupt Weisungsrechte des Arbeitgebers
ausübt (BAG v. 19.2.2002 - 1 ABR 26/01, AP Nr. 13 zu § 4 BetrVG 1972; BAG v.
28.6.1995 - 7 ABR 59/94, AP Nr. 8 zu § 4 BetrVG 1972; BAG v. 29.5.1991 - 7 ABR
54/90, AP Nr. 5 zu § 4 BetrVG 1972).
Zumindest zwei solche Personen mit Leitungsmacht, die Weisungsrechte des
Arbeitgebers ausüben, sind in der organisatorischen Einheit am Standort Frankfurt
vorhanden, nämlich die beiden Area Manager im Bereich Sales, Herr P. und Herr
R.. Beide sind am Standort Frankfurt tätig und erteilen fachliche Weisungen
gegenüber insgesamt 11 Mitarbeitern des Standortes Frankfurt. Damit üben sie
Weisungsrechte des Arbeitgebers aus. Dass die Mitarbeiter des Geschäftsbereichs
Sales, denen gegenüber die Area Manager fachliche Weisungsbefugnis haben,
nach der Behauptung der Beteiligten zu 1) sehr selbständig und
eigenverantwortlich arbeiten und das Weisungsrecht daher mehr „formell" besteht,
ist unschädlich. Denn zumindest die Befugnis zur Erteilung von Weisungen besteht
und damit die erforderliche Nähe zu Entscheidungen des Arbeitgebers (vgl. BAG v.
19.2.2002, aaO).
Nicht erforderlich ist ferner, dass sich die vorhandene Leitungsmacht vor Ort auf
alle Mitarbeiter der organisatorischen Einheit oder ausschließlich auf diese Einheit
bezieht. Dies kann jedenfalls bei einer vom Arbeitgeber gewählten
Organisationsstruktur, bei der, wie vorliegend, an keinem Standort eine
einheitliche Leitung gerade für den Standort besteht, sondern die
Leitungsbefugnisse allein geschäftsbereichsbezogen ausgeübt werden, nicht
gefordert werden. Denn eine gewisse organisatorische Selbständigkeit der
jeweiligen Einheit ist durch die bestehenden Weisungsrechte vor Ort gegeben.
Gleichzeitig aber kann nur so der in § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zum Ausdruck
gekommenen Zielvorstellung des Betriebsverfassungsgesetzes, eine möglichst
ortsnahe und effektive Interessenvertretung der Arbeitnehmer zu gewährleisten
(vgl. hierzu BAG v.3.12.1985, AP Nr. 28 zu § 99 BetrVG 1972), hinreichend
Rechnung getragen werden. Gerade in Unternehmen, bei denen die
Zuständigkeiten in personellen und sozialen Angelegenheiten arbeitgeberseitig
geschäftsbereichsbezogen organisiert sind und sich daher an keinem Ort eine
organisatorische Einheit mit allein auf diese bezogener Leitungsmacht findet,
wären bei anderer Einschätzung trotz räumlich ganz erheblicher Entfernung und
ggf. sehr speziellen Themen der jeweiligen Arbeitnehmerschaft vor Ort
Betriebsräte nicht mehr zu bilden; bei rein geschäftsbereichsbezogener
Organisation könnte sich sogar die Frage stellen, ob überhaupt auch nur ein
einziger Betrieb im Sinne des BetrVG besteht, in dem ein Betriebsrat zu bilden
wäre. Da sich ein solches Ergebnis mit den Zielsetzungen des
Betriebsverfassungsgesetzes nur schwer vereinbaren lässt, dürfen jedenfalls bei
Vorliegen solcher arbeitgeberseitiger Organisationsstrukturen die Anforderungen
an das Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit einer Einheit nicht
überspannt werden. Ausreichend ist in diesem Fall, dass überhaupt
Weisungsrechte des Arbeitsgebers innerhalb der organisatorischen Einheit
ausgeübt werden.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.