Urteil des ArbG Düsseldorf vom 13.08.2008

ArbG Düsseldorf: internationale beziehungen, juristische person, erfahrung, debatte, referat, arbeitsgericht, politik, gesellschaft, erstellung, vergleich

Arbeitsgericht Düsseldorf, 4 Ca 3537/08
Datum:
13.08.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 Ca 3537/08
Schlagworte:
...
Normen:
...
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1.Setzt ein Arbeitgeber ein fachliches Anforderungsprofil für eine Stelle
fest, so ist er an dieses gebunden. Erfüllt ein Stellenbewerber dieses
Profil nicht, so kommt es auf die Frage der dienstlichen Beurteilungen
nicht mehr an. 2.Die Anforderung Kenntnisse der Innovationspolitik kann
nicht dadurch ausgefüllt werden, dass ein Bewerber in einem
Teilbereich die Innovationspolitik praktisch umgesetzt werden. Dieses
führt nicht automatisch zu besseren Kenntnisse der Politik.
Tenor:
1.E. wird verurteilt, über die Bewerbung der Klägerin um die Stelle der
Leitung des Referates 424 "Internationale Beziehungen,
Studierendenaustausch" im N.X. unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts erneut zu entscheiden.
2.Die Kosten des Rechtsstreits trägt e..
3.Der Streitwert beträgt 10.000,00 €.
T A T B E S T A N D
1
Die Parteien streiten über die Besetzung einer Stelle.
2
Die Klägerin ist seit dem 01.03.1996 bei e. N. tätig. Zuletzt bezog die Klägerin eine
Vergütung nach der Vergütungsgruppe I BAT = Entgeltgruppe 15 Ü TV-L.
3
Das N. entwickelte nach dem Regierungswechsel im Jahr 2005 eine neue
Innovationspolitik, die durch den Minister in einer Regierungserklärung am 01.02.2006
vorgestellt wurde (Bl. 167ff. d.A.) und die sich seitdem in der Umsetzungsphase
befindet.
4
Vom 01.11.2002 bis 30.06.2006 leitete die Klägerin den Fachbereich "Innovation,
Wissenschaft, Forschung, technologische Entwicklung, Hochschulbildung" bei der M..
Sie war dort im Rang einer Referatsleiterin tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit war der
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zuständige ";Spiegelreferent" im N. der Referatsleiter 424. Vom 01.07.2006 bis zum
31.10.2007 war die Klägerin für die E. als Beraterin für die Reorganisation und Umbau
von Hochschuleinrichtungen in Å. tätig. Zur Zeit ist sie in Indonesien als Beraterin im
Bereich der Privatsektorenentwicklung für die H. tätig. E. gewährt der Klägerin hierfür
Sonderurlaub.
Das N. schrieb Anfang des Jahres die Stelle des Referatsleiters 424 "Internationale
Beziehungen, Studierendenaustausch aus (Bl. 64f. d.A.). Die Klägerin bewarb sich am
27.02.2008 (Bl. 66f. d.A.). Neben ihr gab es vier weitere Bewerber. Das N. erstellte am
29.04.2008 eine Anlassbeurteilung für die Klägerin (Bl. 85ff. d.A.), die den Zeitraum ihrer
Tätigkeit in C. abdeckt und mit der Gesamtbewertung 4 (übertrifft die Anforderungen)
endet. Eine vorherige für den Zeitraum 2003/2004 erstellte Beurteilung für die Tätigkeit
als Referentin in E. und Referatsleiterin in C. endete mit der Note 5 (übertrifft die
Anforderungen in besonderem Maße) (Bl. 117ff. d.A.).Gegen die Beurteilung vom
29.04.2008 erhob die Klägerin mit Schreiben vom 14.05.2008 Einwendungen (Bl. 95ff.
d.A.). Zu den Einwendungen nahm der Vorgesetzte aus der C. gegenüber dem N.
Stellung (Bl. 126ff. d.A.).
