Urteil des ArbG Düsseldorf vom 29.09.2010

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Arbeitsgericht Düsseldorf, 4 Ca 4023/10
Datum:
29.09.2010
Gericht:
Arbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 Ca 4023/10
Schlagworte:
3. Jahr Elternzeit
Normen:
§§ 15, 16 BEEG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Die Inanspruchnahme des dritten Jahres der Elternzeit im dritten
Lebensjahr des Kindes bedarf nicht der Zustimmung des Arbeitgebers.
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass sich die Klägerin im Rahmen des zwischen
den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses auch über den
15.08.2010 hinaus bis zum 07.06.2011 in Elternzeit befindet.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu ¼ und die Beklagte
zu ¾
3. Der Streitwert beträgt 7.171,66 €.
T A T B E S T A N D
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Die Parteien streiten über das Bestehen von Elternzeit.
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Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.04.2002 auf Basis des Arbeitsvertrages
vom 07.02.2002 (Bl. 9ff. d.A.) als Vertriebsmitarbeiterin für den Innendienst am Standort
Düsseldorf tätig. Die Beklagte betreibt ein Leasingunternehmen an acht Standorten,
unter anderem in Düsseldorf und Köln. Das letzte Bruttomonatsgehalt der Klägerin
betrug 3.585,83 €.
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Die Klägerin bekam am 11.06.2006 ihr erstes Kind und beantragte im Anschluss
Elternzeit bis zum 10.06.2008. Die Klägerin bekam am 08.06.2008 ihr zweites Kind. Mit
Schreiben vom 16.06.2008 teilte sie der Beklagten mit, dass sie nach Abschluss der
Mutterschutzfrist am 03.08.2008 acht Tage Urlaub nehmen werde und dass sie dann
zunächst für zwei Jahre bis zur Vollendung des 2. Lebensjahres Elternzeit in Anspruch
nehme. Gleichzeitig beantragte sie die Übertragung des dritten Jahres der Elternzeit für
das erste Kind auf auf die Vollendung des 8. Lebensjahres (Bl. 14 d.A.). Die Beklagte
verweigerte die Übertragung für das erste Kind und bestätigte den Urlaub sowie einen
Antrag auf Elternzeit für den Zeitraum 14.08. 2008 bis 13.08.2010 (Bl. 66 d.A.). Dieses
teilte sie auch der Krankenkasse mit.
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Am 17.03.2010 teilte die Klägerin per E-Mail mit, dass sie nach Ende der Elternzeit in
Teilzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden von Dienstag bis Freitag
jeweils von 8.30 - 14.30 Uhr zurückkehren wolle (Bl. 67 d.A.). Im Anschluss gab es
mehrere Gespräche über diese Frage Mit Schreiben vom 13.04.2010 teilte die Beklagte
der Klägerin mit, dass eine Tätigkeit am Standort Köln besprochen worden sei, diese
aber nur in Vollzeit möglich sei (Bl. 68 d.A.). Mit Schreiben vom 16.04.2010 teilte die
Klägerin der Beklagten mit, dass sie das dritte Jahr der Elternzeit im unmittelbaren
Anschluss bis zum 07.06.2011 in Anspruch nehme. Gleichzeitig beantragte sie Teilzeit
für den Zeitraum 01.10.2010 bis 07.06.2011 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 24
Stunden und einer Verteilung dienstags bis freitags von 8.30 - 14.30 Uhr (Bl. 15 d.A.).
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Die Beklagte verweigerte die Verlängerung der Elternzeit sowie die gewünschte Teilzeit
mit Schreiben vom 19.05.2010 und teilte mit, dass eine Reduzierung nur im Umfang von
30 Stunden mit einer täglichen Arbeitszeit von 9-15 Uhr am Standort Köln in Betracht
komme (Bl. 16f. d.A.). Mit Schreiben vom 02.06.2010 lehnte die Klägerin das Angebot
ab, wies darauf hin, dass sie sich in Elternzeit befände (Bl. 18ff. d.A.). Mit Schreiben vom
10.06.2010 widersprach die Beklagte nochmals der Elternzeit und bot unter Fristsetzung
bis zum Folgetag nochmals die Teilzeittätigkeit mit 30 Stunden an (73f. d.A). Das Fax
wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 10.06.2010 um 17:47 Uhr
übermittelt. Mit Schreiben vom 15.06.2010 teilte diese mit, dass die Frist unangemessen
kurz sei und Klage erhoben werde. Das Angebot wurde mit Wirkung zum 01.10.2010
durch die Beklagte am 30.07.2010 nochmals wiederholt (Bl. 103 d.A.).
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Mit ihrer am 17.06.2010 bei Gericht eingegangenen Klage verlangt die Klägerin
nunmehr die Feststellung, dass sie sich bis zum 07.06.2011 in Elternzeit befindet.
