Urteil des ArbG Dortmund vom 12.02.2009

ArbG Dortmund: treu und glauben, strafanzeige, aufhebungsvertrag, berufliche tätigkeit, widerklage, gespräch, schwangerschaft, arbeitsgericht, anfechtung, straftat

Arbeitsgericht Dortmund, 4 Ca 4594/08
Datum:
12.02.2009
Gericht:
Arbeitsgericht Dortmund
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 Ca 4594/08
Nachinstanz:
Landesarbeitsgericht Hamm, 3 Sa 426/09 - 22.07.09 Berufung
zurückgewiesen / BAG Erfurt 3 AZR 155/10
Schlagworte:
Ausbildungsverhältnis, Schwangerschaft, Aufhebungsvertrag,
Anfechtung wegen Drohung, Kündigung
Normen:
§ 9 MuSchG; § 123 BGB
Tenor:
Es wird festgestellt, dass das Ausbildungsverhältnis zwischen den
Parteien
weder durch die Kündigung der Beklagten vom 04.09.2008 noch durch
den
Aufhebungsvertrag vom 01.10.2008 beendet worden ist.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1 520,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
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Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung und über die Wirksamkeit
eines Aufhebungsvertrages.
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Die am 14.06.1985 geborene Klägerin war ab dem 01.07.2008 im Rahmen eines
Berufsausbildungsvertrages bei der Beklagten zu einem monatlichen Bruttoverdienst
von 380,00 Euro beschäftigt.
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Mit Schreiben vom 04.09.2008 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien
bestehende Ausbildungsverhältnis mit sofortiger Wirkung. Die Klägerin widersprach der
Kündigung ihres Ausbildungsverhältnisses mit Schreiben vom 13.09.2008 unter
Hinweis auf § 9 MuSchG. Nach der zur Akte gereichten ärztlichen Bescheinigung vom
18.09.2008 (Bl. 15 d.A.) befand sich die Klägerin in der 6. Schwangerschaftswoche. Mit
ihrer am 24.09.2008 bei Gericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die
von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung gewandt und zugleich den Antrag auf
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Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor dem Schlichtungsausschuss der
Rechtsanwaltskammer gestellt.
Nachdem die Klägerin von der Beklagten zur Arbeit aufgefordert worden war, wurde der
Beklagten durch die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt, die Klägerin
würde ihre Arbeit wieder aufnehmen, was letztlich am Dienstag, dem 30.09.2008
geschah. Unter welchen Umständen die Klägerin sodann am 30.09.2008 und am
01.10.2008 bei der Beklagten arbeitete, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls
erschienen am 01.10.2008 in den Kanzleiräumen der Beklagten zwei Polizeibeamte.
Der Vater der Klägerin, der kurz nach dem Verschwinden der Polizeibeamten ebenfalls
erschien, behauptete, seine Tochter sei in einer Abstellkammer eingeschlossen und
drohte mit einer Strafanzeige. Nachdem die Polizeibeamten und der Vater der Klägerin
die Büroräume verlassen hatten, fand ein Gespräch mit der Klägerin und Rechtsanwalt
V1 statt, über dessen Dauer und Ablauf die Parteien im Einzelnen streiten. Der Klägerin
wurde vorgehalten, dass sie dafür gesorgt habe, dass die Polizei mit einer falschen
Beschuldigung einer Freiheitsberaubung in die Kanzlei gerufen worden sei. Unstreitig
wurde die Klägerin dann in dem Gespräch darauf hingewiesen, im Falle einer
Strafanzeige könne diese Angelegenheit auch für den Vater der Klägerin Folgen haben.
Es wurde wegen dieses Vorfalls von einer Strafanzeige gesprochen. Die Parteien
unterzeichneten sodann einen Aufhebungsvertrag (Bl. 21 d.A.). Ferner verpflichteten
sich die Rechtsanwälte L1 und V1 keine Strafanzeige gegen die Klägerin und ihren
Vater zu stellen. Die Klägerin hat den Aufhebungsvertrag mit Schreiben vom 13.10.2008
(Bl. 47 d.A.) angefochten mit der Begründung, ihr sei damit gedroht worden, für den Fall
der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrages sowohl gegen sie als auch gegen
ihren Vater Anzeige zu erstatten und lediglich für den Fall der Unterzeichnung des
Aufhebungsvertrages hierauf zu verzichten.
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In seiner Sitzung vom 29.10.2008 hat der Schlichtungsausschuss der
Rechtsanwaltskammer festgestellt, dass ein Beschluss nicht möglich ist (Bl. 25, 26 d.A.).
