Urteil des ArbG Duisburg vom 29.01.2009

ArbG Duisburg: betriebsrat, juristische person, arbeitsgericht, mitbestimmungsrecht, arbeitsplatzbewertung, organisation, dienstleistung, vergütung, besoldung, bahn

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Schlagworte:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Arbeitsgericht Duisburg, 1 BV 116/08
29.01.2009
Arbeitsgericht Duisburg
1. Kammer
Beschluss
1 BV 116/08
Arbeitsplatzbewertung Beamte
§ 99 BetrVG
Arbeitsrecht
"Der Betriebsrat ist bei der tariflichen Bewertung von Arbeitsplätzen der
Beamten bei der Dt. Bahn AG nicht zu beteiligen. (Anschluss an BAG 1
ABR 31/95)."
Der Antrag wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I.
Der antragstellende Betriebsrat begehrt die Beteiligung bei der Arbeitsplatzbewertung von
zugewiesenen Beamten.
Arbeitgeberin ist die E.. Im Betrieb der Arbeitgeberin werden Arbeiter und Angestellte sowie
Beamte beschäftigt. Nach der Einführung neuer Tarifverträge im Jahre 2008 wurden neue
Entgeltstrukturen vereinbart und angewandt. Die Arbeitsplätze wurden tariflich neu
bewertet. Der antragstellende Betriebsrat wurde bei der Bewertung der Arbeitsplätze der
gewerblichen Arbeitnehmer und der Angestellten gem. § 99 BetrVG beteiligt. Bei der
Bewertung von Arbeitsplätzen, die mit Beamten besetzt waren, wurde dem
antragstellenden Betriebsrat die Bewertung mitgeteilt.
Beamte gelten als Arbeitnehmer gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 DBGrG (Deutsche Bahn
Gründungsgesetz) im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Dienstbehörde ist das BEV
(Bundeseisenbahnvermögen). Die Beamten sind dem Arbeitgeber zur Dienstleistung
zugewiesen. Die Vergütung erfolgt durch das BEV nach beamtenrechtlichen Grundsätzen.
Der Arbeitgeber zahlt für die Inanspruchnahme der Dienstleistung Entgelte an das BEV.
Die Höhe der Zahlung hängt ab von der tariflichen Bewertung der Arbeitsplätze, die die
Beamten besetzen.
Die tarifliche Bewertung der mit Beamten besetzten Arbeitsplätze wird auch bei der
Festlegung der Höchstzahlen für Beförderungsposten der Beamten mit zugrunde gelegt.
Aufgrund einer tariflichen Regelung hängt von der Eingruppierung des von dem Beamten
besetzten Arbeitsplatzes auch ab, ob er einen Anspruch auf Zahlung einer
Jahresabschlussleistung bzw. einer Zielvereinbarung hat.
Der antragstellende Betriebsrat ist der Auffassung, die tatsächlichen Verhältnisse hätten
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sich seit dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes vom 12.12.1995 (1 ABR 31/95)
wesentlich geändert. Dies folge insbesondere daraus, dass bei der Festlegung der
Höchstzahlen für die Beförderungsdienstposten verstärkt die tarifliche Bewertung der
Arbeitsplätze, die von Beamten besetzt sind, berücksichtigt wird und daraus, dass die
Ansprüche auf eine Zulage, genannt: „Jahresabschlussleistung“, von der Bewertung des
Arbeitsplatzes abhängt. Daher seien die damaligen Gründe der Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichtes mittlerweile nicht mehr zutreffend.
Der antragstellende Betriebsrat ist der Auffassung, die Situation der beamteten Mitarbeiter
der Arbeitgeberin, insbesondere die Beförderungsmöglichkeiten, hätten sich erheblich
verschlechtert. Die Belange der Beamten könnten auch durch den neben dem Betriebsrat
bestehenden Personalrat nach § 17 DBGrG nicht hinreichend vertreten werden, da auch
dieser nicht an der Bewertung der Arbeitsplätze beteiligt sei.
In der mündlichen Verhandlung vertrat der antragstellende Betriebsrat die Auffassung,
zumindest analog § 99 BetrVG sei der Betriebsrat zu beteiligen.