Weiterhin verlangte sie sowie die Zustimmung der Beklagten zu der begehrten Teilzeit.
Hierüber haben die Parteien im Kammertermin einen Teilvergleich abgeschlossen.
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Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie habe die Elternzeit wirksam bis zum 07.06.2011
verlängert.
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Die Klägerin beantragt,
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festzustellen, dass sich die Klägerin im Rahmen des zwischen den Parteien
bestehenden Arbeitsverhältnisses auch über den 15.08.2010 hinaus bis zum
07.06.2011 in Elternzeit befindet,
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Die Beklagte beantragt
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die Klage abzuweisen.
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Sie vertritt die Auffassung, die Klägerin sei nicht berechtigt, ohne Zustimmung des
Arbeitgebers ein weiteres Jahr Elternzeit zu nehmen, nachdem sie sich verbindlich
zunächst nur auf zwei Jahres festgelegt habe. Die Bindungswirkung dieser Erklärung
habe sich durch die E-Mail vom 17.03.2010 perpetuiert. Das Schreiben vom 16.04.2010
stelle jedenfalls den Antrag auf vorzeitige Beendigung der bis zum 13.08.2010
andauernden Elternzeit dar.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten
Schriftsätze sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 08.07. und
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01.09.2010 Bezug genommen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
15
I.
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Die Klägerin befindet sich bis zum 07.06.2011 in Elternzeit.
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1. Die Klage ist zulässig. Zwischen den Parteien ist streitig, welchen rechtlichen Status
ihr Arbeitsverhältnis zumindest ab dem 15.08.2010 hat. Damit ist das Bestehen oder
Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses iSd § 256 Abs. 1 ZPO im Streit und es besteht
ein Feststellungsinteresse, da sich aus der Elternzeit neben der andere Anforderungen
im Rahmen eines Teilzeitanspruchs auch andere Rechts wie besonderer
Kündigungsschutz ergeben.
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2. Die Klage ist auch begründet.
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Die Klägerin hat wirksam gegenüber der Beklagten die Inanspruchnahme des weiteren
Jahres der Elternzeit mit Schreiben vom 16.04.2010 erklärt.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten befand sich die Klägerin zunächst bis zum
07.06.2010 in Elternzeit. Dieses ergibt sich aus ihrem Antrag vom 16.06.2008, in dem
sie mitteilt, dass sie für die ersten zwei Lebensjahre ihres Sohnes Elternzeit nehmen
will. Diese waren am 07.06.2010 beendet.
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Die Klägerin hat zwar mit ihrem Antrag die Feststellung begehrt, dass die Elternzeit über
den 15.08.2010 hinaus bis zum 07.06.2011 fortdauert, dieses ist aber dem Umstand
geschuldet, dass zwischen den Parteien das Fortbestehen der Elternzeit auch erst ab
diesem Zeitpunkt streitig ist.
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Die Klägerin hat mit ihrer E-Mail vom 17.03.2010 nicht auf das Recht, das weitere Jahr
in Anspruch zu nehmen, verzichtet. Die Klägerin hatte zweifelsohne zunächst nicht den
Plan, das weitere Jahr in Anspruch zu nehmen. Dieses ergibt aus dem Teilzeitantrag
vom 17.03.2010. Die Inanspruchnahme war eine Reaktion auf die Ablehnung der
Beklagten mit Schreiben vom 13.04.2010. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die
Klägerin in jedem Fall auf das weitere Jahr verzichtet hat und für den Fall der
Ablehnung ihres Teilzeitantrages in Vollzeit wiederkommen wollte. Hiergegen spricht
bereits der Hinweis auf die erforderliche Kinderbetreuung. Die Inanspruchnahme wäre
nicht erforderlich, wenn die Beklagte dem Teilzeitanspruch entsprochen hätte. Es gibt
aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin für den Fall, dass sie nicht Teilzeit
arbeiten kann, auf das weitere Jahr der Elternzeit verzichtet.
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Die Klägerin hat auch nicht die bestehende Elternzeit vorzeitig beendet. Sie hat mit
Schreiben vom 16.06.2008 Elternzeit bis zum 07.06.2010 verlangt. Die Beklagte hat das
Schreiben offensichtlich missverstanden wie sich aus ihrem Schreiben vom 05.06.2008
(vermutlich 05.07.2008) ergibt. Der Antrag der Kläger ist aber eindeutig gefasst. Hier
liegt auch keine Einigung der Parteien über die Lage der Elternzeit vor. Dieses ist nach
der gesetzlichen Konzeption auch nicht erforderlich, da die Klägerin den Anspruch nach
§ 15 Abs. 2 iVm § 16 Abs. 1 BEEG lediglich verlangen muss, um die Rechtsfolge
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auszulösen. Das hat sie für die Elternzeit vom 14.08.2008 bis 07.06.2010 wirksam
getan.
