Urteil des ArbG Duisburg vom 07.06.2010

ArbG Duisburg (kläger, arbeitnehmer, mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit, arbeitsunfähigkeit, arbeitgeber, bag, tätigkeit, abgrenzung zu, juristische person, kausalität)

Arbeitsgericht Duisburg, 3 Ca 2775/09
Datum:
07.06.2010
Gericht:
Arbeitsgericht Duisburg
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 Ca 2775/09
Schlagworte:
Schadensersatz, Kausalität, Arbeitsunfähigkeit, behinderungsgerechte
Einrichtung des Arbeitsplatzes, Betriebliches
Eingliederungsmanagement
Normen:
§ 81 Abs. 4 S. 1 SGB IX, § 84 Abs. 1 SGB IX, § 84 Abs. 2 SGB IX § 81
Abs. 4 S. 1 SGB IX, § 84 Abs. 1 SGB IX, § 84 Abs. 2 SGB IX
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Zur schlüssigen Darlegung eines Schadensersatzanspruchs wegen
versäumter Erörterung über die behinderungsgerechte Einrichtung eines
Arbeitsplatzes (§ 280 BGB iVm. §§ 81 Abs. 4 S. 1, 84 Abs. 1 SGB IX)
gehört bei einem arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer, dass dieser
zunächst darlegt, dass seine Arbeitsunfähigkeit nicht auf Umständen
beruht, die jegliche Arbeitsleistung eines jeden Arbeitnehmers
ausschließen. Es handelt sich hierbei um die Darlegung der Kausalität
zwischen vermeintlicher Pflichtverletzung und Schaden, für die der
Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast trägt. Insoweit kann der
Arbeitnehmer sich nicht auf eine Verschiebung der Darlegungs- und
Beweislast berufen (Abgrenzung zu BAG v. 4.10.2005, 9 AZR 632/04).
2. Es bleibt offen, ob eine Verletzung der Verpflichtung zur Durchführung
eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 84 Abs. 2 SGB
IX Schadensersatzansprüche begründen kann
Tenor:
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die klagende Partei trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.Der Streitwert beträgt 35.217,00 €.
4.Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten über Schadensersatz aufgrund Nichtbeachtung der Vorschriften
des SGB IX zum Schutz behinderter und arbeitsunfähig erkrankter Menschen.
2
Der sechzigjährige, verheiratete Kläger begann am 9.8.1982 seine Tätigkeit als Monteur
3
für den Bereich Brandschutz/Feuerschutz bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten.
Zuletzt verdiente der Kläger monatlich mindestens 2.709,00 € brutto.
Für den Kläger war mit Bescheid vom 18.12.2002 ein GdB von 40 festgestellt worden.
Mit Bescheid vom 22.12.2008 wurde der Kläger ab dem 20.10.2008 als
Schwerbehinderter mit einem GdB von 50 anerkannt.
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Der Kläger wies in den letzten Jahren erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten auf,
nämlich im Jahr 2007 4, 10, 9 und 83 Arbeitstage und im Jahr 2008 13, 3 und 129
Arbeitstage. Seit dem 14.7.2008 bis heute ist er ununterbrochen arbeitsunfähig.
Mittlerweile erlosch auch sein Anspruch auf Krankengeld.
5
Mit Schreiben vom 29.12.2008 erklärte die Beklagte die Kündigung des
Arbeitsverhältnisses. Diese Kündigung nahm die Beklagte zurück, da der Kläger sie
spätestens am 13.1.2009 über seine Schwerbehinderung informierte. Die Beklagte
stellte am 5.2.2009 einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung beim zuständigen
Integrationsamt.
6
Der Kläger ließ die Beklagte mit Schreiben vom 10.8.2009 auffordern, eine
Arbeitsbescheinigung gem. § 312 SGB III auszustellen. Die Beklagte weigerte sich mit
Schreiben vom 13.8.2009.
7
Mit Schreiben vom 19.8.2009 ließ der Kläger die Beklagte auffordern, Schadensersatz
für die Zeit ab Januar 2009 in Höhe von 18.963,00 € brutto zu zahlen.
