Urteil des ArbG Düsseldorf vom 04.07.2008

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Arbeitsgericht Düsseldorf, 1 Ca 2782/08
Datum:
04.07.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 Ca 2782/08
Schlagworte:
Schadensersatz/Bereicherung
Normen:
§§ 280, 812 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Werden für einen angestellten Volljuristen die
Rentenversicherungsbeiträge fehlerhaft zunächst an das
berufsständische Versorgungswerk abgeführt, kann der Arbeitnehmer
diese später an das Land ersatteten Beträge weder als Schadensersatz
noch aus ungerechtfertigter Bereicherung verlangen.
Tenor:
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
3.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 19.262,12 € festgesetzt.
T A T B E S T A N D :
1
Der 45 Jahre alte Kläger war bis zum 30.09.2002 als Rechtsanwalt tätig und Mitglied
beim W. der Rechtsanwälte.
2
Unter dem 28.10.2002 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag für die Zeit vom
20.10.2002 bis zum 27.10.2003, wonach der Kläger als Lehrer tätig wurde. Zuvor hatte
das c. dem Kläger mit Schreiben vom 15.10.2002 die Absicht geäußert, ihn nach
erfolgreich bestandener Weiterqualifizierungsmaßnahme in das Beamtenverhältnis auf
Probe übernehmen zu wollen. Daher werde er zunächst von der gesetzlichen
Rentenversicherung befreit. Mit Schreiben vom 30.10.2002 teilte das c. mit, dass eine
Verbeamtung nach der Laufbahnverordnung nicht möglich sei.
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Auf seinen Antrag vom 05.01.2003 befreite ihn die (damalige)
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Bundesversicherungsanstalt für Angestellte durch Bescheid vom 16.06.2003 für die
"zeitlich befristete Beschäftigung vom 28.10.2002 bis 27.10.2003 als Lehrkraft".
Während dieser Zeit blieb der Kläger Mitglied im W.; dorthin wurden auch Beiträge
entrichtet.
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Durch Änderungsvertrag vom 16.11.2003 wurde das Arbeitsverhältnis zwischen den
Parteien auf unbestimmte Zeit fortgesetzt. Das c. bestätigte dem Kläger mit Schreiben
vom 18.10.2004 ausdrücklich, dass zu Beginn des unbefristeten Arbeitsverhältnisses
eine Vereinbarung über die Abführung der Beiträge zur gesetzlichen
Rentenversicherung an das W. der Rechtsanwälte getroffen worden sei.
Dementsprechend sind auch die Beiträge tatsächlich an das W. abgeführt worden.
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Mit Schreiben vom 11.02.2005 teilte das c. mit, dass der Kläger seit dem 28.10.2003 der
gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterlegen habe, daher die gesetzlichen
Beiträge zur Rentenversicherung an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
abzuführen seien und demzufolge die bereits gezahlten Beiträge an das W.
zurückgefordert würden.
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Hiergegen wandte sich der Kläger vergeblich mit seinen Schreiben vom 28.02.2005 und
19.05.2005 und kündigte alsdann das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2005.
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Mit seiner am 09.05.2008 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger
Schadensersatz in Höhe der vom W. an das c. erstatteten Beträge sowie weiterer, nicht
näher erläuterter Beträge für den Zeitraum April bis August 2005 in Höhe von 3.903,22
€, wodurch sich insgesamt rechnerisch unstreitig die Höhe der Klageforderung ergibt.
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Der Kläger beantragt,
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das c. zu verurteilen, an ihn 19.262,12 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2005 zu verurteilen.
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Das c. beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Die Klage ist zulässig.
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Insbesondere ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gemäß § 2 Abs. 1
Nr. 3 ArbGG eröffnet. Es handelt sich um eine Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis
zwischen den Parteien. Der Kläger nimmt das c. in seiner Eigenschaft als ehemaliger
Arbeitnehmer in Anspruch und nicht deswegen, weil er der Auffassung ist, das c. habe
ihm gegenüber dessen Amtspflichten verletzt.
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Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger kann vom c. nicht die Zahlung des
geltend gemachten Betrages verlangen.
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Zunächst besteht zugunsten des Klägers kein Anspruch gemäß § 280 Abs. 1 S. 1 BGB.
Nach dieser Norm kann der Gläubiger Schadensersatz verlangen, wenn der Schuldner
eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt.
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Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass das c. seine Pflichten aus
dem Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger verletzt hat. Es hat zunächst dem Kläger -
bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen - die Verbeamtung zugesagt und später nicht
eingehalten. Ebenso hat das c. dem Kläger zugesagt, seine Altersversicherung
weiterhin bei dem W. für Rechtsanwälte zu bedienen; auch diese Pflicht hat das c.
verletzt.
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Allerdings wäre bei der Pflichtverletzung bezüglich der Versorgungsanwartschaft ein
erhebliches Mitverschulden des Klägers zu berücksichtigen. Der Kläger wusste positiv,
dass die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung nur befristet für die Dauer
des befristeten Arbeitsverhältnisses erteilt worden war. Die grundsätzliche Existenz
einer Pflichtversicherung bei der (damaligen) Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte war dem Kläger ebenfalls geläufig. Natürlich kam es ihm darauf an, seine
Altersabsicherung weiter über das W. laufen lassen zu können, da dort die eingezahlten
Beiträge zu einer höheren Anwartschaft führen als bei der gesetzlichen
Rentenversicherung. Daher hätte es dem Kläger ebenfalls oblegen, rechtzeitig vor
Abschluss des unbefristeten Arbeitsvertrages sicherzustellen, dass eine dahingehende
Möglichkeit weiterhin bestehen würde. Dies hat der Kläger trotz seiner volljuristischen
Ausbildung, die ihm ein derartiges Vorgehen zusätzlich hätte nahelegen müssen, nicht
getan.
