Urteil des ArbG Düsseldorf vom 28.11.2008

ArbG Düsseldorf: abmahnung, berufliches fortkommen, personalakte, arbeitsunfähigkeit, juristische person, schutzwürdiges interesse, ermessen, arbeitsgericht, anweisung, persönlichkeitsrecht

Arbeitsgericht Düsseldorf, 13 Ca 4939/08
Datum:
28.11.2008
Gericht:
Arbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 Ca 4939/08
Schlagworte:
...
Normen:
...
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Die Meldepflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG ist keine Arbeitsleistung
im Sinne des § 106 Satz 1 GewO. 2. Der Arbeitgeber kann die
Meldepflicht des § 5 Abs. 1 EFZG zwar konkretisieren aber nicht nach
billigem Ermessen erweitern.
Tenor:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger unter dem 13.08.2008 sowie
unter dem 18.09.2008 erteilten Abmahnungen aus der Personalakte des
Klägers zu entfernen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 20 % und die Beklagte
zu 80 %.
3.
Streitwert: 4.104,46 Euro.
4.
Die Berufung wird nicht besonders zugelassen.
T A T B E S T A N D :
1
Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf Entfernung zweier
Abmahnungen aus seiner Personalakte.
2
Der Kläger ist bei der Beklagten zu einem durchschnittlichen Monatsbruttogehalt von
4.104,46 € als Agenturleiter beschäftigt. Unter dem 26.06.2007 versandte die Beklagte
an ihre Mitarbeiter eine Information zur Verlagerung der Verwaltungsprozesse (Bl. 60 f.
d. A.). Hierin heißt es zu ungeplanten Anwesenheiten:
3
"Der Mitarbeiter meldet seine ungeplante Abwesenheit (z. B. Arbeitsunfähigkeit), wie
bisher, unverzüglich seinem direkten Vorgesetzten. Darüber hinaus ist eine telefonische
Meldung bei seinem zuständigen Gehaltssachbearbeiter erforderlich."
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Am 07.07.2008 meldete sich der Kläger telefonisch bei der zuständigen
Bezirksdirektorin, Frau L. und gab gegenüber dieser an, arbeitsunfähig erkrankt zu sein.
Insgesamt fehlte der Kläger in dem Zeitraum vom 07.07.2008 bis zum 27.07.2008. Bei
der zuständigen Gehaltssachbearbeiterin, Frau T. meldete sich der Kläger erst nach
Aufforderung durch Frau L. am 28.07.2008.
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Mit Schreiben vom 13.08.2008 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. In
dieser wirft sie dem Kläger unter anderem vor:
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"Sie haben sich telefonisch bei ihrer Bezirksdirektorin, Frau L. ab 07.07.2008
arbeitsunfähig gemeldet. Ihre zuständige Gehaltssachbearbeiterin, Frau T. haben Sie
nicht informiert. Erst nach Aufforderung durch Frau L. riefen sie am 28.07.2008 bei Frau
T. an und meldeten sich gesund."
7
Gegen diese Abmahnung wendet sich der Kläger mit seiner am 25.08.2008 beim
Arbeitsgericht eingegangenen Klage.
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Mit einem weiteren Schreiben vom 18.09.2008 mahnte die Beklagte den Kläger erneut
ab (Bl. 58 d. A.). Hierin wirft sie dem Kläger unter anderem erneut vor, er habe seine
Arbeitsunfähigkeit am 07.07.2008 zwar bei der Bezirksdirektorin L. nicht jedoch bei der
Gehaltssachbearbeiterin T. angezeigt.
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Gegen diese Abmahnung wendet sich der Kläger mit der am 20.10.2008 beim
Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung.
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Der Kläger ist der Auffassung, mit der Meldung bei seiner Vorgesetzten L. habe er seine
gesetzliche Verpflichtung erfüllt. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung, sich
ebenfalls bei der Gehaltssachbearbeiterin zu melden, habe nicht bestanden. Die von
der Beklagten insoweit erteilte Weisung, sei nicht vom Direktionsrecht erfasst. Da der
Kläger zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig gewesen sei, betreffe die Weisung der
Beklagten vom 26.06.2007 nicht Inhalt oder Art der zu erbringenden Arbeitsleistung. Die
Weisung sei daher nicht vom arbeitgeberischen Direktionsrecht umfasst. Darüber
hinaus bestreitet der Kläger, dass die Weisung unter Beachtung des
Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates erfolgt sei.