Der zwischenzeitlich von der Beklagten gestellte Antrag vom 15.09.2008 auf
Zulässigkeitserklärung zur Kündigung des Ausbildungsverhältnisses mit der Klägerin
gem. § 9 Abs. 3 MuSchG wurde durch die Bezirksregierung A2 abgelehnt. Auf den Inhalt
der Entscheidung vom 05.11.2008 (Bl. 49 – 53 d.A.) wird verwiesen.
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Mit ihrem am 12.11.2008 bei Gericht eingegangenen Klageerweiterungsantrag hat die
Klägerin sodann die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Aufhebungsvertrages
vom 01.10.2008 begehrt und die Beklagte mit ihrer am 05.11.2008 bei Gericht
eingegangenen Widerklage die Feststellung, dass das zwischen den Parteien
bestehende Ausbildungsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag vom 01.10.2008
beendet wurde.
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Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien weder durch
die Kündigung vom 04.09.2008 noch durch den Aufhebungsvertrag vom 01.10.2008
beendet worden ist. Sie behauptet, bei Arbeitsaufnahme am 30.09.2008 sei es so
gewesen, dass sie in ein Zimmer gesetzt worden sei, keinerlei berufliche Tätigkeit habe
ausüben dürfen und den Raum nur zum Toilettengang habe verlassen können. Am
Abend des 30.09.2008 habe sie dann ihrer Mutter Mitteilung darüber gemacht, wie sie
sich behandelt fühlte. Sie habe gegenüber ihrer Mutter erwähnt, dass sie sich
eingesperrt gefühlt habe, mit ihrem Vater habe sie nicht gesprochen. Dieser sei vielmehr
von ihrer Mutter informiert worden, die offensichtlich davon ausgegangen sei, sie – die
Klägerin – sei im Wortsinn eingesperrt worden. Dies habe dann ihren Vater bewogen,
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die Polizei zu rufen und gegenüber der Polizei zu behaupten, sie sei in einem
"geschlossenen Zimmer" eingesperrt. Bei dem Gespräch am 01.10.2008 sei ihr von
Rechtsanwalt V1 erklärt worden, wenn sie den Aufhebungsvertrag nicht unterschreibe,
werde strafrechtlich gegen ihren Vater vorgegangen. Ihre Bitte, mit ihrer
Prozessbevollmächtigten oder ihrem Vater zu telefonieren oder aber die Nacht darüber
zu schlafen, sei abgelehnt worden. Da sie durch den gerade stattgefundenen Vorfall
unter Schock gestanden habe, habe sie sich gezwungen gefühlt, den
Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Die Klägerin meint, der Schutz der werdenden
Mutter würde vorliegend völlig umgangen, wenn auf der einen Seite es nur mit
Zustimmung der Bezirksregierung möglich wäre, das Ausbildungsverhältnis mit einer
Schwangeren zu beenden, es andererseits aber möglich sein solle, das
Ausbildungsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag zu beenden, der durch das
Verhalten der Beklagten veranlasst worden sei. Gerade in der besonderen Situation der
Schwangerschaft habe der Klägerin wenigstens die Möglichkeit gegeben werden
müssen über den Aufhebungsvertrag nachzudenken, was nicht geschehen sei. Auch
die Tatsache, dass die Beklagten die entsprechende "Bescheinigung" ihren Vater und
sie selbst nicht anzuzeigen, abgegeben haben, spreche insoweit für sich und zeige
eindeutig, dass insoweit der Aufhebungsvertrag von einer Gegenleistung abhängig
gemacht worden sei.
Die Klägerin beantragt,
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festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis zwischen den Parteien weder
durch die Kündigung der Beklagten vom 04.09.2008 noch durch den
Aufhebungsvertrag vom 01.10.2008 beendet worden ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen
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und beantragt widerklagend,
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festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis zwischen den Parteien durch den
Aufhebungsvertrag vom 01.10.2008 beendet worden ist.
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Die Klägerin beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Rechtswidrigkeit des Verhaltens beim
Abschluss des Aufhebungsvertrages und davor erschließe sich nicht. Vielmehr sei die
Drohung mit einer Strafanzeige dann rechtmäßig, wenn das Begehren des Drohenden
mit einer Straftat im inneren Zusammenhang stehe. Für Rechtsanwalt V1 habe sich zum
Zeitpunkt des Gespräches über den Aufhebungsvertrag die Angelegenheit so
dargestellt, dass die Klägerin ihren Vater veranlasst hatte, dass dieser eine
unberechtigte Anzeige bei der Polizei auf den Weg brachte. Rechtsanwalt V1 habe sehr
deutlich von einer Strafanzeige gesprochen wegen des Vorfalls, allerdings ohne sich
insoweit festzulegen, dass diese Strafanzeige gegen eine bestimmte Person gerichtet
werde. Insoweit sei es falsch, dass angedroht worden sei, dass gegen den Vater und die
Klägerin Anzeige erstattet werde. Rechtsanwalt V1 sei vielmehr selbstverständlich
davon ausgegangen, dass insoweit in erster Linie die Klägerin durch eine solche
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Strafanzeige als verdächtige Person betroffen sein würde. Die Beklagte meint, die für
ein intaktes Ausbildungsverhältnis als personengebundenes Dauerschuldverhältnis
unabdingbare Voraussetzung eines Mindestmaßes an gegenseitigem Vertrauen
könnten an das zwischen den Parteien bestehende Ausbildungsverhältnis angesichts
des Verhaltens der Klägerin nicht mehr gestellt werden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der von ihnen geäußerten
Rechtsauffassungen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet, die Widerklage unbegründet.