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Die zuständige Referentin empfahl mit Schreiben vom 05.05.2008, die Stelle der
Mitbewerberin E. zu übertragen (Bl. 73ff. d.A.). Frau E. ist nach ihrem
Bewerbungsschreiben vom 28.02.2008 (Bl. 68 f. d.A.) langjährig beim S. tätig gewesen
und ist seit Mai 2003 im N. tätig. In diesem Rahmen hat sie E.G. begleitet sowie
Hochschulstatistiken ausgewertet, nimmt Aufgaben im Bereich der überregionalen
Forschungsförderung wahr und betreut die N. des Landes. Weiterhin arbeitet sie in
Gremien der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz mit sowie in Arbeitsgruppen des
Wissenschaftsrats.
7
Das N. teilte der Klägerin mit Schreiben vom 09.05.2008 die Ablehnung mit (Bl.76 d.A.).
Die Klägerin verlangte daraufhin Akteneinsicht und forderte am 26.05.2008 die Beklagte
auf das Besetzungsverfahren bis zu einem ggf. zu führenden Hauptsacheverfahren
auszusetzen.
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Mit Schreiben vom 02.06.2008 begründete das N. seine Auswahlentscheidung (Bl. 82f.
d.A.). Im Rahmen einer von der Klägerin unter dem Aktenzeichen 4 Ga 52/08
eingereichten einstweiligen Verfügung hat sich e. bereit erklärt, die Stelle bis zu einer
Entscheidung in erster Instanz frei zu halten.
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Die Klägerin vertritt die Auffassung, e. habe bei der Besetzungsentscheidung sein
Auswahlermessen rechtswidrig ausgeübt. Im Hinblick auf die ihre Beurteilung vom
29.04.2008 sei e. von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Sie habe insbesondere
die beruflichen Erfahrungen und den Werdegang der Klägerin nicht hinreichend
gewürdigt. Bezüglich des Werdegangs der Klägerin wird auf die Darstellung auf S. 7-9
der Antragsschrift sowie ihren Lebenslauf (Bl. 101ff. d.A.) und das Zwischenzeugnis für
die Tätigkeit in C. vom 27.10.2006 (Bl. 110ff. d.A.) Bezug genommen.
10
Die Klägerin sei bereits in der M. als Referatsleiterin und nicht lediglich als Referentin
tätig gewesen. Insoweit werde in der Beurteilung auch falsch festgehalten, dass sie bei
der Europäischen Union tätig gewesen sei. Weiterhin falle die Beurteilung mit dem
Zwischenzeugnis des Vorgesetzten vom 27.10.2006 deutlich auseinander, obwohl
hierfür kein sachlicher Anlass bestehe. Zudem könne der Herr T. der zu der Beurteilung
und dem Zeugnis Stellung genommen habe, nicht ihre gesamte Zeit in C. bewerten, der
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er die Landesvertretung erst seit dem 15.02.2006 leite. Dieser empfehle sie
entsprechend seinem Schreiben vom 25.07.2008 uneingeschränkt (Bl. 198f. d.A.) Sie
habe zudem intensiv mit dem Referat 424 zusammengearbeitet, was der vorherige
Referatsleiter 424 mit Schreiben vom 15.07.2008 auch bestätige (Bl. 200 d.A.).
Sie halte dem Vergleich mit der Bewerberin E. stand. Auch wenn die Klägerin seit nicht
mehr im Hause selbst tätig gewesen sei, so habe sie seit dem Regierungswechsel am
22.05.2005 bis 30.06.2006 von C. aus die Strategie des Hauses in C. vertreten und
habe an interministeriellen Arbeitsgruppen mitgewirkt. Sie habe die Entwicklung der
grundlegenden Regierungserklärung vom 01.02.2006 sowie der strategische
Entwicklung der neuen EU-Programme im Forschungs- und Innovationsbereich für den
Zeitraum 2007 bis 2013 begleitet. Zwar habe sie an der Umsetzung der Strategien nicht
mehr mitgewirkt, die Strategien seien jedoch aus internationalen Konzepten entwickelt,
mit denen sie bestens vertraut sei. Das Strategiekonzept aus 2006 sei weiterhin aktuell
wie sich aus einem Ministerbrief an die Mitarbeiter aus 2008 (Bl. 215f. d.A.) ergebe. Die
Zuständigkeit des Bereichs von Frau E. beschränke sich nur auf einen Teil der
gesamten Umsetzung, wie sich aus einem Umsetzungsplan von 2007 ergebe (Bl. 234f.