Der Betriebsrat beantragt,
festzustellen, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Betriebsrat
bei der Arbeitsplatzbewertung/Eingruppierung von Arbeitsplätzen,
die mit zugewiesenen Beamten besetzt sind, zu beteiligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, bei dem Bewertungsverfahren sei dem Antragsteller auch Gelegenheit
gegeben worden in Eingruppierungskonferenzen, hinsichtlich der Bewertung der mit
Beamten besetzten Arbeitsplätze Stellung zu nehmen. Soweit keine Einigung erzielt
worden sei, hätten die Beteiligten dann in einem gemeinsamen Tarifberatungsausschuss
die strittigen Fälle erneut beraten und Empfehlungen abgegeben. Dies sei geschehen ohne
rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers als freiwillige Maßnahme.
Die Bewertung der mit Beamten besetzten Arbeitsplätze sei nur für die
Personalkostenerstattung an das BEV erforderlich und habe keine Auswirkungen auf die
monatlichen Bezüge der Beamten, da diese durch bundesgesetzliche
Besoldungsregelungen festgesetzt seien. Es handele sich im Ergebnis nicht um eine
Eingruppierung, weshalb ein Mitbestimmungsrecht nicht bestehe.
Die Mitbestimmung nach § 99 BetrVG diene nicht dem Zwecke der Gewährleistung einer
über die jeweiligen Vergütungsregelungen hinaus gehenden Lohngerechtigkeit,
insbesondere bei der Gewährung etwaiger Zulagen oder Sozialleistungen.
Bereits zum Zeitpunkt der zitierten bundesarbeitsgerichtlichen Entscheidung aus dem
Jahre 1995 habe es leistungsabhängige Zulagen in der Abhängigkeit von der
Zugehörigkeit zur Entgeltgruppe E 1 bis E 11 bzw. AT 1 bis AT 4, gegeben, so dass
insoweit der Sachverhalt unverändert sei.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes vom 12.12.1995 (1 ABR 31/95, AP Nr. 6 zu §
99 BetrVG 1972 Eingruppierung), steht der Zulässigkeit des vorliegenden Antrags nicht
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entgegen. Er betrifft nicht die Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreites. Beteiligt war ein
anderer Betriebsrat.
Darüber hinaus sind Beschlüsse im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren sowohl der
formellen als auch der materiellen Rechtskraft fähig (BAG vom 20.03.1996, 7 ABR 41/95).
Diese wirkt jedoch nur solange, wie sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht
wesentlich geändert hat (BAG, a.a.O., Arbeitsgericht Düsseldorf, 6 BV 181/08 vom
18.12.2008).
Eine wesentliche Änderung des tatsächlichen Zustandes vom damaligen Sachverhalt wird
vorliegend ausdrücklich behauptet und dargelegt. Im einzelnen hat der Antragsteller
zumindest dargetan, dass die Ermittlung der Beförderungshöchstzahlen abhängig ist von
den Bewertungen der Arbeitsplätze der Beamten und dass darüber hinaus die Bewertung
in Form der Zuordnung der Jahressonderleistung anderen Einfluss auf die Vergütung
haben kann, als im Jahre 1995.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Die tarifliche Bewertung der Arbeitsplätze der Beamten stellt keine Eingruppierung im
Sinne des § 99 BetrVG dar.
Eine Eingruppierung ist die Zuordnung der von einem Arbeitnehmer vertragsgemäß
auszuübenden Tätigkeiten zu einer bestimmten Vergütungsgruppe der maßgeblichen
Vergütungsordnung. Die Beteiligung des Betriebsrates an der Rechtsanwendung durch
den Arbeitgeber soll eine Richtigkeitsgewähr für das Ergebnis mit sich bringen und damit
der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und Transparenz der Eingruppierungen dienen
(Arbeitsgericht Düsseldorf, a.a.O., BAG vom 17.06.2008, 1 ABR 37/07, EzA § 99 BetrVG
2001, Umgruppierung Nr. 4).
Die Bewertungen der Arbeitsplätze der Beamten stellen keine Eingruppierungen im Sinne
des § 99 BetrVG dar. Es geht nicht um die Zuordnung der beschäftigten Beamten zu einer
Vergütungsordnung und damit der individuellen Lohnfindung. Die zugrunde liegende
Vergütungsordnung ist der KonzernETV. Dieser gilt für die Beamten nicht (Arbeitsgericht
Düsseldorf, a.a.O.). Die für die Beamten maßgebende Vergütungsordnung ist allenfalls das
Bundesbesoldungsgesetz. Die Vergütungsordnung, die das Betriebsverfassungsgesetz
zugrunde legt, bezieht sich auf Arbeitsverhältnisse und nicht auf Beamte. Die Besoldung
der hier in Frage stehenden Beamten wird durch das BEV durchgeführt.
