Urteil des ArbG Dortmund vom 23.08.2006

ArbG Dortmund: venire contra factum proprium, portugal, örtliche zuständigkeit, gespräch, geschäftsführer, arbeitsgericht, arbeitsentgelt, gehalt, abrede, rechtswahl

Arbeitsgericht Dortmund, 9 Ca 4219/05
Datum:
23.08.2006
Gericht:
Arbeitsgericht Dortmund
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 Ca 4219/05
Rechtskraft:
Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei B e r u f u n g
eingelegt wer-den. Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein
Rechtsmittel gegeben.
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.033,33 EUR brutto
abzüglich gezahlter 400,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5%-
Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2005 zu
zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.633,33 EUR festgesetzt
Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei B e r u f u n g
eingelegt werden. Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein
Rechtsmittel gegeben.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche der Klägerin.
2
Die Beklagte erbringt Dienstleistungen im Bereich der Rationalisierung und Automation.
Sie beabsichtigte, in Portugal eine Geschäftsstelle zu errichten. Die Klägerin lebt in
Portugal und inserierte im Februar 2005 eine Stellenanzeige bei der Deutsch-
Portugiesischen Industrie- und Handelskammer in Lissabon. Daraufhin ersuchte die
Beklagte die Klägerin um Zuleitung von Bewerbungsunterlagen.
3
Am 09.04.2005 fand zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten sowie der Klägerin
und ihrem Ehemann ein Gespräch im Hotel Sheraton in Lissabon statt. Der
Geschäftsführer der Beklagten teilte der Klägerin mit, dass die Beklagte eine
Mitarbeiterin für das Büro in Lissabon sucht. Nach einem weiteren Gespräch, das am
11.04.2005 zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer der Beklagten stattfand,
erhielt die Klägerin Schlüssel für die Büroräume, die die Beklagte in Lissabon
angemietet hatte. Der Geschäftsführer der Beklagten begab sich mit der Klägerin in die
4
Büroräumlichkeiten, in denen sich auch eine Anwaltskanzlei befand. Der
Geschäftsführer der Beklagten bat die Klägerin, das Gespräch mit dem anwesenden
Anwalt Herrn Vito Machado und der Empfangsdame zu übersetzen. In der Folgezeit
veranlasste die Klägerin, dass in den Büroräumen Möbel aufgestellt werden. Außerdem
übersetzte sie den Mietvertrag über die Büroräumlichkeiten in die deutsche Sprache.
Vereinbarungsgemäß flog die Klägerin am 26.04.2005 nach Dortmund, um in der
Zentrale der Beklagten deren Struktur und Tätigkeit kennen zu lernen. Die Klägerin
sollte insbesondere mit dem Betriebssystem "Harmony" vertraut gemacht werden, das
die Beklagte nutzt. Am 04.05.2005 wurde der Klägerin der Entwurf eines
Arbeitsvertrages vorgelegt, den die Klägerin allerdings nicht unterzeichnete. Wegen des
näheren Inhalts des Entwurfs wird auf die Ablichtung verwiesen, die die Beklagte als
Anlage mit dem Schriftsatz vom 17.02.2006 zu den Gerichtsakten gereicht hat (Bl. 145 ff.
d.A.). Die Klägerin hielt sich bis zum 13.05.2005 in Dortmund auf. Die Klägerin hat dann
die Schlüssel für das Dortmunder Büro zurück gegeben und Handakten für das Büro in
Portugal nicht mitgenommen.
5
Die Beklagte teilte der Klägerin am 17.05.2005 per Telefax mit, dass sie die
Kennlernphase als beendet ansieht; mit einer E-Mail vom 02.06.2005 ließ die Beklagte
die Klägerin wissen, dass ein Vertrag nicht abgeschlossen worden sei. Die Beklagte
zahlte an die Klägerin 400,00 EUR netto. Mit der Klage fordert die Klägerin
Arbeitsvergütung für den Zeitraum vom 11.04.2005 bis zum 02.06.2005 ein.