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Im Übrigen behauptet der Kläger, er habe die einzelnen
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durch Aufgabe zur Post bzw. durch Einwerfen in
einen Briefkasten in einem ausreichend frankierten Briefumschlag an die Beklagte
abgesandt.
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Der Kläger beantragt zuletzt, die Beklagte zu verurteilen:
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1.
14
Die an den Kläger gerichtete Abmahnung vom 13.08.2008 aus dessen Personalakte zu
entfernen.
15
2.
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Die an den Kläger gerichtete Abmahnung vom 18.09.2008 aus seiner Personalakte zu
entfernen.
17
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, es bestehe bereits kein Anspruch auf Entfernung einer
Abmahnung aus der Personalakte.
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Im Hinblick auf die Anordnung der doppelten Anzeige der Arbeitsunfähigkeit in ihrem
Schreiben vom 26.06.2007 beruft sich die Beklagte auf § 106 GewO.
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Im Übrigen behauptet sie, keine der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei bei ihr
eingegangen. Erst am 21.08.2008 habe sie die Bescheinigung des Klägers übermittelt
erhalten.
22
Die Beklagte bestreitet weiter, dass der Kläger im Zeitraum vom 07.07.2008 bis zum
27.07.2008 arbeitsunfähig gewesen sei. Der Beweiswert der letztlich eingereichten
ärztlichen Bescheinigung sei erschüttert. Dies folge bereits aus der erheblich
verspäteten Einreichung. Darüber hinaus weise die Bescheinigung vom 14.07.2008
kein Datum des Beginns der angeblich fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit aus. Weiter
erschüttere die Tatsache, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von zwei
verschiedenen Ärzten unterschiedlicher Fachrichtung ausgestellt worden seien, deren
Beweiswert.
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Der Kläger hat ursprünglich ebenfalls beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn
1.158,18 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem EZB-Basiszinssatz zu zahlen. Bereits vor
Klageerhebung, am 22.08.2008 rechnete die Beklagte diesen Betrag ab und zahlte
zunächst eine Abschlagszahlung in Höhe von 450,00 € netto sowie den darüber
hinausgehenden Betrag in Höhe von 6,60 € mit der Septemberabrechnung. Der Kläger
hat die Klage insoweit zurückgenommen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
25
I.
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Die Klage ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Entfernung
der streitgegenständlichen Abmahnungen zu.
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A.Mit einer Abmahnung übt ein Arbeitgeber seine arbeitsvertraglichen Rechte aus. Er
weist den Arbeitnehmer auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die
Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rüge- und Dokumentationsfunktion). Zugleich
fordert er den Arbeitnehmer für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und
kündigt individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung
an (Warnfunktion).
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1.) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine zur
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Personalakte genommene Abmahnung geeignet, den Arbeitnehmer in seinem
beruflichen Fortkommen und seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen. Der
Arbeitnehmer kann daher in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die
Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus seinen Personalunterlagen
verlangen, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist,
sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, sie den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit verletzt oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am
Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht (BAG, 30.05.1996 - 6 AZR
537/95 - NZA 1997, 145 m.w.N.; 11.12.2001 - 9 AZR 464/00 - NZA 2002, 965; a.A. LAG
Hamm, 13.06.1991 - 4 (18) (12) Sa 714/90 - LAGE § 611 BGB Abmahnung Nr 30; LAG
Köln 02.11.1983 - 7 Sa 901/83 - Juris). Aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des
Arbeitgebers folgt, dass er auch soweit er Rechte ausübt, auf das Wohl und die
berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen hat. Aus dieser
Fürsorgepflicht ergibt sich die Verpflichtung des Arbeitgebers, dafür Sorge zu tragen,
dass die Personalakten ein richtiges Bild des Arbeitnehmers in dienstlichen und
persönlichen Beziehungen vermitteln. Aus § 242 BGB unter Einbeziehung der
verfassungsrechtlichen Grundentscheidung folgt die Pflicht des Arbeitgebers, das
allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers in Bezug auf Ansehen, soziale
Geltung und berufliches Fortkommen zu beachten. Dieses Persönlichkeitsrecht wird
durch unrichtige, sein berufliches Fortkommen berührende Tatsachenbehauptungen
beeinträchtigt. In entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB kann der
Arbeitnehmer daher bei einem objektiv rechtswidrigen Eingriff in sein
Persönlichkeitsrecht in Form von unzutreffenden oder abwertenden Äußerungen deren
Widerruf und Beseitigung verlangen (BAG, 27.11.1985 - 5 AZR 101/84 - NZA 1986, 227
m.w.N.).
