Urteil des ArbG Düsseldorf vom 06.08.2008

ArbG Düsseldorf: fristlose kündigung, juristische person, aufhebungsvertrag, anhörung, gespräch, arbeitsgericht, abmahnung, anfechtung, sicherheit, rente

Arbeitsgericht Düsseldorf, 4 Ca 3086/08
Datum:
06.08.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 Ca 3086/08
Schlagworte:
...
Normen:
...
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Einzelfallentscheidung zur Anfechtung eines Aufhebungsvertrages
wegen rechtswidriger Drohung mit einer Kündigung 2. Eine Anfechtung
eines Aufhebungsvertrages wegen rechtswidriger Drohung mt einer
Kündigung nach § 123 BGB kommt nur in Betracht, wenn der
Arbeitgeber unbedingt den Ausspruch dieser Kündigung für den Fall der
Nichtannahme des Vertrages in Aussicht stellt. Die ledigliche Äußerung,
die Kündigung komme - neben anderen Maßnahmen - in Betracht, stellt
keine hinreichende Drohung dar.
Tenor:
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3.Der Streitwert beträgt 15.461,40 €.
T A T B E S T A N D
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Die Parteien streiten über einen Aufhebungsvertrag. Der Kläger ist seit 1980 bei der
Beklagten tätig. Er ist 64 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Sein
durchschnittliches Bruttomonatsgehalt beträgt 5.153,80 €. Der Kläger ist
schwerbehindert.
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Der Kläger lud mit E-Mail vom 28.02.2008 die Mitarbeiter seines Bereichs zu einer
Geburtstagsfeier mit folgendem Text ein (Bl. 4 d.A.):
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Moin, wenn Mann aus dem Uranabbau doch endlich 16 wird, hat man noch viel vor: Erst
einmal alle Neune (mit 1 "Überraschungs-Ei" unter Bcc) einladen zum "großen Fressen"
bis zum Abwinken: Um 13.00 in der Mensa! Zur Not ausstempeln, wem allzu schnelles
Schlingen - dort leider ohne Bier - lebensgefährlich erscheint: Wer langsamer
hineinwürgt, hat immerhin ½ h bis zum Wiedereinsetmpeln gegen 13.45. Zur Not ist
aber eher ein Korrekturbogen im Nachgang hilfsweich mit 2-3 h AB (Arzt-Besuch in der
Gastro). Abmarsch 12.45, u.A.w.g., nicht AWbG
4
Gruß, SL
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Am 18.04.2008 fand eine Anhörung zu dieser E-Mail statt, bei der mehrere Mitarbeiter
der Personalabteilung, die Schwerbehindertenvertreterin sowie der Kläger teilnahmen.
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Noch am gleichen Tag unterzeichnete der Kläger einen Auflösungsvertrag zum
31.05.2008 (Bl. 5 d.A.). Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.04.2008 focht der Kläger
den Auflösungsvertrag wegen rechtswidriger Drohung mit einem empfindlichen Übel an
(Bl. 6f. d.A.).
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Mit seiner am 26.05.2008 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am
29.05.20008 zugestellten Klage wendet sich der Kläger gegen den Aufhebungsvertrag.
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Der Kläger behauptet, in dem Gespräch am 18.04.2008 habe die Beklagte durch den
Personalleiter E. ihm einen Aufhebungsvertrag angeboten und erklärt, dass, wenn der
Kläger diesen bis 16 Uhr nicht unterzeichne, eine außerordentliche Kündigung
ausgesprochen werde. Er sei krankheitsbedingt nicht in der Lage, angemessen auf
Stresssituationen zu reagieren. Er habe signalisiert, den Vertrag zu unterzeichnen.
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Die Beklagte sei nicht dazu berechtigt gewesen, dem Kläger mit einer
außerordentlichen Kündigung zu drohen. Es läge auf der Hand, dass es sich bei der E-
Mail vom 28.02.2008 um eine Scherzerklärung handele.
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Der Kläger beantragt,
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch den
Auflösungsvertrag vom 18.04.2008 aufgelöst wird.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, der Personalleiter E. habe dem Kläger auf dessen Befragen erklärt, dass
erst nach der Anhörung abschließend entschieden werden könne, welche
Konsequenzen die Beklagte aus dem Verhalten des Klägers ziehe. Dieses könne von
einer Abmahnung bis zu einer außerordentlichen Kündigung gehen.
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Der Kläger habe in dem Gespräch betont, dass er bereits mit Vollendung des 63.