6
Die Klägerin vertritt die Auffassung, zwischen den Parteien sei ein Arbeitsvertrag auf der
Basis eines monatlichen Bruttoentgelts in Höhe von 1.750,00 EUR abgeschlossen
worden. Die Klägerin behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe im Verlauf des
Gesprächs vom 09.04.2005 ein Gehalt in Höhe von 1.800,00 EUR angeboten; bei dem
Gespräch vom 11.04.2005 sei dann eine Einigung darüber zustande gekommen, dass
das Gehalt 1.750,00 EUR betragen und das Arbeitsverhältnis sofort in Vollzug gesetzt
werden solle. Die Klägerin behauptet, sie habe seit dem 11.04.2005
büroorganisatorische Tätigkeiten für die Beklagte durchgeführt. Sie habe Informationen
eingeholt über einen eigenständigen Internetanschluss für die Büroräume in Portugal;
sie habe sich bei der portugiesischen Industrie- und Handelskammer über eine
mögliche Mitgliedschaft informiert; sie habe einen Autostellplatz angemietet und
ortsansässige Firmen zur Verlegung der Steckdosen für den Computeranschluss
kontaktiert; sie habe zudem die Abrechnungen der Nebenkosten in Empfang genommen
und übersetzt. Den Arbeitsvertragsentwurf, der ihr am 04.05.2005 vorgelegt wurde, habe
sie nicht unterschrieben, da der Entwurf abredewidrig nicht die Zahlung eines 13. und
14. Einkommens vorgesehen habe. Nach Auffassung der Klägerin ist auf das
Vertragsverhältnis der Parteien deutsches Recht anwendbar.
7
Die Klägerin meint, die Beklagte sei verpflichtet, an sie für den Monat April 2005 ein
Entgelt in Höhe von 1.166,60 EUR zu zahlen, da sie im April 20 Tage gearbeitet habe.
Für den Monat Mai 2005 verlangt die Klägerin die Zahlung von 1.750,00 EUR. Für den
Monat Juni 2005 begehrt die Klägerin Entgeltzahlung für zwei Arbeitstage in Höhe von
116,66 EUR.
8
Die Klägerin beantragt,
9
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.033,33 EUR brutto abzüglich
gezahlter 400,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem
10
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Die Beklagte meint, das Arbeitsgericht Dortmund sei für die Entscheidung des
Rechtsstreits nicht zuständig, da die Klägerin für die rechtlich selbstständige
Geschäftsstelle der Beklagten in Portugal habe tätig werden sollen. Die Beklagte vertritt
ferner die Auffassung, auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien sei
portugiesisches Recht anzuwenden.
13
Nach Ansicht der Beklagten steht der Klägerin die Klageforderung nicht zu, da eine
endgültige Einstellung der Klägerin erst dann habe erfolgen sollen, wenn sich die
Beklagte über die Qualifikationen der Klägerin einen ersten Eindruck habe verschaffen
können. Die Beklagte behauptet, dass dies der Klägerin im Verlauf des Gesprächs vom
09.04.2005 auch mitgeteilt worden sei; bei diesem Gespräch sei der Klägerin ein Gehalt
von 1.700,00 bis 1.800,00 EUR in Aussicht gestellt worden, die Klägerin habe dann im
Gespräch vom 11.04.2005 weitere Vorstellungen geäußert. Im Zusammenhang mit dem
Aufenthalt der Klägerin in Deutschland hätten die Parteien eine kostenlose
Einarbeitungsphase von 5 Tagen vereinbart. Die Einarbeitungszeit sei dann um eine
Woche verlängert worden, weil die Klägerin die Arbeitsaufgaben nicht verstanden habe.
