Urteil des ArbG Düsseldorf vom 20.01.2010

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Arbeitsgericht Düsseldorf, 8 Ga 1/10
Datum:
20.01.2010
Gericht:
Arbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 Ga 1/10
Schlagworte:
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Untersagung einer
Stellenbesetzung
Normen:
Art. 33 Abs. 2 GG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Das grundrechtsgleiche Recht auf rechtsfehlerfreie Einbeziehung in die
Bewerberauswahl wird nicht verletzt, wenn die Auswahlkriterien des Art.
33 Abs. 2 GG beachtet werden kann.
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Streitwert: 4.085,79 €.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Untersagung einer
Stellenbesetzung bis zum rechtskräftigen Abschluss des noch folgenden
Hauptsacheverfahrens im einstweiligen Verfügungsverfahren.
2
Im September 2009 suchte die Beklagte mit Stellenausschreibung in der O. (NMZ, Seite
15) eine Gruppenleitung für den Fachbereich Tasteninstrumente; Kursangebote für
Erwachsene. Wegen des genauen Inhalts dieser Stellenausschreibung wird auf Blatt 44
der Gerichtsakte Bezug genommen.
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Der Verfügungskläger, der Magister B. für Pädagogik und Berufspädagogik,
Konzertpianist, Violinist, Bratschist, Musikpädagoge sowie Gründer und Leiter der
Internationalen Akademie für Musikpädagogik (IAMP) ist, bewarb sich am 28.09.2009
auf diese Stelle bei der Beklagten. Wegen des Inhalts des Bewerbungsschreibens und
die darin vom Verfügungskläger selbst geschilderte berufliche Qualifikation wird auf
Blatt 5 bis 9 der Gerichtsakte sowie auf den Schriftsatz des Klägers vom 20.01.2010
(Blatt 83 f., 88 bis 100 der Gerichtsakte) verwiesen.
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Mit Schreiben vom 21.12.2009, dem Kläger zugegangen am 29.12.2009, lehnte die
Beklagte die Bewerbung des Klägers ab und führte aus:
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"Ich bitte um Verständnis dafür, dass Sie diesmal in das Auswahlverfahren nicht
aufgenommen werden konnten."
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In der mündlichen Verhandlung am 20.01.2010 legte die Beklagte die
Bewerbungsunterlagen des Bewerbers zur Einsicht für die Kammer und den Kläger vor,
mit dem die Stelle besetzt werden soll. Daraus war ersichtlich dass dieser Bewerber am
12.10.1982 im Saarland die staatliche Musiklehrerprüfung mit dem Hauptfach Klavier
mit Auszeichnung ablegte, die erste Staatsprüfung Lehrer an Gymnasien im Fach Musik,
Nebenfach Französisch mit gut absolvierte, die Konzertreife Klavier besitzt und
außerdem 1997 an einem berufsbegleitenden Lehrgang zum Thema Führung und
Leitung einer Musikschule mit sehr gutem Erfolg teilnahm. Außerdem besuchte er eine
Fortbildung zum Thema Beurteilung. Der Bewerber, mit dem die Stelle besetzt werden
soll, ist seit 1990 als Leiter der Abteilung Tasteninstrumente an der Musikschule in C.
erfolgreich tätig. Mit diesem Bewerber hat die Beklagte bislang keinen Arbeitsvertrag
abgeschlossen.
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Der Kläger, der eine Berufserfahrung in einer städtischen Musikschule unstreitig nicht
aufweist, rügt die eignungswidrige, ggf. geschlechtswidrige Benachteiligung sowie die
Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 33 Abs. 2, 19 Abs. 4, 12 Abs. 1 und 28 Abs. 1 S.
3 GG. Er ist der Ansicht, dass die Beklagte das Bewerbungsverfahren wiederholen
müsse. Er könne nicht nachvollziehen, was die Beklagte daran gehindert habe, im
Hinblick auf seinen bisherigen Werdegang und im Vergleich zu anderen Bewerberinnen
und Bewerbern, sich für seine Bewerbung zu entscheiden. Außerdem meint der Kläger,
er habe Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte.