d.A.)
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Zudem verfolge sie die Innovationspolitik über das Internet und verfüge über ein
fundiertes Hintergrundwissen. Weiterhin dürfe ihr der Sonderurlaub nicht zum Nachteil
gereichen. Vielmehr sei sie in ihrer Tätigkeit für die H. im Bereich Innovationspolitik
tätig.
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Dem gegenüber habe Frau N. lediglich nordrhein-westfälische G. begleitet,
Hochschulstatistiken ausgewertet und in Arbeitsgruppen für Bildungsplanung und
Forschungsförderung mitgewirkt. Sie habe weder internationale Erfahrung noch sei sie
für innovationspolitische Themen zuständig. Das N. habe dem gegenüber die
Auslandserfahrung der Klägerin nicht berücksichtigt.
14
Zudem verfüge sie im Gegenteil zu Frau E. über verhandlungssichere
Englischkenntnisse. Sie verfüge auch über Personalführungskompetenz aus ihrer
Tätigkeit als Beraterin in N. und Å..
15
Das N. habe zudem kein Bewerbungsgespräch mit ihr durchgeführt, obwohl sie im April
in Deutschland ausdrücklich zur Verfügung stand. Bei dem Vergleich der Bewerber sei
zudem zu berücksichtigen, dass sie bereits in einem höheren Statusamt tätig sei.
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Zudem habe e. wohl bei allen anderen Mitbewerbern Regelbeurteilungen
herangezogen.
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Die Klägerin beantragt,
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e. zu verurteilen, über die Bewerbung der Klägerin um die Stelle der Leitung des
Referates 424 ";Internationale Beziehungen, Studierendenaustausch" im N.X. unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
19
E. beantragt
20
die Klage abzuweisen.
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Es vertritt die Auffassung, dass Frau E. geeigneter sei, weil sie zum einen besser
beurteilt und zum anderen in besonderer Weise das fachliche und persönliche
Anforderungsprofil der Stelle erfülle.
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Die Beurteilung der Klägerin vom 29.04.2008 sei sachgerecht. Die Klägerin könne sich
insbesondere nicht darauf beziehen, dass sie ein besseres Zwischenzeugnis erhalten
habe, schließlich habe der Zeugnisersteller selbst erklärt, dass dieses Zeugnis nicht mit
der Beurteilungsnote 5 zusammenfalle. Die Beurteilung sei von der stellvertretenden
Dienststellenleiterin Frau A. erstellt worden, die die Klägerin kenne. Die Klägerin selbst
habe bei Erstellung der Beurteilung abgelehnt, den vorherigen Dienststellenleiter E.
heranzuziehen.
23
Die Klägerin habe sich nicht in die intraministerielle Entwicklung der
Innovationsstrategie eingebracht. Hieran sei aber die Abteilung 3 von Frau E. intensiv
beteiligt gewesen.