Nachdem der Klägerin zugesagt worden sei, für ihre Tätigkeit in Deutschland 400,00
EUR zu erhalten, habe die Klägerin der Verlängerung der Einarbeitungsphase
uneingeschränkt zugestimmt. Für den Tag des Abfluges der Klägerin sei vereinbart
gewesen, dass die Klägerin ihre Erkenntnisse und ihre angedachte Vorgehensweise in
Gegenwart der Personalsachbearbeiterin und eines weiteren Beraters der Beklagten
präsentieren sollte. Während der Präsentation habe die Klägerin erkannt, dass sie der
Arbeit nicht gewachsen sei. Sie habe erklärt, nicht für die Beklagte in Portugal tätig
werden zu wollen.
14
Mit der Klägerin sei zuvor eine Abrede dahin getroffen worden, dass die Klägerin im
Rahmen eines sogenannten Anbahnungsverhältnisses die Geschäftsabläufe und das
Unternehmen der Beklagten in Dortmund zunächst kennen lernen sollte. Die Klägerin
habe auch die von der Beklagten eingesetzte EDV kennen lernen sollen.
15
Im Hinblick auf die Tätigkeit der Klägerin in Portugal behauptet die Beklagte, die
Klägerin sei zwar in den Büroräumen gewesen und habe eigenmächtig den Mietvertrag
übersetzt; eine weitere Tätigkeit sei für sie allerdings nicht möglich gewesen, da eine
Büroausstattung nicht vorhanden gewesen sei. Weisungen im Hinblick auf die
Ausübung weiterer Tätigkeiten habe die Klägerin nicht erhalten. Der Klägerin sei nach
ihrer Rückkehr in Portugal vielmehr verboten worden, die dortigen Büroräume der
Beklagten zu betreten.
16
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
17
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18
I.
19
Die Klage ist begründet.
20
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 3.033,33 EUR
brutto abzüglich gezahlter 400,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2005 zu.
21
1.
22
Das Arbeitsgericht Dortmund ist für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig.
23
Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich gem. § 17 abs. 1 S. 1 ZPO daraus, dass sich der
Sitz der Beklagten in Dortmund befindet. Demgegenüber befindet sich keine "rechtlich
selbstständige Niederlassung" der Beklagten in Portugal. Die Beklagte hat lediglich ihre
Geschäftsstelle in Portugal im dortigen Handelsregister angemeldet und von den
zuständigen Behörden registrieren lassen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte
etwa eine rechtlich selbstständige Tochtergesellschaft in Portugal gegründet hat, für die
die Klägerin hätte tätig werden sollen.
24
2.
25
Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Arbeitsentgelts folgt aus dem Arbeitsvertrag,
den die Parteien abgeschlossen haben, in Verbindung mit § 611 Abs. 1 BGB.
26
a)
27
Die Parteien haben einen Arbeitsvertrag abgeschlossen und vereinbart, dass die
Klägerin gegen ein monatliches Entgelt in Höhe von 1.750,00 EUR brutto seit dem
11.04.2005 für die Beklagte tätig wird. Das ergibt sich aus dem beiderseitigen
Parteivorbringen.
28
Die Klägerin hat vorgetragen, die Parteien hätten am 11.04.2005 eine Einigung dahin
erzielt, dass die Klägerin für die Beklagte gegen ein Entgelt in Höhe von 1.750,00 EUR
brutto tätig werden sollte und dass das Arbeitsverhältnis sofort in Vollzug gesetzt wird.
Das muss im Ergebnis als zwischen den Parteien unstreitig gelten. Die Beklagte ist dem
Vorbringen der Klägerin nicht hinreichend substantiiert entgegen getreten. Sie hat ihre
prozessuale Erklärungspflicht nicht ausreichend erfüllt.