Gemäß § 15 Abs. 2 BEEG besteht ein Anspruch auf Elternzeit bis zur Vollendung des
dritten Lebensjahres des Kindes, im konkreten Fall mithin bis zum 07.06.2011. Ein
Anteil der Elternzeit von bis zu zwölf Monaten ist mit Zustimmung des Arbeitgebers bis
zur Vollendung des 8. Lebensjahres übertragbar. Dieses bedeutet also zunächst, dass
mindestens zwei Jahre der Elternzeit in den ersten drei Lebensjahren des Kindes in
Anspruch genommen werden müssen. Gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG muss binnen
sieben Wochen vor Inanspruchnahme Elternzeit verlangt werden und erklärt werden, für
welchen Zeitraum innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll. Aus
dieser gesetzlichen Konzeption ergibt sich, dass den Eltern die Möglichkeit gegeben
werden soll, freier über das dritte Jahr der Elternzeit zu disponieren. Nach der
gesetzlichen Grundkonzeption des § 15 Abs. 2 BEEG ist die Elternzeit an sich auf die
ersten drei Lebensjahre des Kindes beschränkt, für eine Übertragung über diesen
Zeitraum hinaus besteht ein Zustimmungserfordernis.
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Nach § 16 Abs. 3 BEEG erfordert die Verlängerung der Elternzeit die Zustimmung des
Arbeitgebers. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob in dem Fall, in dem ein
Elternteil zunächst zwei Jahre Elternzeit genommen hat und nunmehr das dritte Jahr bis
zur Vollendung des dritten Lebensjahres in Anspruch nehmen will, das
Zustimmungserfordernis greift. Dieses wird teilweise in der Literatur, in der Regel ohne
nähere Begründung, bejaht (Münchner Handbuch für Arbeitsrecht-Heenen § 507 Rdnr.
8; Schaub-Linck § 172 Rdnr. 13; HWK-Gaul, § 16 BEEG Rdnr. 4; ErfK-Dörner § 16
BEEG Rdnr. 4). Ein Teil der Literatur aber auch Rechtsprechung vertritt die Auffassung,
bei der Inanspruchnahme des dritten Jahres der Eltern handele es sich nicht um eine
Verlängerung, sondern um eine Inanspruchnahme des Stammrechts aus § 15 Abs. 2
BEEG (LAG Niedersachsen, Urteil vom 13.11.2006, 5 Sa 402/06; LAG Rheinland-Pfalz,
Urteil vom 04.12.2004, 4 Sa 606/04; Küttner-Reinecke, Stichwort Elternzeit Rdnr. 12;
Rolfs/Kreikebohm-Neumann § 16 BEEG Rdnr. 6; Buchner/Becker § 16 BEEG Rdnr. 15;
Rancke, § 16 BEEG Rdnr. 3; Sowka in Festschrift 50 Jahre Bundesarbeitsgericht, S.
229 (231); Göhle -Sander, juris PraxisReport, Anmerkung zu LAG Niedersachsen vom
13.11.2006). Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an. Die Regelung in § 15 Abs.
2 BEEG gibt den Eltern das Recht, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres
Elternzeit zu nehmen. Bereits die in § 16 Abs. 1 BEEG geregelte Verpflichtung, sich für
einen Zeitraum von zwei Jahren festzulegen, dient im Interesse des Arbeitgebers seiner
Planungssicherheit.
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Die Norm verstößt auch nicht gegen Europarecht. Gemäß Abschnitt II, § 2 Ziff 3b der
Richlinie der EU 96/34/EG vom 03.06.1996 können die Mitgliedsstaaten Fristen
festsetzen, in denen die Ankündigung der Elternzeit zu erfolgen hat. Eine zwingende
Vorgabe ist damit nicht verbunden, sondern vielmehr die Berechtigung der
Einzelstaaten, das Recht auf Elternzeit, dass durch die Richtlinie verbürgt ist, durch
Verfahrensregeln einzuschränken bzw. zu regulieren. Die Beklagte kann sich auch nicht
auf die Richtlinie der EU vom 08.03.2010 (2010/18/EU) zur Umsetzung der
Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub vom 18.06.2009 berufen, da gemäß Artikel
3 dieser Richtlinie die Umsetzung erst zum 08.03.2012 geschuldet ist.
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II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO § 91 ZPO iVm § 98 ZPO.
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III.
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Die Streitwertentscheidung beruht auf § 3 ZPO. Das Gericht hat für den Antrag zwei
Gehälter in Ansatz gebracht. Die Festsetzung des Gebührenwertes gemäß § 63 GKG ist
gesondert erfolgt.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
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Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung
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Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
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1. Rechtsanwälte,
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2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich
die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder
eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der
Bevollmächtigten haftet.
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Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Gez. C.
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