Lebensjahres ohne Abzüge hätte in Rente gehen können. Daraufhin habe Herr E.
angeregt, er solle sich über die Möglichkeit informieren, eine Beendigung könne
einvernehmlich über einen Auflösungsvertrag herbeigeführt werden. Der Kläger solle
ihm zeitnah mitteilen, ob er tatsächlich vorzeitig Rente in Anspruch nehmen und das
Arbeitsverhältnis beenden wolle. Der Kläger habe um Bedenkzeit gebeten und man
habe sich darauf geeinigt, dass der Kläger sich um 16 Uhr melden werde. Dabei habe er
ihm in Aussicht gestellt, das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2008 zu beenden.
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Der Kläger sei um 15.54 Uhr im Personaldezernat erschienen und habe ein Schreiben
überreicht, in dem er um die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses zum
31.05.2008 gebeten habe (Bl. 46 d.A.). Dem entsprechend habe der Mitarbeiter T. den
Auflösungsvertrag vorbereitet und gemeinsam mit dem Kläger unterzeichnet.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen L., E. und L..
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten
Schriftsätze sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 16.06. und
06.08.2008 Bezug genommen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
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I.
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Der Aufhebungsvertrag vom 18.04.2008 ist nicht durch die Anfechtungserklärung des
Klägers vom 30.04.2008 von Anfang an nichtig (§ 142 BGB.
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Der Kläger hat die Anfechtung des Aufhebungsvertrages rechtzeitig innerhalb der Frist
des § 142 Abs. 1 BGB erklärt. Ihm steht jedoch kein Aufhebungsgrund zur Seite.
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Gemäß § 123 Abs. 1 BGB kann derjenige, der widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe
einer Willenserklärung bestimmt worden ist, die Erklärung mit der Nichtigkeitsfolge des
§ 142 Abs. 2 BGB anfechten. Eine Drohung in Sinne des § 123 Abs. 1 BGB setzt
objektiv die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in
irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird. Die
Androhung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis durch eine fristlose Kündigung
beenden zu wollen, falls der Arbeitnehmer nicht selbst kündige oder einen
Aufhebungsvertrag unterzeichne, stellt die Ankündigung eines zukünftigen
empfindlichen Übels dar, dessen Verwirklichung in der Macht des ankündigenden
Arbeitgebers liegt (BAG, Urteil vom 15.12.2005, 6 AZR 197/05, AP Nr. 66 zu § 123 BGB;
LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.04.2008, 10 Sa 731/07, zitiert nach juris). - AP §
123 BGB Nr. 66, mit zahlreichen Nachweisen). Die Drohung mit einer außerordentlichen
Kündigung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung
nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die
angedrohte Kündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, sich in einem
Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte. Der Anfechtungsprozess
ist nicht wie ein Kündigungsschutzprozess zu führen. Der anfechtende Arbeitnehmer
trägt die Beweislast für sämtliche Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes.
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Das Gericht kann nicht feststellen, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger eine
rechtswidrige Drohung ausgesprochen hat. Der Kläger ist letztendlich beweisfällig für
seine Behauptung geblieben, die Beklagte habe durch den Personaldezernenten E. im
Gespräch am 18.04.2008 ihn vor die Alternative gestellt, er könne entweder einen
Aufhebungsvertrag abschließen oder es werde eine außerordentliche Kündigung
ausgesprochen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht dieses für die Kammer
nicht mit hinreichender Sicherheit fest.
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Die Zeugin L. hat in ihrer Vernehmung zwar angegeben, Herr E. oder Herr T. hätten
erklärt, es gebe entweder einen Auflösungsvertrag oder aber eine fristlose Kündigung.
Sie hat dieses erst auf ein zweites Nachfragen erklärt, nachdem sie zunächst flüssig und
schlüssig geschildert hat, dass einer der Herren T. oder E. erklärt habe, man lasse dem
Kläger das Verhalten nicht durchgehen. Auf ein erstes Nachfragen des Gerichts hat sie
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dieses bestätigt und erst auf ein weiteres Nachfragen geschildert, dass der Kläger vor
die Alternative Kündigung oder Auflösungsvertrag gestellt worden ist.