24
Zudem verfüge Frau E. in besonderem Maße über gute Kenntnisse der
Innovationspolitik des Hauses und der internationalen innovationspolitischen Debatte
aufgrund ihrer Tätigkeiten in verschiedenen Referaten im Haus. Durch ihre Tätigkeit in
der im Hinblick auf die neue Innovationspolitik geschaffenen Abteilung 3 (Forschung
und Technologie) habe sie an der Umsetzung mitgewirkt. Kenntnisse des Change-
Management-Prozesses im N. seien für jeden Mitarbeiter Erfolgsfaktoren für jeden
Mitarbeiter im N.. Für die erfolgreiche Mitwirkung an der Umsetzung der
Innovationsstrategie seien vertiefte Kenntnisse über Innovationsprozesse und über die
Entwicklung, Inhalte und Zielrichtung der Innovationsstrategie unabdingbar. Frau E.
habe sich im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit am RWI mit
Innovationsstrategien beschäftigt und habe dieses gut umsetzen können im Rahmen
des Ministeriums. Ergebnis dieser Kenntnisse sei die Erstellung des Strategiepapiers für
den Bereich der M. und N.en, dass Frau E. der Hausleitung in einer Sitzung aller
Referate der Abteilung 3 vorgetragen habe.
25
Das Anforderungsprofil der Stelle sehe gute Kenntnisse der Innovationspolitik des
Ministeriums sowie der internationalen innovationspolitischen Debatte vor. Dieses
erfülle Frau E. in besonderem Maße. Sie verfüge zudem über verhandlungssichere
Englischkenntnisse.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten
Schriftsätze sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 25.06. und
13.08.2008 Bezug genommen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
28
I.
29
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin kann eine Neuentscheidung über die
Stellenvergabe für die Stelle Referatsleiter des Referats 424 ";Internationale
Beziehungen, Studierendenaustausch" im N.X. verlangen.
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1.Der Antrag auf Vornahme einer Neuentscheidung ist zulässig. Die Parteien streiten
insoweit darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf erneute Durchführung des
Auswahlverfahrens nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG hat. Für diese bürgerlich-
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rechtliche Leistungsklage auf Neuauswahl besteht ein Rechtsschutzbedürfnis. Denn für
die Erhebung einer Leistungsklage wird stets ein berechtigtes Interesse anerkannt
(BAG, Urteil vom 18.09.2007, 9 AZR 672/06, AP Nr. 64 zu Art. 33 Abs. 2 GG; BAG, Urteil
vom 02.12.1997, 9 AZR 445/96, BAGE 87, 165). Das Ergebnis der erneut zu treffenden
Besetzungsentscheidung ist offen. Der Arbeitgeber ist allerdings verpflichtet, bei seiner
Entscheidung die vom Gericht festgestellten Auswahlfehler zu unterlassen; er ist an die
Rechtsauffassung des Gerichts gebunden. Dem abgewiesenen Bewerber/der
abgewiesenen Bewerberin wird die Chance erhalten, aufgrund der erneuten
Entscheidung nunmehr ausgewählt zu werden (BAG, Urteil vom 02.12.1997, aaO).
2.Der Antrag ist auch begründet. E. hat die Entscheidung über die Stellenbesetzung
rechtsfehlerhaft vorgenommen.
32
a) Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und
fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Jede Bewerbung muss
nach diesen Kriterien beurteilt werden. Dies gilt nicht nur für Einstellungen, sondern
auch für den beruflichen Aufstieg innerhalb des öffentlichen Dienstes. Öffentliche Ämter
iSd. Art. 33 Abs. 2 GG sind sowohl Beamtenstellen als auch solche Stellen, die von
Arbeitnehmern besetzt werden können (BAG, Urteil vom 15.05.2005, 9 AZR 142/04,
BAGE 114, 80). Art. 33 Abs. 2 GG dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der
bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes, dessen fachliches
Niveau und rechtliche Integrität gewährleistet werden sollen (BVerwG, Urteil vom
25.11.2004, 2 C 17.03, BVerwGE 122, 237). Zum anderen trägt Art. 33 Abs. 2 GG dem
berechtigten Interesse des Bewerbers an seinem beruflichen Fortkommen Rechnung
(BAG, Urteil vom 23.01.2007, 9 AZR 492/06, AP Nr. 83 zu § 233 ZPO 1977). Die
Bestimmung begründet ein grundrechtsgleiches Recht auf rechtsfehlerfreie
Einbeziehung in die Bewerberauswahl und auf deren Durchführung anhand der in Art.