29
Gemäß § 138 Abs. 1 ZPO haben die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche
Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO
hat jede Partei sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Die
klagende Partei muss zunächst ihre Darlegungslast erfüllen und die Umstände
wiedergeben, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen der begehrten
Rechtsfolge ergeben. Dem Gegner trifft dann die Pflicht zur konkreten Erwiderung nach
§ 138 Abs. 2 ZPO. Die Erklärungslast des Gegners ist in Bestehen und Umfang davon
abhängig wie die darlegungspflichtige Partei vorgetragen hat. Trägt sie alle zur
Begründung des behaupteten Rechts erforderlichen Tatsachen vor, konkretisiert die
Tatsachen aber nicht näher, so kann sich der Prozessgegner auf einfaches Bestreiten
beschränken. Es ist dann die Sache der klagenden Partei, die anspruchsbegründeten
Tatsachen konkretisierend darzulegen. Erfüllt die klagende Partei diese
Substantiierungslast, muss sich auch der Klagegegner substantiiert äußern (vgl. zu
diesen Grundsätzen Zöller-Greger, 25. Aufl. 2005, § 138 BGB Randnr. 8 f.).
30
In Anwendung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass die Klägerin jedenfalls die
Voraussetzungen für den stillschweigenden Abschluss eines Arbeitsvertrages konkret
dargelegt hat. Sie hat vorgebracht, dass die Parteien sich am 09.04. und am 11.04.2005
in Portugal trafen und über die Bedingungen eines Arbeitsvertrages sprachen. Dabei ist
das Rahmengeschehen zwischen den Parteien unstreitig geblieben, die Beklagte hat
lediglich in Abrede gestellt, dass die Parteien am 11.04.2005 sich auf ein Arbeitsentgelt
in Höhe von 1.750,00 EUR brutto monatlich einigten. Die Klägerin hat zudem dargelegt
(auch dies ist zwischen den Parteien unstreitig geblieben), dass sie schon am
11.04.2005 den Schlüssel für die Büroräumlichkeiten erhielt, die die Beklagte in
Lissabon nutzen wollte. Unstreitig zwischen den Parteien blieb ferner, dass die Klägerin
danach Tätigkeiten für die Beklagte entfaltete, nämlich jedenfalls den Mietvertrag
übersetzte und das Aufstellen der Büromöbel veranlasste. Schließlich bestätigt der
Inhalt des Arbeitsvertragsentwurfes, der der Klägerin, ebenfalls streitlos, am 04.05.2005
vorgelegt wurde, die Angaben der Klägerin zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Der
Arbeitsvertrag sieht unter § 4 ein monatliches Entgelt in Höhe von 1.750,00 EUR brutto
vor.
31
Die Beklagte ist dem Vorbringen der Klägerin zum Abschluss des Arbeitsvertrages nicht
hinreichend konkret entgegen getreten. Sie hat zwar bestritten, dass am 11.04.2005 ein
monatliches Entgelt in Höhe von 1.750,00 EUR vereinbart worden sei, jedoch
eingeräumt, dass der Klägerin am 09.04.2005 ein Gehalt in Höhe von 1.700,00 bis
1.800,00 EUR in Aussicht gestellt worden sei. Die Beklagte ist auch eine Erklärung
dafür schuldig geblieben, warum im Entwurf des Arbeitsvertrages, der der Klägerin
vorgelegt worden ist, das monatliche Entgelt gerade auf 1.750,00 EUR festgesetzt
worden ist. Da die Beklagte hierzu nichts vorgebracht hat, muss die Kammer davon
ausgehen, dass die Höhe des Entgelts auf einer vorherigen Vereinbarung der Parteien
beruht.