2.) Dieser, bereits mit Aufnahme der Abmahnung in die Personalakte entstehende
Nachteil, die Verletzung des Persönlichkeitsrechts, ist auch entgegen der Auffassung
der Beklagten nicht dadurch zu beheben, dass der Arbeitnehmer in einem späteren
Kündigungsschutzprozess die fehlende Berechtigung der Abmahnung noch geltend
machen kann. Ein Anspruch auf Beseitigung einer Rechtsverletzung kann nicht verneint
werden, nur weil diese Rechtsverletzung auch zu einem späteren Zeitpunkt noch
behoben werden könnte. Auch aus der Tatsache, dass die Wirkung der Abmahnung mit
Ablauf einer gewissen Zeit erlischt, kann nicht gefolgert werden, dass der Kläger für
diesen Zeitraum eine ungerechtfertigte Abmahnung und damit eine Verletzung seines
Persönlichkeitsrechts hinnehmen muss.
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3.) Auch der Einwand der Beklagten, dass die Rüge auch nach Entfernung der
Abmahnung aus der Personalakte bestehen bleibe, und der Arbeitnehmer ebenso in
seinem beruflichen Fortkommen behindert sei, wenn die Abmahnung zwar aus der
Personalakte genommen, in der Prozessakte jedoch noch vorhanden sei, überzeugt
nicht. Soweit der Arbeitgeber, was in der Praxis durchaus vorkommen kann, auch durch
eine rechtskräftige Verurteilung zur Entfernung der Abmahnung sich nicht davon
überzeugen lässt, dass diese zu Unrecht ergangen sei, verhält er sich in besonderem
Maße treuwidrig. Das Argument, ein Arbeitgeber werde auch bei einer rechtskräftigen
gerichtlichen Feststellung der fehlenden Berechtigung der Abmahnung von seinen
Vorwürfen nicht abrücken, kann jedenfalls nicht geeignet sein, die gerichtliche
Geltendmachung der Rechtsverletzung schlechthin zu verhindern. Durch die Ansage,
das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers werde auch dann behindert, wenn die
Abmahnung aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens aus der Personalakte
entfernt werde, bringt der Arbeitgeber letztlich zum Ausdruck, dass er, zumindest
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innerlich, an seinen unberechtigten Vorwürfen festhalten werde. Die Ankündigung einer
Partei, sich auch im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung nicht fügen zu wollen, kann
jedoch keinen Grund darstellen, von der Verurteilung abzusehen.
B.Die streitgegenständlichen Abmahnungen sind zu Unrecht erfolgt und sind daher aus
der Personalakte des Klägers zu entfernen.
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1.) Hierbei kommt es auf die Frage, ob der Kläger tatsächlich arbeitsunfähig gewesen ist
nicht an. Gründe, den Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
als erschüttert anzusehen, sind nach Auffassung der Kammer nicht ersichtlich. Letztlich
kann jedoch dahin stehen, ob alle in den Abmahnungsschreiben enthaltenen Vorwürfe
unzutreffend sind. Wenn in einem Abmahnungsschreiben gleichzeitig verschiedene
Pflichtverletzungen gerügt werden, von denen aber nur einzelne zutreffen, so kann das
Abmahnungsschreiben nicht teilweise aufrechterhalten und insoweit vom Gericht neu
gefasst werden. Die Abmahnung muss in diesem Fall vielmehr vollständig aus der
Personalakte entfernt werden (BAG 13.03.1991 - 5 AZR 133/90 - NZA 1991, 768; LAG
Köln, 12.03.1986 - 5 Sa 1191/85 - EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 1; LAG Düsseldorf
18.11.1986 - 3 Sa 1387/86 - NZA 1987, 354; LAG Hamm 03.11.1987 - 13 Sa 96/87 -
EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 14; LAG Düsseldorf 23.02.1996 - 17 Sa 1168/95 - NZA-
RR 1997, 81; LAG Köln 15.06.2007 - 11 Sa 243/07 - ArbuR 2007, 323; LAG Hamm
09.11.2007 - 10 Sa 989/07 - Juris).