33 Abs. 2 GG genannten Auswahlkriterien (BVerfG, Urteil vom 24.09.2002, 2 BvR
857/02, DVBl. 2002, 1633; BAG, Urteil vom 23.01.2007, aaO; BVerwG, Urteil vom
25.11.2004, aaO) .
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b) Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat vor der Besetzung jeder Stelle
zwingend ein Anforderungsprofil festzulegen. Nur der am besten geeignete Bewerber
für die ausgeschriebene Stelle hat nach Art. 33 Abs. 2 GG einen Besetzungsanspruch.
Eine leistungsbezogene Auswahl setzt im Verfahren voraus, dass zuvor für die zu
besetzende Stelle ein konkretes Anforderungsprofil festgelegt wird. Dieses allein
ermöglicht eine sachgerechte Prognose, wer von den Bewerbern die zukünftigen
Aufgaben am besten erfüllen würde. Durch die Bestimmung des Anforderungsprofils
werden zugleich die Leistungskriterien für die Auswahl der Bewerber näher konkretisiert
(BAG, Urteil vom 21.01.2003, 9 AZR 72/02, BAGE 104, 295; BVerwG, Urteil vom
16.08.2001, 2 A 3.00, BVerwGE 115, 58). Das Auswahlprofil stellt damit die Verbindung
zwischen dem vom öffentlichen Arbeitgeber zu bestimmenden Charakter der Stelle und
den von den Bewerbern zu erfüllenden Voraussetzungen her (BAG, Urteil vom
15.03.2005, 9 AZR 142/04, BAGE 114, 80). Ein bloßer Hinweis auf die vorgesehene
Vergütungsgruppe ist unzureichend, wenn sich die konkreten Anforderungen der zu
besetzenden Stelle aus ihr nicht feststellen lassen. Das Anforderungsprofil muss zur
Gewährleistung eines hinreichenden Rechtsschutzes des unterlegenen Bewerbers
nach Art. 19 Abs. 4 GG so dokumentiert sein, dass die Auswahlentscheidung nach den
Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG überprüft werden kann (BAG, Urteil vom 21.01.2003,
aaO).
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Die gerichtliche Kontrolldichte einer Auswahlentscheidung iSv. Art. 33 Abs. 2 GG ist
eingeschränkt. Zu prüfen ist, ob der Arbeitgeber den anzuwendenden Begriff oder den
gesetzlichen Rahmen, in dem er sich bewegen kann, verkannt hat, ob er von einem
unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht
beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften
verstoßen hat (BAG, Urteil vom 19.02.2008, 9 AZR 70/07, zitiert nach juris).
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b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat e. bei seiner Auswahlentscheidung
gegen das eigene Anforderungsprofil verstoßen.
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Das Anforderungsprofil setzt bei den fachlichen Voraussetzungen vier zwingende
Voraussetzungen:
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aa) Die erste, ein erfolgreich abgeschlossenes Hochschulstudium, erfüllen unstreitig
beide Bewerberinnen.
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bb) Entgegen der Auffassung des c. sind der Klägerin gute Kenntnisse der
Innovationspolitik des Hauses nicht abzusprechen.
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Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Meilenstein der Innovationspolitik die mit
Regierungserklärung vom 01.02.2006 präsentierte Strategie darstellt, die seitdem
umgesetzt wird. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Politik seitdem
geändert wird, vielmehr befindet sich das N. zur Zeit in der Phase, in der die am
01.02.2006 gesetzten Ziele durch die einzelnen Fachabteilungen umgesetzt werden.