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Am 27.8.2009 brachte die Beklagte den Geschäftsbereich Brandschutz im Wege der
Spaltung zur Neugründung nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes in die C.
5. ein. Infolge dieses gesellschaftsrechtlichen Vorgangs gingen die zum Zeitpunkt des
Übergangs bestehenden Anstellungsverhältnisse des Geschäftsbereichs Brandschutz,
darunter der Kläger, kraft Gesetzes gem. § 613a BGB auf den übernehmenden
Rechtsträger über.
9
Mit Schreiben vom 26.8.2009, das der Kläger am 28.8.2009 erhielt, wurde der Kläger
über den anstehenden Betriebsübergang informiert und auf sein Widerspruchsrecht
aufmerksam gemacht. Der Kläger widersprach dem Betriebsübergang nicht.
10
Mit bei Gericht am 5.11.2009 eingegangener, der Beklagten am 10.11.2009 zugestellter
Klage hat der Kläger die Erteilung einer Arbeitsbescheinigung sowie Zahlung in Höhe
von 27.090,09 € brutto geltend gemacht, wobei es sich bei der Cent-Angabe um einen
Schreibfehler handelte.
11
Zwischenzeitlich erteilte die Beklagte dem Kläger eine Arbeitsbescheinigung gem.
§ 312 SGB III.
12
Mit bei Gericht am 4.2.2010 eingegangener, der Beklagten am 24.2.2010 zugestellter
Klageerweiterung hat der Kläger die Zahlung weiterer 8.127,00 € geltend gemacht.
13
Der Kläger behauptet, die Beklagte habe weder den Arbeitsplatz und das Arbeitsumfeld,
Arbeitszeit und Arbeitsorganisation seiner Behinderung angepasst noch habe sie nach
§ 84 Abs. 2 SGB IX ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement durchgeführt.
Hätte die Beklagte solche Maßnahmen durchgeführt, hätten diese Erfolg gehabt.
14
Die Beklagte hätte bereits im August 2007 aktiv werden müssen, um gemäß § 84 Abs. 2
SGB III die Möglichkeit zu klären, wie seine Arbeitsunfähigkeit künftig hätte überwunden
werden können. Er habe weiterhin Kraftfahrzeuge lenken müssen. Nachdem die
Beklagte den behandelnden Arzt davon unterrichtet habe, dass er einen Auffahrunfall
verursacht habe, sei ihm künftig Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden, da er ja nicht
mehr in der Lage gewesen sei, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, da diese
das Steuern eines Kraftfahrzeugs umfasse. Hätte die Beklagte das betriebliche
Eingliederungsmanagement durchgeführt, so hätten sich Möglichkeiten ergeben, die
Anforderungen an seine Tätigkeit entsprechend anzupassen.
15
Privat fahre er nur noch für kurze Strecken mit dem Auto.
16
Hilfsweise sei der Anspruch auf den fortbestehenden Vergütungsanspruch zu stützen.
17
Der Kläger beantragt,
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1.die Beklagte zu verurteilen, an ihn 27.090,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 15.6.2009 zu zahlen,
19
2.die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.127,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 15.12.2009 zu
zahlen.
20
Die Beklagte beantragt,
21
die Klage abzuweisen.
22
Die Beklagte behauptet, der ordnungsgemäße Nachweis der
Schwerbehinderteneigenschaft sei erst durch Vorlage einer beglaubigten Kopie des
Bescheides am 13.2.2009 erfolgt. Der Kläger habe weder nach dem 20.10.2008 noch
nach dem 13.2.2009 privatrechtliche Ansprüche nach § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX auf
behindertengerechte Beschäftigung geltend gemacht.
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Nachdem sie von dem Grad der Behinderung von 40 erfahren habe, habe sie dem
Kläger eine breitere Leiter zur Verfügung gestellt. Nachdem der Kläger ihr mitgeteilt
habe, dass er aufgrund von zusätzlichen psychischen Problemen starke Medikamente
zu sich nehmen müsse, habe sie die Lage der Arbeitszeit für den Kläger ab dem
25.1.2008 so flexibel angepasst, dass er besagte Medikamente zeitig nehmen und
gleichwohl ein Kraftfahrzeug führen konnte. Weiter habe sie dem Kläger ab dem
25.1.2008 regelmäßig einen Hilfsarbeiter zur Seite gestellt, der das Tragen von
schweren Lasten für den Kläger bei dessen Montagetätigkeit übernommen habe.