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Der Kläger beantragt,
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der Beklagten zu untersagen im Wege von § 62 Abs. 2 ArbGG - zur Vermeidung eines
vom Gericht ggf. festzusetzenden Ordnungsgeldes -, die Stelle: Fachgruppenleitung
Tasteninstrumente vor Abschluss des noch folgenden Hauptsacheverfahrens mit einem
anderen Bewerber/mit einer anderen Bewerberin als ihm zu besetzen.
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Die Beklagte beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger habe nicht zum Vorstellungsgespräch
eingeladen werden müssen, weil er das Anforderungsprofil nicht erfülle bzw. hierfür
keinen Nachweis erbracht habe. Demgegenüber erfülle der ausgewählte Bewerber das
Anforderungsprofil geradezu perfekt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen
Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
15
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zwar zulässig, aber
unbegründet.
16
I.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung einer
Stellenbesetzung bis zum rechtskräftigen Abschluss des noch folgenden
Hauptsacheverfahrens. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen
Verfügung nach § 62 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 935 ff. ZPO sind vorliegend mangels des
erforderlichen Verfügungsanspruches nicht gegeben.
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1. Ein Anspruch auf Einstellung in den öffentlichen Dienst kann sich unmittelbar aus
Artikel 33 Abs. 2 GG ergeben, sofern sämtliche Einstellungsvoraussetzungen in der
Person des Bewerbers erfüllt sind und dessen Einstellung die einzig rechtmäßige
Entscheidung der Behörde ist, weil jede andere Entscheidung sich als rechtswidrig oder
ermessensfehlerhaft darstellen würde (vgl. BAG, Urteil vom 24.03.2009 - 9 AZR 277/08,
EzA Art. 33 GG Nr. 36; BAG, Urteil vom 09.11.1994 - 7 AZR 19/94, EzA Art 33 GG Nr.
15). Gemäß Artikel 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung
und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Jede Bewerbung
muss nach diesen Kriterien beurteilt werden. Öffentliche Ämter im Sinne des Artikel 33
Abs. 2 GG sind sowohl Beamtenstellen als auch solche Stellen, die von Arbeitnehmern
besetzt werden können. Art. 33 Abs. 2 GG dient zum einen dem öffentlichen Interesse
an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes, dessen
fachliches Niveau und rechtliche Integrität gewährleistet werden sollen. Zum anderen
trägt Art. 33 Abs. 2 GG dem berechtigten Interesse des Bewerbers an seinem
beruflichen Fortkommen Rechnung (vgl. BAG, Urteil vom 24.03.2009 - 9 AZR 277/08,
EzA Art. 33 GG Nr. 36; BAG, Urteil vom 19.02.2008 - 9 AZR 70/07, EzA Art 33 GG Nr.
34). Die Bestimmung begründet ein grundrechtsgleiches Recht auf rechtsfehlerfreie
Einbeziehung in die Bewerberauswahl und auf deren Durchführung anhand der in Art.
33 Abs. 2 GG genannten Auswahlkriterien (vgl. BAG, Urteil vom 24.03.2009 - 9 AZR
277/08, EzA Art. 33 GG Nr. 36; BAG, Urteil vom 23.01.2007- 9 AZR 492/06, EzA Art 33
GG Nr. 30, BVerwG, Urteil vom 25.11.2004 - 2 C 17.03, zitiert nach Juris). Die Bewerber
können verlangen, dass die Auswahlentscheidung nach den in Art. 33 Abs. 2 GG
genannten Kriterien erfolgt. Nur der am besten geeignete Bewerber für die
ausgeschriebene Stelle hat einen Besetzungsanspruch (vgl. BAG, Urteil vom
21.01.2003 - 9 AZR 72/02, EzA Art 33 GG Nr. 25).
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2. Der Antrag auf Untersagung der Stellenbesetzung bis zum Abschluss des
Hauptsacheverfahrens ist unter Zugrundelegung der vorstehenden Rechtsprechung
unbegründet, das grundrechtgleiche Recht des Klägers auf rechtsfehlerfreie
Einbeziehung in die Bewerberauswahl und auf deren Durchführung anhand der in
Artikel 33 Abs. 2 GG genannten Auswahlkriterien ist durch die Beklagte nicht verletzt
worden.