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2.) Hierbei kann dahinstehen, ob die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der
Richtigkeit der in der Abmahnung erhobenen Vorwürfe beim Arbeitgeber, oder, wie die
Beklagte meint, beim Arbeitnehmer liegen. Die Rechtsprechung geht von einer
Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers aus (BAG 27.11.1985 - 5 AZR 101/84 -
NZA 1986, 227; LAG Hamm 09.11.2007 - 10 Sa 991/07 - Juris; a. A. LAG Köln
18.10.1987 - 7 Sa 629/87; Kopke NZA 2007, 1211, 1212). Zwischen den Parteien ist
unstreitig, dass der Kläger sich bei Beginn der von ihm behaupteten Arbeitsunfähigkeit
bei seiner zuständigen Bezirksdirektorin, Frau L. nicht jedoch bei der
Gehaltssachbearbeiterin, Frau T. telefonisch gemeldet hat.
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3.) Dieser in beiden streitgegenständlichen Abmahnungen enthaltene Vorwurf ist nicht
zutreffend. Der Kläger war nicht verpflichtet, seine Arbeitsunfähigkeit auch bei der
Gehaltssachbearbeiterin anzuzeigen.
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a.) Hierbei kann es dahinstehen, ob die von der Beklagten mit Schreiben vom
26.06.2007 erteilte Anweisung mitbestimmungspflichtig war und ob die
Mitbestimmungsrechte von der Beklagten eingehalten wurden. Der Beklagten fehlt es
für die Erteilung der Weisung bereits an einer Grundlage.
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b.) Zu Recht weist der Kläger nach Auffassung der Kammer darauf hin, dass sich das
diesbezügliche Direktionsrecht der Beklagten nicht aus § 106 GewO ergeben kann.
Gemäß § 106 S. 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung
nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht
durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines
anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Die
Verpflichtung zur Anzeige von Arbeitsunfähigkeiten ist keine Arbeitsleistung des
Arbeitnehmers im Sinne des § 106 S. 1 GewO. Das Weisungsrecht aus § 106 GewO
bezieht sich auf die Art der geschuldeten Arbeitsleistung. Unter Umständen kann sich
das Direktionsrecht auch auf das Verhalten des Arbeitnehmers im Betrieb erstrecken
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(ErfK/Preis, 9. Aufl. 2009, § 106 GewO, Rdn. 2). Über das Verhalten des Arbeitnehmers
während der Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitgeber jedoch genauso wenig nach
billigem Ermessen bestimmen, wie über sein Verhalten in der Freizeit. Die Verpflichtung
zur Anzeige von Arbeitsunfähigkeiten beruht auf § 5 Abs. 1 S. 1
Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Sie betrifft den Fall, dass der Arbeitnehmer aufgrund
einer Erkrankung eben nicht in der Lage ist, gegebenenfalls nach § 106 S. 1 GewO vom
Arbeitgeber näher zu bestimmende, Arbeitsleistungen zu erbringen. Diese gesetzliche
Anforderung an den Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber nicht nach billigem Ermessen
im Sinne des § 106 S. 1 GewO erweitern.
Zwar ist § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG insoweit ausfüllungsbedürftig, als dieser lediglich
vorschreibt, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, dem Arbeitgeber die
Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Wer der
tatsächliche Adressat dieser Anzeige in größeren Unternehmen oder Behörden sein
soll, ergibt sich aus dem Organisationsplan, welcher wiederum durch den Arbeitgeber
aufgestellt wird. Insoweit obliegt es dem Arbeitgeber, die Pflichten des § 5 Abs. 1 S. 1
EFZG näher zu bestimmen. Die Anweisung der Beklagten, die Arbeitsunfähigkeit bei
dem direkten Vorgesetzten anzuzeigen, ist daher nicht zu beanstanden. § 5 Abs. 1 S. 1
EFZG sieht jedoch eine Erweiterung der Anzeigepflichten nicht vor. Es steht dem
Arbeitgeber daher nicht frei, die Anzeigepflichten derart auszuweiten, dass der
arbeitsunfähige Arbeitnehmer verpflichtet wäre, die Arbeitsunfähigkeit bei mehreren
Stellen anzuzeigen.