24
Nachdem der Kläger am 2.7.2008 einen Auffahrunfall schuldhaft verursacht habe, habe
sie hierüber den behandelnden Arzt informiert. Weiter habe sie mit der Krankenkasse
des Klägers Kontakt aufgenommen.
25
Ein formales betriebliches Eingliederungsmanagement nach den Vorschriften des § 84
Abs. 2 SGB IX habe sie nicht mehr durchgeführt.
26
Die krankheitsbedingten Fehlzeiten dokumentierten, dass auch eine stufenweise
27
Eingliederung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne Erfolg geblieben
wäre.
Der Kläger sei auch privat Auto gefahren. Der Kläger habe es nie abgelehnt, im
Rahmen seiner Tätigkeit ein Kraftfahrzeug zu führen. Die Tätigkeit bei ihr für den Kläger
bringe typischerweise das Führen eines Kraftfahrzeugs mit sich. Das Führen des
Kraftfahrzeugs sei aber nicht die wesentliche, arbeitsrechtlich geschuldeten
Hauptleistungspflichten gewesen.
28
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung Bezug
genommen.
29
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
30
I.
31
Die Klage ist nicht begründet.
32
Der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger aus keinem rechtlichen
Gesichtspunkt zu.
33
1.
34
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil diese
möglicherweise den Anspruch des Klägers auf eine schwerbehindertengerechte
Beschäftigung verletzt hat.
35
Nach § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 u. 5 SGB IX haben schwerbehinderte Arbeitnehmer
Anspruch auf behinderungsgerechte Gestaltung und Ausstattung ihres Arbeitsplatzes.
Die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht kann Schadensersatzansprüche des
Arbeitnehmers aus § 280 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB iVm § 81 Abs. 4 S. 1 SGB
IX begründen. Diese sind auf Ersatz der entgangenen Vergütung gerichtet (BAG v.
4.10.2005, 9 AZR 632/04, NZA 2006, 442).
36
Die Voraussetzungen für einen solchen Schadensersatzanspruch sind nicht dargetan.
37
a)
38
Der Arbeitgeber erfüllt den Beschäftigungsanspruch regelmäßig, wenn er dem
Arbeitnehmer die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit zuweist. Soweit der Vortrag des
Klägers so zu verstehen sein sollte, dass er sich darauf beruft, es wäre auch eine
Beschäftigung denkbar gewesen, bei der ihm nicht das Führen eines Kraftfahrzeuges
oblegen hätte, ist zunächst festzuhalten, dass das Führen eines Kraftfahrzeuges
grundsätzlich zu den Aufgaben eines Brandschutzmonteurs gehört. Es ist deshalb nicht
ersichtlich, welche andere Arbeit die Beklagte dem Kläger hätte zuweisen müssen.
Hierzu hat der Kläger nichts vorgetragen. Er beruft sich vielmehr pauschal auf die
Verletzung der Verpflichtungen nach § 81 Abs. 4 SGB IX und § 84 Abs. 1 und Abs. 2
SGB IX.
39
Soweit der Kläger darauf abstellt, dass er hätte weiterarbeiten können, wenn der
40
Arbeitsplatz umorganisiert worden wäre, ist ein Schadensersatzanspruch ebenfalls nicht
automatisch gegeben.
Der schwerbehinderte Arbeitnehmer kann Anspruch auf eine anderweitige
Beschäftigung haben und, soweit der bisherige Arbeitsvertrag diese
Beschäftigungsmöglichkeit nicht abdeckt, auf eine entsprechende Vertragsänderung.