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Die Beklagte hat einen Bewerber ausgewählt, der nach Ansicht der Kammer
offensichtlich hervorragend für die ausgeschriebene Stelle geeignet ist.
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Aufgrund seiner bereits vorhandenen Berufserfahrungen im Rahmen der Leitung der
Abteilung Tasteninstrumente der Musikschule in C. kann dieser Bewerber nahezu ohne
Einarbeitungszeit die Aufgaben aus der ausgeschriebenen Stelle übernehmen. Zum
einen ergibt sich aus den von dem ausgewählten Bewerber besuchten
Fortbildungsveranstaltungen, dass er über besondere Kenntnisse im Bereich der
Personalführung und auch der Beurteilung verfügt. Zum Anderen war er aufgrund seiner
bisherigen Position bereits mit derartigen Aufgaben betraut. Soweit der Kläger sich in
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diesem Zusammenhang im Rahmen der mündlichen Verhandlung darauf berufen hat,
externe Bewerber würden durch diese Sichtweise im Vergleich zu den aus dem
öffentlichen Dienst stammenden Bewerbern ungerecht behandelt, führt dies nicht zu
einer anderen Einschätzung. Besondere Berufserfahrungen aufgrund einer
Beschäftigung auf gleichen oder vergleichbaren Stellen dürfen nicht nur, sondern
müssen im Rahmen der Bestenauslese berücksichtigt werden. Die Tätigkeit des
Klägers im Rahmen der Internationalen Akademie für Musikpädagogik kann der
Wahrnehmung der Aufgaben eines Leiters der Abteilung Tasteninstrumente der
Musikschule in C. nicht gleichgestellt werden. Die Wahrnehmung von
Führungsaufgaben im Rahmen des öffentlichen Dienstes setzt spezielle Kenntnisse im
öffentlichen Dienstrecht voraus, die durch die Wahrnehmung von Führungsaufgaben in
der Privatwirtschaft nicht erlangt werden können. Hier ist der beamtenrechtliche
Führungsbegriff, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörterte,
zugrundezulegen und nicht der vom Kläger bevorzugte pädagogische Führungsbegriff.
Die Papierform des ausgewählten Bewerbers hinsichtlich seiner musikalischen und
auch pädagogischen Qualifikation entspricht nach Ansicht der Kammer zumindest
ebenso wie die des Klägers dem Anforderungsprofil der Stellenausschreibung. Gesucht
wurde jemand mit einer abgeschlossenen pianistischen Berufsausbildung und unter
anderem einer aktiven pädagogischen Persönlichkeit. Der ausgewählte Bewerber legte
am 12.10.1982 im Saarland die staatliche Musiklehrerprüfung mit dem Hauptfach
Klavier mit Auszeichnung ab, absolvierte die erste Staatsprüfung Lehrer an Gymnasien
im Fach Musik, Nebenfach Französisch mit gut und besitzt die Konzertreife Klavier. Der
Kläger ist Musikpädagoge und Konzertpianist.
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Im Rahmen der Bestenauslese, die der öffentliche Arbeitgeber vorzunehmen hat, muss
auch ein guter - sogar ein sehr guter - Bewerber gegenüber einem offensichtlich besser
Geeigneten zurücktreten.
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II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 91 Abs. 1,
269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
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Der nach § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Rechtsmittelstreitwert wurde von
der Kammer auf die Hälfte eines durchschnittlichen Quartalsbezugs der für die
ausgeschriebene Stelle vorgesehenen Vergütung festgesetzt. Das Tabellenentgelt im
ersten Jahr nach der Einstellung, d.h. in der Stufe 1 beträgt im Bereich der Kommunen in
der Entgeltgruppe 12 2.723,86 € brutto. Ein Vierteljahresbezug beliefe sich auf 8.171,58
€, 50 davon sind 4.085,79 €.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
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Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
0211 7770 2199 eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
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Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
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1. Rechtsanwälte,
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2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich
die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder
eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der
Bevollmächtigten haftet.
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Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Gez. E.
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