Urteil des ArbG Duisburg vom 09.02.2009

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Arbeitsgericht Duisburg, 3 Ca 2486/08
Datum:
09.02.2009
Gericht:
Arbeitsgericht Duisburg
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 Ca 2486/08
Schlagworte:
Ausschlussklausel, Lohnabrechnung, Treu und Glauben
Normen:
§ 242 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Lohnabrechnungen erteilt,
verstößt die Berufung auf eine Ausschlussfrist gegen Treu und Glauben,
wenn der Arbeitnehmer - verspätet - die Zahlung der abgerechneten
Nettogehälter verlangt.
Tenor:
1)Das Versäumnisurteil vom 13.11.2008 wird aufrechterhalten.
2)Die Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
3)Der Streitwert beträgt 2.393,14 Euro.
4)Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche.
2
Der am 01.08.1974 geborene Kläger trat aufgrund Arbeitsvertrages vom 13.11.2007 zum
01.10.2007 als Einschaler in die Dienste der Beklagten, die ein Bauunternehmen
betreibt.
3
Im Arbeitsvertrag wurde vereinbart, dass sich der Arbeitsvertrag nach den jeweils
geltenden Tarifverträgen der infrage kommenden Sparte richtet. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird Bezug genommen auf die Anlage K 1 (Bl. 9 ff.
der Akte).
4
Der Kläger war für die Beklagte im Oktober und November 2007 tätig. Die Leistungen
des Klägers rechnete die Beklagte am 15.11.2007 für Oktober 2007 in Höhe von
1063,29 € netto und am 17.01.2008 für November 2007 in Höhe von 1329,85 € netto ab.
Wegen der Einzelheiten der Abrechnungen wird Bezug genommen auf die Anlagen K 2
und K 3 (vgl. Bl. 13 ff. der Akte).
5
Eine Zahlung erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 23.11.2007 erklärte die Beklagte, dass
das Arbeitsverhältnis am gleichen Tag endet.
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Mit bei Gericht am 25.08.2008 eingegangenem Antrag vom 20.08.2008 beantragte der
Kläger den Erlass eines Mahnbescheides über die Nettosummen. Antragsgemäß hat
das Arbeitsgericht am 09.09.2008 den Mahnbescheid erlassen, der der Beklagten am
15.09.2008 zugestellt worden ist. Hiergegen hat die Beklagte mit bei Gericht am
25.09.2008 eingegangenem Schriftsatz Widerspruch eingelegt.
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Mit bei Gericht am 22.10.2008 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger die
Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt.
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Antragsgemäß hat das Gericht am 13.11.2008 ein Versäumnisurteil verkündet, das der
Beklagten am 26.11.2008 zugestellt worden ist. Mit bei Gericht am 03.12.2008
eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte Einspruch eingelegt.
9
Der Kläger behauptet, er habe die Zahlung mit Schreiben vom 15.02.2008 geltend
gemacht.
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Der Kläger beantragt,
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das Versäumnisurteil vom 13.11.2008 aufrechtzuerhalten.
12
Die Beklagte beantragt,
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das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
14
Die Beklagte behauptet, sie habe das Geltendmachungsschreiben vom 15.02.2008
nicht erhalten.
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Die Beklagte ist der Ansicht, die Ansprüche des Klägers seien aufgrund der
tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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I.
19
Das Versäumnisurteil ist aufrechtzuerhalten, da die Klage begründet ist.
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1.
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Der Kläger kann von der Beklagten gemäß § 611 BGB in Verbindung mit dem
vereinbarten Arbeitsvertrag die Bezahlung der abgerechneten Nettolöhne verlangen.
22
Unstreitig geblieben ist, dass der Kläger für Oktober 2007 einen Anspruch auf Zahlung
von 1063,29 € und für November 2007 einen Anspruch auf Bezahlung von 1329,85 €
netto hat.
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Entgegen der Ansicht der Beklagten sind diese Ansprüche nicht verfallen.
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Die Beklagte kann sich nicht auf die Ausschlussklausel im Bundesrahmentarifvertrag für
das Baugewerbe vom 04.07.2002 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom
20.08.2007 (im folgenden: BRTV) berufen.
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Auf den BRTV wurde zulässigerweise Bezug genommen. Zudem ist der BRTV mit
Wirkung ab 01.10.2007 für allgemeinverbindlich erklärt worden.