Kommt eine anderweitige Beschäftigung in Betracht, ist der Arbeitgeber gleichwohl
dann nicht zur Beschäftigung des schwerbehinderten Menschen verpflichtet, wenn ihm
die Beschäftigung unzumutbar oder mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen
verbunden ist, wie nunmehr in § 81 Abs. 4 S. 3 SGB IX ausdrücklich bestimmt ist. Der
Arbeitgeber ist auch nicht verpflichtet, für den schwerbehinderten Menschen einen
zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten (BAG v. 4.10.2005, 9 AZR 632/04, NZA 2006,
442). Es ist deshalb darzulegen, dass 1. eine anderweitige Beschäftigung in Betracht
gekommen wäre, denn der Kläger hat es unwidersprochen gelassen, dass seine
bisherige Tätigkeit das Führen eines Kraftfahrzeuges voraussetzt, und 2. diese
anderweitige Beschäftigung für den Arbeitgeber nicht unzumutbar oder
unverhältnismäßig gewesen wäre.
41
Der Arbeitnehmer hat nach den allgemeinen Regeln grundsätzlich die primäre
Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des
Schadensersatzanspruchs. Steht fest, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht nur
nach einer Umgestaltung oder besonderer Ausstattung seines Arbeitsplatzes erfüllen
kann, hat der Arbeitnehmer zumindest nachvollziehbar darzulegen, welche Maßnahmen
hierzu notwendig sind.
42
b)
43
Für die Frage der Darlegungs- und Beweislast kommt es - entgegen der Ansicht des
Klägers - nicht darauf an, ob die Beklagte ggf. ihre Erörterungspflichten nach § 84 Abs. 1
SGB IX nicht erfüllt hat. Der Kläger hat - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht
unstreitig gestellt, dass § 81 Abs. 4 S. 1 SGB IX iVm. § 84 Abs. 1 SGB IX nicht als
Anspruchsgrundlage in Betracht kommt. Die klagende Partei kann nicht darüber
verfügen, welche Rechtsnorm ihren Anspruch begründen soll. Der Kläger hat lediglich
darauf hingewiesen, dass er von sich aus nicht einen Anspruch auf eine
behindertengerechte Beschäftigung geltend gemacht hat. Damit ist aber noch nichts
dazu gesagt, ob ihm gleichwohl ein Schadensersatzanspruch zusteht, weil § 84 Abs. 1
SGB IX gerade vom Arbeitgeber verlangt, die Initiative zu ergreifen, und dies u. U.
versäumt wurde.
44
Hat der Arbeitgeber seine Erörterungspflichten nach § 84 Abs. 1 SGB verletzt, trifft ihn -
abweichend von obigem unter a) erläuterten Grundsatz - die sekundäre Darlegungslast
dafür, dass ihm auch unter Berücksichtigung der besonderen Arbeitgeberpflicht nach §
81 Abs. 4 SGB IX eine zumutbare Beschäftigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers
nicht möglich war (BAG v. 4.10.2005, 9 AZR 632/04, NZA 2006, 442).
45
Diese Frage kann aber dahinstehen, da seitens des Klägers Ausführungen zur
Kausalität zwischen der vermeintlichen Pflichtverletzung der Beklagten und seinem
Schadensersatzanspruch fehlen. Die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und
Schaden gehört zu den - vom Arbeitnehmer darzulegenden - anspruchsbegründenden
Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch (vgl. BAG v. 27.11.2008, 8 AZR
1023/06, AP Nr. 8 zu § 613a BGB Unterrichtung; BAG v. 16.5.2007, 8 AZR 709/06, NZA
46
2007, 1154, Rn. 92f. bei juris)
Anders als in dem vom BAG am 4.10.2005, 9 AZR 632/04, NZA 2006, 442, zu
beurteilenden Fall war der Kläger während des gesamten Zeitraums, für den er
Schadensersatz verlangt, arbeitsunfähig erkrankt.
47
Ist der Arbeitnehmer aber arbeitsunfähig erkrankt, könnte ihm bereits dem Grunde nach
kein Schadensersatzanspruch zustehen, da Ursache für seine Nichtbeschäftigung nicht
etwa die etwaige unterlassene Umorganisation des Arbeitsplatzes, sondern auch die
Arbeitsunfähigkeit an sich gewesen sein kann.
48
Arbeitsunfähig infolge Krankheit ist der Arbeitnehmer dann, wenn ein
Krankheitsgeschehen ihn außerstand setzt, die ihm nach dem Arbeitsvertrag obliegende
Arbeit zu verrichten, oder wenn er die Arbeit nur unter der Gefahr fortsetzen könnte, in
absehbar naher Zeit seinen Zustand zu verschlimmern (st. Rspr. seit BAG v. 9.1.1985, 5
AZR 415/82, NZA 1985, 562; BAG v. 29.1.1992, 5 AZR 37/91, NZA 1992, 643).