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c.) Die Erweiterung der Anzeigepflichten wäre im Übrigen auch unter Berücksichtigung
des § 106 S. 1 GewO nicht wirksam. Auch soweit ein Direktionsrecht des Arbeitgebers
besteht, ist dieses nicht frei. Vielmehr hat der Arbeitgeber billiges Ermessen zu
verwahren, was voraussetzt, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen
und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Ob dies
geschehen ist, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (BAG 23.01.1992 - 6 AZR 87/90 -
NZA 1992, 795; 19.06.1985 - 5 AZR 57/84 - AP § 4 BAT Nr. 11; 24.04.1996 - 5 AZR
1031/94 - NZA 1996 1088). Hierbei muss der Arbeitgeber darlegen und gegebenenfalls
beweisen, dass seine Entscheidung billigem Ermessen entspricht (BAG 17.01.2006 - 9
AZR 226/05 - NZA 2006, 1064; 13.03.2007 - 9 AZR 433/06 - NZA-RR 2008, 504).
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Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Anweisung vom 26.06.2007, im Falle der
Arbeitsunfähigkeit sei neben der Anzeige gegenüber dem direkten Vorgesetzten auch
eine weitere Anzeige erforderlich, dem billigem Ermessen entsprach. Vielmehr drängt
sich für die Kammer auf, dass das von der Beklagten begehrte Ergebnis, dass auch die
Gehaltssachbearbeitung unverzüglich von der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers
informiert wird, ohne weiteres auch dadurch erreicht werden könnte, dass der direkte
Vorgesetzte, nachdem er die Anzeige des Mitarbeiters entgegengenommen hat, den
zuständigen Gehaltssachbearbeiter informiert. Hierfür spricht vor allem, dass der direkte
Vorgesetzte bei Entgegennahme der Anzeige arbeitsfähig ist und die Beklagte daher
ihm ohne weiteres diese Verpflichtung auferlegen kann.
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C.Der Beklagten war im Hinblick auf den Schriftsatz des Klägers vom 26.11.2008 auch
kein Schriftsatznachlass zu gewähren. Auf das tatsächliche Vorbringen des Klägers in
diesem Schriftsatz kam es bei der Entscheidung nicht an. Soweit der Beklagtenvertreter
in der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2008 erklärte, die Frage der Wirksamkeit der
Anweisung vom 26.06.2007 im Hinblick auf die Anordnung der doppelten Anzeigepflicht
sei bislang nicht thematisiert worden, trifft dies nicht zu. Bereits im Schriftsatz vom
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20.10.2008 hat der Kläger darauf hingewiesen, dass der Beklagten kein Direktionsrecht
zustand, dem Kläger neben der Anzeige bei seiner Vorgesetzten eine weitere
Anzeigeverpflichtung aufzuerlegen. Auf diesen Schriftsatz hat die Beklagte, wenn auch
in diesem Punkt nur sehr kurz, bereits mit Schriftsatz vom 19.11.2008 erwidert.
II.
42
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG in Verbindung mit § 91
Abs. 1 S. 1 und 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
43
III.
44
Der Streitwert wurde mit einem Bruttomonatsgehalt für beide Abmahnungen angesetzt,
da beide Abmahnungen den identischen Sachverhalt betreffen.
45
IV.
46
Gründe, die Berufung im Besonderen zuzulassen gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG, lagen
nicht vor.
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Rechtsmittelbelehrung
48
Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
49
B e r u f u n g
50
eingelegt werden.
51
Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
52
Die Berufung muss
53
innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
54
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax:
0211 7770 2199 eingegangen sein.
55
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
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Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
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1.Rechtsanwälte,
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2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
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3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich
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die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder
eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der
Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
62
K.
63