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I.
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Das Ausbildungsverhältnis zwischen den Parteien ist nicht durch die Kündigung der
Beklagten vom 04.09.2008 während der Probezeit ohne Einhaltung einer
Kündigungsfrist beendet worden. Die Kündigung ist unzulässig.
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1.
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Die Kündigung gilt nicht gem. § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Die
Klägerin hat die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung rechtzeitig geltend gemacht. Sie
hat die dreiwöchige Klagefrist nach § 4 S. 1 KSchG gewahrt. Die Kündigung wurde mit
Schreiben vom 04.09.2008 ausgesprochen. Die Kündigungsschutzklage ging am
24.09.2008 bei Gericht ein. Die Klägerin hat zudem den bei der Rechtsanwaltskammer
gebildeten Schlichtungsausschuss angerufen, der zwischenzeitlich einen Spruch gefällt
hat, § 111 Abs. 2 ArbGG.
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2.
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Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Feststellung, dass das Ausbildungsverhältnis
zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 04.09.2008
beendet worden ist, denn die Kündigung ist wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1
MuSchG unzulässig, da die Klägerin zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung
schwanger war und dies der Beklagten auch innerhalb zweier Wochen nach Zugang
der Kündigung mitgeteilt hat.
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II.
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Das Ausbildungsverhältnis zwischen den Parteien ist auch nicht durch den
Aufhebungsvertrag vom 01.10.2008 mit Wirkung zum 01.10.2008 beendet worden. Die
Klägerin hat den Aufhebungsvertrag vom 01.10.2008 wirksam angefochten.
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1.
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Gem. § 123 Abs. 1 BGB, dieser Anfechtungsgrund kommt allein in Betracht, kann
derjenige, der widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung
bestimmt worden ist, die Erklärung mit der Nichtigkeitsfolge des § 142 Abs. 1 BGB
anfechten. Eine Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB setzt objektiv die
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anfechten. Eine Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB setzt objektiv die
Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise
als von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird. Die Drohung mit einer
Strafanzeige ist nach allgemeiner Auffassung widerrechtlich, wenn das Mittel, d.h. das
angedrohte Verhalten, oder der Zweck, d.h. die abgenötigte Willenserklärung, oder
jedenfalls die Verknüpfung von beidem widerrechtlich ist. Steht das Begehren des
Drohenden mit einer Straftat im inneren Zusammenhang ist die Drohung mit einer
Strafanzeige rechtmäßig. Es kommt – ebenso wie bei der Drohung mit einer fristlosen
Kündigung – darauf an, ob nach dem Gewicht des Vorwurfs ein verständiger
Arbeitgeber eine Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen würde. Ergibt das Ergebnis
der Gesamtwürdigung aller Umstände, dass die Androhung mit einer Strafanzeige zum
Zwecke der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses unter besonderer Berücksichtigung
der Belange des Bedrohten als auch des Drohenden, unangemessen ist, ist das
Verhalten des Drohenden rechtswidrig. Hat der Drohende an der Erreichung des
verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und
Glauben nicht mehr als ein angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks
anzusehen, so ist die Drohung widerrechtlich (vgl. BAG, Urteil vom 30.01.1986 – 2 AZR
196/85 - ; BAG, Urteil vom 22.10.1998 – 8 AZR 459/97 -; LAG Hamm, Urteil vom
30.11.1995 – 4 Sa 634/95 -; LAG Hamm, Urteil vom 20.11.2002 – 18 Sa 946/02 -).
2.
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Unter Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze war die Drohung der Beklagten
mit einer Strafanzeige als widerrechtlich anzusehen. Dabei geht die Kammer davon aus,
dass die Klägerin die im Gespräch am 01.10.2008 ausgesprochene Drohung von
Rechtsanwalt V1 im Hinblick auf etwaige Strafanzeigen nur so verstehen konnte, dass
nicht nur sie, sondern auch ihr Vater mit einer Strafanzeige rechnen müsse, auch wenn
die Beklagte vorträgt, es sei falsch, dass angedroht worden sei, gegen den Vater der
Klägerin und gegen die Klägerin selbst werde Strafanzeige erstattet.