49
Danach ist die Krankheit im Sinne des Gesetzes grundsätzlich in Bezug zur konkreten
Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers in Bezug zu setzen. Die Arbeitsunfähigkeit
stände demnach einer Schadensersatzverpflichtung dann nicht entgegen, wenn bei
ordnungsgemäßer Durchführung der Erörterungspflichten gem. § 84 Abs. 1 SGB IX
festgestellt worden wäre, dass es dem Arbeitgeber zumutbare
Umorganisationsmöglichkeiten gegeben hätte, bei deren Durchführung der Grund für
die Arbeitsunfähigkeit entfallen wäre bzw. der Arbeitgeber bei fehlender Durchführung
der Erörterungspflichten nicht hätte darlegen können, dass es eine solche
Umorganisationsmöglichkeit nicht gibt.
50
Der Kläger übersieht aber in seiner Argumentation, dass darüber hinausgehend
Arbeitsunfähigkeit auch ohne Bezug zur individuell geschuldeten Arbeitsleistung
angenommen werden kann, wenn die Krankheit so geartet ist, dass jegliche
Arbeitsleistung eines jeden Arbeitnehmers ausgeschlossen ist (ErfK/Dörner, 10. Aufl.,
EFZG § 3 Rn. 11). Als Beispiel sind z. B. bestimmte psychische oder ansteckende
Erkrankungen zu nennen oder Erkrankungen, die jegliche Form von Bewegung nicht
mehr ermöglichen.
51
Es wären deshalb seitens des Klägers nähere Darlegungen zur Kausalität erforderlich
gewesen. Es hätte im Einzelnen vorgetragen werden müssen, dass keine
Arbeitsunfähigkeit vorlag in dem Sinne, dass jede denkbare, nach dem Arbeitsvertrag
geschuldete bzw. unter Berücksichtigung von § 81 Abs. 4 SGB IX geänderte Tätigkeit
nicht möglich gewesen wäre. Gerade bei seelischen Beeinträchtigungen,
Hörminderungen, einer Funktionsstörung der Wirbelsäule und des linken Kniegelenks
sowie Unfallfolgen (s. die Begründung zur Anerkennung als Schwerbehinderter) kann
nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die ab dem 14.7.2007
bescheinigte Arbeitsunfähigkeit allein darauf beruhte, dass der behandelnde Arzt
lediglich das Führen eines Kraftfahrzeuges für ausgeschlossen hielt. Deswegen genügt
auch die pauschale Ausführung des Klägers, „nachdem die Beklagte den behandelnden
Arzt des Klägers davon unterrichtete, dass dieser einen Auffahrunfall verursachte, wurde
dem Kläger künftig Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, er war ja nicht mehr in der Lage, die
geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, da diese das Steuern eines Kraftfahrzeugs
umfasste“ nicht für einen substantiierten Vortrag. Die Aussage ist weit gefasst, der
Kläger vermeidet es zudem, klar Stellung zu beziehen, ob er, wenn ihm ein Fahrer zur
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Verfügung gestellt worden wäre, die Arbeit im Übrigen hätte ausführen können. Zudem
sind mit dieser Aussage die erheblichen Arbeitsunfähigkeitszeiten aus den vorherigen
Jahren nicht erklärt. Darüber hinaus hat die Beklagte bestritten, dass die Frage des
Führens eines Kraftfahrzeuges ausschlaggebend für die Feststellung der
Arbeitsunfähigkeit gewesen ist. Zudem hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung
selber zugestanden, weiterhin ein Kraftfahrzeug - wenn auch in eingeschränktem
Umfang - zu führen. Es wären deshalb erst Recht nähere Ausführungen erforderlich
gewesen, damit der Vortrag einer Beweisaufnahme zugänglich gewesen wäre.
Erforderlich wäre es gewesen, dass der Kläger im Einzelnen die entsprechenden
Diagnosen und Feststellungen der behandelnden Ärzte offengelegt hätte. Denn dem
Arbeitgeber sind die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit regelmäßig nicht bekannt.