Dieses ist aber weder durch den Zeugen E. noch den Zeugen L. bestätigt worden. Der
Zeuge L. hat vielmehr nachvollziehbar dargestellt, dass die in diesem Verfahren tätigen
Mitarbeiter der Personalabteilung, also er, Herr T. und Herr E. regelmäßig im Team
entscheiden, welche Maßnahmen ergriffen werden und dass eine Entscheidung vor der
Anhörung am Vormittag des 18.04.2008 noch nicht gefallen war. Dieses hat der Zeuge
sehr anschaulich geschildert. Er hat dabei zunächst das tatsächliche Gespräch mit
seinen eigenen dahinterstehenden subjektiven Vorstellungen des weiteren Ablaufs
vermischt, auf Nachfrage des Gerichts aber deutlich gemacht, dass gegenüber dem
Kläger nicht die Alternative Kündigung oder Auflösungsvertrag apodiktisch geäußert
wurde, sondern vielmehr alle potentiellen Maßnahmen, auch die Kündigung, im Raum
standen. Dabei hat er zwischen den dahinstehenden Überlegungen der
Personalabteilung und den tatsächlich gegenüber dem Kläger gefallenen Äußerungen
differenziert.
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Dem gegenüber stellte sich die Schilderung des Zeugen E. als sehr abstrakt dar. Der
Zeuge nahm in seiner Vernehmung wiederholt auf die allgemeine Belehrung zu den
verschiedenen Möglichkeiten personalrechtlicher Konsequenzen Bezug.
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Die Kammer vermag angesichts der divergierenden Aussagen nicht mit hinreichender
Sicherheit festzustellen, dass eine Drohung gerichtet auf die Entscheidung "Kündigung
oder Auflösungsvertrag" ausgesprochen wurde. Unstreitig stand nach den Angaben
aller Zeugen auch das Thema außerordentliche Kündigung im Raum, nach Angaben
der Zeugen E. und L. aber als eine potentielle Maßnahme, über die eine Entscheidung
noch nicht getroffen war. Damit befand sich der Kläger aber nicht in der Situation, dass
er davon ausgehen musste, einer außerordentlichen Kündigung nur durch den
Abschluss des Auflösungsvertrages zu entgehen. Nach den Bekundungen der Zeugen
L. und E. stand die Kündigung als eine Option im Raum. Der Zeuge L. hat aber
glaubhaft angegeben, dass in der Personalabteilung noch keine Entscheidung darüber
gefallen war, welche Maßnahme nunmehr betrieben wird, die Entscheidung für eine
Kündigung aber nicht ausgeschlossen war und dann im Anschluss tatsächlich auch
getroffen wurde.
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Der Kläger war damit zumindest der Situation ausgesetzt, dass die Beklagte erwog,
nach der Anhörung eine außerordentliche Kündigung auszusprechen, aber auch andere
Maßnahmen wie eine Abmahnung im Raum standen. Damit stand er unter einem
erheblichen Druck. Dass für ihn das Risiko einer außerordentlichen Kündigung nach
achtundzwanzig Jahren Arbeitsverhältnis eine erhebliche Belastungssituation darstellt,
liegt auf der Hand, vor allem vor dem Hintergrund, dass dem Kläger selbst klar zu sein
scheint, dass die Äußerung in der E-Mail in seiner Position als Abteilungsleiter eine
Pflichtverletzung darstellt und die Beklagte dieser eine Bedeutung zumaß, die er zuvor
nicht darin gesehen hatte. Dass für den Kläger hier eine Kündigung stärker im Fokus lag
als eine Abmahnung und die Erwähnung dieser Maßnahme ihn erheblich unter Druck
setzte, ist für die Kammer völlig nachvollziehbar. Die letztendlich ein Anfechtungsrecht
gemäß § 123 Abs. 1 BGB begründende Drohung mit dieser Maßnahme kann jedoch
nicht festgestellt werden. Ein arbeitgeberseitiges Verhalten, dass allein in einer
Äußerung einer potentiellen Maßnahme liegt und in der Erzeugung eines Zeitdrucks für
die Entscheidung über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages begründet kein
Anfechtungsrecht.
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Das Arbeitsverhältnis hat daher aufgrund des Aufhebungsvertrages vom 18.04.2008 mit
Ablauf des 31.05.2008 sein Ende gefunden.
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II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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III.
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Die Streitwertentscheidung beruht auf § 42 Abs. 3 GKG. Sie dient gleichzeitig als
Festsetzung nach § 63 Abs.2 GKG.
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Rechtsmittelbelehrung
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Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
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B e r u f u n g
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eingelegt werden.
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Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
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Die Berufung muss
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innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
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beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
0211 7770 2199 eingegangen sein.
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Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
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Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
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1.Rechtsanwälte,
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2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich
die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder
eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der
Bevollmächtigten haftet.
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Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Gez. C.
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