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Zweifelsohne ist von den beiden Bewerberinnen ausschließlich Frau E. aufgrund ihrer
Tätigkeit in der Abteilung 3, Referat 332 für den Bereich der hochschulexternen
wissenschaftlichen Gesellschaften und Einrichtungen bei dieser Umsetzung für ihren
Bereich tätig gewesen. Im Rahmen des Kammertermins hat e. diese praktische
Erfahrung im Rahmen der Umsetzung besonders betont und als entscheidendes
Unterscheidungskriterium herausgestellt. Diesem vermag die Kammer nicht zu folgen.
Nach dem Anforderungsprofil werden Kenntnisse der Innovationspolitik also der Ziele
und Strategien des Ministeriums und der dafür geplanten Maßnahmen verlangt, nicht
jedoch irgendeine Form von praktischer Erfahrung bei der Umsetzung der
Innovationspolitik.
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Die Klägerin hat dem gegenüber die Interessen des Ministeriums auf europäischer
Ebene vertreten. Sie war während der Zeit der Entwicklung der Strategie innerhalb des
Ministeriums das Bindeglied zwischen diesem und der Europäischen Union. Die
Klägerin hat insoweit nachvollziehbar für das Gericht dargestellt, dass eine enge
Verzahnung der nationalen bzw. Innovationspolitik des Landes mit Entwicklung auf
europäischer oder gar globaler Ebene bestehen, die sie für das N. ";eingefangen" hat.
42
Es ist für die Kammer auch nicht ersichtlich, welche konkreten neuen Entwicklungen die
Innovationspolitik des Ministeriums genommen hat, seitdem die Klägerin das Haus
verlassen hat. Allein die konkrete Umsetzung in den Einzelbereichen der Zuständigkeit
des Ministeriums wie in dem Referat der Klägerin, dass für die N., die M.Gesellschaft,
die G. sowie für Akademien zuständig ist, bedingt nicht automatisch Kenntnisse der
Innovationspolitik.
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Insoweit verfängt auch nicht die Argumentation des c., Frau E. verfüge aufgrund ihrer
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Tätigkeit im N. über bessere Kenntnisse der Innovationspolitik. Nach dem eigenen
Vortrag des Landes hat Frau E. die vorgegebene Strategie für ihren Bereich, vor allem
für die N.- und M.Gesellschaft umgesetzt bzw. dort ein Umsetzungskonzept entwickelt
hat. Dieses bedeutet in der Konsequenz, dass Frau E. eine politische Entscheidung
umgesetzt hat, nicht jedoch, dass sie damit besondere Kenntnisse erworben hat. E. hat
in seinem Anforderungsprofil gerade keine Kenntnisse in der Umsetzung der
Innovationspolitik gefordert, sondern Kenntnisse von der Politik als solcher.
Entsprechende konzeptionelle Tätigkeiten wie Frau E. hat die Klägerin nicht
durchgeführt, da sie in ihrer Tätigkeit in der Landesvertretung andere Aufgaben hatte,
wie sich unmittelbar aus dem Zwischenzeugnis sowie der Beurteilung ergibt. Sie hat
aber - dieses ergibt sich aus dem Zwischenzeugnis - in interministeriellen
Arbeitsgruppen der Landesregierung zur Umsetzung der Innovationsstrategie des
Landes mitgewirkt. Auch dieses ist denknotwendig nur möglich, wenn man die
Innovationsstrategie des Landes kennt.
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Ein Vorsprung von Frau E. im Bereich der Innovationspolitik des Hauses ist daher für
die Kammer nicht erkennbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, welche aktuellen
Kenntnisse der Klägerin fehlen sollen.