Deswegen kann jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist, dem
Arbeitgeber nicht die volle sekundäre Darlegungs- und Beweislast für das
Nichtbestehen eines Schadensersatzanspruchs aufgebürdet werden. Aus Sicht der
Kammer ist es widersinnig, der Beklagten für die Frage des Umfangs der
Arbeitsunfähigkeit die sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen. Denn der Arbeitgeber
könnte auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Pflichten gem. § 84 SGB IX nur zu
den Gründen für die Arbeitsunfähigkeit Stellung nehmen, die ihm - gegebenenfalls (!) -
vom Arbeitnehmer mitgeteilt worden wären. Dieser Umweg ist nicht erforderlich, da dem
Arbeitnehmer die seiner Arbeitsunfähigkeit zu Grunde liegenden Ursachen aus der
Natur der Sache heraus bekannt sind. Der Arbeitnehmer könnte deshalb zumindest und
muss auch dazu vortragen, dass bei ihm jedenfalls keine Krankheit vorliegt, die generell
für jede Art von Tätigkeit eine Arbeitsunfähigkeit nach sich zieht. Unterbleibt dies, ist der
Vortrag zur Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden unschlüssig. Davon zu
trennen ist die Frage der Pflichtverletzung. Ob eine Pflichtverletzung vorliegt, beurteilt
sich danach, ob überhaupt ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Einrichtung eines
leidensgerechten Arbeitsplatzes gem. § 81 Abs. 4 SGB IX bestand. Diese Frage mag für
den Arbeitnehmer mangels eigener Kenntnisse prinzipiell schwerer zu beurteilen sein,
so dass insofern die vom BAG befürwortete Darlegungs- und Beweislastverschiebung
berechtigt sein mag. Die Frage der Gründe für seine Arbeitsunfähigkeit kann der
Arbeitnehmer aber von sich aus selbst beantworten.
53
c)
54
Keiner Erörterungen bedarf deshalb auch die Frage, ob die Verpflichtung aus § 84 Abs.
1 SGB IX uneingeschränkt fortbesteht, wenn der Arbeitgeber bereits die Kündigung
ausspricht bzw. das erforderliche Zustimmungsverfahren betreibt. Nach vorläufiger
Einschätzung der Kammer erscheint es widersprüchlich, von einem Arbeitgeber, der der
Ansicht ist, dass ihm ein Recht zur Kündigung zusteht und der deshalb auch bereits die
Ersetzung der Zustimmung beantragt hat, während dieses Verfahrens zu verlangen,
gem. § 84 Abs. 1 SGB IX noch Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten zu erörtern. Der
Arbeitnehmer wird insoweit nicht rechtlos gestellt. Wäre ein solches Vorgehen
erforderlich gewesen, ist in der Regel die Kündigung unwirksam. Auch seinen
Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Verpflichtung zur
behindertengerechten Gestaltung des Arbeitsplatzes kann der Arbeitnehmer verfolgen.
Es entginge ihm lediglich die vom BAG zugestandene Darlegungs- und
Beweislastverschiebung, da der Arbeitgeber seine Erörterungspflicht nicht verletzen
konnte, da sie gar nicht bestand.
55
2.
56
Der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger auch nicht gem. § 280 BGB bzw.
gem. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 84 Abs. 2 SGB IX zu.
57
Es kann dahinstehen, ob § 84 Abs. 2 SGB IX, der die Voraussetzungen sowie die
Anforderungen an ein betriebliches Eingliederungsmanagement regelt, ebenso wie § 81
Abs. 4 SGB IX ein Schutzgesetz zugunsten des Klägers sein kann.
58
Ebenso kann dahinstehen, ob die Beklagte ein betriebliches
Eingliederungsmanagement durchgeführt hat oder inwieweit dieses entbehrlich war.
59
Denn auch für diesen Schadensersatzanspruch wäre es erforderlich, dass die Kausalität
zwischen Pflichtverletzung und Schaden gegeben wäre. Dies wäre vom Kläger
darzulegen gewesen. Da der Vortrag des Klägers wie ausgeführt im entscheidenden
Punkt jedoch nicht eindeutig ist und ebenso gut eine Fallgestaltung umfasst, in der ein
Schadensersatzanspruch ausgeschlossen ist, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt.
