Urteil des ArbG Düsseldorf vom 17.10.2008

ArbG Düsseldorf: kündigung, vollmacht, juristische person, arbeitsgericht, schiedsstelle, unverzüglich, bevollmächtigung, fax, verkündung, zustellung

Arbeitsgericht Düsseldorf, 13 Ca 8335/07
Datum:
17.10.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 Ca 8335/07
Schlagworte:
...
Normen:
...
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Aus der Vollmachtteilung zur Führung von Verhandlungen ergibt sich
weder die Vollmacht zum Abschluss des Vertrages noch zu dessen
Kündigung.
2. Ob die Erteilung und Bekanntgabe einer Vollmacht zum Abschluss
des Vertrages zur Folge hat, dass eine Vollmacht auch für den
Ausspruch der Kündigung dieses Vertrages besteht und dem Empfänger
bekannt sein muss, bleibt offen.
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte zu 28 % und der
Kläger zu 72 %.
3.Streitwert: 31.096,79 Euro.
T a t b e s t a n d :
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Die Parteien streiten über diverse Zahlungsansprüche des Klägers.
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Der Kläger war bis zum 03.10.2007 bei der Insolvenzschuldnerin, der b. beschäftigt. Auf
das Arbeitsverhältnis fanden die Regelung des Tarifvertrages für die Metall- und
Elektroindustrie Anwendung. Unter dem 01.02.2006 schlossen die Insolvenzschuldnerin
und die IG Metall einen Sanierungstarifvertrag (Blatt 27 ff. der Akte). Entsprechend den
Regelungen dieses Vertrages leistete der Kläger 36,5 Stunden wöchentlich sowie 104
Sanierungsstunden pro Jahr. Diese Stunden wurden nicht vergütet. Die Erhöhung der in
dem Flächentarifvertrag vereinbarten Löhne von 3 % zum 01.06.2006 sowie in Höhe
von 4,1 % zum 01.06.2007 fanden in dem Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und
der Insolvenzschuldnerin keine Berücksichtigung. Das Urlaubsgeld für das Jahr 2005
wurde lediglich in Höhe von 5 % ausgezahlt. Für die Jahre 2006 und 2007 zahlte die
Insolvenzschuldnerin kein Urlaubsgeld. Ebenso wenig gezahlt wurde das
Weihnachtsgeld für die Jahre 2005 und 2006. Darüber hinaus vergütete die
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Insolvenzschuldnerin die Gleitzeitstunden des Klägers nicht.
Unter § 5 Abs. 2 des Sanierungs-TV regelten die Tarifvertragsparteien:
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"Beide Parteien können diesen Sanierungstarifvertrag fristlos kündigen, wenn
ersichtlich wird, dass das Ziel der Sicherung der Arbeitsplätze in dem Unternehmen
gefährdet ist bzw. nicht erreicht wird. Mit Zugang der Kündigung treten die jeweils
gültigen Flächen-Tarifverträge der Metallindustrie sofort und rückwirkend in Kraft. Vorher
ist unverzüglich eine tarifliche Schiedsstelle einzuberufen, die über den Sachverhalt
berät und gegebenenfalls entscheidet."
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In einer Protokollnotiz zum Sanierungstarifvertrag vereinbarten die Parteien unter Ziffer
3.:
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" als Vorsitzenden der Schiedsstelle werden bestimmt:
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Herr S., Richter am Arbeitsgericht H., i.R. oder Herr N., Richter am Landesarbeitsgericht
C. oder Herr E., Richter am Landesarbeitsgericht C." (Blatt 200 der Akte).
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Sowohl der Sanierungstarifvertrag als auch die Protokollnotiz hierzu wurden
unterzeichnet von dem Vorstandsvorsitzenden der IG Metall Herrn I.
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Die Insolvenzschuldnerin übertrug sodann einen Betriebsteil auf die b. Der Kläger
widersprach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses.
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Bereits mit Schreiben vom 09.05.2007 wandte sich der Rechtssekretär der IG Metall,
Herr O. an die Insolvenzschuldnerin und erbat Sachaufklärung sowie Vorlage diverser
Unterlagen. Die Insolvenzschuldnerin erwiderte hierauf mit Email vom 11.05.2007 (Blatt
201 ff. der Akte). Hierbei erklärte sie, dass sich die Tarifvertragsparteien auf einen
anderen als den von Herrn O. als Vorsitzenden der Schiedsstelle vorgeschlagenen
Herrn Richter am Landesarbeitsgericht N. einigen sollten.