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Dies alles kann jedoch dahinstehen, da die Pflichtverletzung des c.es unter
Berücksichtigung des Mitverschuldens des Klägers nicht zu dem vom Kläger begehrten
Betrag als Schadensersatz führt.
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Nach § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand
herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht
eingetreten wäre.
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Hätte das c. gar keine Zusage abgegeben, würde der Kläger im heutigen Zeitpunkt nicht
besser stehen als er tatsächlich steht.
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Hätte das c. seine Zusage eingehalten, würde der Kläger heute über eine höhere
Anwartschaft beim W. der Rechtsanwälte verfügen. Dieser Anwartschaft beim W. ist
jedoch diejenige Anwartschaft gegenüberzustellen, die zugunsten des Klägers
tatsächlich bei der Deutschen Rentenversicherung durch die geleisteten
Beitragszahlungen aufgebaut worden ist. Der Schaden kann mithin lediglich in dem
Differenzbetrag bestehen. Entweder stellte man hierbei auf die jeweiligen
Anwartschaften ab, oder auf denjenigen Betrag, der beim W. eingezahlt werden müsste,
um die erhöhte Anwartschaft zu erzielen. In beiden Fällen kann es sich denknotwendig
jedoch nicht um den vom Kläger geltend gemachten Betrag handeln.
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Die vom W. erstatteten Beiträge führten seinerzeit zu einer Anwartschaft, ohne hierbei
die Anwartschaft bei der Deutschen Rentenversicherung zu berücksichtigen.
Maßgeblich kann also nur ein Teilbetrag hiervon sein.
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Soweit der Kläger weitere 3.903,22 € für den Zeitraum April bis August 2005 fordert, ist
sein Verlangen in keiner Weise nachvollziehbar.
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Der Kläger kann die begehrte Zahlung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Erfüllung
der vertraglichen Vereinbarung verlangen. Zum einen begehrt der Kläger nicht
Vertragserfüllung, sondern Schadensersatz. Zum anderen richtet sich der Inhalt der
geschlossenen Vereinbarung nicht darauf, dass der Kläger Zahlungen erhält, sondern
vielmehr darauf, dass Zahlungen an das W. geleistet werden. Hierauf zielt das
Verlangen des Klägers indes gerade nicht ab.
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Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf den rechtlichen Gesichtspunkt der
ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 BGB stützen. Das c. hat nichts erlangt. Es
hat vielmehr die gesetzlich vorgeschriebenen Beiträge an die Rentenversicherung
gezahlt. Inwiefern sie dorthin weniger gezahlt hat, als sie vom W. erstattet bekommen
hat, ist vom Kläger in keiner Weise nachvollziehbar dargestellt worden. Allein ein
derartiger Differenzbetrag könnte eine Bereicherung darstellen. Eine solche
Bereicherung wäre indes nicht ohne Rechtsgrund erfolgt. Rechtsgrund für die
Vorgehensweise des c.es waren die zwingenden Vorschriften des deutschen
Sozialversicherungsrechts.
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Schließlich wäre ein etwaiger Anspruch des Klägers gemäß § 70 des seinerzeit
unstreitig auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung gelangenden
Bundesangestelltentarifvertrages verfallen. Hiernach verfallen alle Ansprüche, wenn sie
nicht innerhalb von sechs Monaten geltend gemacht worden sind. Mit der
Korrespondenz im Frühjahr 2005 hat der Kläger keinen Schadensersatz verlangt. Er hat
vielmehr die aus seiner Sicht zu leistende Vertragserfüllung begehrt und sich gegen das
Vorgehen des c.es gewehrt. Einen Schaden, geschweige denn in konkreter Bezifferung
hat der Kläger nicht reklamiert. Er hat vielmehr in seinem Schreiben vom 19.05.2005
lediglich angekündigt, nach Ablauf einer gesetzten Frist den Arbeitsvertrag kündigen
und (dann) seine Ansprüche im Wege des Schadensersatzes gerichtlich durchsetzen zu
wollen. Einen konkreten Schadensersatzanspruch hat der Kläger indes zu keiner Zeit
vor der Klageerhebung geltend gemacht.
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Da die Forderung des Klägers nicht begründet ist, kann er denknotwendig auch keine
Zinsen verlangen. Überdies steht das von ihm gewählte Zinsdatum nicht in Einklang mit
den von ihm zitierten Normen, die den Anspruch stützen sollen.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 91 Abs. 1 S. 1
ZPO, 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ZPO, 63 GKG.
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R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
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Gegen dieses Urteil kann vom Kläger
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B e r u f u n g
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eingelegt werden, wenn der Gegenstandswert 600,00 € übersteigt.
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Für das c. ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
(0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung
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Die Berufungsschrift muss von einem Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle
können Vertreter einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von
Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht
zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren
Mitglieder Partei sind. Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen,
deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten
Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die
Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend
deren Satzung durchführt.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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