46
cc) Bezüglich des weiteren Anforderungsmerkmals ";gute Kenntnisse der
internationalen innovationspolitischen Debatte (z.B. der entsprechenden EU-politischen
Ansätze)" vermag das Gericht die Argumentation des c., Frau E. verfüge über gute
Kenntnisse in diese Bereich, nicht nachzuvollziehen. Es ist aus der Tätigkeit von Frau
E. nicht ersichtlich, dass diese im Rahmen ihrer Tätigkeit für das N. jemals intensiv mit
der internationalen Debatte in Berührung gekommen ist. Frau E. hat - dieses ergibt sich
aus ihrer Bewerbung vom 28.02.2008 - im N. zunächst Aufgaben in der
Forschungsförderung, vor allem im Zusammenhang mit der Deutschen
Forschungsgesellschaft DFG wahrgenommen und ist seit 2004 im Bereich der
Forschungsförderung für die M.Gesellschaft sowie der überregionalen
Forschungsförderung tätig. Ihre Tätigkeit erstreckt sich auf die Koordination zwischen
Bund und Ländern in diesem Bereich, hier ist sie auch in Gremien tätig. Ein
internationaler Bezug dieser Tätigkeit, aus dem sich gute Kenntnisse der Debatte, also
der international diskutierten Themen, ergeben könnten, vermag das Gericht nicht zu
erkennen. Die Tätigkeit von Frau E. hat deutlich einen über die Grenzen des Landes
Nordrhein-X. hinausgehenden Bezug aufgrund auch der Überregionalität der von ihr
betreuten wissenschaftlichen Gesellschaften. Einen internationalen Bezug hat sie indes
nicht. Hierzu hat das Gericht keine konkreten Anhaltspunkte.
47
Dem gegenüber war die Klägerin ausweislich des Zwischenzeugnisses sowie auch der
Beurteilung als Beobachterin der fachbezogenen Aktivitäten und Entwicklungen der
europäischen Institutionen tätig und war Akteurin auf der europäischen Bühne. Sie
verfügt aus erster Hand über Informationen und Kontakte aus dem internationalen
Bereich und hat darüber hinaus unbestritten dargelegt, dass sie sich auch innerhalb
ihrer Tätigkeit für die H. mit innovationspolitischen Themen auseinandersetzt und sich
informiert.
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Darüber hinaus verfügt die Klägerin bereits über Erfahrung aus dem Referat 424, dem
sie im Jahr 2003 als Referentin angehört hat.
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Einen entsprechenden Informations- und Kenntnisstand vermag das Gericht bei Frau E.
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nicht festzustellen.
Vor diesem Hintergrund ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass Frau E. die fachlichen
Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle vollständig erfüllt, wobei zugunsten
des c. unterstellt wird, dass sie ebenfalls - was bei der Klägerin unstreitig der Fall ist -
verhandlungssicheres Englisch spricht.
51
Darüber hinaus setzt das Anforderungsprofil noch zwei weitere fachliche
Gesichtspunkte als wünschenswert an, zum einen Erfahrung in der
Forschungsförderung oder dem Hochschulmanagement sowie zum anderen Auslands-
bzw. EU-Erfahrung. In der ersten wünschenswerten Anforderung liegt ein Schwerpunkt
von Frau E., da diese im N. in diesem Bereich tätig war, während die Klägerin
deutlichen einen Schwerpunkt im Bereich der Auslands- und EU-Erfahrung hat. Sie hat
im Bereich des Ministeriums nicht im Bereich des Hochschulmanagements gearbeitet,
dieses aber im Rahmen der Auslandstätigkeiten getan, während Frau E. lediglich vor
Aufnahme der Tätigkeit bei dem c. für eine kurze Zeit einen Auslandsaufenthalt
nachzuweisen hat.
52
Vor diesem Hintergrund war die Auswahlentscheidung des c. rechtsfehlerhaft, so dass
diese Entscheidung nochmals vorzunehmen ist.
53
II.
54
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
55
III.
56
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 3 ZPO. Sie dient gleichzeitig als Festsetzung
gemäß § 63 Abs. 2 GKG.
57
Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
59
B e r u f u n g
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eingelegt werden.
61
Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
62
Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
64
beim Landesarbeitsgericht E., Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 E., Fax: 0211 7770 2199
eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
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Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
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Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1.Rechtsanwälte,
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2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich
die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder
eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der
Bevollmächtigten haftet.
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Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
72
gez. C.
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