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Mit Schreiben vom 11.05.2007 erklärte der Rechtssekretär der IG Metall, Herr O.
gegenüber der Insolvenzschuldnerin die fristlose und rückwirkende Kündigung des
Sanierungstarifvertrages (Blatt 31 der Akte). Dieses Schreiben ging der
Insolvenzschuldnerin am 14.05.2007 zu. Mit Schreiben vom 16.05.2007, welches der IG
Metall im Original am 21.05.2007 zuging, wies die Gemeinschuldnerin, vertreten durch
Herrn Rechtsanwalt S., die Kündigung gemäß § 174 BGB mangels Vorlage einer
Vollmacht zurück.
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Mit Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 01.10.2007 - 503 IN 186/07 - wurde
über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte
zum Insolvenzverwalter ernannt.
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Der Kläger ist der Auffassung, der Sanierungstarifvertrag sei wirksam gekündigt worden,
weswegen die Regelungen der Flächentarifverträge wieder in Kraft gesetzt worden
seien. Er ist der Auffassung, die sich aus den Tarifverträgen ergebenden Ansprüche
stünden ihm als Insolvenzforderung zu.
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Der Kläger hat zunächst beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 42.781,10 Euro
nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
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seit dem 12.05.2007 zu zahlen.
Mit Schriftsatz vom 25.02.2008 änderte der Kläger seinen Antrag dahingehend, den
Beklagten zu verurteilen, die Forderung des Klägers in Höhe von 43.544,99 Euro zur
Insolvenztabelle der b. festzustellen. Nachdem der Beklagte einen Betrag in Höhe von
12.478,20 Euro zur Tabelle festgestellt hat, beantragt der Kläger, die Forderung des
Klägers in Höhe von 31.096,79 Euro zur Insolvenztabelle der Schuldnerin festzustellen.
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Im übrigen hat er den Rechtsstreit für erledigt erklärt.
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Der Beklagte hat der Teilerledigungserklärung zugestimmt.
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Im übrigen beantragt der Beklagte,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Auffassung, der Sanierungstarifvertrag sei nicht wirksam gekündigt
worden, weil dem Kündigungsschreiben des Rechtssekretärs O. keine
Originalvollmacht beigelegen habe und die Insolvenzschuldnerin diese Kündigung
gemäß § 174 BGB unverzüglich zurückgewiesen habe.
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Im Übrigen ist der Beklagte der Auffassung, dass eine Kündigung des
Sanierungstarifvertrages nur nach Durchführung einer Schlichtung, wie im
Sanierungstarifvertrag vereinbart, möglich gewesen wäre. Die Erhebung von Bedenken
gegen die Person des Vorsitzenden der Schiedsstelle könne nicht als ein Verzicht auf
deren Durchführung gewertet werden. Schließlich hätten die Tarifvertragsparteien in der
Protokollnotiz auch drei mögliche Vorsitzende der Schiedsstelle benannt.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und insbesondere den der zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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I.
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Die Klage ist, soweit nicht aufgrund der übereinstimmenden Erklärung der Parteien
erledigt, zulässig aber unbegründet.
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A. Die Klage auf Feststellung zur Insolvenztabelle in der zuletzt gewählten Form ist
zulässig. Die Forderungen sind zur Insolvenztabelle angemeldet und vom Beklagten
bestritten worden.
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B.Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Der Sanierungstarifvertrag
vom 01.02.2006 ist nicht wirksam gekündigt worden.
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1.) Auf die Frage, ob der Rechtssekretär O. eine Vollmacht zur Kündigung des
Sanierungstarifvertrages hatte, kommt es nicht an. Gemäß § 174 BGB kann eine
empfangsbedürftige einseitige Willenserklärung zurückgewiesen werden, wenn ihr eine
Originalvollmacht nicht beigefügt wird. Unstreitig lag der Kündigungserklärung eine
solche Originalvollmacht nicht bei. Die Zurückweisung vom 16.05.2008 erfolgte auch
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unverzüglich. Darauf, ob das Schreiben vom 16.05.2008 am gleichen Tage per Telefax
zugegangen ist, kommt es nicht an, da auch der Zugang vom 21.05.2008 noch
unverzüglich im Sinne des § 174 BGB war.