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Da der Klägerin – zumindest – aber gesagt wurde, die Angelegenheit könne auch für
den Vater Folgen haben und von einer Strafanzeige die Rede war, ohne dass nach
Angaben der Beklagten sich Rechtsanwalt V1 insoweit auf eine bestimmte Person
festgelegt habe, zudem auch nach Abschluss des Aufhebungsvertrages von der
Beklagten die entsprechende Erklärung dahingehend abgegeben wurde, dass von einer
Strafanzeige gegen Vater und Klägerin Abstand genommen werde, ist davon
auszugehen, dass auch dem Vater der Klägerin bei Nichtunterzeichnung des
Aufhebungsvertrages aus Sicht der Klägerin Nachteile drohen würden. Dieses
Verhalten der Beklagten stellt sich nach Auffassung der Kammer als unangemessen
und damit als rechtswidrig da. Bei der Frage, inwieweit das Gewicht des erhobenen
Vorwurfs der Beklagten gegenüber der Klägerin und ggfls. ihrem Vater einen
verständigen Arbeitgeber veranlassen würde, eine Strafanzeige ernsthaft in Erwägung
zu ziehen, ist zu berücksichtigen, dass nur im Falle der Klägerin ein innerer
Zusammenhang mit dem Begehren des Drohenden auf Auflösung des
Ausbildungsverhältnisses und der Drohung mit einer Strafanzeige besteht. Im Falle der
Drohung mit einer Strafanzeige gegenüber dem Vater der Klägerin besteht ein derartiger
Zusammenhang überhaupt nicht, sodass die Mittel – Zweck – Relation insoweit als
widerrechtlich angesehen werden muss.
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Angesichts der Situation am 01.10.2008 wegen des Erscheinens zweier Polizeibeamter
und des Vaters der Klägerin in den Kanzleiräumen der Beklagten sowie angesichts der
Tatsache, dass die Klägerin, die im Übrigen zu diesem Zeitpunkt auch schon anwaltlich
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vertreten war, was der Beklagten bekannt war, schwanger war, hätte ein verständiger
Arbeitgeber zunächst einmal abgewartet und in Ruhe aufgeklärt, wer hinter der
Polizeiaktion stand und ob die Klägerin diese tatsächlich veranlasst hatte. Angesichts
des besonderen Schutzes der Schwangeren, welcher in § 9 Abs. 2 MuSchG
niedergelegt ist, ist die Drohung mit einer Strafanzeige mit dem Ziel der sonst nicht
möglichen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses mit der Klägerin nach Treu und
Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen.
Gem. § 9 Abs. 3 MuSchG ist nämlich nur in besonderen Fällen, wobei der besondere
Fall nicht mit dem wichtigen Grund des § 626 BGB gleich zu setzen ist, von der
Bezirksregierung in A2 eine Kündigung für zulässig zu erklären. Dieser besondere Fall
darf auch nicht mit dem Zustand der Schwangeren im Zusammenhang stehen. Gerade
im Hinblick auf diesen besonderen Schutz hätte ein verständiger Arbeitgeber zum Einen
weder der Klägerin mit "Folgen" für den Vater gedroht, noch ohne abschließende
Klärung das tatsächliche Fehlverhalten der Klägerin, begründet auch durch die
besondere Situation am 30.09.2008 und am 01.10.2008 unter Berücksichtigung der
Schwangerschaft der Klägerin, zum Anlass genommen, dieser mit einer Strafanzeige zu
drohen.
III.
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Ist nach alledem die von der Klägerin erklärte Anfechtung des Aufhebungsvertrages
gem. § 123 Abs. 1 BGB wirksam, so ist der Aufhebungsvertrag vom 01.10.2008 als von
Anfang an nichtig anzusehen. Die Widerklage war daher abzuweisen, denn der
Aufhebungsvertrag hat das zwischen den Parteien bestehende Ausbildungsverhältnis
nicht beendet. Soweit die Beklagte einwendet, dass für ein intaktes
Ausbildungsverhältnis als personengebundenes Dauerschuldverhältnis eine
unabdingbare Voraussetzung ein Mindestmaß an gegenseitigem Vertrauen notwendig
sei, diese Voraussetzung jedoch an das streitgegenständliche Ausbildungsverhältnis
nicht mehr gestellt werden könnten, spielt dies für die Frage der Wirksamkeit der
Anfechtung des Aufhebungsvertrages vom 01.10.2008 keine Rolle. Diese Fragen sind
vielmehr im Rahmen der von der Beklagten ins Auge gefassten Kündigung des
Ausbildungsverhältnisses zu klären.
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IV.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über den Streitwert gründet sich auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, §
42 Abs. 4 GKG, § 3 ZPO. Es wurden insgesamt vier Bruttomonatsverdienste der
Klägerin zugrunde gelegt.
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