Urteil des ArbG Düsseldorf vom 24.09.2008

ArbG Düsseldorf: tarifvertrag, juristische person, gehaltserhöhung, vergütung, begriff, arbeitsgericht, arbeitsbedingungen, organisation, berufungsschrift, eigentum

Arbeitsgericht Düsseldorf, 4 Ca 3710/08
Datum:
24.09.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 Ca 3710/08
Schlagworte:
Bei Normen angeben: § 3 Tarifvertrag für Einmalzahlungen im Bereich
des öffentlichen Dienstes (TdL) vom 08.06.2006
Normen:
...
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
§ 3 des Tarifvertrages über Einmalzahlungen im Bereich des
öffentlichen Dienstes ist dahingehend auszulegen, dass die dort
geregelte Entgelterhöhung zum 01.01.2008 nur für die der ab
01.11.2006 eingeführten Entgelttabelle zum TV-L gilt, nicht jedoch für
nach der Entgelttabelle des TVPrakt vergütete Praktikanten.
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Streitwert beträgt 242,40 €.
4. Die Berufung wird für den Kläger zugelassen.
T A T B E S T A N D
1
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf eine tarifliche
Gehaltserhöhung. Der Kläger war vom 23.07.2007 bis 31.07.2008 aufgrund eines
Ausbildungsvertrages (Bl. 30f. d.A.) als Sozialpädagoge im Anerkennungsjahr tätig.
Gemäß § 3 des Vertrages richtete sich das Ausbildungsverhältnis nach dem Tarifvertrag
über die vorläufige Weitergeltung der Regelungen für die Praktikantinnen/Praktikanten
im öffentlichen Dienst vom 12.10.2006 sowie dem Tarifvertrag über die Regelung der
Arbeitsbedingungen der Praktikantinnen /Praktikanten (TVPrakt) für Berufe im Sozial-
und Erziehungsdienst vom 22.03.1991. Gemäß § 4 des Ausbildungsvertrages richtet
sich die Ausbildungsvergütung nach dem TV Prakt und der dortigen Entgelttabelle, die
ab dem 01.10.2004 Gültigkeit hat (§ 2 TV Prakt in der Fassung des
Änderungstarifvertrages vom 31.01.2003). Nach § 1 Abs. 1 des Tarifvertrages über die
vorläufige Weitergeltung der Regelungen für Praktikanten vom 12.10.2006 wird dieser
Tarifvertrag auch über den 1.November 2006 hinaus angewandt. Der Kläger erhielt
danach eine monatliche Vergütung von 1.393,16 €.
2
Am 08.06.2006 vereinbarte die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) mit der
Gewerkschaft ver.di einen Tarifvertrag über Einmalzahlungen (Bl. 4-6 d.A.). Gemäß § 1
Abs. 1i gilt dieser Tarifvertrag auch für Beschäftigte, die unter dem Tarifvertrag über die
Regelung der Arbeitsbedingungen der Praktikantinnen und Praktikanten (TV-Prakt) fällt.
Gemäß § 1 Abs. 2 dieses Tarifvertrages erhielt der Kläger in den Jahren 2006 und 2007
auch Einmalzahlungen. Ab dem 01.07.2008 zahlt das c. aufgrund eines Beschlusses
der Mitgliederversammlung der TdL auch für Praktikanten eine um 2,9 % erhöhte
Vergütung.
3
Der Kläger verlangt nunmehr die Erhöhung seiner Vergütung um 2,9 % für die Monate
Januar bis Juli 2008. Er beruft sich insoweit auf § 3 des Tarifvertrages über
Einmalzahlungen vom 08.06.2006. Dieser lautet:
4
Die Beträge der ab 1. November 2006 maßgebenden Entgelttabelle werden im
Tarifgebiet West ab 1. Januar 2008 um 2,9 v.H. erhöht.(...)
5
Der Kläger vertritt die Auffassung, von dieser Erhöhung sei auch die in einer
gesonderten Entgelttabelle geregelte Praktikantenvergütung umfasst. Ein
entgegenstehender Wille der Tarifvertragsparteien müsste sich ausdrücklich aus dem
Tarifvertrag ergeben. Zudem sei der Tarifvertrag nicht hinreichend bestimmt, da der
Begriff "Entgelttabelle" zu ungenau sei, da auch der TVPrakt eine Entgelttabelle
enthalte.
6
Er hat die Erhöhung mit Schreiben vom 27.03.2008 geltend gemacht (Bl. 7 d.A.).
7
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
8
1. das c. zu verurteilen, an ihn 121,20 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten
über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 01.04.2008 zu zahlen,
9
2. das c. zu verurteilen, an ihn 80,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten
über dem Basiszinssatz seit 1.6.2008 zu zahlen,
10
3. das c. zu verurteilen, an den Kläger weitere 40,80€ brutto nebst Zinsen in Höhe von 5-
%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen.