32
Vor allem aber hat die Beklagte nicht nachvollziehbar darzulegen vermocht, welche
(anderweitigen) Abreden die Parteien getroffen haben. Dass die Parteien überhaupt
vertragliche Absprachen getroffen haben müssen, ergibt sich aus Sicht der Kammer
schon daraus, dass die Klägerin am 11.04.2005 bereits den Schlüssel für die
Büroräumlichkeiten in Lissabon erhielt und danach – wenn auch in geringem Umfang –
tatsächlich für die Beklagte tätig geworden ist. Es ist nicht ersichtlich, was die Klägerin
hätte veranlassen sollen, eine solche Tätigkeit zu entfalten, wenn nicht eine
arbeitsvertragliche Vereinbarung zustande gekommen wäre. Erst recht wäre es
unverständlich, wenn die Klägerin ohne das Bestehen irgendeiner arbeitsvertraglichen
Vereinbarung sich weisungsgemäß 2 Wochen in Deutschland aufgehalten hätte, um die
Organisation und das EDV-System der Beklagten kennen zu lernen. Wenn die Beklagte
in diesem Zusammenhang vorbringt, es sei zwischen den Parteien eine "kostenlose
Einarbeitungsphase" oder ein "Anbahnungsverhältnis" vereinbart worden, so muss sie
sich entgegen halten lassen, dass diese Ausführungen ohne jede Substanz sind. Die
Beklagte legt nicht näher dar, wann die Parteien eine Vereinbarung des Inhalts getroffen
habe, dass ein "Anbahnungsverhältnis" begründet und die Klägerin unentgeltlich für die
Beklagte tätig werden sollte. Soweit die Beklagte vorträgt, die Klägerin habe ein solches
Angebot der Beklagten kommentarlos entgegen genommen, so ist hierzu zu sagen,
dass das Schweigen auf ein Vertragsangebot eine Annahmeerklärung darstellt. Gegen
die Begründung eines "Anbahnungsverhältnisses" ohne arbeitvertragliche Rechten und
Pflichten spricht allein schon die Tatsache, dass die Klägerin sich 2 Wochen in
Deutschland aufhielt, in dieser Zeit das EDV-System "Harmony" der Beklagten kennen
33
lernen sollte und am Ende des Aufenthalts eine Präsentation vorzunehmen hatte. Dies
alles sind Tätigkeiten, die üblicherweise zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses anfallen.
Soweit die Beklagte einwendet, die endgültige Einstellung der Klägerin habe erst nach
Feststellung ihrer Qualifikation erfolgen sollen, so mag es sein, dass es der Beklagten
unlieb war, sich arbeitsvertraglich an die Klägerin zu binden und die Klägerin zu
entlohnen, bevor deren Tüchtigkeit zuverlässig zu beurteilen war. Jedoch hat die
Beklagte die Klägerin wie eine Arbeitnehmerin behandelt, ihr Weisungen erteilt und sie
sowohl in Deutschland als auch in Portugal tätig werden lassen, so dass aufgrund der
Gesamtumstände vom stillschweigenden Abschluss eines Arbeitsvertrages auszugehen
ist.
Dieser Arbeitsvertrag wurde am 11.04.2005 in Vollzug gesetzt, als die Klägerin die
Schlüssel für das Büro in Portugal erhielt. Denn die Klägerin hat sowohl an diesem Tag
als auch in den Folgetagen Tätigkeiten für die Beklagte entfaltet, nämlich
Übersetzungstätigkeiten und büroorganisatorische Tätigkeiten.
34
b)
35
Das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis unterliegt dem deutschen
Recht.