60
Einer Vertagung und Einräumung einer Schriftsatzfrist bedurfte es nicht. Dem Kläger ist
eine entsprechende Auflage mit Beschluss vom 4.3.2010 erteilt worden mit Fristsetzung
zum Vortrag sowie Hinweis auf die Folgen eines verspäteten Vorbringens.
61
3.
62
Vergütungsansprüche, auf die sich der Kläger hilfsweise beruft, stehen ihm ebenfalls
nicht zu.
63
Gem. § 611 BGB kann er Vergütung nur verlangen, wenn er die von ihm geschuldete
Gegenleistung, also seine Arbeit, auch tatsächlich erbracht hat. Dies ist unstreitig nicht
der Fall.
64
Dem Kläger steht auch kein Annahmeverzugslohnanspruch gem. § 615 BGB zu. Ist ein
schwerbehinderter oder gleichgestellter behinderter Arbeitnehmer auf Grund seiner
Behinderung außerstande, seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen,
gerät der Arbeitgeber nicht mit der Annahme der Dienste in Verzug. Die vom
Arbeitgeber nach § 296 S. 1 BGB vorzunehmende Handlung besteht nur darin, die vom
Arbeitnehmer geschuldete Leistung hinreichend zu bestimmen und durch Zuweisung
eines bestimmten Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Deshalb ist der Arbeitgeber zur
Vermeidung von Annahmeverzugsansprüchen weder zu einer Vertragsänderung noch
zum Einsatz technischer Arbeitshilfen verpflichtet. Allenfalls können die oben genannten
Schadensersatzansprüche bestehen (BAG v. 4.10.2005, 9 AZR 632/04, NZA 2006,
442). Soweit der Kläger sich darauf berufen sollte, dass ihm ein Arbeitsplatz zur
Verfügung hätte gestellt werden müssen, bei dem das Führen eines Kraftfahrzeuges
ausgeschlossen ist, schuldete die Beklagte im Rahmen des bestehenden
Arbeitsvertrages also gerade nicht, diesem Begehren nachzukommen. Denn unstreitig
gehörte das Führen des Kraftfahrzeuges, wenn auch nicht als Hauptbestandteil, zur
geschuldeten Tätigkeit als Brandschutzmonteurs. Es ist auch schwer vorstellbar, dass
ein Brandschutzmonteur die für die Arbeit erforderlichen Materialien und Werkzeuge zu
Fuß zu den Kunden oder per ÖPNV transportiert. Weitere Ausführungen bedurfte es
deshalb hierzu nicht.
65
4.
66
Da die Hauptforderung nicht besteht, besteht der geltend gemachte Zinsanspruch
ebenfalls nicht.
67
II.
68
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der
Kläger hat hinsichtlich des Anspruchs auf Erteilung einer Arbeitsbescheinigung
teilweise obsiegt. Auch wenn der Rechtsstreit insoweit erledigt ist, ist dies im Rahmen
der Kostenentscheidung zu berücksichtigen. Das Obsiegen fällt jedoch nicht ins
Gewicht, da der anteilige Gegenstandswert für die Arbeitsbescheinigung sich auf
lediglich 250,00 € beläuft und deshalb keine Veränderung hinsichtlich der Gebühren
auslöst.
69
Der Streitwert ist gem. § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO im Urteil festzusetzen.
70
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit ist die Berufung zuzulassen.
Die Auswirkungen einer Arbeitsunfähigkeit auf einen Schadensersatzanspruch gem. §
280 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB iVm. den Vorschriften der §§ 81, 84 SGB IX sind in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung soweit ersichtlich noch nicht abschließend geklärt.
71
Rechtsmittelbelehrung
72
Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
73
B e r u f u n g
74
eingelegt werden.
75
Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
76
Die Berufung muss
77
innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
78
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
0211 7770 2199 eingegangen sein.
79
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
80
Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
81
1.Rechtsanwälte,
82
2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder
Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
83
3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer
84
der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser
Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit
vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
85
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
86
I.
87