Die interne Verrechnung der Personalkosten zwischen der beteiligten Arbeitgeberin und
dem BEV beruht auf der Bewertung der Arbeitsplätze, auf denen Beamte eingesetzt sind.
Diese Bewertung ist jedoch für die Besoldung des einzelnen Beamten ohne Bedeutung
(BAG vom 12.12.1995, a.a.O.).
Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates im Sinne des § 99 BetrVG ist auch nicht
dadurch eröffnet, dass die Höchstzahlen der Beförderungsposten und damit im Ergebnis
die Beförderungschancen der Beamten durch die Bewertung der Dienstposten zumindest
maßgeblich mit beeinflusst wird.
Das BetrVG billigt dem Betriebsrat keine Mitbestimmungsrechte zu hinsichtlich der
Gestaltung des Stellenkegels des Arbeitgebers, insbesondere nicht, soweit es sich gar
nicht um Arbeitnehmer, sondern um Beamte handelt. Insoweit sind die Beamten auch nicht
rechtlos gestellt, sondern ggf. findet bei möglichen Beförderungen eine Mitwirkung der
Personalvertretung nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz statt (vgl. insoweit BAG,
a.a.O.). Zwar ist dem Betriebsrat zuzubilligen, dass die Interessen der Beamten hinsichtlich
ihrer Beförderungsmöglichkeiten von der Bewertung der Dienstposten zumindest mittelbar
betroffen sind. Dies eröffnet jedoch nach dem BetrVG noch kein Mitbestimmungsrecht. Eine
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analoge Anwendung des § 99 BetrVG, wie vom Betriebsrat reklamiert, kann daraus
ebenfalls nicht abgeleitet werden. Eine Regelungslücke hinsichtlich der Beamten ist
angesichts der Geltung des Personalvertretungsgesetzes nicht ersichtlich. Soweit der
Gesetzgeber ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Zurverfügungstellung von
Beförderungsmöglichkeiten nicht vorgesehen hat, ergibt sich dies auch nicht aus einer
unmittelbaren oder analogen Anwendung des § 99 BetrVG.
Das Gleiche gilt hinsichtlich der Zahlung der Jahresabschlussleistungen gegenüber den
Beamten. Hier wird zwar eine Geldleistung an die betroffenen Beamten berührt. Diese wird
auch durch die Bewertung des Dienstpostens mit beeinflusst. Es handelt sich jedoch nicht
um eine Eingruppierung im Sinne des § 99 BetrVG, selbst wenn insoweit der
Beamtenstatus außer Betracht bliebe.
Zwar ist der Betriebsrat auch dann zu beteiligen, wenn einem Arbeitnehmer eine
außertarifliche Entlohnung zugesichert wird. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der
Arbeitnehmer nicht unter den Geltungsbereich der für den Betrieb maßgeblichen
Vergütungsordnung fällt (Fitting, 23. Aufl., § 99, Rz. 80). Bei den
Jahresabschlussleistungen handelt es sich um Arbeitsentgelte im Einzelfall. Hiervon
unabhängig ist die Frage eines eventuellen Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates nach
§ 87 Abs. 1 Ziffer 10 ggf. zu beurteilen. Die Zahlungen von Gratifikationen einschließlich
Jahresabschlussvergütungen unterliegen ggf. dem Mitbestimmungsrecht dieser Norm. Dies
ist jedoch nicht zu verwechseln mit der Eingruppierung nach § 99 BetrVG. Die Zuordnung
eines Arbeitsplatzes eines Beamten zu einer bestimmten Tarifgruppe eröffnet ihm allenfalls
die Möglichkeit der Teilhabe an Jahresabschlussvergütungen, sie definiert nicht
automatisch jedoch bereits die Höhe der jeweiligen Leistung und ist daher ebenfalls keine
Eingruppierung.
Der Antrag war daher zurückzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss kann von dem Betriebsrat
B e s c h w e r d e
eingelegt werden.
Für die Arbeitgeberseite ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.
Die Beschwerde muss
innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
0211 7770 2199 eingegangen sein.
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf
Monaten nach Verkündung des Beschlusses.
Die Beschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1.Rechtsanwälte,
2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der
in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich
die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder eines
anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der
Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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