36
Nach Artikel 30 Abs. 2 EGBGB unterliegen Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse
mangels einer Rechtswahl dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in
Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, es sei denn, dass sich aus
der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis
engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist; in diesem Fall ist das Recht
dieses anderen Staates anzuwenden. Die Parteien habe keine ausdrückliche
Rechtswahl im Sinne des Artikel 27 Abs. 1 S. 1 EGBGB getroffen. Sie haben nicht
ausdrücklich klargestellt, ob für das Arbeitsverhältnis das portugiesische oder das
deutsche Recht gelten soll. Allerdings kann die Rechtswahl auch stillschweigend
gemäß Artikel 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB erfolgen oder sich aus der "Gesamtheit der
Umstände" gemäß Artikel 30 Abs. 2 S. 1 EGBGB ergeben. Nach den Umständen des
Streitfalls ist davon auszugehen, dass Deutsches Recht Anwendung findet. Dafür
spricht zunächst, dass die Beklagte ihren Sitz in Deutschland hat und die Klägerin zur
Einarbeitung sich gerade am Sitz der Beklagten in Deutschland einzufinden hatte. Zwar
sollte die Klägerin in Portugal tätig werden, jedoch erhielt sie die maßgeblichen
Weisungen aus Deutschland; die Parteien haben auch ausschließlich in deutscher
Sprache korrespondiert. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Arbeitsverhältnis dem
Deutschen Arbeitsrecht unterliegen sollte, lässt sich dem Vertragsentwurf vom
04.05.2005 entnehmen. Der Vertragsentwurf weist einen eindeutigen Bezug zu den
Bestimmungen des deutschen Arbeitsrechts auf. Dies gilt für die Regelungen der
Kündigungsfristen (§ 1 Ziff. 3 des Vertrages), für die Arbeitszeit (§ 5 des Vertrages), für
die Urlaubsregelung (§ 6 des Vertrages) und für die Bestimmungen im Hinblick auf
Entgeltfortzahlung bei Krankheit (§ 7 des Vertrages). Die Beklagte muss sich an dem
von ihr vorgelegten Vertragsentwurf festhalten lassen. Die Beklagte handelt
rechtsmissbräuchlich gemäß § 242 BGB (venire contra factum proprium), wenn sie
zunächst der Klägerin einen solchen Vertrag nach deutschem Arbeitsrecht vorlegt und
anschließend in Abrede stellt, dass die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien dem
deutschen Recht unterfallen soll.
37
c)
38
Die Klägerin kann von der Beklagten Arbeitsentgelt für 20 Arbeitstage im April (11.04.-
30.04.2005) in Höhe von 1.166,60 EUR brutto verlangen (1.750,00 € : 30 Tage x 20
Tage). Für Mai 2005 steht der Klägerin das vereinbarte Entgelt in Höhe von 1.750,00
EUR brutto in voller Höhe zu. Für den Monat Juni 2005 muss die Beklagte Entgelt für 2
Arbeitstage in Höhe von 116,66 EUR brutto zahlen, da die Klägerin sich insoweit auf
diese Teilforderung beschränkt hat (1.750,00 € : 30 Tage x 2 Tage).
39
Die Beklagte kann demgegenüber nicht mit Erfolg einwenden, die Klägerin habe die
geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht. Nach dem Abschluss des Arbeitsvertrages
ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer für jeden Arbeitstag Arbeit
zuzuweisen. Geschieht dies nicht, so geht der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers nicht
etwa unter. Vielmehr ist der Arbeitgeber aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges
weiterhin zur Entgeltzahlung verpflichtet (§ 615 S. 1 BGB). Nach dieser Vorschrift steht
der Klägerin das Arbeitsentgelt auch für die Arbeitstage, an denen sie keine
Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht hat, als Annahmeverzugsvergütung zu. Die
Beklagte befand sich nämlich insoweit mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug.
Sie hat nicht vorgetragen, dass die Klägerin zugewiesene Arbeiten nicht erledigte. Es ist
schon nicht ersichtlich, dass die Beklagte der Klägerin überhaupt Arbeiten zugewiesen
hat.
40
3.
41
Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 ZPO.
42
Die Beklagte befindet sich jedenfalls seit dem 01.07.2005 im Verzug mit der
Entgeltzahlung. Das Arbeitsentgelt war gemäß § 614 S. 2 BGB zum Monatsletzten fällig,
da die Leistungszeit kalendermäßig bestimmt ist, bedurfte es für den Eintritt der
Verzugsfolgen gemäß § 286 Abs. 2 Ziff. 1 BGB keiner Mahnung.
43
II.
44
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
45
Die Beklagte unterlag im Rechtsstreit und muss die Kosten tragen.
46
III.
47
Der Streitwert wurde in Höhe des eingeforderten Betrages festgesetzt.
48
Dr. Jansen
49