2.) Die Zurückweisung war auch nicht etwa gemäß § 174 S. 2 BGB ausgeschlossen.
Danach scheidet eine Zurückweisung aus, wenn der Vollmachtgeber den anderen von
der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hat.
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Ausdrücklich wurde die Insolvenzschuldnerin über die Bevollmächtigung des Herrn O.
nicht in Kenntnis gesetzt.
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Die Insolvenzschuldnerin hatte auch nicht aufgrund der Umstände des
Vertragsschlusses Kenntnis von einer Bevollmächtigung. Für eine Kenntnis der
Insolvenzschuldnerin von der Vollmacht zur Kündigung des Sanierungstarifvertrages
reicht es nicht, dass, wie die Nebenintervenienten vorgetragen, der Rechtssekretär O.
die Verhandlungen über den Sanierungstarifvertrag mit der Insolvenzschuldnerin geführt
hatte. Aus der Vollmachtteilung zur Führung der Verhandlungen ergibt sich bereits nicht
die Vollmacht zum Abschluss des Vertrages (BGH, 13.12.1990 - III ZR333/89 - NJW -
RR 1991, 439). Dementsprechend hat auch der Rechtssekretär O. den
Sanierungstarifvertrag nicht unterzeichnet. Unabhängig von der Frage, ob die
Bekanntgabe einer Vollmacht zum Abschluss des Vertrages auch bedeuten würde,
dass eine Vollmacht für den Ausspruch der Kündigung dieses Vertrages besteht und
dem Empfänger bekannt sein müsse, liegt ein solcher Fall hier nicht vor.
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II.
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Im Hinblick auf den Teil des Streitgegenstandes, welcher durch das Urteil entschieden
wurde, beruht die Kostenentscheidung auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 1
ZPO.
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Soweit der Kläger den Streit für erledigt erklärt hat und sich der Beklagte dieser
Erklärung angeschlossen hat, war gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des
bisherigen Sach- und Streitstandes war nach billigem Ermessen lediglich über die
Kosten zu entscheiden.
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Der Beklagte hat die Forderung zunächst bestritten. Erst nach Rechtshängigkeit der
Klage hat der Beklagte die Forderung zur Tabelle festgestellt. Der Beklagte hat auch
nicht erklärt, dass die Klage insoweit zunächst unzulässig oder unbegründet gewesen
wäre. Die Kosten des Verfahrens waren daher in diesem Teil dem Beklagten
aufzuerlegen.
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Über die Kosten der Nebenintervention war nicht gesondert zu entscheiden.
Gerichtliche Kosten sind insoweit nicht angefallen. Die außergerichtlichen Kosten der
Nebenintervenienten werden gemäß § 12 a ArbGG nicht erstattet.
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III.
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Der Streitwert wurde versehentlich mit dem vollen Wert der zur Anmeldung gestellten
Forderung festgesetzt. Der Urteilsstreitwert muss richtigerweise entsprechend der
erwarteten Quote gemäß § 185 InsO lediglich 10 % dieses Betrages, also 3.109,68 Euro
betragen.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
0211 7770 2199 eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
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Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
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1. Rechtsanwälte,
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2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich
die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder
eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der
Bevollmächtigten haftet.
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Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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Im Hinblick auf die Kostenentscheidung kann von der beklagten Partei
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s o f o r t i g e B e s c h w e r d e
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eingelegt werden.
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Die sofortige Beschwerde muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von zwei Wochen
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e n t w e d e r beim Arbeitsgericht Düsseldorf,
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Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: (0211) 7770 - 2299
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o d e r beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf
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Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: (0211) 7770 - 2199
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eingelegt werden.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf
Monaten nach Verkündung des Beschlusses. § 9 Abs. 5 ArbGG bleibt unberührt.
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Die Beschwerde kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des
Arbeitsgerichts Düsseldorf erklärt werden und auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel
gestützt werden.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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