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Dem Grunde nach galt mithin die in § 15 BRTV normierte Ausschlussklausel, nach der
alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis [...] verfallen, wenn sie nicht
innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei
schriftlich erhoben werden. [...] Erklärt sich die Gegenpartei nicht innerhalb von zwei
Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht
innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich
geltend gemacht wird. [...]
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Die Ansprüche des Klägers waren gem. § 5 Nr. 7.2 BRTV spätestens am 15. des
Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den der Lohn zu zahlen ist. Demnach waren
die Ansprüche des Klägers am 15.11.2007 und am 15.12.2007 fällig, so dass die erste
Stufe der Ausschlussfrist am 15.01.2008 und am 15.02.2008 ablief. Da eine
Geltendmachung frühestens mit Schreiben vom 15.02.2008 erfolgte, dessen Zugang bei
der Beklagten am gleichen Tag durch den Kläger nicht behauptet wurde, wären die
Ansprüche demnach verfallen.
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Der Beklagten ist es allerdings gem. § 242 BGB nach Treu und Glauben verwehrt, sich
auf die Ausschlussklausel zu berufen. Dies folgt daraus, dass sie die vom Kläger
geltend gemachten Zahlungsansprüche bereits abgerechnet hat. Der Kläger konnte
deshalb darauf vertrauen, dass die Beklagte ohne weitere schriftliche Geltendmachung
die von ihr selbst abgerechneten Entgelte bezahlen wird.
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Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck einer Ausschlussklausel, für eine alsbaldige
Klarheit im Arbeitsverhältnis zu sorgen. Denn wenn der Arbeitgeber eine
Lohnabrechnung vorbehaltlos erstellt, steht zumindest für den Empfänger der
Lohnabrechnung fest, dass auch der Arbeitgeber davon ausgeht, dass die
entsprechenden Beträge auf der von ihm errechneten Basis geschuldet sind. Von daher
besteht zwischen den Parteien keinerlei Veranlassung für irgendeine Art von Unklarheit,
ob noch Ansprüche geltend gemacht werden können. Es wäre in jeder Hinsicht
sinnwidrig, vom Arbeitnehmer in dieser konkreten Situation noch eine weitere
Geltendmachung zu verlangen, wenn sich der Arbeitnehmer auf die Forderung der in
den Abrechnungen ausgewiesenen Nettobeträge beschränkt. Im Hinblick auf die
vorbehaltlosen Lohnabrechnungen stellt sich die Berufung auf die Ausschlussfrist als
ein widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) dar (vgl. LAG
Rheinland-Pfalz vom 17.01.2005, 7 Sa 800/04).
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2.
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Der Zinsanspruch steht dem Kläger aus Verzug gem. §§ 286, 288 BGB zu.
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Der Kläger kann jedenfalls Zinsen seit dem 23.02.2008 verlangen. Die Ansprüche des
Klägers waren gem. § 5 Nr. 7.2 BRTV spätestens am 15. des Folgemonats fällig (s. o.).
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Damit ist die Fälligkeit kalendermäßig bestimmt gewesen. Die geltend gemachten
Zinsen können somit verlangt werden, ohne dass es darauf ankommt, ob das
Forderungsschreiben vom 15.02.2008 tatsächlich der Beklagten zuging.
Die geltend gemachte Zinshöhe entspricht dem gesetzlichen Zinssatz gem. § 288 BGB.
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II.
35
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO i.V.m. § 344 ZPO.
36
Der Streitwert ist gem. § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO im Urteil festzusetzen. Er entspricht
im Übrigen den gem. § 63 Abs. 2 GKG festzusetzenden Streitwert für die
Gerichtsgebühren.
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Gem. § 64 Abs. 3 a ArbGG ist im Urteilstenor klarzustellen, ob die Berufung gesondert
zugelassen wird. Für eine besondere Zulassung der Berufung nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 bis
3 ArbGG bestand keine Veranlassung. Hiervon unberührt bleibt die Zulässigkeit der
Berufung aus anderen Gründen, insbesondere gem. § 64 Abs. 2 b ArbGG für den Fall,
dass der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 € übersteigt (vgl. hierzu die
nachfolgende Rechtsmittelbelehrung).
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
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Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
0211 7770 2199 eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
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Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
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1.Rechtsanwälte,
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2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder
Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer
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der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser
Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit
vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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- I. -
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