11
Das c. beantragt
12
die Klage abzuweisen.
13
Es vertritt die Auffassung, § 3 beziehe sich ausschließlich auf die ab dem 01.11.2006
geltende Entgelttabelle des TV-L. für die sonstigen Beschäftigten im Bereich der TdL.
Da der Kläger nach der seit 2004 gültigen Entgelttabelle für Praktikanten vergütet
werde, stehe ihm keine Gehaltserhöhung zu.
14
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
15
I.
16
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
17
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Teilnahme an der Gehaltserhöhung gemäß § 3 des
Tarifvertrages über Einmalzahlungen vom 08.06.2006 für den Zeitraum 01.01. -
30.06.2008. Die dort geregelte Gehaltserhöhung bezieht sich nur auf Beschäftigte, die
ein Entgelt nach der Entgelttabelle mit Geltung ab dem 01.11.2006 beziehen. Dieses ist
beim Kläger nicht der Fall.
18
Entgegen der Auffassung des Klägers ist § 3 des Tarifvertrages nicht auf Beschäftigte,
die dem TV Prakt unterfallen bzw. eine Vergütung nach der dortigen Entgelttabelle
erhalten, anzuwenden. Die Auslegung des Tarifvertrages führt vielmehr dazu, dass der
Rechtsauffassung des beklagten Landes zu folgen ist.
19
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Gesetzesauslegung geltenden
Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Ist dieser nicht eindeutig, ist
der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den
tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den
tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen
der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend
ermittelt werden kann. Verbleiben danach noch Zweifel, können die Gerichte für
Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die
Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch eine praktische Tarifübung
heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu
berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer
vernünftigen, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt. (BAG, Urteil
vom 12.09.1984, 4 AZR 336/82, BAGE 46, 208; BAG, Urteil vom 21.07.1993, 4 AZR
468/92, BAGE 73, 364).
20
Bereits aus dem Wortlaut ergibt sich, dass der Tarifvertrag auf eine bestimmte
Entgelttabelle Bezug nimmt, er ist im Singular formuliert. Bezöge sich der Tarifvertrag
auf sämtliche am 01.11.2006 bestehende Entgelttabellen, so müsste er im Plural
formulieren. Zudem ist ausdrücklich formuliert, dass die Erhöhung für die "ab" dem
01.11.2006 geltende Tabelle gelten soll und nicht für eine "am" 01.11.2006 geltende
Tabelle sowie des TVPrakt. Damit ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, dass auf eine ab
dem 01.11.2006 geltende Entgelttabelle Bezug genommen wird, dieses ist aber allein
die Entgelttabelle für den TV-L, die ab diesem Zeitpunkt gilt und nicht die Entgelttabelle
aus dem TVPrakt, die bereits ab 2004 gilt.
21
Dieses entspricht auch dem historischen Kontext. Zum Zeitpunkt des Abschlusses
dieses Tarifvertrages war die Einführung der Entgelttabelle des TV-L zum 01.11.2006
bereits beschlossen, sie stellte die Umstellung der Beschäftigten im Bereich des TV-L
auf die neue Vergütungsstruktur dar, während die Entgelttabelle des TVPrakt aus dem
Jahr 2004 weiterhin Gültigkeit hatte. Dieses wurde durch den Tarifvertrag vom
12.10.2006 dann auch entsprechend perpetuiert.
22
Nach Auffassung der Kammer war es daher nicht erforderlich, ausdrücklich die
Entgelttabelle des TVPrakt von der Erhöhung auszuschließen, da deutlich ist, auf
welche Entgelttabelle sich die Tarifvertragsparteien beziehen. Entgegen der Auffassung
des Klägers ist auch der Begriff der Entgelttabelle an sich nicht unklar. Es handelt sich
um eine klar abgegrenzten Begriff aus der Tarifsystematik des öffentlichen Dienstes und
beschreibt Tabellen, in denen für Gruppen von Beschäftigten entsprechend ihrer
Eingruppierung eine bestimmte Monatsvergütung zugeordnet wird.
23
Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben.
24
II.
25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO iVm § 269 ZPO.
26
III.
27
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. Sie dient gleichzeitig als Festsetzung
nach § 63 GKG.
28
IV.
29
Die Berufung war gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 2a ArbGG für den Kläger zuzulassen.
30
Rechtsmittelbelehrung
31
Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
32
B e r u f u n g
33
eingelegt werden.
34
Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
35
Die Berufung muss
36
innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
37
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
0211 7770 2199 eingegangen sein.
38
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
39
Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
40
1. Rechtsanwälte,
41
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
42
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich
die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder
eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der
Bevollmächtigten haftet.
43
Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
44
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
45
gez. C.
46